Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Im Grundbuch ist auf Blatt 262 unter der laufenden Nummer 1 des Bestandsverzeichnisses ein Grundstück verzeichnet, das aus insgesamt 14 Flurstücken in drei Fluren besteht. Hierzu gehört auch das Flurstück 147 der Flur 3.
Das Grundstück steht im Eigentum einer Erbengemeinschaft und einer Bruchteilsgemeinschaft.
Die Beteiligte zu 1 (Antragstellerin) beantragte im Rahmen der Vorbereitung der Nachlassteilung die Anordnung der Teilungsversteigerung des Flurstücks 147 der Flur 3. Das Amtsgericht lehnte den Antrag ab. Gegen die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts richtete sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die das Landgericht zurückwies. Aufgrund der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte die Antragstellerin ihren Antrag weiter.
Das Beschwerdegericht bestätigte die ergangene Entscheidung, weil es sich bei dem zu versteigernden Flurstück nicht um ein Grundstück i.S.d. §§ 180 ff. ZVG handle. Eine Versteigerung könne nur hinsichtlich eines Grundstücks im Rechtssinn, dass im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer eigenen laufenden Nummer eingetragen ist, angeordnet werden. Bei dem zur Versteigerung vorgesehenen Flurstück handle es sich nur um einen realen Grundstücksteil eines aus mehreren Flurstücken bestehenden Grundstücks im Rechtssinn. Nur ausnahmsweise werde die Zwangsversteigerung eines solchen Grundstücks zugelassen. Das sei der Fall, wenn ein Grundpfandrecht nach Grundstücksvereinigung, Bestandsteilzuschreibung oder katastermäßiger Verschmelzung auf einen Teil des neuen größeren Grundstücks laste. Ein derartiger Ausnahmefall liege aber nicht vor. Die auf dem in Rede stehenden Grundbuchblatt gebuchten Grundstücke seien in Abteilung III lastenfrei gewesen und die jeweiligen Grundstücksteile weder wiedervereinigt noch zugeschrieben oder verschmolzen worden.
Der BGH hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts bestätigt.
Der Antrag auf Teilungsversteigerung sei zu Recht abgelehnt worden. Die Teilungsversteigerung eines einzelnen Grundstücks sei unzulässig.
Kontext der Entscheidung
Die Aufhebung einer Grundstücksgemeinschaft durch Zwangsversteigerung (Teilungsversteigerung) setzt als Gegenstand ein Grundstück voraus. Nach den §§ 864, 866, 869 ZPO, §§ 180, 181 Abs. 2 ZVG ist ein Grundstück oder ein Grundstücksbruchteil Gegenstand der Versteigerung. Eine gesetzliche Definition des „Grundstücks“ gibt es nicht. Rechtsprechung und Literatur unterscheiden dabei zwischen Grundstück im Rechtssinn und Flurstück als Begriff des Liegenschaftskatasters.
Der BGH, wie bereits das Reichsgericht, verstehen unter einem Grundstück im Rechtssinn einen räumlich abgetrennten Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis in einem eigenen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GBO) oder gemeinschaftlichen (§ 4 GBO) Grundbuchblatt ohne Rücksicht auf die Art seiner Nutzung unter einer besonderen Nummer eingetragen ist (RG, Urt. v. 12.03.1914 - V 368/13; BGH, Beschl. v. 19.12.1967 - V BLw 24/67; BGH, Urt. v. 19.01.1990 - V ZR 215/88; BGH, Urt. v. 14.01.2005 - V ZR 139/04; BGH, Urt. v. 11.11.2022 - V ZR 145/21).
Das Grundstück wird im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer laufenden Nummer des Grundstücks eingetragen (Spalte 1; § 6 Abs. 1 GBV).
Das Flurstück ist dagegen kein Grundstück im Rechtssinne. Es handelt sich bei dem Flurstück um eine Buchungseinheit für die Beschreibung der Bodenfläche als dem amtlichen Nachweis [§ 2 Abs. 2 GBO] (BayObLG, Beschl. v. 03.11.1954 - BReg 2 Z 121/54 - BayObLGZ 1954, 258, 262; Demharter, GBO, 33. Aufl., § 2 Rn. 17). Im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs wird die Flurstücknummer im Grundbuch eingetragen (Spalte 3; § 6 Abs. 3a Nr. 2 GBV). Das Grundstück im Rechtssinn kann aus einem Flurstück (Idealgrundstück) oder aus mehreren Flurstücken (zusammengesetztes Grundstück) bestehen. Der Teil eines Flurstücks kann kein Grundstück sein, weil seine Grenzen nicht aufgrund des Katasters in der Öffentlichkeit festgestellt werden könnten (BayObLG, Beschl. v. 21.12.1956 - BReg 2 Z 192-193/56 - BayObLGZ 1956, 470, 473; OLG München, Beschl. v. 24.07.2009 - 34 Wx 027/09; Keller in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht, 9. Aufl., § 2 GBO Rn. 5; Nowak in: Meikel GBO, 12. Aufl., § 3 Rn. 9; Schneider in: Lemke, GBO, 3. Aufl. § 2 Rn. 10).
In den verschiedenen Gesetzen wird von Grundstücken im Rechtssinn gesprochen (RG, Urt. v. 12.03.1914 - V 368/13; BGH, Beschl. v. 19.12.1967 - V BLw 24/67; BGH, Urt. v. 19.01.1990 - V ZR 215/88; BGH, Urt. v. 14.01.2005 - V ZR 139/04; BGH, Urt. v. 11.11.2022 - V ZR 145/21; Herrler in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. vor § 873 Rn. 1; Dorndörfer in: MünchKomm ZPO, § 864 Rn. 2; Nowak in: Meikel, GBO, 12. Aufl., § 3 Rn. 7).
Der Begriff des Grundstücks im Rechtssinn hat auch im ZVG Geltung (BGH, Beschl. v. 05.03.2020 - V ZB 20/19; Keller in: Stöber, ZVG, 23. Aufl., Einleitung Rn. 26; Böttcher, ZVG, 7. Aufl., Einleitung Rn. 14; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, ZVG, 16. Aufl., vor § 15 Rn. 2; Cranshaw in: Depré, ZVG, 3. Aufl., § 15 Rn. 23; Nowak in: Meikel, GBO, 12. Aufl., § 3 Rn. 7; Schmidberger/Schneider/Traub in: Schneider, ZVG, Einleitung Rn. 17).
Die Versteigerung eines einzelnen Flurstücks widerspricht auch dem Zweck der Teilungsversteigerung. Das Teilungsversteigerungsverfahren dient der Auseinandersetzung der Miteigentümer an einem Nachlassgrundstück. Die Teilung eines Grundstücks soll durch die Versteigerung herbeigeführt werden.
Ausgeschlossen ist die Teilungsversteigerung eines Grundstücks (§ 2042 Abs. 2 BGB i.V.m. den §§ 752, 753 BGB) in den Fällen, in denen das Grundstück in Natur nicht so geteilt werden kann, so dass das Grundstück in gleichartige und gleichwertige Anteile zerlegt wird (BGH, Urt. v. 27.10.1972 - V ZR 41/70). Das ist in der Praxis regelmäßig der Fall. Die einzelnen Grundstücke sind selten genau gleichwertig und entsprechen in ihrer Summe dem Wert des Grundstücks in seiner Gesamtheit (Kiderlen in: Stöber, ZVG, § 180 Rn. 4; Böttcher, ZVG, 7. Aufl., § 180 Rn. 13).
Nichts anderes ergibt sich auch aus § 1023 Abs. 1 Satz BGB unter Berücksichtigung von § 7 Abs. 1 GBO, wonach das Flurstück für sich genommen kein Grundstück, sondern lediglich ein Grundstücksteil ist und als solcher ohne vorherige Abschreibung nicht veräußert werden kann.
Auch die Berücksichtigung von § 1131 BGB führt zu keinem anderen Ergebnis. Aufgrund der Zusammenlegung von Grundstücken ist die Zwangsversteigerung der Teilfläche des Grundstücks möglich, auf der das Grundpfandrecht lastet (BGH, Beschl. v. 24.11.2005 - V ZB 23/05). Hierbei handelt es sich jedoch um eine unvermeidbare Ausnahme, die nicht auf den „Normalfall“ eines unbelasteten, aus mehreren Flurstücken zusammengesetzten Grundstücks übertragen werden kann, so dass die Teilungsversteigerung einzelner Flurstücke zuzulassen wäre.