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Anmerkung zu:OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 15.02.2024 - 34 Wx 36/24 e
Autor:Franz Linnartz, RA, FA für Erbrecht und FA für Steuerrecht
Erscheinungsdatum:17.09.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 2314 BGB, § 12c GBO, § 71 GBO, § 46 GBVfg, § 12 GBO, § 2303 BGB, § 2325 BGB
Fundstelle:jurisPR-FamR 19/2024 Anm. 1
Herausgeber:Andrea Volpp, RA'in und FA'in für Familienrecht
Franz Linnartz, RA und FA für Erbrecht und Steuerrecht
Zitiervorschlag:Linnartz, jurisPR-FamR 19/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Anspruch auf unbeglaubigte Abschrift einer Kostenrechnung gegenüber Grundbuchamt



Orientierungssatz zur Anmerkung

Der Pflichtteilsberechtigte hat auch einen Anspruch auf die Vorlage einer Abschrift von Kostenrechnungen durch das Grundbuchamt.



A.
Problemstellung
Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, inwieweit ein Anspruch eines erbrechtlich Beteiligten auf Erteilung einer Abschrift einer Kostenentscheidung gegenüber dem Grundbuchamt besteht.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
H. war als Miteigentümerin im Wohnungsgrundbuch eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 13.03.2019 übertrug H. ihren Anteil im Wege einer teilentgeltlichen Schenkung an ihren Sohn.
Am 27.03.2023 verstarb H. Der Beteiligte, ein weiterer Sohn der H., bat mit Schreiben vom 16.05.2023 das Grundbuchamt um eine Kopie des Grundbuchauszuges, Mitteilung über die Größe der Wohnung sowie das Baujahr der Wohnanlage. Die Bitte an das Grundbuchamt wurde damit begründet, dass der Antragsteller mit dem Tod seiner Mutter Pflichtteilsberechtigter wurde. Der Beteiligte erhielt einen Grundbuchauszug und eine Kopie des betreffenden Vertrages. Sodann begehrte der Beteiligte Kopien der Notarverträge zu Auflassung vom 31.03.2008 und 19.02.2014.
Das Grundbuchamt erklärte, über die erteilte Auskunft hinaus keine weitere Auskunft zu erteilen. Die Erwerbsurkunden des Eigentümers als Käufer oder als Übertragender an andere Personen stelle kein berechtigtes Interesse gemäß § 12 GBO dar. Der Wert der Immobilie ergebe sich auch aus der Bewilligung, die den Notar angegeben habe. Der Notar lehnte aber die Herausgabe der Bewilligung ab. Der Beteiligte wandte sich daher erneut an das Grundbuchamt. Es wurde erneut um die Überlassung von Kopien der Bewilligung und Kostennoten gebeten.
Mit Beschluss lehnte das Grundbuchamt das Begehren des Beteiligten ab: Zur Prüfung möglicher Pflichtteilsansprüche sei nur die Veräußerungsurkunde vom 13.03.2019 von Relevanz. Frühere Veräußerungen und der Verkauf durch die Erblasserin seien ohne Bedeutung. Damit liege auch kein berechtigtes Interesse vor. Eine Abschrift der gerichtlichen Kostenrechnung zur Veräußerung dürfen nicht übersandt werden; der Antragsteller sei schließlich kein Kostenschuldner. Sofern die vom Grundbuchamt zur Verfügung gestellten Informationen nicht ausreichend seien, könne der Pflichtteilsberechtigte auf § 2314 BGB zurückgreifen.
Gegenüber dem Oberlandesgericht beantragte der Beteiligte mit seiner am 09.08.2023 eingelegten Beschwerde das Amtsgericht zu verpflichten, ihm Kopien der Bewilligung und der Kostenrechnung des Notarvertrages vom 13.03.2019 zuzusenden.
Das OLG München befasste sich antragsgemäß nur mit dem Antrag über die Erteilung von Abschriften der Bewilligungen und der Kostenrechnungen zur Veräußerung.
Die Beschwerde war insbesondere gemäß den §§ 12c Abs. 4 Satz 2, 71 Abs. 1 GBO zulässig.
Das Schreiben des Beteiligten vom 09.08.2023 wertete das Oberlandesgericht als Erinnerung gegen die ablehnende Entscheidung des Grundbuchamtes.
In der Sache entschied das Oberlandesgericht: Nach § 12 Abs. 3 GBO i.V.m. § 46 Abs. 1 GBV ist die Einsicht in Grundakten gestattet, sofern ein berechtigtes Interesse dargelegt wird. Das gilt auch, soweit es sich nicht um die in § 12 Abs. 1 Satz 2 GBO bezeichneten Urkunden handelt. Sofern und soweit Einsicht in die Grundakte gestattet ist, kann auch eine Abschrift verlangt werden (§ 46 Abs. 1 GBV).


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung bestätigt, dass für erfolgreiche Auskunftsansprüche gegenüber dem Grundbuchamt ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 46 Abs. 1 GBV – wie bei § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO – gegeben sein muss.
Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers gegeben ist. Im Unterschied zum rechtlichen Interesse muss sich das Interesse nicht auf ein vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen. Auch ein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse kann ein berechtigtes Interesse begründen. Andererseits ist nicht jedes Interesse ausreichend; die Verfolgung unbefugter Zwecke oder Neugier sind nicht ausreichend. Bei der Einsicht in die Grundakten, deren Inhalt nicht zum Grundbuchinhalt gehört, auf dessen Publizität § 12 Abs. 1 GBO zielt, ist das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffene besonders zu beachten.
Mit Rücksicht auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen ist eine besonders sorgfältige und strenge Prüfung der berechtigten Interessen vorzunehmen. Dies gilt umso mehr, als die eingetragenen Berechtigten vor der Einsichtsgewährung nicht gehört werden. Ihnen steht auch kein Beschwerderecht zu (OLG Oldenburg, Beschl. v. 30.09.2013 - 12 W 261/13 (GB) - ZEV 2014, 611-612; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.09.2013 - 11 Wx 57/13 - ZEV 2013, 621; OLG München, Beschl. v. 23.02.2011 - 34 Wx 61/11 - ZEV 2011, 389).
Hinsichtlich der Vorlage einer Kostenrechnung ist ein berechtigtes Interesse gegeben. Grundsätzlich ergibt sich für den Pflichtteilsberechtigten ein Einsichtsrecht. Es ergibt sich aus der Grundlage von § 2303 Abs. 1 BGB. Soweit das Grundstück zu Lebzeiten bereits teilentgeltlich übertragen wurde, ergibt sich für den Pflichtteilsberechtigten ein Anspruch aus § 2325 Abs. 1 BGB (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.09.2013 - 11 Wx 57/13 - ZEV 2013, 621). Der Beteiligte hat ein nachvollziehbares wirtschaftliches Interesse, den Wert des übertragenen Grundstücks zu erfahren. Hiervon ist die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs abhängig. Der Grundstückswert ist entscheidend dafür, den konkreten Pflichtteil fordern zu können (OLG Oldenburg, Beschl. v. 30.09.2013 - 12 W 261/13 (GB) - ZEV 2014, 611). Der Pflichtteilsberechtigte hat auch ein berechtigtes Interesse daran, die Richtigkeit einer erteilten Auskunft durch eigene Einsichtnahme zu überprüfen (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.08.2020 - 3 W 121/19 - ErbR 2021, 33; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.09.2013 - 11 Wx 57/13 - ZEV 2013, 621).
Hinsichtlich des Anspruchs auf Vorlage einer Kopie der Bewilligung zu dem notariellen Vertrag besteht kein Anspruch, wenn die Vertragsurkunde bereits vorliegt. Die Bewilligung ist in dieser enthalten. Ein Anspruch auf wiederholte Vorlage von Unterlagen besteht nicht.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die Praxis ist hinsichtlich einer Facette des Auskunftsrechts des Pflichtteilsberechtigten klargestellt, dass dieser einen Anspruch auf die Abschrift einer Kostenrechnung – auch im Fall einer teilentgeltlichen Übertragung zu Lebzeiten der Erblasserin – hat.



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