juris PraxisReporte

Anmerkung zu:Gerechtshof Den Haag, Urteil vom 12.11.2024 - 200.302.332/01
Autor:Jan Henning Buschfeld, RA
Erscheinungsdatum:04.04.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1004 BGB, § 522 ZPO
Fundstelle:jurisPR-Compl 2/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Norbert Nolte, RA
Zitiervorschlag:Buschfeld, jurisPR-Compl 2/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Keine Festlegung konkreter CO2-Emissionsquoten für Unternehmen durch Zivilgerichte



Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Der Schutz vor den Folgen des Klimawandels ist ein Menschenrecht. Es ist in erster Linie Aufgabe der Gesetzgeber und Regierungen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Folgen des Klimawandels zu minimieren.
2. Menschenrechte haben grundsätzlich keine horizontale Wirkung. In privatrechtlichen Beziehungen können Menschenrechte und die in ihnen verkörperten Werte zur Konkretisierung allgemeiner zivilrechtlicher Standards angewendet werden, etwa zur Feststellung, was nach ungeschriebenem Recht als angemessenes soziales Verhalten gilt (indirekte horizontale Wirkung).
3. Unternehmen sind danach grundsätzlich verpflichtet, dem Klimawandel entgegenzuwirken und ihre CO2-Emissionen zu begrenzen, auch wenn diese Verpflichtung nicht ausdrücklich in (öffentlich-rechtlichen) Vorschriften festgelegt ist.
4. Ein Zivilgericht kann keine konkrete Reduktionsverpflichtung eines Unternehmens i.H.v. 45% oder in anderer prozentualer Höhe festlegen.



A.
Problemstellung
Am 12.11.2024 fällte der Gerechtshof Den Haag sein Berufungsurteil über die Klimahaftungsklage der Organisation Milieudefensie und weiterer Kläger gegen die Shell Plc. Kernfrage des Streits ist, ob Shell zivilrechtlich verpflichtet ist, die Emissionen der gesamten Shell-Gruppe bis 2030 um 45% gegenüber dem Stand von 2019 zu reduzieren. Rechtlich stützt sich die Klage auf einen ungeschriebenen sozialen Sorgfaltsstandard im niederländischen Deliktsrecht, aus dem anhand verschiedener Menschenrechts- und Klimaschutzinstrumente eine konkrete Pflicht zur Emissionsreduktion in bestimmter Höhe folgen soll.
In erster Instanz war die Klage erfolgreich, was den bislang größten Erfolg einer Klimaklage gegen ein Unternehmen in Europa bedeutete. Dementsprechend fielen die Reaktionen auf das erstinstanzliche Urteil aus, das vielfach als „Meilenstein“, „bahnbrechend“ oder „historisch“ betitelt wurde.
Der Gerechtshof Den Haag hob das Urteil nun in zweiter Instanz auf. Das Berufungsgericht stellte für das niederländische Recht fest, dass Shell zwar eine allgemeine Sorgfaltspflicht zur Reduktion seiner Emissionen habe, einem Unternehmen aber keine spezifischen Reduktionsziele auferlegt werden könnten.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Im April 2019 erhob Milieudefensie zusammen mit anderen niederländischen Umwelt- und Interessenverbänden sowie über 17.000 Einzelpersonen eine Sammelklage nach Art. 3:305a Burgerlijk Wetboek gegen Shell vor der Rechtbank Den Haag. Die Kläger argumentieren, Shell sei verpflichtet, die CO2-Emissionen der gesamten Shell-Gruppe bis 2030 um 45% gegenüber dem Stand von 2019 zu reduzieren. Es bestehe eine ungeschriebene soziale Sorgfaltspflicht nach Art. 6:162 Burgerlijk Wetboek. Diese beruhe auf Art. 2 EMRK (Recht auf Leben) und Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), den Klimazielen des Pariser Abkommens, den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel sowie Soft-Law-Instrumenten wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen. Auf dieser Grundlage sei Shell verpflichtet, die Emissionen der Shell-Gruppe im geforderten Umfang zu reduzieren.
II. Die Rechtbank Den Haag hatte der Klage in erster Instanz stattgegeben (Rechtbank Den Haag, Urt. v. 26.05.2021 - C/09/571932 / HA ZA 19-379). Bei der Auslegung des ungeschriebenen Sorgfaltsmaßstabs nach Art. 6:162 Burgerlijk Wetboek (unerlaubte Handlung) berief sich das Gericht – der Auffassung der Kläger folgend – auf die EMRK sowie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Gemäß diesem Sorgfaltsstandard sei Shell verpflichtet, die Emissionen der gesamten Shell-Gruppe gegenüber 2019 um netto 45% bis Ende 2030 zu senken. Die Reduktion gelte für Emissionen aus dem eigenen Betrieb (Scope 1), dem Zukauf der Energie für den Betrieb der Anlagen von Shell (Scope 2) sowie den Emissionen aus den Kraftstoffen und anderen Energieprodukten, die Shell an Kunden verkauft (Scope 3). Von der Reduktionspflicht ausgenommen wurden lediglich diejenigen Emissionen, die dem europäischen Emissionshandel unterfielen.
III. Das Berufungsgericht Den Haag hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es bestätigte zwar, dass Unternehmen nach niederländischem Zivilrecht aus dem ungeschriebenen Sorgfaltsmaßstab grundsätzlich zur Senkung ihrer Emissionen verpflichtet seien (1.). Diese Pflicht werde nicht durch die Klimaschutzgesetzgebung auf nationaler und EU-Ebene ausgeschlossen (2.). In Bezug auf die Scope 1- und 2-Emissionen von Shell lehnte das Berufungsgericht allerdings eine Verletzung der Sorgfaltspflicht ab (3.). Hinsichtlich der Scope 3-Emissionen sah sich das Berufungsgericht außerstande, einem einzelnen Unternehmen eine bestimmte Emissionsmenge zuzuweisen (4.).
1. Als Ausgangspunkt ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Schutz vor dem Klimawandel ein Menschenrecht sei. Es obliege primär den Gesetzgebern und Regierungen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren. Dies bedeute aber nicht, dass Unternehmen keine Verantwortung hätten, Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels zu ergreifen (Rn. 7.17). Den Menschenrechten komme im niederländischen Recht keine unmittelbare horizontale Wirkung zu. Dennoch könnten sie Auswirkungen auf private Rechtsverhältnisse haben, indem sie offenen Rechtsstandards Substanz verliehen. Im Rahmen dieser indirekten horizontalen Wirkung könnten die Zivilgerichte die Menschenrechte und die in ihnen verkörperten Werte bei der Anwendung allgemeiner privatrechtlicher Standards, wie der ungeschriebenen sozialen Sorgfaltspflicht nach Art. 6:162 Burgerlijk Wetboek, berücksichtigen. Die Rechte aus den Art. 2 und 8 EMRK seien entscheidend für die Auslegung des sozialen Sorgfaltsstandards und für die Beantwortung der Frage, was von der Beklagten verlangt werden könne. Unternehmen seien insoweit zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen verpflichtet, um den Klimawandel zu bekämpfen, auch wenn diese Pflicht nicht ausdrücklich in (öffentlich-rechtlichen) Normen verankert sei (Rn. 7.18 bis 7.27).
2. Das Berufungsgericht diskutierte sodann das Verhältnis der Sorgfaltspflicht zur EU-Gesetzgebung und deren Umsetzung, insbesondere den Emissionshandel nach EU ETS und EU ETS2, die Sorgfaltspflichtenrichtlinie (CSDDD) und die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Die EU-Gesetzgebung schreibe einzelnen Unternehmen oder Sektoren keine absoluten Reduktionsverpflichtungen vor. Den diesbezüglichen Einwand der Beklagten, der bestehende Rechtsrahmen sei in Bezug auf die Unternehmenspflichten zur Reduktion von Treibhausgasen abschließend, weshalb Zivilgerichte keine weiter gehenden Reduktionspflichten aus ungeschriebenen Sorgfaltsstandards herleiten könnten, ließ das Berufungsgericht nicht gelten. Die Sorgfaltspflicht einzelner Unternehmen zur Senkung ihrer CO2-Emissionen werde durch bestehende gesetzliche Verpflichtungen nicht verdrängt. Aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht folge aber nicht automatisch, dass ein Reduktionsanspruch in konkreter Höhe begründet sei (Rn. 7.50 bis 7.54).
3. In Bezug auf Scope 1- und 2-Emissionen lehnte das Berufungsgericht eine drohende Sorgfaltspflichtverletzung schon aus tatsächlichen Gründen ab. Shell habe sich bis 2030 einem Reduktionsziel von 50% gegenüber 2016 verpflichtet, das die von den Klägern geforderten 45% gegenüber 2019 unstreitig übersteige. Shell habe bis Ende 2023 bereits eine Reduktion um 31% erreicht. Angesichts dessen hätten die Kläger keine ausreichenden Gründe vorgetragen, dass Shell seine Ziele wahrscheinlich verfehlen werde.
4. In Bezug auf Scope 3-Emissionen entschied das Berufungsgericht, dass Shell keine spezifischen Reduktionsziele auferlegt werden könnten. Auch wenn global im Durchschnitt eine Treibhausgasreduktion um 45% über alle Sektoren erforderlich sei, ließe sich für einzelne Länder oder Sektoren keine bestimmte Reduktionsquote festlegen. Es gebe keinen wissenschaftlichen Konsens, um für ein einzelnes Unternehmen eine Reduktionsverpflichtung i.H.v. 45% oder einer anderen prozentualen Höhe anzunehmen. Eine solche Verpflichtung sei auch nicht effektiv, weil sich die Handelsaktivität von Shell auf andere Unternehmen verlagern würde. Die Kläger hätten deshalb kein Rechtsschutzinteresse in Bezug auf eine Reduktion der Scope 3-Emissionen um einen bestimmten Prozentsatz.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des Berufungsgerichts Den Haag reiht sich in eine Serie strategischer Klimaklagen in Europa ein, mit denen Unternehmen durch Zivilgerichte zur Reduktion von Treibhausgasen verpflichtet werden sollen. So kündigte Milieudefensie im Januar 2024 eine weitere Klage auf Basis von Art. 6:162 Burgerlijk Wetboek gegen die ING Bank an, wonach die Bank ihre Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 halbieren soll. Im Februar 2023 klagten mehrere Bewohner einer indonesischen Insel gegen den Zementhersteller Holcim in der Schweiz. Diese Klage zielt neben Schadensersatz darauf ab, dass Holcim zivilrechtlich zur Reduktion von CO2-Emissionen verpflichtet wird. In Deutschland sind seit Herbst 2021 Unterlassungsklagen gestützt auf § 1004 Abs. 1 BGB gegen verschiedene Automobilhersteller anhängig; auch hierzulande soll den Beklagten auf dem Zivilrechtsweg die Senkung zukünftiger CO2-Emissionen aufgegeben werden (vgl. Buschfeld, jurisPR-Compl 1/2024 Anm. 4).
Diesen Klagen ist gemein, dass sie sich (1.) auf zivilrechtliche Normen stützen und hierbei (2.) auf menschen- bzw. grundrechtliche Argumente zurückgreifen. Dazu bauen die Klagen auf vorausgegangene Verfahren auf, in denen Staaten erfolgreich zu mehr Klimaschutz verpflichtet worden waren.
Dies ist zum einen das von der Organisation Urgenda betriebene Verfahren gegen die Niederlande. In letzter Instanz verurteilte der Hoge Raad die niederländische Regierung im Dezember 2019 dazu, die Treibhausgasemissionen der Niederlande bis Ende 2020 gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 25% zu senken. Bereits der Hoge Raad zog bei seiner Beurteilung der staatlichen Klimaschutzmaßnahmen die Art. 2 und 8 EMRK als Beurteilungsmaßstab heran. Die Niederlande seien nach der EMRK verpflichtet, ihre Bürger vor den Folgen des Klimawandels zu schützen (Hoge Raad, Urt. v. 20.12.2019 - 19/00135 Rn. 5.2.1 ff.).
In Deutschland stützen sich die Kläger vornehmlich auf den sog. „Klimabeschluss“ des BVerfG vom 24.03.2021, mit dem das Klimaschutzgesetz (KSG) teilweise für verfassungswidrig erklärt wurde. Die Karlsruher Richterinnen und Richter monierten, dass im KSG Minderungsziele ab 2030 fehlten und hoben hierbei die intertemporale Schutzdimension der Freiheitsgrundrechte aus der Taufe. Als intertemporale Freiheitssicherung schützen die Grundrechte vor einer einseitigen Verlagerung der Treibhausgasminderungslast in die Zukunft (BVerfG, Beschl. v. 24.03.2021 - 1 BvR 2656/18 Rn. 182 ff.). Diese Argumentation versuchen die Kläger in den deutschen Verfahren ins Zivilrecht zu übertragen.
Auch die Schweiz wurde aufgrund unzureichender Klimaschutzregelungen verurteilt, allerdings nicht durch Schweizer Gerichte, sondern durch den EGMR. In seiner Entscheidung vom 09.04.2024 im Verfahren Verein Klimaseniorinnen Schweiz gegen die Schweiz leitete der EGMR aus der EMRK ein Recht auf wirksamen Schutz vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität durch die Vertragsstaaten ab. Nach Auffassung des EGMR hatte es die Schweiz versäumt, ausreichende Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen zu erlassen, wodurch die Schweiz Art. 8 EMRK verletzt habe (EGMR, Urt. v. 09.04.2024 - 53600/20 Rn. 573, 574).
Das Berufungsgericht Den Haag stellt in seinen Urteilsgründen sowohl auf die Urgenda-Entscheidung des Hoge Raad als auch die Klimaseniorinnen-Entscheidung des EGMR ab. Aus beiden Entscheidungen folgert das Berufungsgericht, dass die Vertragsstaaten nach den Art. 2 und 8 EMRK verpflichtet sind, geeignete Maßnahmen gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu ergreifen (Rn. 7.7, 7.9). Diese Menschenrechtsbindung der Vertragsstaaten transferiert das Berufungsgericht ins niederländische Zivilrecht, indem es einen ungeschriebenen Sorgfaltsstandard in eine Rechtspflicht von Unternehmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen ummünzt, die sogar über geschriebenes Gesetzesrecht hinausgehen können soll.
Das Klimaseniorinnen-Urteil des EGMR richtet sich allerdings nur an die Schweiz. Ob der niederländische Gesetzgeber die EMRK verletzt haben könnte, thematisiert das Berufungsgericht Den Haag nicht. Selbst wenn dies der Fall wäre, gibt die EMRK den Vertragsstaaten keine konkreten Maßnahmen auf, wie sie ihrer Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte nachkommen müssen. Auch der EGMR erkennt im Klimaseniorinnen-Urteil an, dass den Staaten ein weiter Ermessensspielraum in Bezug auf die Wahl der Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels zusteht. Warum nur der EGMR, nicht aber auch die Zivilgerichte das gesetzgeberische Ermessen beachten müssten, wie das Berufungsgericht Den Haag meint (Rn. 7.10, 7.11), leuchtet nicht ein.
Zudem zielen die Klagen darauf ab, dass einzelnen Unternehmen über den Kopf des jeweiligen Gesetzgebers hinweg durch Zivilgerichte ein konkretes CO2-Budget zugewiesen wird. Das ging dann auch dem Berufungsgericht Den Haag zu weit. Wenn global insgesamt 45% an Treibhausgasemissionen eingespart werden müssen, folgt hieraus nicht, wer genau welche Einsparung zu erbringen hat. Die Wahrnehmung einer solchen Lenkungsfunktion ist Aufgabe der Gesetzgeber, nicht der Zivilgerichte auf Basis einer ungeschriebenen Sorgfaltspflicht. Dies spricht auch das BVerfG im Klimabeschluss ausdrücklich aus, wonach Gerichte aus der Verfassung keine konkreten Temperaturschwellen und Emissionsgrenzen ableiten können (BVerfG, Beschl. v. 24.03.2021 - 1 BvR 2656/18 Rn. 207). Ebenso wenig lassen sich aus der EMRK konkrete Emissionsgrenzen für Unternehmen herleiten. Was nicht unmittelbar aus den Grund- oder Menschenrechten folgt, kann nicht überschießend im Wege einer verfassungs- oder EMRK-konformen Auslegung ins Zivilrecht hineingelesen werden.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die erstinstanzliche Entscheidung der Rechtbank Den Haag ist – soweit ersichtlich – die bislang einzige Entscheidung eines europäischen Gerichts, mit der eine zukunftsgerichtete Zivilklage zur Reduktion von Treibhausgasen zugesprochen wurde. Über die Grenzen der Niederlande hinaus wurde daher versucht, das Momentum aus der Entscheidung für weitere Klagen zu nutzen. Auch die Kläger in den in Deutschland gegen Automobilhersteller anhängigen Verfahren machten sich die Entscheidung zu eigen.
Aus Sicht der Kläger ist das Urteil des Berufungsgerichts Den Haag daher ein deutlicher Rückschlag, auch wenn das Gericht eine allgemeine Pflicht von Unternehmen zur Treibhausgasreduktion nach dem niederländischen Recht bejaht hat. Ohne eine konkrete Reduktionsquote ist eine solche Pflicht auf dem Klageweg nicht durchsetzbar.
Besondere Auswirkungen auf die vor deutschen Gerichten anhängigen Klagen sind nicht zu erwarten. Auch diese blieben bislang erfolglos. Die deutschen Obergerichte verneinten auf Grundlage des deutschen Deliktsrechts schon eine allgemeine Verkehrspflicht zur Reduktion von Treibhausgasen. Das OLG München wies im Verfahren gegen die BMW AG die Berufung gegen die erstinstanzliche Klageabweisung zurück (OLG München, Urt. v. 12.10.2023 - 32 U 936/23 e). Die Oberlandesgerichte Stuttgart und Braunschweig erachteten die Berufungen in den Verfahren gegen die Mercedes-Benz AG und die VW AG als offensichtlich unbegründet, weshalb sie diese ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückwiesen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 08.11.2023 - 12 U 170/22; OLG Braunschweig, Beschl. v. 24.06.2024 - 2 U 8/23). Alle drei Gerichte stellten darauf ab, dass sich die Unternehmen an den gesetzlichen Rahmen hielten, der verfassungskonform sei. Eine weiter gehende Verkehrssicherungspflicht bestehe nicht.
Das letzte Wort ist damit noch nicht gesprochen. Milieudefensie hat angekündigt, gegen das Urteil des Gerechtshof Den Haag vom 12.11.2024 Revision einzulegen. Zuständig ist der Hoge Raad, der 2019 schon die Niederlande zu strengeren Treibhausgaszielen verurteilt hat. Auch in Deutschland haben die Kläger jeweils Nichtzulassungsbeschwerden zum BGH erhoben.
Ungeachtet der Frage, ob das allgemeine Zivilrecht eine ausreichende Grundlage für konkrete Emissionsvorgaben bietet, sieht Art. 22 CSDDD für erfasste Unternehmen die Pflicht vor, Klimatransitionspläne aufzustellen. Diese Pläne müssen Ziele für 2050 und Zwischenziele beinhalten und, soweit angemessen, auch absolute Reduktionsziele für Scope 1-, 2- und 3-Emissionen vorsehen. Das im Februar 2025 veröffentlichte Omnibus-Paket der Europäischen Kommission sieht allerdings erhebliche Änderungen der CSDDD vor, wie etwa die Beschränkung der Due Diligence grundsätzlich auf direkte Geschäftspartner (Tier 1) oder der Schadensersatzpflicht auf eine zivilrechtliche Haftung nach nationalen Vorschriften. Zudem soll die Frist zur Umsetzung der CSDDD um ein Jahr auf den 26.07.2027 verlängert werden. Die Pflicht zur Aufstellung eines Klimaplans bleibt allerdings erhalten. Art. 22 CSDDD soll aber dahin gehend geändert werden, dass die Pläne nicht mehr aufzustellen und umzusetzen sind („to adopt and put into effect a transition plan“), sondern nur noch Maßnahmen zur Umsetzung in den Plänen enthalten sein müssen („including implementing actions“).
Auch wenn das Verfahren zur Änderung der CSDDD noch durchlaufen werden und diese dann von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss, könnten zukünftige Klagen darauf gerichtet sein, Unternehmen zur Einhaltung des eigenen Klimaplans zu verpflichten.



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