juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BGH 6. Zivilsenat, Urteil vom 23.01.2024 - VI ZR 230/22
Autor:Prof. Dr. Reinhold Thode, RiBGH a.D.
Erscheinungsdatum:28.06.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 307 ZPO, § 305c BGB, § 307 BGB
Fundstelle:jurisPR-BGHZivilR 13/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Markus Würdinger, Universität Passau
Zitiervorschlag:Thode, jurisPR-BGHZivilR 13/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Wirksamkeit einer AGB-Klausel: formularmäßige Abtretung eines Anspruchs auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen den Unfallgegner an den Sachverständigen



Leitsatz

Zur Wirksamkeit einer formularmäßigen Klausel, wonach der Geschädigte aufgrund der Abtretung seines Anspruchs auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen den Unfallgegner an den Sachverständigen nur dann auf Zahlung des Honorars in Anspruch genommen werden kann, wenn eine Durchsetzung des Anspruchs „nicht möglich“ ist.



Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Tritt der Unfallgeschädigte seinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen die Unfallgegner in Höhe des Honoraranspruchs des Sachverständigen an diesen ab, so regelt eine Klausel in dem Auftragsformular über die Abtretung der Ansprüche, wonach sich der Geschädigte aufgrund der Abtretung dieses Schadensersatzanspruchs nicht selbst an die Unfallgegner wenden muss und nur dann, wenn eine (vollständige) Durchsetzung des Anspruchs gegen diese nicht möglich ist, auf Zahlung des (Rest-)Honorars in Anspruch genommen werden kann, der Sache nach eine Abtretung erfüllungshalber unter Stundung der Honorarforderung des Sachverständigen. Die Regelung, nach der das Fehlschlagen dieser Verwertungsobliegenheit des Zessionars umschrieben wird mit den Worten: „wenn eine (vollständige) Durchsetzung des Anspruchs gegen die Anspruchsgegner nicht möglich ist“ verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB.
2. Dem Zessionar können grundsätzlich nur zumutbare Verwertungsmöglichkeiten entgegengehalten werden (Festhaltung BGH, Beschl. v. 16.10.2018 - II ZR 70/16).
3. Die genannte Klausel über das Fehlschlagen der Verwertungsmöglichkeiten ist im Hinblick auf die systematische Gesamtkonstruktion der Klausel auch nicht intransparent.



A.
Problemstellung
Der BGH hatte über die Wirksamkeit einer formularmäßigen Abtretungsklausel zu entscheiden, die in einem Auftrag des Geschädigten an den Sachverständigen zur Begutachtung der Schäden an einem Unfallfahrzeug enthalten ist, wonach der Geschädigte aufgrund der Abtretung seines Anspruchs auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen den Unfallgegner an den Sachverständigen nur dann auf Zahlung des Honorars in Anspruch genommen werden darf, wenn eine Durchsetzung des Anspruchs „nicht möglich“ ist (Ls. Rn. 13 f.). Der BGH hat sich in einer weiteren neueren Entscheidung mit der Frage befasst, ob eine entsprechende Abtretungsklausel wirksam ist (BGH, Urt. v. 23.01.2024 - VI ZR 357/22 - MDR 2024, 486 m. Anm. Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 13/2024 Anm. 2, in dieser Ausgabe).


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin ist eine sog. Verrechnungsstelle, die über eine Erlaubnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verfügt. Sie nimmt die Beklagte, einen Kfz-Haftpflichtversicherer, aus abgetretenem Recht auf Ersatz weiterer Sachverständigenkosten in Anspruch.
Nach einem Verkehrsunfall, der von dem Versicherungsnehmer der Beklagten jedenfalls mitverursacht wurde, beauftragte der Unfallgeschädigte ein Sachverständigenbüro mit der Begutachtung der Schäden an seinem Fahrzeug. Das Auftragsformular enthielt unter der Überschrift „Abwicklung der Vergütung des Sachverständigen; Abtretungen der Ansprüche“ u.a. folgende Regelungen:
Der Geschädigte tritt seinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs des SV (…) an den SV ab.
Durch diese Abtretung muss sich der Geschädigte nicht selbst an die Anspruchsgegner wenden. Nur dann, wenn eine (vollständige) Durchsetzung des Anspruchs gegen die Anspruchsgegner nicht möglich ist, kann der Geschädigte auf Zahlung des (Rest-)Honorars in Anspruch genommen werden, allerdings nur in Höhe des nicht regulierten Teilbetrags, und nur dann, wenn zuvor der vorstehend unter Ziff. 1 abgetretene Schadensersatzanspruch an den Geschädigten zurückabgetreten wurde.
Die Beklagte erstattete von den von der Klägerin geltend gemachten Sachverständigenkosten i.H.v. 612,13 Euro nur die Hälfte. Die Klage, mit der die Klägerin den Restbetrag nebst Zinsen geltend gemacht hat, hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 07.07.2022 - 3 S 136/21) mit im Wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen:
Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, es fehle schon an einer wirksamen (Erst-)Abtretung der Forderung von dem Geschädigten an den Sachverständigen. Ziffer 2 der Klausel sei wegen unangemessener Benachteiligung des Geschädigten, insbesondere wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot, gemäß § 307 Abs. 1 ZPO unwirksam. Die Klausel sei in ihrer Gesamtheit aufgrund der Regelung gleich mehrerer Rechtsverhältnisse überaus komplex, weshalb es einer besonders klaren und verständlichen Formulierung hinsichtlich der Voraussetzungen der Abtretungen und deren Rechtsfolgen bedürfe. Vor diesem Hintergrund sei Ziffer 2 intransparent, weil der Durchschnittskunde nicht mit der erforderlichen Sicherheit ermessen könne, wann die erste Bedingung seiner Haftung für den Werklohnanspruch des Sachverständigen eintrete, nämlich die Voraussetzung, dass die (vollständige) Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs gegen die Anspruchsgegner „nicht möglich“ sei. Hier kämen drei mögliche Varianten in Betracht, nämlich die erfolglose außergerichtliche Aufforderung der Anspruchsgegner zur Begleichung der Forderung, der erfolglose Versuch einer gerichtlichen Auseinandersetzung oder die fruchtlose Vollstreckung eines erwirkten Titels gegen die Anspruchsgegner. Nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung sei von der ungünstigsten ernsthaft in Betracht zu ziehenden Auslegungsvariante auszugehen, dass der Zessionar den Geschädigten schon dann in Anspruch nehmen könne, wenn nur ein außergerichtliches Aufforderungsschreiben scheitere.
Mit der Abtretungskonstruktion seien nicht unerhebliche Risiken für den Geschädigten verbunden, woraus sich für diesen eine unangemessene Benachteiligung ergebe. So könne der Schadensersatzanspruch vor der Honorarforderung des Sachverständigen verjähren. Eine Verpflichtung oder eine klare und verständliche Regelung, unter welchen Voraussetzungen vonseiten der Klägerin der Versuch einer (verjährungshemmenden) gerichtlichen Geltendmachung der Schadensersatzforderung unternommen werde, enthalte die Klausel nicht.
Aber auch in ihrer systematischen Gesamtkonstruktion genüge Ziffer 2 der Klausel dem Transparenzgebot nicht. Bereits der Einleitungssatz, wonach sich der Geschädigte nicht an den Anspruchsgegner wenden müsse, sei irreführend und intransparent, weil der Geschädigte vom Sachverständigen oder der Klägerin in verschiedenen Konstellationen gleichwohl in Anspruch genommen werden könne und sich dann doch noch an den Anspruchsgegner wenden müsse. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot folge zudem aus der Stellung der Ziffer 2. Eigentlich gehörten die Ziffern 1 und 3 zusammen, weil sie den Schadensersatzanspruch und dessen Abtretungen an den Sachverständigen und an die Klägerin beträfen. Dagegen befasse sich Ziffer 2 mit dem Werklohnanspruch des Sachverständigen gegen den Geschädigten. Die Differenzierung zwischen den einzelnen Rechtsverhältnissen sei angesichts der Stellung der Ziffer und deren Einleitungssatz für den juristischen Laien kaum zu leisten. Weiter werde durch Verwendung des Passivs („kann der Geschädigte … in Anspruch genommen werden“) bewusst offengehalten, wer der Zessionar sei, der den Geschädigten wegen des Werklohnanspruchs des Sachverständigen in Anspruch nehmen könne. Diese Unklarheit werde durch Ziffer 4 der Klausel noch verstärkt, denn es bleibe offen, wer feststelle, dass die Abtretung aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei oder sich die erste Abtretung als unwirksam erweise. Damit entstehe ein zeitlich unabsehbarer Schwebezustand, dessen Ende für den durchschnittlichen Verbraucher nicht absehbar sei. Schließlich sei für den Verbraucher allein aus der Formulierung der Ziffer 2 nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass er ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen könne, wenn die (intransparenten) Voraussetzungen seiner Inanspruchnahme durch den Zessionar nicht vorliegen. Ziffer 4 sei ebenfalls wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam, worauf es aber nicht ankomme, weil die Klägerin ihre Aktivlegitimation auf die in dieser Klausel geregelte Direktabtretung an sie nicht stütze.
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BGH hat mit im Wesentlichen folgender Begründung das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Klausel, bei der es sich um eine vom Sachverständigen oder von der Klägerin dem Geschädigten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist nicht wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
Unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Transparenzgebot). Die eindeutige und durchschaubare Vermittlung der mit einem beabsichtigten Vertragsschluss verbundenen Rechte und Pflichten ist Voraussetzung für eine informierte Sachentscheidung. Der Verwender muss daher einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte und Pflichten feststellen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann und nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird. Dagegen ist der Verwender nicht verpflichtet, aus dem Gesetz oder aus der Rechtsnatur eines Vertrages folgende Rechte ausdrücklich zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren; das Transparenzgebot will den Verwender nicht zwingen, jede AGB-Regelung gleichsam mit einem umfassenden Kommentar zu versehen. Der Vertragspartner soll aber davor geschützt werden, infolge falscher Vorstellungen über die angebotene Leistung zu einem unangemessenen Vertragsabschluss verleitet zu werden. Die Klausel muss deshalb nicht nur in ihrer Formulierung verständlich sein, sondern auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit wie möglich verdeutlichen.
Eine Intransparenz kann sich nicht nur bei einzelnen Klauseln aus ihrer inhaltlichen Unklarheit, mangelnden Verständlichkeit oder der unzureichenden Erkennbarkeit der Konsequenzen ergeben, sondern auch aus der Gesamtregelung. Abzustellen ist dabei auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in erster Linie ihr Wortlaut relevant. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften der in Rede stehenden Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner zu beachten ist. Verbleiben nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel und sind zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar, geht die Unklarheit nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Dabei ist die kundenfeindlichste Auslegung maßgeblich, also diejenige Auslegung, die zur Unwirksamkeit der Klausel und zur Anwendung des dispositiven Rechts führt.
Es ist nicht ungewöhnlich und grundsätzlich auch für beide Seiten interessengerecht, dass ein Geschädigter zur Sicherung des vertraglich vereinbarten Vergütungsanspruchs im Rahmen des Auftrages zur Erstellung des Gutachtens seinen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen abtritt. Dies liegt zunächst im Interesse des Sachverständigen, der einen in der Regel zahlungsfähigen Schuldner, den Haftpflichtversicherer des Schädigers, erhält und diesem gegenüber seinen Vergütungsanspruch für seine eigene Leistung rechtfertigen kann. Die Abtretung entspricht – wenn sie erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt erfolgt – regelmäßig auch dem Interesse des geschädigten Auftraggebers, der unter Beschränkung des eigenen Aufwandes möglichst schnell einen Ausgleich vom Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer erhalten will. Eröffnet sich ihm die Möglichkeit einer Stundung der Honorarforderung des Sachverständigen oder deren Erfüllung ohne eigene finanzielle Vorlage und eigenes Zutun, ist er bereit, seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen abzutreten, damit dieser der Sache nach seine Honorarforderung selbst geltend machen kann.
Eine solche Klausel muss für den durchschnittlichen Unfallgeschädigten hinreichend deutlich erkennen lassen, unter welchen Voraussetzungen er vom Sachverständigen trotz erfolgter Abtretung weiterhin wegen der Gutachterkosten in Anspruch genommen werden kann und welche Rechte er im Zusammenhang mit der Abtretung hat.
Nach diesen Grundsätzen fehlt es nicht schon an einer wirksamen Erstabtretung der Schadensersatzforderung des Geschädigten an den Sachverständigen. Auch die Weiterabtretung an die Klägerin ist wirksam.
Gemäß Ziffer 1 der Klausel tritt der Geschädigte seinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen die Unfallgegner in Höhe des Honoraranspruchs des Sachverständigen an diesen ab. Ziffer 2 der Klausel, wonach sich der Geschädigte aufgrund der Abtretung dieses Schadensersatzanspruchs nicht selbst an die Unfallgegner wenden muss und nur dann, wenn eine (vollständige) Durchsetzung des Anspruchs gegen diese nicht möglich ist, auf Zahlung des (Rest-)Honorars in Anspruch genommen werden kann, regelt der Sache nach eine Abtretung erfüllungshalber unter Stundung der Honorarforderung des Sachverständigen. Rechtlich bedeutet dies, dass der Sachverständige auf seine Honorarforderung gegenüber dem Geschädigten erst zurückgreifen darf, wenn der Versuch der anderweitigen Befriedigung aus der ihm erfüllungshalber übertragenen Schadensersatzforderung gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer fehlgeschlagen und damit die Stundung der Honorarforderung entfallen ist. Das Fehlschlagen dieser Verwertungsobliegenheit des Zessionars wird in Ziffer 2 umschrieben mit den Worten: „wenn eine (vollständige) Durchsetzung des Anspruchs gegen die Anspruchsgegner nicht möglich ist.“ Dies verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dem Zessionar nur zumutbare Verwertungsmöglichkeiten entgegengehalten werden können; insbesondere ist er im Regelfall nicht gehalten, eine ihm erfüllungshalber abgetretene Forderung mit unsicheren Erfolgsaussichten einzuklagen. Er soll sich mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt um Verwertung bemühen.
Diese Einschränkungen der Verwertungsobliegenheit des Zessionars auf zumutbare Maßnahmen und auf die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt enthält der in Ziffer 2 der Klausel verwendete Begriff „nicht möglich“ nicht. „Nicht möglich“, also unmöglich, ist eine „(vollständige) Durchsetzung des Anspruchs gegen die Anspruchsgegner“ nach dem eindeutigen Wortlaut und dem Verständnis des durchschnittlichen Unfallgeschädigten erst, wenn die Möglichkeiten der Durchsetzung der Forderung ausgeschöpft sind. Damit ist klar, dass beispielsweise allein das Scheitern einer außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung es nicht rechtfertigt, wegen der Honorarforderung des Sachverständigen auf den Geschädigten zurückzugreifen.
Der Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung, dass schon die fruchtlose außergerichtliche Geltendmachung der Schadensersatzforderung zur Inanspruchnahme des Geschädigten berechtigen würde, kommt hier schon deshalb nicht zur Anwendung, weil der Wortlaut „nicht möglich“ eindeutig ist und dieses Auslegungsergebnis zweifellos ausschließt. Darüber, welche Möglichkeiten (von der außergerichtlichen Geltendmachung über die gerichtliche Geltendmachung bis zur Vollstreckung eines erwirkten Titels) grundsätzlich bestehen, muss der Geschädigte nicht aufgeklärt werden. Durch den weiten Begriff „nicht möglich“ ist der Geschädigte zugleich bessergestellt, als er es nach der allgemeinen Rechtslage wäre, so dass auch keine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt.
Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich nicht aus dem Risiko, dass die Schadensersatzforderung vor der gestundeten Honorarforderung verjähren kann, wenn es der Zessionar bei der außergerichtlichen Geltendmachung der Schadensersatzforderung belässt; denn dazu ist er nach dem Wortlaut der Klausel nicht berechtigt.
Die Ziffer 2 der Klausel ist im Hinblick auf die systematische Gesamtkonstruktion der Klausel nicht intransparent.
So ist der Einleitungssatz der Ziffer 2: „Durch diese Abtretung muss sich der Geschädigte nicht selbst an die Anspruchsgegner wenden“ nicht irreführend und intransparent. Von einem durchschnittlichen Unfallgeschädigten muss erwartet werden, dass er einzelne Sätze einer Klausel nicht isoliert zur Kenntnis nimmt, sondern im Zusammenhang liest. Bereits der Folgesatz, eingeleitet mit „nur dann“, zeigt an, dass es eine Ausnahme gibt, dann nämlich, wenn dem Zessionar die (vollständige) Durchsetzung des ihm abgetretenen Anspruchs gegen die Anspruchsgegner nicht möglich ist. In diesem Fall wird dem Geschädigten, wie sich aus dem weiteren Inhalt der Ziffer 2 ergibt, die Schadensersatzforderung rückabgetreten, so dass er daraus anschließend selbst gegen den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer vorgehen kann.
Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ergibt sich auch nicht aus der systematischen Stellung der Ziffer 2. Auch hier ist davon auszugehen, dass der durchschnittliche Unfallgeschädigte die Ziffern 1 bis 4 in ihrem Zusammenhang und im Kontext mit dem Gutachtensauftrag als solchen sieht. Das vom Berufungsgericht in Bezug genommene einseitige Auftragsformular vom 16.07.2020 ist überschrieben mit „Gutachtenauftrag und Vergütungsvereinbarung“. In der oberen Hälfte des Formulars sind der Gegenstand des Auftrags und die Vergütung des Sachverständigen geregelt. In der unteren Hälfte findet sich sodann unter der Überschrift „Abwicklung der Vergütung; Abtretungen der Ansprüche“ die streitgegenständliche Klausel. Bereits im einleitenden Absatz erfährt der Geschädigte, dass der Sachverständige die Leistungen einer Verrechnungsstelle – der Klägerin – nutzt und dass es im Ergebnis diese ist, die für den Geschädigten und den Sachverständigen die Abwicklung des Schadensersatzanspruchs in Höhe der Honorarforderung gegen den Unfallgegner übernimmt. Die folgenden Ziffern regeln sodann die Vereinbarungen, die die drei Beteiligten (Geschädigter, Sachverständiger, Verrechnungsstelle) „hierzu“ treffen. Ziffern 1 und 2 betreffen dabei das Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen, nämlich die Abtretung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten erfüllungshalber an den Sachverständigen und die Folgerungen, die dies für die Geltendmachung der Honorarforderung des Sachverständigen gegenüber dem Geschädigten hat. Ziffer 3 betrifft im Wesentlichen das Verhältnis zwischen dem Sachverständigen und der Verrechnungsstelle, nämlich die Abtretung der Honorarforderung und die Weiterabtretung der Schadensersatzforderung von dem Sachverständigen an die Verrechnungsstelle. Damit ist es, was Ziffer 3 Satz 2 klarstellt, nicht der Sachverständige, der die Maßnahmen zur Regulierung des Schadens ergreift, sondern, wie im einleitenden Absatz als Ergebnis vorweggenommen, die Verrechnungsstelle. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Regelung in Ziffer 4: Mit der hilfsweisen Direktabtretung der Schadensersatzforderung vom Geschädigten an die Verrechnungsstelle soll sichergestellt werden, dass sich diese als Inhaberin des Schadensersatzanspruchs um dessen Durchsetzung kümmern kann. Der Aufbau der Regelungen in den Ziffern 1 bis 4 ist damit in sich logisch, verständlich und nachvollziehbar.
Zentral für den Geschädigten ist dabei die Regelung in Ziffer 2, weil sie seine Rechtsposition in dem Gefüge beschreibt. Danach ist er schon wegen der Abtretung der Schadensersatzforderung (in Höhe der Honorarforderung) an den Sachverständigen nicht mehr mit deren Durchsetzung gegenüber dem Unfallgegner befasst und kann wegen der Honorarforderung des Sachverständigen erst und nur insoweit in Anspruch genommen werden, als die Schadensersatzforderung nicht durchgesetzt werden konnte und an den Geschädigten zurückabgetreten wurde. Die vom Berufungsgericht kritisierte Verwendung des Passivs in Ziffer 2 erklärt sich daraus, dass eine vorherige oder darüber hinausgehende Inanspruchnahme weder durch den Sachverständigen (als ursprünglichen Inhaber der Honorarforderung) noch durch die Verrechnungsstelle (als Zessionarin, vgl. Ziffer 3) noch durch eine sonstige Person (denkbar: einen weiteren Zessionar) erfolgen darf. Eine Inanspruchnahme – durch wen auch immer – droht dem Geschädigten eben erst dann, wenn die in Ziffer 2 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Ein Verstoß der Klausel gegen § 307 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB lässt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht damit begründen, dass bewusst offengehalten werde, wer der Zessionar sei, der den Geschädigten wegen des Honoraranspruchs des Sachverständigen in Anspruch nehmen könne. Der Geschädigte kann Ziffer 3 entnehmen, dass die Verrechnungsstelle, die die Abwicklung der Schadensersatzforderung gegenüber dem Unfallgegner übernimmt, auch Inhaberin der Honorarforderung sein soll. Abgesehen davon besteht nach der allgemeinen Rechtslage keine Verpflichtung, den Schuldner einer Forderung über deren Abtretung und die Person des neuen Gläubigers zu informieren. Eine etwaige Ungewissheit hierüber könnte deshalb eine unangemessene Benachteiligung des Geschädigten (als Schuldner der Honorarforderung) nicht begründen.
Einer Belehrung darüber, welche Rechte dem Geschädigten nach dem Gesetz zustehen, wenn er auf Zahlung des Honorars in Anspruch genommen wird, obwohl die Voraussetzungen der Ziffer 2 noch nicht erfüllt sind, bedarf es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht.
Die Klausel ist für einen juristischen Laien nicht leicht zu verstehen, weil sie mehrere Rechtsverhältnisse zwischen mehreren Beteiligten und zwei Forderungen zum Gegenstand hat. Dies resultiert aber allein aus der Komplexität des Sachverhalts und nicht aus intransparenten Formulierungen. Die Klausel lässt für den Geschädigten deutlich erkennen, unter welchen Voraussetzungen er trotz erfolgter Abtretung weiterhin wegen der Gutachterkosten in Anspruch genommen werden kann und welche Rechte er im Zusammenhang mit der Abtretung hat.


C.
Kontext der Entscheidung
Die wesentlichen Aussagen der Entscheidung sind in den vorangestellten Orientierungssätzen wiedergegeben.
Der BGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung zu den Kriterien einer Inhaltskontrolle i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Rn. 8 bis 10 des Besprechungsurteils m.w.N.) und Erfordernissen der Transparenz einer Klausel i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (Rn. 8 f. des Besprechungsurteils). Anschließend prüft der BGH auf der Grundlage dieser Grundsätze die Fragen, ob die Klausel den Vertragspartner aufgrund seines Inhalts unangemessen benachteiligt (Rn. 8 bis 19 des Besprechungsurteils) und ob sie den Anforderungen an die erforderliche Transparenz genügt (Rn. 21 bis 29 des Besprechungsurteils).
Die Entscheidung des VI. Zivilsenats des BGH ergänzt seine bisherigen Entscheidungen zur Abtretungsklauseln im Dreiecksverhältnis (Rn. 14 des Besprechungsurteils m.w.N.; Anm. Moseschus, ZIP 2024, 1059; vgl. BGH, Urt. v. 17.10.2023 - VI ZR 27/23 - MDR 2023, 1584 Rn. 13 m. Anm. Grams, FD-VersR 2023, 820658; BGH, Urt. v. 10.10.2023 - VI ZR 257/22 - MDR 2024, 93 Rn. 15 m. Anm. Berger/Nettekoven, WuB 2024, 68; Anm. Mitlehner, ZIP 2024, 867; Anm. Kohte, VuR 2024, 116).
Der BGH betont, dass die Formulierungen, die aus der Komplexität des Sachverhalts resultieren, keine Intransparenz begründen (Rn. 29 des Besprechungsurteils; Anm. Kääb, FD-StrVR 2024, 808532; vgl. i.E. Türpe in: BeckOK StVR, 23. Ed. Stand: 25.04.2024, § 249 BGB Rn. 235 bis 236a m.w.N.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Der Hinweis, dass die Formulierungen, die aus der Komplexität des Sachverhalts resultieren, keine Intransparenz begründen, hat Bedeutung über die geprüfte Abtretungsklausel hinaus; er ist maßgeblich für alle Klauseln, deren Formulierungen an dem Sachverhalt orientiert sind, der eine hohe Komplexität aufweist. „Abzustellen ist dabei auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in erster Linie ihr Wortlaut relevant“ (Rn. 10 bis 12 des Besprechungsurteils). Das Kriterium der Verständnismöglichkeit eines geschädigten Durchschnittskunden begründet ein beachtliches Prognoserisiko: Es lässt sich jedenfalls in Fällen, in den ein empirisch komplexer Sachverhalt, der Gegenstand der Klausel ist, nur mit beachtlichen Risiken die Entscheidung eines Gerichtes prognostizieren, weil der Durchschnittskunde keine empirisch überprüfbare und damit rational begründbare Figur ist, sondern eine Imagination des jeweiligen Gerichts, orientiert an den Verständnismöglichkeiten der Richter. Es gibt, soweit ersichtlich, keine veröffentliche Entscheidung eines deutschen Gerichts oder eine wissenschaftliche Veröffentlichung, die sich mit dieser Problematik befasst.
Der BGH bestätigt und vertieft mit der Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zu Abtretungsklauseln im Dreieck.
Die Erwägungen des BGH verdeutlichen, dass eine Abtretungsklausel im Dreieck nur dann einer Inhalts- und Transparenzkontrolle standhält, wenn sie den in dieser Entscheidung vom BGH formulierten Anforderungen genügt. Der BGH hat einen Verstoß gegen das Transparenzgebot bejaht, wenn für den Geschädigten, der seinen Schadensersatzanspruch an den Sachverständigen abtritt, nicht klar erkennbar ist, welche Rechte ihm gegen den Sachverständigen zustehen, wenn dieser seinen restlichen Honoraranspruch gegenüber dem Geschädigten geltend macht (Türpe in: BeckOK StVR, 23. Ed. Stand: 15.04.2024, § 249 BGB Rn. 236a m.w.N.). Nach Auffassung von Türpe hat „diese Rechtsprechung erhebliche Auswirkungen in der Praxis der Unfallregulierung, werden doch nunmehr zunehmend die Abtretungsklauseln auf den Prüfstand gestellt. Dabei zeigt sich in vielen Fällen, dass die Klauseln für den Geschädigten alles andere als klar und verständlich sind, wie dies § 307 Abs. 1 BGB verlangt, insbes. dann, wenn man – worauf der BGH zutreffend hinweist – auf den durchschnittlichen Unfallkunden abstellt“ (Türpe in: BeckOK StVR, 23. Ed. Stand: 15.04.2024, § 249 BGB Rn. 236a).



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!