Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger verlangt 200.000 Euro Entschädigung für gegen ihn nach G 10-Gesetz und BVerfSchG angeordneter und durchgeführter Überwachungs-, Aufzeichnungs- und sonstiger Beschränkungsmaßnahmen (Telekommunikation, Post, Gerätestandort u.a.), nachdem gegen ihn – so die Beklagte – ein Anschlagsverdacht bestanden habe (Zugang zu Chemikalien, Umgang in salafistischen Personenkreisen u.a.).
Die G 10-Kommission erklärte im Wege der nachträglichen Kontrolle die Beschränkungsmaßnahmen für rechtmäßig. Nach Information und rechtlichen Hinweisen erhob der Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Beklagte. Die Beklagte räumte vor dem Verwaltungsgericht die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen ein – mit dem Hinweis, dass sie aus Geheimhaltungsgründen nicht näher zu den Berechtigungen für die durchgeführten Maßnahmen vortragen könne. Der Kläger wie auch die Beklagte erklärten daraufhin das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht für erledigt.
Das Landgericht hat die Amtshaftungsklage abgewiesen. Das OLG hat die Beklagte zur Zahlung von 10.000 Euro nebst Zinsen verurteilt, wobei es davon ausging, dass der Staat für die Berechtigung von Eingriffen in durch Grundrechte geschützte Freiheitsbereiche die Darlegungs- und Beweislast trage und die Beklagte insoweit nicht ausreichend dargelegt habe, dass sie zu den Beschränkungsmaßnahmen berechtigt gewesen sei.
Der BGH hat auf die zugelassene Revision der Beklagten (Klärung der Frage zur Darlegungs- und Beweislast) das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Eine Amtspflichtverletzung stehe nach dem Urteil des OLG Hamm nicht fest.
Der Senat stellt in seiner intensiv und vielschichtig begründeten Entscheidung fest, dass „der Kläger darlegungs- und beweisbelastet (ist) dafür, dass ein Amtsträger der Beklagten amtspflichtwidrig gehandelt hat“. Entgegen OLG Hamm „indiziert“ ein Grundrechtseingriff auch nicht dessen Rechtswidrigkeit. Im Gegenteil sei von der aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden „Vermutung der Rechtmäßigkeit hoheitlicher Maßnahmen auszugehen“. Dies wird im Einzelnen intensiv ausgeführt, begründet und belegt. So folge weder aus der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten Zwingendes für die Verteilung in zivilrechtlich ausgestalteten Amtshaftungsverfahren noch indiziere die konkrete, besondere Art des Eingriffs unter Berücksichtigung der maßgeblichen Rechtsnormen die Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Auch der Umstand, dass die Beklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Rechtswidrigkeit – aus nachvollziehbaren Geheimhaltungsgründen – eingeräumt habe, führe nicht zur Verschiebung der Darlegungslast zugunsten des Klägers. Da der Kläger vorliegend die Amtspflichtwidrigkeit bislang schon nicht ausreichend dargetan habe, konnte das zusprechende Urteil des OLG Hamm keinen Bestand haben.
Dies auch unter Berücksichtigung, dass die Beklagte durchaus grundsätzlich eine sekundäre Darlegungslast habe. Diese ist jedoch beschränkt durch Zumutbarkeitsgesichtspunkte. Und der Beklagten war weiterer Vortrag nicht zuzumuten, da aus Geheimhaltungsgründen, Quellenschutz und vor allem wegen ausländischen Nachrichtendienstes zugesagter Vertraulichkeit („Third-Party-Rule“) die Offenbarung weiterer Einzelheiten zu Anlass und Durchführung der den Kläger betreffenden Maßnahmen Sicherheitsinteressen der Beklagten massiv schädigen würden. Der Kläger sei hierdurch auch nicht rechtlos gestellt (vgl. Art 19 Abs. 4 GG), da die konkreten Maßnahmen zum einen vor Anordnung von der Exekutive mehrfach geprüft werden und zum anderen ein gerichtsähnlicher Rechtsschutz durch die G 10-Kommission gewährleistet ist. Auch kann der Kläger – wie geschehen – die Maßnahmen durch Verwaltungsgerichte überprüfen lassen.
Der BGH prüft weiter, ob dem Kläger der vom Berufungsgericht ausgeurteilte Entschädigungsbetrag aus „Aufopferung“ zusteht. Zunächst bejaht er die grundsätzliche Entschädigungsfähigkeit für Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, dies auch unter Berücksichtigung der EMRK. Allerdings läge auf Grundlage des Klägervorbringens weder ein Sonderopfer des Klägers noch eine besondere Schwere des Eingriffs vor, so dass auch insoweit ein Anspruch ausscheide. Anderes könne aber dann gelten, wenn die Maßnahmen nachgewiesen rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen hätten, wobei die o.g. Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast auch für den Aufopferungsanspruch zu berücksichtigen seien.
In dem neuen Berufungsverfahren wird nach den Vorgaben des BGH auch zu berücksichtigen sein, dass in vorliegendem Amtshaftungsverfahren lediglich unvertretbares Handeln der Beklagten zur Haftung führt und dies auch unabhängig davon ist, ob ein Verwaltungsgericht das Handeln zuvor als „rechtswidrig“ eingestuft hat. Letzteres steht „der Reduzierung des Prüfungsmaßstabs bei der Beurteilung der Amtspflichtwidrigkeit im Amtshaftungsprozess auf eine Vertretbarkeit … nicht entgegen“.
Kontext der Entscheidung
Das Urteil steht in inhaltlichem Zusammenhang mit einigen Entscheidungen der Instanzgerichte, die zu unterschiedlichen Ergebnissen für die Darlegungs- und Beweislastverteilung bei und nach hoheitlich eingreifenden Maßnahmen (insbesondere der Polizei) kamen (vgl. Nachw. in der BGH-Entscheidung). Allein ein Grundrechtseingriff in diesen Fällen kann nun nach BGH nicht zu einer den Kläger begünstigenden Darlegungs- und Beweislastverteilung führen.
Der BGH setzt auch seine Linie fort, dass nicht nur bei richterlichem und staatsanwaltschaftlichem Handeln, sondern auch bei sonstigem behördlichen Verhalten haftungsauslösend nur unvertretbares Handeln ist, wenn ein Beurteilungsspielraum für die Behörde eröffnet ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.01.2024 - III ZR 57/23 - MDR 2024, 300, BaFin - Bilanzkontrolle). Das „Rechtswidrigkeitsurteil“ der Verwaltungsgerichte (im primären Rechtsschutzverfahren) ist damit nicht präjudiziell für nachfolgende Amtshaftungsverfahren in diesen Fällen.