juris PraxisReporte

Anmerkung zu:OLG Frankfurt 7. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 15.03.2024 - 7 WF 25/24
Autor:Dr. Sven Billhardt, RiOLG
Erscheinungsdatum:20.08.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 55 FamGKG, § 33 RVG, § 18 RVG, § 25 RVG, § 92 FamFG, § 87 FamFG, § 81 FamFG
Fundstelle:jurisPR-FamR 17/2024 Anm. 1
Herausgeber:Andrea Volpp, RA'in und FA'in für Familienrecht
Franz Linnartz, RA und FA für Erbrecht und Steuerrecht
Zitiervorschlag:Billhardt, jurisPR-FamR 17/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Verfahrenswert im Ordnungsmittelverfahren



Leitsätze

1. Wenn ein Elternteil mehrmals nacheinander das Kind nicht herausgibt, ist in der Regel nur ein Ordnungsmittel festzusetzen. Mehrfache Verstöße rechtfertigen eine Erhöhung des einmalig festzusetzenden Ordnungsgeldes.
2. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit bemisst sich im Vollstreckungsverfahren im Ergebnis nach dem vollen Wert des Erkenntnisverfahrens. Soweit sich gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG der Wert der anwaltlichen Tätigkeit im erstinstanzlichen Verfahren nach dem Wert richtet, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat, ist damit der volle Wert des Erkenntnisverfahrens gemeint.



A.
Problemstellung
Wie ist der Verfahrenswert bei Verstößen gegen eine Umgangsregelung festzusetzen?


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beteiligten schlossen einen vollstreckbaren Vergleich zur Regelung des Umgangs. Nachdem der Vater den Umgang teilweise aus Gründen seiner Berufstätigkeit nicht wahrnehmen konnte, beantragte die Mutter die Festsetzung eines Ordnungsmittels. Das Amtsgericht bat die Mutter vergeblich die zu ahndenden ausgefallenen Umgangstermine weiter zu konkretisieren. Es wies schließlich den Ordnungsmittelantrag der Mutter kostenpflichtig zurück. Auf Antrag des Rechtsanwalts des Vaters setzte es den Wert des Ordnungsmittelverfahrens auf 4.000 Euro fest.
Das OLG Frankfurt hat die dagegen erhobene Beschwerde der Kindesmutter zurückgewiesen.
Es handle sich – auch wenn mehrere Umgangstermine ausgefallen seien – nur um einen zu ahndenden Verstoß. Wenn ein Elternteil mehrmals nacheinander das Kind nicht herausgebe, sei nur ein Ordnungsmittel festzusetzen, wobei der mehrfache Verstoß erhöhend wirke (OLG Frankfurt, Beschl. v. 08.06.2021 - 7 WF 66/21; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.09.2020 - 10 WF 622/20 Rn. 50; Zimmermann in: MünchKomm FamFG, 3. Aufl. 2018, § 89 Rn. 27). Wenn der Schuldner einen neuen Entschluss zum Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung gefasst oder einen bereits gefassten Entschluss bewusst bekräftigt habe, spreche dies dafür, mehrere Zuwiderhandlungen anzunehmen.
In der Regel könne erst nach Zustellung eines Ordnungsmittelbeschlusses ein neues Ordnungsmittel festgesetzt werden. Insofern liege (erst) dann auch eine weitere Angelegenheit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 14 RVG vor, welche die Rechtsanwaltsgebühr Nr. 3309 VV-RVG erneut auslöse. Der Wert des Vollstreckungsverfahrens sei mit dem Wert des Erkenntnisverfahrens zu bemessen. Es sei nicht die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes maßgeblich.
Die Regelung des § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG lasse auch entgegen einer weit verbreiteten Auffassung nicht zu, den Wert nach billigem Ermessen mit einem Bruchteil des Wertes des Erkenntnisverfahrens zu bestimmen.


C.
Kontext der Entscheidung
Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ist der Wert eines Verfahrens nur von Amts wegen festzusetzen, wenn in dem Verfahren Gerichtsgebühren anfallen, die sich nach der Höhe des Verfahrenswertes richten. In Zwangsvollstreckungsverfahren fallen gemäß Nr. 1602 GKG-KV für das gerichtliche Verfahren Festgebühren (i.H.v. derzeit 22 Euro) an, so dass eine amtswegige Wertfestsetzung ausscheidet. Vielmehr ist der Wert erst auf Antrag eines Rechtsanwaltes gemäß § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen, damit dieser seine Gebühren (0,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV-RVG, sowie 0,3 Terminsgebühr gemäß 3310 VV-RVG) ermitteln kann.
Dabei stellt jede Verurteilung zu einem Ordnungsgeld gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 14 RVG eine besondere Angelegenheit dar. Deswegen ist entscheidend, ob der Schuldner zu einem oder zu mehreren Ordnungsgeldern zu verurteilen ist. Dies hängt davon ab, ob ein oder mehrere Verstöße gegen die titulierte Verpflichtung vorliegen. Dies richtet sich danach, ob die Verstöße unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit als eine Tat angesehen werden können. Dazu müssen sie aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sein, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (BGH, Beschl. v. 18.12.2008 - I ZB 32/06 Rn. 13 f. - NJW 2009, 921). Ist bei natürlicher Betrachtungsweise anzunehmen, dass der Schuldner jeweils einen neuen Entschluss zum Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung gefasst oder einen bereits gefassten Entschluss bewusst bekräftigt hat, spricht dies gegen das Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit und für die Annahme von mehreren Zuwiderhandlungen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.12.2020 - I ZB 99/19 Rn. 21 - NJW 2021, 1098). Vorliegend sah der Senat nur einen Entschluss des Vaters, die Umgangstermine aus beruflichen Gründen nicht wahrzunehmen. Eine Zäsur liege erst in der Zustellung des Ordnungsmittelbeschlusses.
Weiter ist umstritten, in welcher Höhe der Verfahrenswert in Ordnungsmittelverfahren für einen Verstoß festzusetzen ist. Gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG bestimmt er sich nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Diesen setzt der Senat mit ausführlicher Begründung auf den Wert der Hauptsache fest und erteilt der Ansicht, dass der Wert ein Bruchteil ist, eine Absage. Insoweit berücksichtigt der Senat jedoch nicht ausreichend, dass der Wert im Erkenntnisverfahren einen umfassenden Titel zu errichten anders zu bewerten ist als ein Verstoß dagegen. Der Vergleich mit der Vollstreckung einer Geldforderung hinkt. Es macht aus Sicht des Gläubigers einen signifikanten Unterschied, ob ein Umgang insgesamt verweigert wird oder ob das Kind nur zu spät von einem Umgangstermin zurückgebracht wird. Dementsprechend erscheint es sachgerecht, auch Bruchteile des Wertes des Erkenntnisverfahrens festzusetzen (vgl. KG, Beschl. v. 25.06.2021 - 16 WF 79/21 - FamRZ 2022, 48 Rn. 2).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Bei der Beantragung eines Ordnungsmittels ist zu berücksichtigen, dass ausgefallene Umgangstermine einen oder mehrere Verstöße darstellen können. Die Abgrenzung fällt nicht leicht. Das OLG Frankfurt wendet einen großzügigen Maßstab an und sieht in der Regel erst in der Zustellung eines Ordnungsmittelbeschlusses einen neuen Willensentschluss des Schuldners, der eine erneute Zuwiderhandlung begründet. Wird ein Ordnungsmittel festgesetzt, richtet sich die Kostenentscheidung nach § 92 Abs. 2 FamFG. Wenn der Antrag zurückgewiesen wird, dann ist für die Kostenentscheidung den §§ 87 Abs. 5, 81 ff. FamFG maßgeblich. Bei einem Antrag, dem mehrere selbstständige Zuwiderhandlungen zugrunde liegen, ist umstritten, ob eine Kostenquote gebildet werden kann (dafür: OLG Frankfurt, Beschl. v. 05.06.2023 - 6 WF 68/23 Rn. 26 - FamRZ 2023, 1386; OLG Hamburg, Beschl. v. 23.11.2021 - 12 WF 145/21 - NZFam 2022, 747; dagegen: Cirullies, NZFam 2023, 794, 795). Es ist daher darauf zu achten, dass die zu ahndenden Verstöße sorgfältig ausgewählt werden, um nicht ins Kostenrisiko zu gehen.



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