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Anmerkung zu:OLG Hamm Senat für Familiensachen, Beschluss vom 19.08.2024 - II-4 WF 132/24
Autor:Prof. Dr. Binke Hamdan
Erscheinungsdatum:26.11.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 38 FamFG, § 1685 BGB, § 83 FamFG, § 86 FamFG, § 159 FamFG, § 89 FamFG, § 95 FamFG, § 1684 BGB, § 156 FamFG
Fundstelle:jurisPR-FamR 24/2024 Anm. 1
Herausgeber:Andrea Volpp, RA'in und FA'in für Familienrecht
Franz Linnartz, RA und FA für Erbrecht und Steuerrecht
Zitiervorschlag:Hamdan, jurisPR-FamR 24/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Der richtige Umgang mit der gerichtlichen Billigung von Umgangsvergleichen



Leitsätze

1. Dem Vergleich kommt keine verfahrensbeendende Wirkung zu, wenn er nicht nach Maßgabe von § 156 Abs. 2 FamFG familiengerichtlich gebilligt worden ist.
2. Die familiengerichtliche Billigung ist eine Endentscheidung i.S.d. § 38 Abs. 1 FamFG, die entsprechend in Beschlussform zu ergehen hat und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen ist.



A.
Problemstellung
Einigen sich Kindeseltern vor Gericht auf eine Umgangsregelung, ist diese nach Maßgabe des § 156 Abs. 2 FamFG durch das Familiengericht zu billigen. Unterbleibt diese Billigung, kann dies gravierende Auswirkungen haben, wie die Entscheidung des OLG Hamm aufzeigt.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Im Streit um das Umgangsrecht des Kindesvaters mit dem gemeinsamen Kind A. erzielten die Beteiligten im Jahr 2023 zunächst eine Vereinbarung zur vorläufigen Regelung des Umgangs. Dieser Vergleich wurde durch Beschluss des Amtsgerichts gebilligt.
Auf Antrag des Kindesvaters setzte das Amtsgericht im März 2024 gegen die Kindesmutter ein Ordnungsgeld von 250 Euro fest, weil diese gegen die zuvor getroffene Vereinbarung verstoßen habe. In einem weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung erzielten die Beteiligten eine Vereinbarung zur Regelung des Umgangsrechts. Diese sah unter Ziffer 5 vor, dass der Kindesvater sämtliche Ordnungsgeldanträge zurücknimmt. Eine Kostenregelung enthielt die Vereinbarung nicht. Auch eine familiengerichtliche Billigung erfolgte dieses Mal nicht.
In der Folgezeit wurde der Ordnungsgeldbeschluss mit Blick auf Ziffer 5 der getroffenen Vereinbarung zwischen den Beteiligten durch das Amtsgericht aufgehoben. Durch weiteren Beschluss legte das Amtsgericht die gerichtlichen Kosten des durch den Vergleich erledigten Verfahrens den Beteiligten jeweils zu gleichen Teilen auf und ordnete an, dass jeder seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen habe.
Gegen diese beiden Beschlüsse wandte sich der Kindesvater. Er ist der Ansicht, wegen der unterbliebenen familiengerichtlichen Billigung habe der Vergleich das Verfahren nicht beendet.
Das OLG Hamm hat dem Kindesvater Recht gegeben und beide Beschlüsse des Amtsgerichts aufgehoben.
Bezogen auf die Kostenentscheidung des Amtsgerichts fehle es an einer Grundlage für die Entscheidung über die Kosten eines vermeintlich durch den Vergleich erledigten Teils des Verfahrens. Denn dem zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Vergleich komme keine verfahrensbeendende Wirkung zu, weil er nicht nach Maßgabe von § 156 Abs. 2 FamFG familiengerichtlich gebilligt worden sei. Diese familiengerichtliche Billigung sei aber für die Wirksamkeit des Vergleichs konstitutiv.
Auch in dem nachfolgenden Kostenbeschluss sei keine konkludente familiengerichtliche Billigung des Vergleichs zu sehen. Die familiengerichtliche Billigung sei eine Endentscheidung i.S.d. § 38 Abs. 1 FamFG, die entsprechend in Beschlussform zu ergehen habe und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen sei. Sie müsse erkennen lassen, dass eine negative Kindeswohlprüfung stattgefunden habe. Die bloße Verteilung von Kosten lasse aber nicht erkennen, ob eine solche Prüfung tatsächlich erfolgt sei.
Aus denselben Erwägungen war auch die sofortige Beschwerde des Kindesvaters gegen die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses erfolgreich. Aufgrund der Unwirksamkeit des Vergleichs habe der Kindesvater seinen Ordnungsgeldantrag ebenfalls nicht wirksam zurückgenommen.


C.
Kontext der Entscheidung
Dem OLG Hamm ist vollumfänglich zuzustimmen. Mangels gerichtlicher Billigung hatte die zweite Vereinbarung der Kindeseltern keine verfahrensbeendende Wirkung. Hingegen stellte die erste Vereinbarung aufgrund der gerichtlichen Billigung den notwendigen Vollstreckungstitel dar, um gegen die Kindesmutter das Ordnungsgeld festzusetzen. Der Grund hierfür liegt in den Besonderheiten des Umgangsverfahrens und der Bestimmung des § 156 Abs. 2 FamFG.
Umgangsverfahren nach den §§ 1684, 1685 BGB sind Amtsverfahren. Sie werden mithin nur dann gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 FamFG „durch Vergleich erledigt“, wenn die Beteiligten einen gerichtlich gebilligten Vergleich i.S.v. § 156 Abs. 2 FamFG schließen. Denn durch diesen Vergleich besonderer Art wird mit der gerichtlichen Billigung die familiengerichtliche Kindeswohlprüfung gewährleistet und zugleich der fehlenden Dispositionsbefugnis der Beteiligten Rechnung getragen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.12.2012 - 1 WF 327/12). Nur ein solcher gerichtlich gebilligter Vergleich beendet das Verfahren (Schlünder in: BeckOK FamFG, 51. Ed. 01.08.2024, § 156 Rn. 17). Die gerichtliche Billigung steht in ihrer Wirkung einer streitigen Umgangsentscheidung gleich (BGH, Beschl. v. 10.07.2019 - XII ZB 507/18) und stellt daher – neben dem Umgangsbeschluss nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 FamFG – ebenso einen Vollstreckungstitel dar (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG), während außergerichtliche Vereinbarungen der Beteiligten diese Qualität gerade nicht besitzen (Schlünder, FamRZ 2012, 9, 14).
1. Verfahrensvoraussetzungen
Da es sich um eine Entscheidung in einem Umgangsverfahren handelt, muss das Gericht für den Ausspruch der Billigung – anders als sonst bei der Entgegennahme eines Vergleiches – für die Umgangssache zuständig sein (Frank in: Musielak/Borth/Frank, FamFG, 7. Aufl. 2022, § 156 Rn. 9). Die Praxis lässt aber auch eine Billigung einer Umgangsvereinbarung im Beschwerdeverfahren über eine sorgerechtliche Regelung zu (Frank in: Musielak/Borth/Frank, FamFG, 7. Aufl. 2022, § 156 Rn. 9; Schlünder, FamRZ 2012, 9, 14). Außerdem gelten die allgemeinen Verfahrensregeln, mithin ist nach § 159 FamFG das Kind konkret zum Thema Umgang anzuhören (BGH, Beschl. v. 10.07.2019 - XII ZB 507/18).
2. Beschlusserfordernis
§ 156 Abs. 2 FamFG regelt zwar nicht, in welcher Form die Billigung seitens des Familiengerichts zu erfolgen hat. Höchstrichterlich ist mittlerweile jedoch geklärt, dass die Billigung ausdrücklich durch einen Beschluss zu erfolgen hat (BGH, Beschl. v. 10.07.2019 - XII ZB 507/18; BGH, Beschl. v. 01.02.2017 - XII ZB 601/15 - BGHZ 214, 31). Als Beschluss bedarf die Billigung einer Rechtsbehelfsbelehrung (Hammer, FamRZ 2011, 1268, 1273).
3. Tenor des Beschlusses und negative Kindeswohlprüfung
Die in Beschlussform gekleidete Billigung des Gerichts enthält den Tenor: „Die vorstehende Regelung wird familiengerichtlich gebilligt“ und wenigstens eine kurze schriftliche Begründung, die sich nicht auf den Hinweis beschränken darf, die Beteiligten hätten eine einvernehmliche Regelung gefunden. Denn das Gericht hat gemäß § 156 Abs. 2 Satz 2 FamFG unabhängig von dem von den Beteiligten erzielten Einvernehmen eine (negative) Kindeswohlprüfung vorzunehmen (Schlünder in: BeckOK FamFG, 51. Ed. 01.08.2024, § 156 Rn. 18). Widerspricht die von den Beteiligten gewünschte Umgangsregelung dem Kindeswohl, darf das Gericht den Vergleich folglich nicht billigen; hingegen ist nicht entscheidend, ob die Vereinbarung optimal ist (Schäder in: Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 156 Rn. 22).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Immer wieder passieren wie in dem vorliegenden Verfahren im Zusammenhang mit § 156 Abs. 2 FamFG Fehler. Folgende formelle und materielle Fallstricke sind zu vermeiden:
1. Ein konkludenter Billigungsbeschluss durch bloße Protokollierung des Vergleichs und eine nachfolgende Kostenentscheidung reicht für § 156 Abs. 2 FamFG nicht aus. Es bedarf vielmehr einer nach außen erkennbar hervortretenden Erklärung des Gerichts, dass es den geschlossenen Vergleich einer Kindeswohlprüfung unterzogen hat und danach mitträgt. Auch eine Kostenentscheidung nebst Hinweis auf die Vollstreckbarkeit nach § 89 Abs. 2 FamFG genügt hierfür nicht, denn die bloße Kostenentscheidung sagt ebenfalls nichts über die inhaltliche Billigung aus (Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl. 2023, § 156 FamFG).
2. Gegenstand der gerichtlichen Billigung ist nur die Umgangsregelung als solche, nicht etwa eine darüber hinaus getroffene Vereinbarung. Derartige Absprachen können nur Teil eines über die Umgangsvereinbarung hinausgehenden Vergleichs der Eltern sein. Vereinbarungen, die wie z.B. die Inanspruchnahme einer Elternberatung nicht den Umgang und seine Modalitäten selbst zum Gegenstand haben, können mithin nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vollstreckt werden.
Bislang nicht höchstrichterlich entschieden und umstritten ist, ob eine Umgangspflegschaft (§ 1684 Abs. 3 Sätze 3-5 BGB), ein begleiteter Umgang (§ 1684 Abs. 3 Sätze 3-4 BGB), ein Ausschluss oder eine Einschränkung des Umgangs (§ 1684 Abs. 3 Sätze 1-2 BGB) Gegenstand einer einvernehmlichen Regelung nach § 156 Abs. 2 FamFG sein können (Schumann in: MünchKomm FamFG, 3. Aufl. 2018, § 156 Rn. 17a). Sowohl der Wille des Gesetzgebers als auch die zusätzlichen Voraussetzungen in diesen Fällen sprechen indes dagegen. Aus wohl eher praktischen Erwägungen hat der BGH es lediglich zugelassen, dass im Rahmen eines gerichtlich gebilligten Vergleichs über den Umgang jede Form der geteilten Betreuung und somit auch ein paritätisches Wechselmodell vereinbart werden kann (BGH, Beschl. v. 01.02.2017 - XII ZB 601/15 - BGHZ 214, 31; kritisch hierzu: Schumann in: MünchKomm FamFG, 3. Aufl. 2018, § 156 Rn. 17a).



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