Haben Gesellschafter einer GmbH wirksam vereinbart, dass Leistungen in die Kapitalrücklage gesellschafterbezogen zugeordnet werden, wird jedoch die Kapitalrücklage im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung abweichend hiervon allen Gesellschaftern entsprechend ihren Beteiligungsquoten zugerechnet, kann der Verzicht auf einen angemessenen Wertausgleich durch den Gesellschafter, der die Leistungen erbracht hat, eine freigebige Zuwendung zugunsten der Mitgesellschafter darstellen.
- A.
Problemstellung
Der ganze oder teilweise nachträgliche Verzicht – ohne Wertausgleich – auf eine zuvor durch Leistungen eines Gesellschafters gebildete gesellschafterbezogene Kapitalrücklage zugunsten der Mitgesellschafter kann eine steuerbare freigiebige Zuwendung an diese darstellen.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), sein Vater (V.) und sein Bruder (B.) schlossen am 27.06.2006 einen notariell beurkundeten Vertrag über die Errichtung einer GmbH.
Jeder Gesellschafter war zu einem Drittel am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Nach § 9 Nr. 2 der Satzung stand der auszuschüttende Gewinn den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung am Stammkapital zu, sofern nicht eine andere Gewinnverteilung unter Zustimmung jedes benachteiligten Gesellschafters beschlossen wurde. Entsprechendes galt für die Zuweisung und Auflösung der Kapitalrücklagen. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung wurden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst und konnten nur innerhalb einer Frist von einem Monat ab Beschlussfassung angefochten werden. Änderungen der Satzung sowie Nebenabreden bedurften der notariellen Beurkundung.
Am 01.07.2006 fassten die Gesellschafter den Beschluss, dass bisher im Privatvermögen der Gesellschafter befindliches Vermögen zusammengefasst werden solle und den Kapitalrücklagen der einzelnen Gesellschafter gesellschafterbezogen zugeordnet werden solle, also nicht im Verhältnis der Beteiligungen zu je 1/3. Der Beschluss wurde nicht notariell beurkundet, aber auch nicht angefochten.
Im Zeitraum zwischen Juli 2006 und Januar 2010 erbrachte V. mehrere Bar- und Sachleistungen i.H.v. insgesamt 4,95 Mio. Euro an die GmbH, die letztendlich in die Kapitalrücklage der GmbH als „Kapitalrücklage V.“ umgebucht wurden.
In einer notariellen Urkunde vom 15.11.2012 beschlossen die Gesellschafter, das Stammkapital der GmbH zu erhöhen. Zur Übernahme der neuen Geschäftsanteile wurden nur der Kläger und B. zu je ½ zugelassen. Die Kapitalerhöhung erfolgte in der Weise, dass der Kläger und B. im Wege der Sacheinlage Beteiligungen an anderen Gesellschaften in die GmbH einbrachten, die ihnen V. zuvor am 24.10.2012 unentgeltlich übertragen hatte. Der Buchwert der eingebrachten Beteiligungen betrug zum Einbringungsstichtag 01.11.2012 jeweils 2.352.428,51 Euro. Die Differenz zu den von dem Kläger und B. übernommenen Kapitalerhöhungsgeschäftsanteilen i.H.v. jeweils 2.088.678,51 Euro wurde als sonstige Zuzahlung in die Kapitalrücklage der GmbH eingestellt.
Infolge der Kapitalerhöhung verringerte sich die Beteiligung des V. am Gesellschaftsvermögen der GmbH von 33,33% auf 1,623084% und erhöhten sich die Beteiligungen des Klägers und die des B. von jeweils 33,33% auf 49,188458%. Ferner wurde in der Urkunde auch eine Ausgleichsvereinbarung für den Verzicht des V. auf Teilnahme an der Kapitalerhöhung und die dadurch bedingte Veränderung der Ansprüche der Gesellschafter an und auf die Kapitalrücklage vereinbart. Bei der Bestimmung des bei V. eingetretenen Wertverlusts rechneten die Gesellschafter die Kapitalrücklage der GmbH (vor Kapitalerhöhung) den Gesellschaftern i.H.v. jeweils einem Drittel zu. Nach Durchführung der Kapitalerhöhung betrug der Anteil des V. an der Kapitalrücklage 148.144,66 Euro und die Anteile des Klägers und des B. jeweils 4.489.606,18 Euro. Nach dieser als verbindlich anerkannten Berechnung ergab sich für V. eine Wertminderung in Bezug auf seine Beteiligung an der GmbH i.H.v. 1.063.061,26 Euro.
Zum Ausgleich dieses Verlusts verpflichteten sich der Kläger und B. zu lebenslänglichen Zahlungen an V. i.H.v. monatlich 14.500 Euro. Bei Vorversterben des V. sollten diese Zahlungen an seine Ehefrau, die Mutter des Klägers und des B. erfolgen, allerdings nur i.H.v. 75%. Die als „Wertverlustvereinbarung (V.)“ bezeichnete Berechnung wurde von allen Gesellschaftern unterzeichnet und als Anlage der notariellen Urkunde beigefügt.
Das Finanzamt sah den Wertverlust des V. durch die Ausgleichsvereinbarung als nicht vollständig ausgeglichen an und wertete dies als eine gemischte Schenkung von V. an den Kläger und B.
Das Finanzamt war der Ansicht, die Kapitalrücklage der GmbH sei für Zwecke der Berechnung des Wertverlusts nicht jedem der Gesellschafter zu einem Drittel, sondern allein dem V. zuzurechnen, und stellte daher dem Wert der Rücklage vor Kapitalerhöhung i.H.v. 3.566.239 Euro den Wert der Rücklage nach Kapitalerhöhung i.H.v. 125.685 Euro und den vereinbarten Wertausgleich von 1.063.061 Euro gegenüber. In Höhe des Differenzbetrags ging es von einer hälftigen Bereicherung des Klägers und des B. i.H.v. jeweils 1.188.746 Euro aus und setzte mit Bescheid vom 23.05.2016 Schenkungsteuer i.H.v. 156.768 Euro fest. Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Er machte geltend, das Finanzamt habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger und B. ihre Beteiligungen zum Buchwert in die GmbH eingebracht hätten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 10.08.2017 setzte das Finanzamt die Schenkungsteuer auf 151.125 Euro herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Das FG Stuttgart gab der Klage des Klägers mit Urt. v. 24.06.2020 (7 K 2351/17 - ErbStB 2021, 45) statt und hob den Bescheid vom 23.05.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.08.2017 auf.
Das Finanzgericht war der Auffassung, das Finanzamt sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass V. seinen Mitgesellschaftern eine Zuwendung gemacht habe. Diese Ansicht verkenne, dass die Aufstockung der Kapitalrücklage auf disquotalen Einlagen des V. beruhe, die nach der im Einlagezeitpunkt geltenden Rechtslage nicht der Schenkungsteuer unterlegen hätten. Die Formulierung in den Gesellschafterbeschlüssen, dass der jeweilige Kapitalbetrag in die Kapitalrücklage des Unternehmens umgebucht werde als Kapitalrücklage des V. ändere nichts daran, dass V. im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung nur zu einem Drittel an der von ihm aufgebrachten Kapitalrücklage beteiligt gewesen sei. Die geleistete Einlage stelle Eigenkapital der GmbH dar, welches allein der Gesellschaft und nicht den Gesellschaftern zustehe.
Mit der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts macht das Finanzamt die Verletzung materiellen Bundesrechts geltend.
Der BFH hat die Entscheidung des Finanzgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Nach seiner Auffassung sei die Kapitalrücklage im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung abweichend von der ursprünglich gesellschafterbezogenen Zurechnung nunmehr allen Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligungsquote zugerechnet worden und aufgrund des Verzichts des V. auf einen angemessenen Wertausgleich liege eine freigebige, steuerbare Zuwendung zugunsten der anderen Mitgesellschafter gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor.
- C.
Kontext der Entscheidung
Im Ausgang bestätigt der BFH zunächst seine Rechtsprechung (vgl. BFH, Urt. v. 28.09.2021 - VIII R 25/19 Rn. 14 - BFHE 274, 457 = DStR 2022, 140), dass die Zuordnung der Kapitalrücklage zum Eigenkapital der Gesellschaft es nicht ausschließt, dass Leistungen eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage in entsprechender Anwendung von § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG, § 72 Satz 2 GmbHG gesellschafterbezogen zugeordnet werden können, etwa dadurch, dass im Fall der Liquidation oder der Auflösung der Kapitalrücklage die geleisteten Beträge nur den Gesellschaftern zustehen sollen, die die Leistung ursprünglich erbracht haben, so dass die übrigen Gesellschafter nicht über ihre Beteiligung von der eingelegten Leistung profitieren.
Voraussetzung dafür ist, dass eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage nach der Satzung der GmbH möglich ist und die Gesellschafter wirksam einen entsprechenden Ausführungsbeschluss fassen. Die Wirksamkeit des Ausführungsbeschlusses scheiterte im entschiedenen Fall auch nicht daran, dass nach der Satzung die Beschlussfassung über Nebenabreden der notariellen Beurkundung bedurfte. Im Unterschied zu gesetzlichen Beurkundungspflichten führt die Verletzung einer nur durch Satzung vereinbarten Beurkundungspflicht nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit des Ausführungsbeschlusses (so auch BGH, Urt. v. 16.07.2024 - II ZR 71/23 Rn. 37 - DStR 2024, 1951). Im vorliegenden Fall erfolgte keine fristgerechte Anfechtungsklage, so dass der Ausführungsbeschluss bestandskräftig wurde.
In einer solchen disquotalen Leistung in die gesellschafterbezogene Kapitalrücklage der Gesellschaft liegt dann nicht eine Werterhöhung der Anteile der anderen Gesellschafter vor, die selbst schon zu einer fingierten steuerbaren Schenkung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG führt (so auch R E 7.5 Abs. 11 Satz 14 ErbStR 2019; vgl. dazu auch BFH, Urt. v. 10.04.2024 - II R 22/21).
Weiterhin führt ein aufgrund einer entsprechenden in der Satzung enthaltenen Öffnungsklausel ausführender Gesellschafterbeschluss, nach dem die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn hingegen nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, auch beim beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen. Im Rahmen der Gewinnverteilungsregelung können die Gesellschafter nach Auffassung des BFH (BFH, Urt. v. 28.09.2022 - VIII R 20/20; BFH, Urt. v. 28.09.2021 - VIII R 25/19) auch bestimmen, soweit die Satzung dies zulässt, dass der auszuschüttende Gewinn anteilsabweichend verteilt wird (sog. disquotale/inkongruente Gewinnverteilung) und der nicht ausgeschüttete Gewinnanteil in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt wird (sogenannte gespaltene/inkongruente Gewinnverwendung).
Kehrseite dieser Rechtsprechung des BFH ist dann, dass eine gesellschaftsrechtlich zulässige und auch in steuerrechtlicher Hinsicht anzuerkennende Vereinbarung disquotaler Leistungen und die damit verbundenen Rückzahlungsansprüche des Leistenden in Bezug auf die Kapitalrücklage/Gewinnrücklage, bei einem späteren ganzen oder teilweisen Verzicht hierauf im Verhältnis der Gesellschafter untereinander einen schenkungsteuerbaren Vorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auslösen können.
Im entschiedenen Fall wurde die allein dem disquotal einlegenden Gesellschafter V. zustehende Kapitalrücklage später allen Gesellschaftern in Höhe ihrer jeweiligen Beteiligungsquote zugerechnet, ohne dass diese hierfür einen entsprechenden Ausgleich an V. zu leisten hatten. Dadurch lag eine objektive Bereicherung vor.
Für die subjektive Bereicherung reichte zudem nach Auffassung des BFH aus, dass der disquotal einlegende Gesellschafter V. sich bewusst war, dass er aufgrund des Verzichts weniger aus der Kapitalrücklage erhielt, als ihm nach dem ursprünglichen Gesellschafterbeschluss zustand, und es damit zu einer Werterhöhung bei den anderen Gesellschaftern, dem Kläger und dessen Bruder kam. Eine Absicht, die anderen Gesellschafter, den Kläger bzw. dessen Bruder, zu bereichern, war damit für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands der Schenkung nach Ansicht des BFH nicht mehr notwendig.
- D.
Auswirkungen für die Praxis
In der Praxis ist zunächst darauf zu achten, dass die Satzung der GmbH eine Öffnungsklausel zur Leistung in gesellschafterbezogenen Kapitalrücklagen enthält, sowie zur Bildung gesellschafterbezogener Gewinnrücklagen, wenn die Option bestehen soll, dass aufgrund einer sogenannten disquotalen/inkongruenten Gewinnverteilung der nicht ausgeschüttete Gewinnanteil in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt werden kann (sog. gespaltene/inkongruente Gewinnverwendung). Fehlt eine solche Öffnungsklausel in der Satzung kann durch einen nachfolgenden Ausführungsbeschluss weder eine gesellschafterbezogene Kapitalrücklage noch eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage gebildet werden (BMF v. 04.09.2024 - BStBl I 2024, 1246).
Ist in der Satzung keine Öffnungsklausel enthalten, so kann im Wege eines satzungsdurchbrechenden Einzelbeschlusses eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage nur im Falle eines einstimmigen Gewinnverwendungsbeschlusses gebildet werden und nicht mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit (BFH, Urt. v. 28.09.2022 - VIII R 20/20; BFH, Urt. v. 28.09.2021 - VIII R 25/19; BMF v. 04.09.2024 - BStBl I 2024, 1246).
In Krisenzeiten einer GmbH ergibt sich aber in der Praxis oftmals die Notwendigkeit, dass die Gesellschafter Eigenkapital in die Kapitalrücklage zuführen müssen oder auf eine Gewinnausschüttung verzichten müssen, um die Liquidität der Gesellschaft zu verbessern. Die durch Satzung eingeräumte Möglichkeit zur Bildung einer gesellschafterbezogenen Kapitalrücklage oder gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage eröffnet dabei die Möglichkeit die unterschiedliche Liquidität der Gesellschafter oder den unterschiedlichen Liquiditätsbedarf der Gesellschafter in einem nachfolgenden Ausführungsbeschluss zu berücksichtigen (dazu auch Ott, DStR 2021, 897).
Kommt es zu solchen gesellschafterbezogenen Rücklagen, so ist sowohl bei einer Übertragung von Geschäftsanteilen als auch bei Kapitalmaßnahmen darauf zu achten, dass kein ganzer oder teilweiser Verzicht zugunsten der anderen Gesellschafter erfolgt.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Werden disquotale Einzahlungen in die Kapitalrücklage als Finanzierungsbeitrag einzelner Gesellschafter erbracht, so ist § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu beachten. Gerade zur Vermeidung von steuerbaren Schenkungen an Mitgesellschafter i.S.v. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist die Zuordnung der Einzahlung in eine schuldrechtlich vereinbarte personengebundene Kapitalrücklage zu empfehlen, wodurch eine endgültige Vermögensverschiebung zugunsten der Mitgesellschafter vermieden werden kann.
Schließlich ist – wie der entschiedene Fall zeigt – dann aber in der Folge zu beachten, dass die ganze oder teilweise Rückzahlung oder der ganze oder teilweise unentgeltliche Verzicht auf eine solche personengebundenen Rücklage regelmäßig zu vorab zu prüfenden steuerlichen Folgen bei den Gesellschaftern führen kann.