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Anmerkung zu:OLG München 7. Zivilsenat, Urteil vom 21.02.2024 - 7 U 2211/23 e
Autor:Dipl.-Kfm. Dr. Jochen König, RA, WP und StB
Erscheinungsdatum:28.05.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 181 BGB, § 113 AktG, § 114 AktG
Fundstelle:jurisPR-HaGesR 5/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Jörn-Christian Schulze, RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zitiervorschlag:König, jurisPR-HaGesR 5/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Voraussetzungen für Sondervergütungen an Aufsichtsratsmitglied



Orientierungssatz zur Anmerkung

Sondervergütungen an ein Aufsichtsratsmitglied setzen einen detaillierten Vertrag, einen protokollierten Aufsichtsratsbeschluss und eine Tätigkeit außerhalb seiner Aufgaben als Aufsichtsratsmitglied voraus.



A.
Problemstellung
Gelegentlich übernehmen einzelne Mitglieder des Aufsichtsrates einer AG (nachfolgend Aufsichtsrat mit „AR“ und Aufsichtsratsmitglieder mit „AR-Mitglieder“ abgekürzt) Aufgaben, die inhaltlich und/oder der zeitlichen Inanspruchnahme nach, vermeintlich oder tatsächlich über die normale AR-Tätigkeit hinausgehen. Häufig besteht Einigkeit in AR und Vorstand, das betreffende AR-Mitglied solle für diese Mehrarbeit ein Entgelt erhalten. Nicht minder häufig soll aber auch nicht der ganze AR, insbesondere Arbeitnehmervertreter, hierüber informiert werden, sei es, weil es bei dieser Aufgabe um ein brisantes Thema geht, sei es, weil man die Höhe des Zusatzentgeltes vor den anderen AR-Mitgliedern geheim halten will. In der Praxis ist die Vereinbarung solcher Zusatzentgelte fehlerträchtig. Einen Fall, in dem den Beteiligten gleich mehrere solcher Fehler unterlaufen sind, behandelt das Besprechungsurteil.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagte war eine börsennotierte AG, der Kläger bis zum 13.11.2018 ihr AR-Vorsitzender. Er schied zum 31.11.2018 aus dem AR aus. Die beiden Großaktionäre, von denen der eine dem Kläger im Amt als AR-Vorsitzender nachfolgte, beabsichtigten, einen Geschäftsbereich der AG zu verkaufen. Nachdem ein erster Versuch gescheitert war, sollte im Februar 2018 ein zweiter Versuch gestartet werden. Hierzu wurde ein Team gebildet, bestehend aus dem Kläger als Teamleiter, dem Vorstand und einem externen Berater. Der AR insgesamt wurde bewusst nicht über die Verkaufsgespräche informiert, da zwei Arbeitnehmervertreter dem zum Verkauf stehenden Geschäftsbereich entstammten und die Belegschaft dieses Bereichs nicht beunruhigt werden sollte. Die Verkaufsgespräche verliefen erfolgreich, und der betreffende Geschäftsbereich wurde durch Vertrag vom 31.07.2018 verkauft. Mündlich war parallel zum Beginn der Verkaufsverhandlungen zwischen dem Team, dem (zum Team gehörenden) Vorstand und den beiden Großaktionären abgesprochen worden, dass die Mitglieder des Verkaufsteams in Summe eine „Provision“ von 3% des Verkaufserlöses erhalten sollten, ohne dass die Aufteilung dieser 3% auf die einzelnen Teammitglieder näher erörtert worden wäre.
Der AR beschäftigte sich im August 2018, also nach dem Verkauf und vor Ausscheiden des Klägers aus dem Amt, sowie im Dezember 2018 und Januar 2019 mit der Frage der Vergütung der Teammitglieder. Dass diese eine Sondervergütung erhalten sollten, wurde hierbei nicht in Frage gestellt, eine Beschlussfassung jedoch in den ersten beiden dieser drei Sitzungen aufgrund rechtlicher Bedenken des einen Großaktionärs zurückgestellt bzw. der Auftrag erteilt, eine rechtssichere Vereinbarung zu erarbeiten. In der dritten Sitzung Anfang 2019 wurde festgehalten, eine Sondervergütung des Klägers sei rechtlich wohl unzulässig, der (neue) AR-Vorsitzende werde eine andere, rechtlich abbildbare Lösung entwickeln, wofür aber noch Unterlagen benötigt würden. Danach erfuhr die Sache keinen Fortgang mehr, so dass der Kläger im Frühjahr 2020 zunächst eine Rechnung über 0,8% des Verkaufspreises stellte und, als diese unbezahlt blieb, klagte. Der Betrag von 0,8% ergebe sich aus einer internen Einigung zwischen ihm und den übrigen Teammitgliedern.
Der Kläger hatte in dem Verkaufsteam die Aufgabe übernommen, die Kommunikation mit dem Kaufinteressenten, innerhalb des Teams und damit auch mit dem Vorstand, der Geschäftsleitung des zu verkaufenden Bereichs, dem Notar und ab dessen Einschaltung mit dem AR zu führen, in letzterer Hinsicht insbesondere alle erforderlichen Dokumente zur Information und Beschlussfassung zu erstellen und zu verteilen.
Das OLG München hat – angesichts des geschilderten Sachverhalts vorhersehbar – die Klage abgewiesen, weil überhaupt kein Vertrag mit der Beklagten über eine Sondervergütung zustande gekommen sei.
Zwar sei eine solche im AR und mit den beiden Großaktionären erörtert, wegen rechtlicher Bedenken eine Entscheidung aber jeweils zurückgestellt worden. Im Übrigen habe der Kläger selbst keinen Vertragsschluss unter Einbeziehung des Vorstandes, dem nach Auffassung des OLG zum Abschluss eines solchen Vertrages mit ihm allein berufenen Organ, behauptet; vgl. dazu noch unten.
Das OLG München hätte es bei dieser Feststellung belassen können, sah sich aber – wohl als Fingerzeig an die eingangs erwähnte fehlerträchtige Praxis – veranlasst festzuhalten, dass auch dann, wenn es zum Abschluss eines solchen Vertrages gekommen wäre, dieser gegen zwingende aktienrechtliche Vorschriften verstoßen hätte und deshalb unwirksam gewesen wäre.
Ein solcher Vertrag bedürfe zunächst einmal zu seiner Wirksamkeit, dass rein formal die zu erbringende (Sonder-)Leistung und die Höhe des dafür vorgesehenen Entgeltes exakt geregelt ist, damit sich der AR im Rahmen des § 114 AktG sowohl davon überzeugen kann, dass die zu erbringende Leistung außerhalb der als AR-Mitglied geschuldeten Leistung liegt als auch die Vergütung angemessen ist. Dass ein entsprechender Vertrag diesen Detaillierungsgrad haben muss, ist seit dem Urteil des BGH vom 03.07.2006 (II ZR 151/04) höchstrichterlich entschieden und wird in der Literatur nicht in Frage gestellt. Dem Vortrag des Klägers konnte das OLG München weder eine exakte Leistungsbeschreibung noch eine klare Vergütungsregelung entnehmen, insbesondere nicht, welcher Anteil an der „Provision“ von 3% für das Team insgesamt ihm zustehen solle.
Im Gegenteil kam das Besprechungsurteil bei rechtlicher Würdigung der Tätigkeiten, die der Kläger als das eingeklagte Zusatzentgelt rechtfertigend darstellte, zu dem Ergebnis, diese lägen gerade innerhalb, nicht wie von § 114 AktG gefordert außerhalb des Aufgabenbereichs eines AR-Mitgliedes.
Zunächst sei seit der Entscheidung des BGH vom 25.03.1991 (II ZR 188/89) geklärt, dass allein ein erhöhter Zeitaufwand zu keiner Tätigkeit außerhalb der Tätigkeit im AR i.S.d. § 114 Abs. 1 AktG führe, das betreffende AR-Mitglied müsse dann eben (ohne zusätzliche Vergütung) diese Mehrarbeit leisten. Dass der Kläger unstreitig viel Zeit darauf verwandte, den fraglichen Unternehmensverkauf voranzutreiben, rechtfertige daher keine Zusatzvergütung.
Auch inhaltlich liege die – auch intensive – Befassung mit einem Unternehmenskauf oder -verkauf innerhalb der Aufgaben eines AR-Mitgliedes, wie der BGH in seinem Urteil vom 20.11.2006 (II ZR 279/05 Rn. 14) bereits festgestellt hatte. Gespräche mit dem Kaufinteressenten zu führen, lag daher nicht außerhalb der Aufgaben des Klägers als AR-Mitglied/-Vorsitzender. Die Kommunikation mit Vorstand und anderen Teilen des Managements sowie dem übrigen AR sei nicht minder seine originäre Aufgabe als Vorsitzender des AR gewesen. Die Kommunikation mit dem Notar war schließlich nicht mehr als der Appendix zu den Verkaufsverhandlungen mit dem Käufer.
Last, but not least weist das OLG München schließlich darauf hin, dass selbst wenn – was nicht – ein Vertrag zustande gekommen wäre, dieser zudem eine Tätigkeit außerhalb der Aufgaben eines AR-Mitgliedes betroffen und in hinreichender Präzision die Tätigkeit und den Vergütungsmechanismus beschrieben hätte, dem Kläger die vereinbarte Vergütung nicht zustünde. Denn es fehle die von § 114 Abs. 1 AktG geforderte Zustimmung des AR. Diese könne nur in der Form eines expliziten, protokollierten AR-Beschlusses erfolgen, denn nur so sei ausweislich der unangefochtenen ständigen Rechtsprechung des BGH (zuletzt BGH, Urt. v. 21.06.2010 - II ZR 24/09 Rn. 14) gesichert, dass die Beschlussfähigkeit festgestellt und das Abstimmungsverhalten der einzelnen AR-Mitglieder nach Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung notifiziert worden und nachvollziehbar ist. Einen solchen Beschluss gab es jedoch wie dargestellt nie.
Abschließend verneint das Gericht einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag. Solche Ansprüche kämen nur in Betracht, wenn die geleistete Arbeit nicht als Teil der AR-Tätigkeit geschuldet sei, während sie vorliegend aber wie dargestellt eben Teil der Aufgaben eines AR-Mitgliedes/-Vorsitzenden war.


C.
Kontext der Entscheidung
Das Besprechungsurteil stellt musterhaft fast sämtliche Klippen dar, an denen die Zahlung von Sondervergütungen für die Übernahmen von Sonderaufgaben durch ein AR-Mitglied scheitern kann. Der Sachverhalt gab lediglich keinen Anlass zu der Frage Stellung zu nehmen, unter welchen Umständen einem AR-Mitglied verbundene Unternehmen Beraterverträge wirksam mit der AG schließen können (vgl. dazu statt aller die Entscheidungen des BGH vom 03.07.2006 - II ZR 151/04, vom 20.11.2006 - II ZR 279/05 und vom 22.06.2021 - II ZR 225/20).
Wie offensichtlich in der Praxis die beteiligten Kreise, in Sonderheit der Kläger, immer noch nicht hinreichend verinnerlicht haben, liegt die Kompetenz, über die Vergütung der AR-Mitglieder zu entscheiden, gemäß § 113 Abs. 1 AktG ausschließlich bei der Hauptversammlung, die entweder – eher selten – eine entsprechende Regelung in die Satzung aufnimmt oder die Vergütung durch gesonderten Beschluss – häufig für eine Amtsperiode – festlegt. Dem Vorstand billigt das AktG bewusst keinerlei Kompetenzen bei der Bemessung der AR-Vergütung zu, damit dieser nicht über die Bezahlung derjenigen Personen entscheiden kann/muss, die ihn kontrollieren sollen; denn dies würde die Gefahr in sich bergen, dass der Vorstand versucht, seine Kontrolleure an einem „goldenen Zügel“ zu führen. Dieses Prinzip schützt der BGH in ständiger Rechtsprechung rigide.
Eine Sondervergütung kann einem AR-Mitglied daher nur durch Beschluss der Hauptversammlung (was die Beteiligten meist vermeiden wollen) oder dann gemäß § 114 Abs. 1 AktG gewährt werden, wenn die zu vergütende Tätigkeit außerhalb dessen liegt, was ein AR-Mitglied als Organmitglied zu leisten hat, und der AR dem entsprechenden Vertrag zustimmt. Damit der AR sich ein Urteil bilden kann, ob die Tätigkeit außerhalb des Aufgabengebiets eines AR-Mitgliedes liegt und § 113 AktG nicht umgegangen wird, muss als weitere Voraussetzung der Vertrag die zu leistende Tätigkeit und die Bemessung ihrer Vergütung exakt schildern. Damit nicht mündliche Gespräche nicht mehr sauber nachvollziehbaren Inhalts als Zustimmungsbeschluss des AR gedeutet werden, bedarf die Zustimmung durch den AR eines formellen, protokollierten AR-Beschlusses.
Gleichwohl werden in der Praxis immer noch Beratungsverträge mit AR-Mitgliedern geschlossen, die sehr wolkige Beschreibungen dessen enthalten, was geleistet werden soll, und des Öfteren gezielt so unpräzise sind, um den eigentlichen Leistungsgegenstand zu verbergen. Auch werden noch immer gelegentlich solche Verträge nicht dem AR zur Zustimmung vorgelegt oder wie hier eine Zustimmung in mündliche Gespräche zweifelhaften Inhalts „hineingelesen“.
Erfolgt die Vergütung für eine außerhalb der AR-Tätigkeit liegende Leistung, greift § 113 AktG nicht und liegt folglich die Kompetenz für den Abschluss eines solchen Vertrages beim Vorstand bzw. anderweit Bevollmächtigten der AG (wenn dieser Vertrag auch nach § 114 AktG der Zustimmung des AR bedarf). Ob zum Abschluss eines solchen Vertrages allerdings im vorliegenden Fall der amtierende Vorstand berechtigt gewesen wäre, wie es das OLG München unterstellt, darf mit einem Fragezeichen versehen werden. Versteht man die Zusage, dem Team (das wie erwähnt auch Unternehmensfremde umfasste) in Summe 3% des Kaufpreises zu zahlen, als eine Zusage an das Team im Ganzen, liegt die Annahme nicht fern, das Team sei rechtlich als GbR (mit dem Zweck des Zustandebringens des Unternehmenskaufvertrages und der Erzielung eines Entgeltes von 3% des Verkaufserlöses) zu qualifizieren. Damit stünde die Anwendbarkeit des § 181 BGB in Rede, weil der Vorstand einen solchen Vertrag sowohl namens der AG als auch namens einer solchen GbR schließen würde. Diese Frage kann jedoch ununtersucht bleiben, da es wie dargestellt zu keiner Handlung gekommen ist, die als Vertragsschluss (= Abgabe eines rechtsverbindlichen Angebotes seitens der AG und Annahme zumindest durch den Kläger) qualifiziert werden könnte.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die Rechtsprechung kommt dem Besprechungsurteil keine weiter gehende Bedeutung als die einer sehr guten Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu den §§ 113, 114 AktG zu.
Für die Beratungspraxis kann man sich je nach Mentalität freuen, dass das OLG München ein so klares Prüfungsschema niedergelegt hat, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit einzelnen AR-Mitgliedern eine Zusatzvergütung ohne Beteiligung der Hauptversammlung gewährt werden kann, oder umgekehrt bedauern, dass – wie an diesem Urteil erkennbar – die maßgeblichen Grundsätze in der Praxis noch immer nicht überall bekannt sind.



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