juris PraxisReporte

Anmerkung zu:OLG Hamm 7. Zivilsenat, Beschluss vom 25.01.2025 - 7 U 47/24
Autor:Prof. Dr. Martin Heckelmann, LL.M.
Erscheinungsdatum:25.03.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 311 BGB, § 831 BGB, § 5a GmbHG, § 179 BGB
Fundstelle:jurisPR-HaGesR 3/2025 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Jörn-Christian Schulze, RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zitiervorschlag:Heckelmann, jurisPR-HaGesR 3/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Garantiehaftung analog § 179 BGB bei Delikt?



Leitsätze

1. Eine Rechtsscheinhaftung eines Geschäftsführers einer uG (haftungsbeschränkt) für eine Verbindlichkeit dieser haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft gemäß § 311 Abs. 2 und Abs. 3, § 179 (analog) BGB (in Anschluss an BGH, Urt. v. 13.01.2022 - III ZR 210/20 - VersR 2022, 632 Ls. und Rn. 10, 23 ff.; BGH, Urt. v. 12.06.2012 - II ZR 256/11 - NJW 2012, 2871 Rn. 9 ff.; BGH, Urt. v. 05.02.2007 - II ZR 84/05 - NJW 2007, 1529 Rn. 9 ff.) kommt im Hinblick auf eine allein deliktische Haftung der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft aus § 831 BGB oder aus § 823 BGB nicht in Betracht.
2. Der Vermieter ist nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (zuletzt BGH, Urt. v. 05.07.2024 - V ZR 34/24 - NJW 2024, 2690 Rn. 14 m.w.N.) regelmäßig nicht - so auch hier - in den Schutzbereich des Untermietvertrages zwischen Mieter/Untervermieter und Untermieter einbezogen (in Fortschreibung zu BGH, Urt. v. 06.11.2012 - VI ZR 174/11 - NJW 2013, 1002 Rn. 9 m.w.N.; BGH, Urt. v. 02.07.1996 - X ZR 104/94 - BGHZ 133, 168 Rn. 18; BGH, Urt. v. 15.02.1978 - VIII ZR 47/77 - BGHZ 70, 327 Ls. 1, auch Rn. 11 m.w.N.).



A.
Problemstellung
Firmenzusätze weisen auf die Rechtsform hin. Sie geben Gläubigern damit Hinweise auf Haftungsmasse und Bonität des Unternehmens. Da es bei Kapitalgesellschaften meist an einer natürlichen Person als subsidiärem Vollhafter fehlt, ordnet insbesondere hier das Gesetz zwingend die Führung von Rechtsformzusätzen an. Tritt das Unternehmen im Rechtsverkehr ohne diesen Zusatz auf, kann es zur Eingehung von Verträgen kommen, die ein Gläubiger ohne Vertrauen in das Vorhandensein eines natürlichen Vollhafters vielleicht gar nicht abgeschlossen hätte. In diesem Falle fragt sich, wie der Gläubiger angemessen geschützt werden kann.
Da das Unternehmen auch bei unrichtiger Firmierung ordnungsgemäß vertreten wurde, scheidet eine direkte Anwendung des § 179 BGB aus. Die Rechtsprechung erkennt jedoch zwischen der mangelnden Vertretungsmacht und der mangelhaften Rechtsformtransparenz eine Parallele. Sie wendet daher im letzteren Falle die Vorschrift des § 179 Abs. 1 BGB analog an (BGH, Urt. v. 05.02.2007 - II ZR 84/05 Rn. 14).
Seither traten mehrere Folgefragen auf, etwa wie damit umzugehen ist, dass ein Rechtsformzusatz zwar geführt, aber falsch geschrieben wird. Nach Einführung der Unternehmergesellschaft durch das MoMiG im Jahr 2008 war umstritten, wie sich eine nachlässige Führung des Rechtsformzusatzes auf die Haftung der Geschäftsführer vor dem Hintergrund auswirkt, dass sie im Gegensatz zur GmbH über kein anfängliches Mindeststammkapital verfügt. Mit einem solchen Fall hatte sich nun auch das OLG Hamm zu beschäftigen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Mangels Tatbestands und Verfügbarkeit der vorinstanzlichen Entscheidung lässt sich der Sachverhalt nur bruchstückhaft rekonstruieren. In einem Mietverhältnis verursachte die Untermieterin – eine Unternehmergesellschaft – durch unerlaubte Handlung einen Schaden der Vermieterin. Deren Versicherer regulierte die Angelegenheit und sucht sodann den Regress. Dabei nahm er nicht etwa die UG in Anspruch, sondern deren Geschäftsführer. Unstreitig hatte dieser versäumt, für die Unternehmergesellschaft mit Rechtsformzusatz aufzutreten.
Das OLG Hamm widersprach dem Landgericht und lehnte eine Haftung ab. Eine Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB komme zwar auch bei der Unternehmergesellschaft grundsätzlich in Betracht, wenn der Handelnde entgegen § 5a Abs. 1 Satz 1 GmbHG unter Verzicht auf den die Haftungsbeschränkung ausweisenden Rechtsformzusatz zeichne. Dies gelte jedoch nicht im deliktischen Bereich.
Die Vertrauenshaftung könne auch nicht aus dem Untermietvertrag hergeleitet werden. Dieser war zwischen Hauptmieter und Beklagten geschlossen worden. Für eine Herleitung von Ansprüchen der Klägerin hätte ihre Versicherungsnehmerin in den Schutzbereich einbezogen sein müssen. Bei Untermietverhältnissen bestehe jedoch kein entsprechendes Schutzbedürfnis der Vermieterin.


C.
Kontext der Entscheidung
Der Entscheidung ist im Ergebnis, wenn auch nicht in der Entstehung zuzustimmen.
Gemäß § 5a Abs. 1 GmbHG muss die Unternehmergesellschaft die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen. Diese Pflicht ist buchstabengetreu zu befolgen (zuerst OLG Hamburg, Urt. v. 02.11.2010 - 11 W 84/10; ihm folgend Servatius in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 5a Rn. 9; Saenger/Inhester/Pfisterer, GmbHG, 4. Aufl., § 5a Rn. 8).
Bei der Unternehmergesellschaft war zunächst umstritten, ob ein Auftreten ohne Rechtsformzusatz den Rechtsschein des Vorhandenseins eines natürlichen Vollhafters erzeugt. Der BGH bejahte dies und nimmt seither eine Haftung der auftretenden Person analog § 179 BGB an (BGH, Urt. v. 12.06.2012 - II ZR 256/11 Rn. 12; zuvor für die GmbH BGH, Urt. v. 05.02.2007 - II ZR 84/05 Rn. 14; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 5a Rn. 57; Michalski/Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 5a Rn. 6). Einige Jahre später erstreckte der BGH diese Sichtweise auf die zwar vorhandene, aber fehlerhafte Führung des Rechtsformzusatzes, konkret auf den Verzicht des Passus „(haftungsbeschränkt)“ hinter dem Wort „Unternehmergesellschaft“ (BGH, Urt. v. 13.01.2022 - III ZR 210/20 Rn. 23 f.), obwohl die besseren Argumente dagegensprachen (LG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2013 - 9 O 434/12; Heckelmann, jurisPR-HaGesR 3/2022 Anm. 2).
Im Fall des OLG Hamm waren damit die Weichen für eine Haftung analog § 179 BGB gestellt. Gleichwohl – und zu Recht – verneinte der Senat eine solche Haftung. Grund der entsprechenden Anwendung des § 179 BGB ist nämlich der vom Handelnden geschaffene Vertrauenstatbestand (BGH, Urt. v. 05.02.2007 - II ZR 84/05 Rn. 17; BGH, Urt. v. 12.06.2012 - II ZR 256/11 Rn. 18 und 24). Einen solchen konnte das Gericht gleichwohl nicht feststellen. Denn der Gesellschaft war keine Verletzung eines mit Zutun des Gläubigers zustande gekommenen Vertrags vorzuwerfen, sondern eine deliktische Handlung. Hier kann ein Vertrauen des Gläubigers nicht einmal abstrakt entstehen.
Ein vertragliches oder vertragsähnliches Schuldverhältnis könnte dem Ganzen allenfalls dann zugrunde liegen, wenn der zwischen der Unternehmergesellschaft und der Hauptmieterin bestehende Vertrag die Vermieterin in seinen Schutzbereich mit einbezieht. Dies lehnt das OLG Hamm prinzipiell ab. Damit hat es zwar Recht, nur macht es sich der Senat mit der Begründung zu leicht.
Er verweist nämlich ohne nähere Auseinandersetzung mit der rechtlichen Frage auf die Urteile des BGH vom 15.02.1978 (VIII ZR 47/77), vom 06.11.2012 (VI ZR 174/11 Rn. 9) und vom 02.07.1996 (X ZR 104/94). In der erstgenannten Entscheidung befasst sich der BGH allerdings nur damit, dass der Untermieter nicht in das Hauptmietverhältnis einbezogen ist. Hier liegt der Fall doch umgekehrt, denn dem OLG stellte sich die Frage nach der Einbeziehung des Vermieters in den Untermietvertrag. Die beiden anderen Zitate helfen ebenfalls wenig weiter, weil es dort um nebeneinander bestehende Werkverträge ging.
Für die Ansicht des OLG Hamm streiten freilich gute Sachgründe. Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommt, der Vertragspartner ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten hat, dies für den Schuldner erkennbar ist und der Dritte keine eigenen vertraglichen Ansprüche desselben Inhalts hat (BGH, Urt. v. 20.03.1995 - II ZR 205/94 Rn. 18; BGH, Urt. v. 06.11.2012 - VI ZR 174/11 Rn. 9). Schon die ersten beiden Tatbestandsvoraussetzungen sind im Verhältnis zur Vermieterin fraglich. In jedem Falle aber hat die Vermieterin eigene vertragliche Ansprüche aus dem Hauptmietverhältnis. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Instituts des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte, dem Begünstigten das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners abzunehmen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Das OLG Hamm bestätigt, dass die unsachgemäße Verwendung des Rechtsformzusatzes gemäß § 5a Abs. 1 GmbHG zur Haftung der für eine Unternehmergesellschaft Handelnden führen kann. Die Garantiehaftung analog § 179 BGB gilt jedoch nicht für unerlaubte Handlungen, weil hier kein Vertrauenstatbestand geschaffen wird.



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