juris PraxisReporte

Anmerkung zu:AG München, Urteil vom 27.10.2023 - 158 C 16069/22
Autor:Markus Maibach, RA und FA für Erbrecht
Erscheinungsdatum:06.08.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1939 BGB, § 1940 BGB, § 2194 BGB, § 2187 BGB, § 2167 BGB, § 1922 BGB, § 2192 BGB, § 2161 BGB
Fundstelle:jurisPR-FamR 16/2024 Anm. 1
Herausgeber:Andrea Volpp, RA'in und FA'in für Familienrecht
Franz Linnartz, RA und FA für Erbrecht und Steuerrecht
Zitiervorschlag:Maibach, jurisPR-FamR 16/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Übergang von Vermächtnis mit Auflage auf Erbe des Vermächtnisnehmers



Orientierungssatz zur Anmerkung

Bei der Auflage handelt es sich um eine testamentarische Anordnung, mit welcher Erben oder Vermächtnisnehmer beschwert werden können. Die mit der Auflage verbundene Verpflichtung ist grundsätzlich vererblich, sofern die Auflage nicht höchstpersönlichen Charakter hat und nur ganz bestimmte Beschwerte treffen soll.



A.
Problemstellung
Wann geht ein Geldvermächtnis, verbunden mit der Auflage zur Grabpflege, auf den Erben des Vermächtnisnehmers über?


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Grabpflege. Der Kläger ist Alleinerbe der im Jahr 2018 verstorbenen Erblasserin. Die Beklagten sind paritätische Miterbinnen der im Jahr 2021 verstorbenen Nichte der Erblasserin. In einem Testament hat die Erblasserin der Nichte einen Geldbetrag i.H.v. 8.000 Euro „für die Grabpflege“ vermacht. Dieser Betrag wurde nach dem Tod der Erblasserin an die Nichte ausgezahlt.
Der Kläger ist im Wesentlichen der Auffassung, bei der testamentarischen Geldzuwendung handle es sich um ein Vermächtnis mit Auflage, nicht lediglich um einen Kostenvorschuss. Dieses Vermächtnis sei mit dem Tod der Nichte auf die Beklagten in ihrer Eigenschaft als deren Erbinnen übergegangen. Dem sind die Beklagten entgegengetreten, weshalb der Kläger beantragte, festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, die Grabstätte der Erblasserin zu pflegen.
Das AG München hat die Klage abgewiesen.
Die Klage sei nicht begründet, da die vom Kläger geltend gemachte Verpflichtung der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehe. Die testamentarische Verfügung der Erblasserin sei auszulegen als Vermächtnis zugunsten ihrer Nichte, verbunden mit der Auflage, die Grabpflege des Familiengrabes zu besorgen, §§ 1939, 1940 BGB. Der Kläger sei jedoch nicht nach § 2194 BGB zur zwangsweisen Durchsetzung der Auflage berechtigt, denn die Auflage sei weder nach den §§ 2161, 2187 Abs. 2 BGB noch nach § 1922 BGB auf die Beklagten übergegangen. Die Beklagten seien als Erbinnen der Nichte nicht gemäß den §§ 2192, 2161 BGB an deren Stelle getreten. Sie müssen somit nicht die Auflage erfüllen. Denn § 2161 Satz 2 BGB meine mit „Wegfall“ des zunächst Beschwerten dessen Tod vor Eintritt des Erbfalls (vgl. OLG Jena, Urt. v. 04.04.2001 - 8 U 577/00 Rn. 81). Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 2167 Satz 1 BGB, der darauf abstelle, dass der Beschwerte nicht Vermächtnisnehmer werde. Um den Anwendungsbereich des § 2167 BGB zu eröffnen, darf das Vermächtnis folglich nicht angefallen sein. Dies sei vorliegend aber unstreitig der Fall gewesen.
Ebenfalls scheide ein Übergang der Verpflichtung aus der Auflage auf die Beklagten im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge nach der Nichte der Erblasserin gemäß den §§ 1922 ff. BGB aus. Bei der Auflage handle es sich um eine testamentarische Anordnung, mit welcher Erben oder Vermächtnisnehmer beschwert werden können. Die mit der Auflage verbundene Verpflichtung sei grundsätzlich vererblich, sofern die Auflage nicht höchstpersönlichen Charakter habe und nur ganz bestimmte Beschwerte treffen soll. Letzteres sei aber vorliegend der Fall. Die Grabpflege entspringe einer sittlichen Verpflichtung der Hinterbliebenen. Die Erblasserin habe die Grabpflege ihrer Nichte als Familienangehöriger übertragen, die aufgrund der familiären Verbindung zur Erblasserin und der Tatsache, dass auch ihre Eltern dort bestattet sind, einen besonderen Bezug zur Grabstelle hatte. Dass die Erblasserin auch die Erben ihrer Nichte, die sie nicht kannte und die in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zur Erblasserin oder ihrer Nichte stehen, durch die testamentarische Verfügung binden und zur Pflege ihrer Familiengrabstätte verpflichten wollte, ohne dass ihr bekannt gewesen wäre, in welcher Art und Weise die Beklagten dieser Verpflichtung nachkommen würden, habe gerade nicht dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin entsprochen. Zudem habe sie nicht wissen können, wer ihre Nichte irgendwann einmal beerben würde.
Damit handle es sich vorliegend um eine höchstpersönliche Auflage, welche nicht nach den §§ 1922 ff. BGB auf die Beklagten übergegangen sei.


C.
Kontext der Entscheidung
Das AG München zitiert eine Entscheidung des OLG Jena vom 04.04.2001 (8 U 577/00). Im dortigen Fall verlangten die Klägerinnen von der Beklagten, welche die Goethe-Gedenkstätte im Schloss Kochberg verwaltet, die Herausgabe von bestimmten „Goethe-Erinnerungsstücken“. Diese waren ihrem Vater, den sie beerbt haben, von dessen Onkel im Wege eines Vermächtnisses zugewandt worden, verbunden mit der Auflage, im Falle eines notwendigen Verkaufs dieser Gegenstände selbige an das Land Thüringen zur Aufnahme in die Goethe-Sammlung zu veräußern. Hierzu führte das OLG Jena aus, der Erbvertrag zwischen dem Vater der Klägerinnen und dessen Onkel begründet keinen Anspruch der Beklagten auf Überlassung der Mobiliargegenstände. Der Erbvertrag ist nämlich kein Vertrag zugunsten Dritter. Die Beklagte hätte zwar aufgrund der Auflage im Erbvertrag vom Vater der Klägerinnen die Belassung der Möbelstücke im Schloss verlangen können. Die Klägerinnen sind aber nicht nach den §§ 2192, 2161 BGB an die Stelle ihres Vaters getreten. Sie müssen somit nicht die Auflage erfüllen. Denn § 2161 BGB meint mit „Wegfall“ des Beschwerten dessen Tod vor Eintritt des Erbfalls. Die Vorschrift würde somit nur eingreifen, wenn der Vater vor seinem Onkel verstorben wäre, was nicht der Fall ist. Als Erbeserben müssen die Klägerinnen die Auflage ebenfalls nicht erfüllen. Denn andernfalls wäre der Erbvertrag ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Gehört es zu den grundsätzlichen Verfügungen in einem Testament, eine Ersatzregelung vorzunehmen, wenn der Erbe oder Vermächtnisnehmer wegfällt, so schärft die Entscheidung die Sensibilität des Beraters dahin gehend, bei einem Geldvermächtnis, verbunden mit einer Auflage, auch eine vorsorgliche Regelung für den Fall vorzusehen, wenn der Vermächtnisnehmer nach Eintritt des Erbfalls verstirbt, die Auflage jedoch nach wie vor der Erfüllung bedarf.



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!