juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 14.06.2024 - V ZR 8/23
Autor:Hans Christian Schwenker, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Erscheinungsdatum:20.09.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 306 BGB, § 433 BGB, § 812 BGB, § 139 BGB, § 313 BGB, § 16a GwG, § 311b BGB
Fundstelle:jurisPR-BGHZivilR 19/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Markus Würdinger, Universität Passau
Zitiervorschlag:Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 19/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Auswirkungen einer formunwirksamen Vorauszahlungsabrede



Leitsätze

1. Die wegen des Formmangels einer Vorauszahlungsabrede zur Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrages führende Vermutung des § 139 BGB ist bereits dann widerlegt, wenn der Käufer die im Voraus geleistete Zahlung auf den Kaufpreis zu beweisen vermag (Bestätigung von Senat, Urt. v. 17.03.2000 - V ZR 362/98 - NJW 2000, 2100).
2. Die Widerlegung der Vermutung kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Verkäufer die Zahlung quittiert hat; entscheidend ist, dass der Käufer aus seiner Sicht zweifelsfrei nachweisen kann, vor Vertragsschluss auf die noch nicht bestehende Kaufpreisschuld gezahlt zu haben.



A.
Problemstellung
Anders als bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Unwirksamkeit die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen unberührt lässt (§ 306 Abs. 1 BGB), führt die Nichtigkeit eines Teils eines Individualvertrags im Zweifel zur Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 139 BGB). Der V. Zivilsenat hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen diese Vermutung widerlegt ist, wenn Parteien eines Grundstückskaufvertrages eine formunwirksame Vorauszahlungsabrede getroffen haben.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Vater der Beklagten (im Folgenden: Erblasser) verkaufte mit notariellem Vertrag (UR-Nr. 975) vom 23.03.2017 einen hälftigen Miteigentumsanteil an seinem Grundstück an eine GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, zu einem Kaufpreis von 40.000 Euro. Am 06.04.2017 zahlte der Kläger an den Erblasser 70.000 Euro per Überweisung unter Angabe des Verwendungszwecks „975/23.3.2017“ sowie am 15.05.2017 weitere 10.000 Euro mit dem Verwendungszweck „Restzahlung 975/23.3.2017“. Der Kaufvertrag wurde vollzogen. Am 08.11.2018 schlossen der Erblasser und der Kläger einen notariellen Kaufvertrag über die – weitere – Miteigentumshälfte des Erblassers an dem Grundstück zu einem Kaufpreis von ebenfalls 40.000 Euro. Anschließend übertrug die GmbH ihren von dem Erblasser erworbenen Miteigentumsanteil auf den Kläger.
Der auf Übertragung des verbliebenen (zweiten) Miteigentumsanteils gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übereignung des zweiten Miteigentumsanteils. Der notarielle Kaufvertrag vom 08.11.2018 sei formunwirksam und damit nichtig. Soweit der Kläger behaupte, die mittels der beiden Überweisungen geleistete Gesamtzahlung von 80.000 Euro hätte i.H.v. 40.000 Euro vereinbarungsgemäß auf den Kaufpreis aus dem erst nachfolgend geschlossenen Kaufvertrag vom 08.11.2018 verrechnet werden sollen, handle es sich um eine beurkundungsbedürftige Vorauszahlungsabrede, die mangels Beurkundung nichtig sei. Nach der Auslegungsregel des § 139 BGB ziehe die Nichtigkeit dieses Vertragsteils die Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrages nach sich. Zwar könne insoweit eine Einschränkung geboten sein, wenn der Käufer die Vorauszahlung zu belegen vermöge. Dies sei aber hier nicht der Fall. Für den Kläger als Käufer sei die Vorauszahlung bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages nicht belegbar gewesen. Dagegen spreche zunächst der Inhalt des notariellen Kaufvertrages selbst, der die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich habe und keine Anhaltspunkte für die Vorauszahlungsvereinbarung enthalte. Auch ein weiterer, nicht in Vollzug gesetzter Vertrag zwischen dem Kläger und dem Erblasser vom 05.09.2018 über eine andere Immobilie (Eigentumswohnung) enthalte keine Hinweise auf die Vorauszahlung. Die Überweisungen des Klägers könnten als Beleg nicht dienen, da es sich um einseitige Handlungen und nicht um Quittungen des Erblassers handle. Auch nach dem sog. Immobilien-Übergabeprotokoll vom 15.05.2017 habe der Kläger aus seiner Sicht nicht von einer hinreichenden Belegbarkeit ausgehen können, denn eine entsprechende Vereinbarung wäre durch den nicht vollzogenen Vertrag vom 05.09.2018 und den notariellen Kaufvertrag vom 08.11.2018 zumindest infrage gestellt worden.
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers auf Übereignung des zweiten Miteigentumsanteils gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verneint werden.
Ein solcher Anspruch kann sich aus dem zwischen dem Kläger und dem Erblasser geschlossenen Kaufvertrag vom 08.11.2018 über den zweiten Miteigentumsanteil ergeben; dass dieser Vertrag insgesamt unwirksam ist, ergibt sich aus den bisherigen Feststellungen nicht.
Im Ausgangspunkt zutreffend ist allerdings, dass die von dem Kläger behauptete Vereinbarung über die Vorauszahlung des Kaufpreises für den zweiten Miteigentumsanteil gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 125 Satz 1 BGB nichtig wäre, weil sie nicht notariell beurkundet wurde. Eine solche Vereinbarung ist beurkundungsbedürftig. Die Einigung über die Anrechnung einer Vorauszahlung auf die Kaufpreisforderung unterliegt dem Beurkundungszwang nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie konstitutive rechtliche Bedeutung hat. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass im Zeitpunkt der Vorauszahlung die Kaufpreisforderung noch nicht besteht und die Vorauszahlung daher – ohne eine dahin gehende Vereinbarung – nicht schon von Rechts wegen zu einer Teilerfüllung der Kaufpreisschuld führen könnte. Danach wäre die Vorauszahlungsvereinbarung beurkundungsbedürftig und – mangels Beurkundung – nichtig.
Damit steht aber nicht fest, dass der notarielle Kaufvertrag vom 08.11.2018 gemäß § 139 BGB insgesamt nichtig ist. Zwar ist dies nach der Auslegungsregel des § 139 BGB zu vermuten; doch kann diese Vermutung gerade im Falle einer Kaufpreisvorauszahlung bei Vorliegen besonderer Umstände widerlegt sein. Das kommt, anders als das Berufungsgericht meint, auch hier in Betracht. Die wegen des Formmangels einer Vorauszahlungsabrede zur Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrages führende Vermutung des § 139 BGB ist dann widerlegt, wenn der Käufer die im Voraus geleistete Zahlung auf den Kaufpreis zu beweisen vermag. Denn dann kann es für ihn von untergeordneter Bedeutung sein, ob seine Kaufpreisschuld schon im Zeitpunkt ihrer Entstehung erlischt oder ob die Tilgung der Schuld noch von weiteren Rechtshandlungen abhängt. Entscheidend ist danach der Nachweis der Zahlung auf die noch nicht bestehende Schuld; dagegen kann, anders als das Berufungsgericht meint, nicht verlangt werden, dass der Käufer den Abschluss einer entsprechenden Vorauszahlungsabrede und deren Fortbestehen bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages beweist. Weist der Käufer seine Zahlung auf die noch nicht bestehende Kaufpreisforderung nach, ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass sich die Parteien auch ohne die Anrechnungsabrede auf den beurkundeten Teil des Rechtsgeschäfts eingelassen hätten. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Verkäufer eine Quittung über die Zahlung erteilt hat. Die Widerlegung der Vermutung kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Verkäufer die Zahlung quittiert hat; entscheidend ist, dass der Käufer aus seiner Sicht zweifelsfrei nachweisen kann, vor Vertragsschluss auf die noch nicht bestehende Kaufpreisschuld gezahlt zu haben.
Dagegen steht der Umstand, dass in dem Kaufvertrag kein Hinweis auf die Vorauszahlungsvereinbarung enthalten ist, der Widerlegung der Vermutung nicht entgegen. Denn die Nichtigkeit des Kaufvertrages folgt gerade daraus, dass die Vorauszahlungsabrede nicht beurkundet wurde. Wäre die Vorauszahlungsabrede in dem Kaufvertrag enthalten gewesen, so bedürfte es keines Beweises zur Widerlegung der Vermutung nach § 139 BGB. Das Fehlen der Beurkundung der Vorauszahlungsabrede kann daher denklogisch nicht dazu führen, dass der Käufer seine Leistung nicht zu beweisen vermag. Daran gemessen ist es möglich, dass der Kläger die Vermutung der Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrages vom 08.11.2018 durch einen entsprechenden Zahlungsnachweis widerlegen kann. Ein Beleg der Kaufpreiszahlung ergibt sich allerdings nicht aus den von dem Kläger vorgelegten Überweisungen. Zwar könnten Überweisungsträger grundsätzlich ausreichen. Hier fehlt es aber an einer entsprechenden Tilgungsbestimmung. Die Überweisungsnachweise beziehen sich ausdrücklich auf den Kaufvertrag vom 23.03.2017 über den ersten Miteigentumsanteil. Diese Belege enthalten damit auch aus Sicht des Klägers keine Tilgungsbestimmung, die sich auf den zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Kaufvertrag über den zweiten Miteigentumsanteil bezieht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann aber die als „Immobilien-Übergabeprotokoll“ bezeichnete Erklärung der Parteien vom 15.05.2017 aus Sicht des Klägers geeignet sein, die Vorauszahlung auf den Kaufpreis für den zweiten Miteigentumsanteil nachzuweisen. Darin haben die Parteien gemeinsam erklärt, der Kläger habe 80.000 Euro des Kaufpreises für die Immobilie gezahlt, wobei 40.000 Euro einen „Vorschuss für den Rest des Gebäudes“ darstellten, und die Parteien anerkennen, „dass sie keine weiteren Ansprüche haben“.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt nichts anderes aus dem Umstand, dass die Vertragsparteien später über die Erhöhung des Kaufpreises für den zweiten Miteigentumsanteil verhandelten und der Kläger dem Beklagten eine Eigentumswohnung als Gegenstand eines weiteren Vertrages vom 05.09.2018 angeboten haben soll. Denn zum einen ist es schon nicht zum Abschluss des Vertrages über die Eigentumswohnung gekommen; abgesehen davon kann die Zahlung des Klägers über 40.000 Euro damit ohnehin nicht in Zusammenhang stehen, weil es nach den in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts der Kläger war, der diese Wohnung an den Erblasser verkaufen sollte. Zum anderen ist die Vorauszahlungsabrede mangels Beurkundung ohnehin unwirksam. Infolgedessen könnte der Kläger die geleistete Vorauszahlung mangels Rechtsgrundes wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) von dem Verkäufer zurückfordern und mit dem Bereicherungsanspruch gegenüber der offenen Kaufpreisforderung die Aufrechnung erklären. Dies hat der Kläger nach den Ausführungen der Revision in der Berufungsinstanz hilfsweise getan.
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben. Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung die Echtheit des „Immobilien-Übergabeprotokolls“ zu klären haben und auf dieser Grundlage würdigen müssen, ob der Kläger aus seiner Sicht davon ausgehen konnte, dass er die Zahlung auf die noch nicht bestehende Forderung nachweisen kann.


C.
Kontext der Entscheidung
Der Senat hat 1983 die bis dahin von ihm offengelassene Frage entschieden, ob die Abrede über die Anrechnung einer Vorauszahlung auf die beurkundete Kaufpreisforderung als Teil der vertraglichen Gesamtregelung mitbeurkundet werden muss. Er hat die Beurkundungspflicht bejaht: „Eine solche Abrede hätte konstitutive, rechtserzeugende Bedeutung, weil im Zeitpunkt der Vorauszahlung die Kaufpreisforderung noch nicht besteht und die Vorauszahlung daher – ohne eine dahin gehende Vereinbarung – nicht schon von Rechts wegen zu einer Teilerfüllung der Kaufpreisschuld (in der logischen Sekunde des Vertragsschlusses) führen könnte. Der Beurkundungszwang erstreckt sich deshalb auf diese Abrede.“ (BGH, Urt. v. 11.11.1983 - V ZR 150/82 Rn. 13). Jedoch muss die Formunwirksamkeit der Anrechnungsvereinbarung nicht unbedingt dazu führen, dass der gesamte Vertrag nichtig ist. Die Auslegungsregel des § 139 BGB stellt hierfür zwar eine Vermutung auf, doch bedarf es tatrichterlicher Würdigung, ob diese Vermutung nicht durch die besonderen Umstände des Falles widerlegt ist. Eine solche Annahme liegt bei im Voraus erbrachten Teilleistungen nicht ganz fern. Insbesondere wenn der Käufer sofort bei der Vorauszahlung eine Quittung erhält und damit seine Leistung problemlos beweisen kann, mag es für ihn von untergeordneter Bedeutung sein, ob seine Kaufpreisschuld schon im Zeitpunkt ihrer Entstehung von Rechts wegen erlischt oder ob die Tilgung der Schuld noch von weiteren Rechtshandlungen abhängt (BGH, Urt. v. 11.11.1983 - V ZR 150/82 Rn. 14). Seitdem entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass auch die Einigung über die Anrechnung einer Vorauszahlung auf die Kaufpreisforderung dem Beurkundungszwang nach § 313 Satz 1 BGB a.F. unterliegt, weil sie konstitutive rechtliche Bedeutung hat; insbesondere aber auch deshalb, weil damit zugleich eine Einigung über die vorgeordnete Frage getroffen wird, wie der Kaufpreis erbracht werden soll (BGH, Urt. v. 17.03.2000 - V ZR 362/98 Rn. 8 m.w.N.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Da der Vertrag über den ersten hälftigen Miteigentumsanteil 2017 geschlossen worden ist, genügte für die Bestätigung der Kaufpreiszahlung gegenüber dem Urkundsnotar noch die einfache Zahlungsbestätigung des Verkäufers. Hätte dem Notar der Überweisungsbeleg vorgelegt werden müssen, hätten sich diesem angesichts der über den beurkundeten Kaufpreis von 40.000 Euro hinausgehenden Überweisung von 70.000 Euro die Möglichkeit einer Unterverbriefung und damit der Nichtigkeit des beurkundeten Vertrags aufdrängen müssen. Seit dem 01.04.2023 ist jedoch § 16a GwG anzuwenden. Danach haben die Beteiligten bei Rechtsgeschäften, die auf den Kauf oder Tausch von inländischen Immobilien gerichtet sind, gegenüber dem Notar, der den Antrag auf Eintragung des Erwerbers als Eigentümer oder Erbbauberechtigten beim Grundbuchamt einreichen soll, nachzuweisen, dass die Gegenleistung mit anderen Mitteln als Bargeld, Kryptowerten, Gold, Platin oder Edelsteinen erbracht wurde. Als Nachweis sind insbesondere Zahlungsbestätigungen von auf Veräußerer- oder Erwerberseite an der Transaktion beteiligten Kreditinstituten geeignet (§ 16a Abs. 2 GwG). Der Senat hat bereits angedeutet, dass bei nach dem 01.04.2023 geschlossenen Kaufverträgen über inländische Immobilien Verstöße gegen das Barzahlungsgebot zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages führen können, so dass eine Heilung nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB nicht mehr möglich ist (BGH, Urt. v. 15.03.2024 - V ZR 115/22 Rn. 12).



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!