juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BGH 1. Zivilsenat, Urteil vom 06.03.2025 - I ZR 32/24
Autor:Prof. Dr. Markus Würdinger
Erscheinungsdatum:04.04.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 656b BGB, § 242 BGB, § 810 BGB, § 138 ZPO, § 656a BGB, § 13 BGB, § 656c BGB
Fundstelle:jurisPR-BGHZivilR 7/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Markus Würdinger, Universität Passau
Zitiervorschlag:Würdinger, jurisPR-BGHZivilR 7/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Einfamilienhaus und Beauftragung durch Dritte im neuen Maklerrecht



Leitsätze

1. Um ein Einfamilienhaus i.S.d. §§ 656a ff. BGB handelt es sich, wenn der Erwerb des nachzuweisenden oder zu vermittelnden Objekts für den Makler bei Abschluss des Maklervertrags mit dem Erwerber erkennbar Wohnzwecken der Mitglieder eines einzelnen Haushalts dient.
2. Der Annahme, dass ein Einfamilienhaus Wohnzwecken dient, steht nicht entgegen, dass darin eine Einliegerwohnung oder eine anderweitige gewerbliche Nutzungsmöglichkeit von jeweils nur untergeordneter Bedeutung (hier: ein 1/5 der Gesamtfläche umfassender Büroanbau) vorhanden sind.
3. Die Vorschrift des § 656c BGB, die lediglich den Fall des Abschlusses von Maklerverträgen zwischen dem Makler einerseits und andererseits jeweils den Parteien des Hauptvertrags regelt, ist entsprechend anzuwenden, wenn anstelle einer Partei des Hauptvertrags ein Dritter den Maklervertrag abschließt.



A.
Problemstellung
Das „Gesetz über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser“ (MaklKostVertG), das am 23.12.2020 in Kraft getreten ist, hat den sog. „Halbteilungsgrundsatz“ normiert. § 656c Abs. 1 Satz 1 BGB sieht bei einer Tätigkeit des Maklers „für beide Parteien“ eine zwingende Parität der Provisionen vor. Diese Provisionsverteilung wird als eine faire Lösung bezeichnet (BT-Drs. 19/15827, S. 2 u. S. 12) und soll zu einer Absenkung der Erwerbsnebenkosten beitragen. Die Vorschrift gilt gemäß § 656b BGB nur, wenn der Käufer ein Verbraucher (§ 13 BGB) ist (persönlicher Anwendungsbereich). Hauptvertrag muss ein Kaufvertrag über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus sein (sachlicher Anwendungsbereich). Der BGH musste sich mit zwei grundlegenden Fragen befassen. Erstens: Wie ist ein Einfamilienhaus von einem Mehrfamilienhaus abzugrenzen? Kommt es auf eine objektive oder eine subjektive Betrachtung an? Schadet es, wenn eine gewerbliche Nutzungsmöglichkeit der Immobilie (von nur untergeordneter Bedeutung) besteht? Zweitens: Kommt § 656c BGB analog zur Anwendung, wenn anstelle einer Kaufvertragspartei ein Dritter den Maklervertrag abschließt (hier: die Ehefrau des Verkäufers anstelle des Verkäufers)?


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Die Klägerin ist als Maklerin tätig. Die Beklagten unterzeichneten am 09.07.2021 eine Courtagevereinbarung mit ihr, in der sie die Zahlung einer Provision von 3,57% inklusive gesetzlicher Mehrwertsteuer vom gesamten Wirtschaftswert des Vertrags versprachen. Die Klägerin wies den Beklagten ein Einfamilienhaus mit Anbau eines Büros und einer Garage nach. Der Büroanbau umfasst 1/5 der Gesamtfläche. Haus und Anbau verfügen jeweils über einen Eingang und eine Hausnummer. Die Beklagten kauften von dem Eigentümer mit Vertrag vom 22.07.2021 diese Immobilie zum Preis von 950.000 Euro. Die Klägerin war von der Ehefrau des Eigentümers mit der Vermarktung der Immobilie beauftragt worden. Dabei hatte sie mit dieser eine Provision vereinbart, die von der mit den Beklagten vereinbarten Provision abweicht.
II. Die Klage auf Zahlung von Maklerprovision i.H.v. 33.915 Euro nebst Zinsen blieb in allen Instanzen erfolglos. Der BGH führt aus, dass das Berufungsgericht den Maklervertrag zu Recht als unwirksam gemäß § 656c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB angesehen hat, weil die Klägerin sich nicht von der Ehefrau des Verkäufers und den als Verbraucher handelnden Käufern eine Provision in gleicher Höhe hat versprechen lassen.
1. In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht geht der BGH davon aus, dass das im Streitfall nachgewiesene Objekt ein Einfamilienhaus i.S.d. § 656c Abs. 1 Satz 1 BGB ist.
a) Um ein Einfamilienhaus handelt es sich nach dem BGH, wenn der Erwerb des nachzuweisenden oder zu vermittelnden Objekts für den Makler bei Abschluss des Maklervertrags mit dem Erwerber erkennbar Wohnzwecken der Mitglieder eines einzelnen Haushalts dient. Maßgebend sei nicht, ob eine Nutzung des Gesamtobjekts durch die Mitglieder eines einzelnen Haushalts nach der Beschaffenheit des Gebäudes unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung objektiv angelegt ist. Die Einordnung als Einfamilienhaus sei mit Blick auf den Wortlaut der Norm und den verbraucherschützenden Zweck der Regelung nach dem konkreten Erwerbszweck des Maklerkunden vorzunehmen.
b) Aus dem Gesamteindruck ergebe sich der Wohnzweck. Dem steht nach dem Senat nicht entgegen, dass das im Streitfall nachgewiesene Einfamilienhaus über den Anbau eines Büros und einer Garage mit einem eigenen Eingang und einer eigenen Hausnummer verfügt. Die anderweitige gewerbliche Nutzungsmöglichkeit sei bei einem Büroanbau, der 1/5 der Gesamtfläche ausmacht, nur von untergeordneter Bedeutung. Dies entspreche der Vorstellung des Gesetzgebers, dass das Vorhandensein einer weiteren Wohnung (etwa einer Einliegerwohnung) von untergeordneter Bedeutung für die Einordnung als Einfamilienhaus i.S.d. §§ 656a ff. BGB unschädlich ist (vgl. BT-Drs. 19/15827, S. 18).
2. Die Vorschrift des § 656c Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB erfasse auch den Fall, dass nicht der Verkäufer, sondern dessen Ehefrau den Maklervertrag geschlossen hat. Andernfalls wäre einer sachwidrigen Umgehung Tür und Tor geöffnet. Zwar regle § 656c Abs. 1 BGB lediglich den Fall des Abschlusses eines Maklervertrags zwischen dem Makler und jeweils den Parteien des Kaufvertrags, nicht jedoch den Abschluss des Maklervertrags mit einem Dritten anstelle einer Partei des Kaufvertrags. Diese Vorschrift sei jedoch analog anzuwenden. Der Zweck des § 656c BGB, Verbraucher davor zu schützen, dass Maklerkosten unter Ausnutzung ihrer aufgrund der Marktsituation geschwächten Verhandlungsposition in unbilliger Weise auf sie abgewälzt werden, sei unabhängig davon berührt, ob der Maklervertrag mit einer Kaufvertragspartei oder einem Dritten geschlossen wird. Es erweise sich als planwidrige Regelungslücke, dass die Vorschrift des § 656c BGB den Abschluss des Maklervertrags durch einen Dritten anstelle einer Partei des Hauptvertrags nicht erfasst. Auf ein besonderes Näheverhältnis zwischen der Kaufvertragspartei und dem an ihrer Stelle den Maklervertrag abschließenden Dritten komme es – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht an.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Der I. Zivilsenat setzt seine Rechtsprechung zu § 656c BGB aus dem Jahr 2024 fort. In diesem Judikat hat der BGH entschieden, dass eine sukzessive Doppelbeauftragung dergestalt möglich ist, dass der Makler zunächst nur mit einer Partei des Kaufvertrags eine Courtage vereinbart und anschließend mit der anderen Partei eine Provision in der gleichen Höhe (BGH, Urt. v. 21.03.2024 - I ZR 185/22 Rn. 33; dazu Thode, jurisPR-BGHZivilR 14/2024 Anm. 2; Würdinger, JZ 2024, 833, 834 f.).
II. Die praktische Wirksamkeit des Halbteilungsgrundsatzes sichert der BGH über einen Auskunftsanspruch des Kunden gegenüber dem Makler gemäß § 242 BGB und ggf. einen Anspruch auf Vorlage des mit dem anderen Maklerkunden abgeschlossenen Maklervertrags gemäß § 810 Fall 2 BGB ab (BGH, Urt. v. 21.03.2024 - I ZR 185/22 Rn. 53 ff.; dazu Thode, jurisPR-BGHZivilR 14/2024 Anm. 2; Würdinger, JZ 2024, 833, 835 ff.).
Im vorliegenden Fall hat der Maklerkunde keinen Auskunfts- bzw. Vorlageanspruch geltend gemacht. Der BGH betonte, dass der Klägerin (Maklerin) eine sekundäre Darlegungslast zur Höhe der mit der Ehefrau des Verkäufers vereinbarten Provision trifft, der sie nicht nachkam. Das Berufungsgericht habe es zu Recht als von der Klägerin mangels substanziierter Entgegnung gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden angesehen, dass die von der Ehefrau des Verkäufers versprochene Maklerprovision geringer ist als die von den Beklagten versprochene (Rn. 37).


D.
Auswirkungen für die Praxis
I. Zahlreiche Unter- und Obergerichte folgten bei der Abgrenzung zwischen einem Ein- und Mehrfamilienhaus einer objektiven Betrachtungsweise ex ante und verwiesen dabei auf die bessere praktische Handhabbarkeit sowie den Aspekt der Rechtssicherheit. Zu Recht folgt der BGH dieser Auffassung nicht (vgl. dazu Würdinger in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 656a BGB (Stand: 16.05.2024) Rn. 5 m.w.N.). Relevant wird die Streitfrage etwa bei einem Verkauf eines Hauses, das der Verkäufer als zwei Wohnungseigentumseinheiten verkaufen wollte, die aber der Käufer erkennbar nur mit seiner Familie nutzen möchte (OLG Schleswig, Urt. v. 01.03.2024 - 19 U 25/24 Rn. 26 ff.). Dieser Fall zeigt anschaulich, „dass der vorherige Nutzungszweck für die Einstufung nach § 656a BGB unerheblich ist. Sowohl der Verkäufer als auch der Makler wussten von Anfang an, dass es hier um die Suche nach Erwerbern von Wohneigentumseinheiten geht. Weshalb den Erwerbern, jeweils Verbraucher (§ 13 BGB), der Schutzbereich des neuen Provisionsrechts vorenthalten werden soll, erscheint nicht nachvollziehbar.“ (D. Fischer, NJW 2024, 1153, 1157 Rn. 27).
II. Der BGH stärkt zudem die praktische Wirksamkeit des sog. Halbteilungsgrundsatz und antwortet auf die Umgehung bzw. die Umgehungsgefahr bei einer Beauftragung eines Maklers durch einen Dritten mit der analogen Anwendung des § 656c BGB. Auch das verdient Zustimmung.



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen
Video Player is loading.
Current Time 0:00
Duration -:-
Loaded: 0%
Stream Type LIVE
Remaining Time -:-
Â
1x

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!