juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BGH 2. Zivilsenat, Urteil vom 23.04.2024 - II ZR 99/22
Autor:Prof. Dr. Michael Hippeli, LL.M., MBA, Ministerialrat
Erscheinungsdatum:30.07.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 138 BGB, Art 12 GG
Fundstelle:jurisPR-HaGesR 7/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Jörn-Christian Schulze, RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zitiervorschlag:Hippeli, jurisPR-HaGesR 7/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Rückzahlung der Karenzentschädigung eines GmbH-Geschäftsführers



Leitsatz

Zur Wirksamkeit eines mit einem GmbH-Geschäftsführer vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, das bei Zuwiderhandlung den rückwirkenden Verfall einer Karenzentschädigung vorsieht.



A.
Problemstellung
Vorliegend musste sich der BGH im Wesentlichen damit befassen, ob diejenige Klausel in einem Geschäftsführer-Dienstvertrag bei einer GmbH wirksam ist, wonach bei einem Verstoß gegen das ebenfalls in diesem Dienstvertrag vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot die bereits erhaltenen Teile einer gewährten Karenzentschädigung zurückzugewähren sind.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Beklagte war GmbH-Geschäftsführer und zuvor AG-Vorstand ein und desselben nun klagenden Klinik- und Pflegeheimbetriebs. Für den Beklagten bestand ausweislich seines Dienstvertrags ein zweijähriges nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Insoweit einschlägige Konkurrenzunternehmen sollten alle Unternehmen sein, die räumlich und gegenständlich im Geschäftszweig der Klägerin tätig waren oder werden konnten. Für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots sollten 50% der zuletzt bezahlten Monatsbezüge an den Beklagten gezahlt werden. Bei Nichteinhaltung des Wettbewerbsverbots sollte die Karenzentschädigung ex tunc entfallen, somit bereits gezahlte Teile zurückgezahlt werden.
Etwa ein Jahr nach Abberufung/Beendigung des Dienstvertrags 2012 begann der Beklagte eine erneute Geschäftsführertätigkeit bei einer GmbH im Anwendungsbereich des Wettbewerbsverbots. Die Klägerin forderte daraufhin Rückzahlung der bereits gezahlten Karenzentschädigung, widerklagend wollte der Beklagte weitere Teile der Karenzentschädigung erhalten.
Das Landgericht wies die Widerklage ab. Auf die Berufung des Beklagten gab das OLG jedoch seiner Widerklage teilweise statt.
Die Revision der Klägerin hatte nun Erfolg. Der BGH stellte im Umfang der Revisionszulassung das Urteil des LG wieder her. Der Anspruch des Beklagten auf Karenzentschädigung sei weggefallen, weil er gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat.
Zunächst einmal stelle sich das vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot als wirksam dar. Der Rechtsprechung des Senats nach seien nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt und nicht nach § 138 BGB sittenwidrig, wenn und soweit sie notwendig sind, um einen Vertragspartner vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den anderen Vertragspartner zu schützen. Dabei müssten räumliche, gegenständliche und zeitliche Aspekte verhältnismäßig geregelt sein, was einer Einzelfallbetrachtung unterliegt.
Auch belaste der rückwirkende Wegfall der Karenzentschädigung den Beklagten nicht unbillig. Der Rechtsprechung des Senats nach müsse bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot überhaupt keine Karenzentschädigung gewährt werden. Werde gleichwohl eine Karenzentschädigung vereinbart, unterliegen Höhe und etwaige Rückzahlungsmodalitäten der Disposition der Vertragspartner.


C.
Kontext der Entscheidung
Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten existiert seit 1968. Seinerzeit entschied der BGH, dass ein starres nachvertragliches Wettbewerbsverbot, welches einen vormaligen Geschäftsführer für mehrere Jahre als Konkurrenten der Gesellschaft (hier: einer GmbH & Co. KG) ausschalten soll, in diesem Umfange i.S.d. § 138 BGB nichtig ist (BGH, Urt. v. 09.05.1968 - II ZR 158/66 - NJW 1968, 1717). 1984 entschied der BGH sodann im Zusammenhang mit dem Geschäftsführer einer GmbH, dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote dann zulässig sein können, wenn sie dem Schutz eines berechtigten Interesses des Gesellschaftsunternehmens dienen und nach Ort, Zeit und Gegenstand sowie ggf. weiteren Umständen des Einzelfalls die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren (BGH, Urt. v. 26.03.1984 - II ZR 229/83 - NJW 1984, 2366, 2367; zu den unterschiedlichsten Rechtsformen fortgeführt von BGH, Urt. v. 14.07.1986 - II ZR 296/85; BGH, Urt. v. 29.10.1990 - II ZR 241/89 - NJW 1991, 699; BGH, Urt. v. 29.01.1996 - II ZR 286/94 - NJW-RR 1996, 741, 742; BGH, Urt. v. 14.07.1997 - II ZR 238/96 - NJW 1997, 3089, 3090; BGH, Urt. v. 08.05.2000 - II ZR 308/98 - NJW 2000, 2584; BGH, Urt. v. 28.01.2003 - X ZR 199/99; BGH, Urt. v. 29.09.2003 - II ZR 59/02 - NJW 2004, 66; BGH, Urt. v. 18.07.2005 - II ZR 159/03 - NJW 2005, 3061, 3062; BGH, Beschl. v. 07.07.2008 - II ZR 81/07 - DStR 2008, 1842, 1843; BGH, Urt. v. 30.11.2009 - II ZR 208/08 - NJW 2010, 1206, 1207; BGH, Urt. v. 20.01.2015 - II ZR 369/13 - NJW 2015, 1012, 1013).
Die vorgenannte Rechtsprechungslinie des BGH ist seither unverändert geblieben und vorliegend durch den Senat nur noch entsprechend auf den Sachverhalt bezogen heruntersubsumiert worden. Wer diese Rechtsprechungslinie kannte, für den war von vornherein klar, dass der Dienstvertrag des Beklagten rechtmäßig abgefasst war. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG war der Beklagte durch das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht unbillig belastet worden, da er beispielsweise außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eine Tätigkeit aufnehmen konnte und zudem mit der hälftigen Vergütung als Karenzentschädigung finanziell halbwegs abgesichert war. Allenfalls stellt sich auf der nicht weiter ausgeleuchteten Ebene dahinter die Frage, ob bei Klinik- und Pflegeheimbetreibern wirklich ein derart kompetitives Umfeld vorliegt, welches ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot generell zu rechtfertigen vermag. Jedenfalls ist zu sehen, dass die Masse der einzelnen Judikate der Rechtsprechungslinie Rechtsanwaltskanzleien mit Mandatsverhältnissen betrifft. Hier liegt ein berechtigtes Schutzinteresse am Erhalt des Mandantenstamms wohl wesentlich näher als bei Klinik- und Pflegeheimbetreibern. Generell gilt für das berechtigte Interesse schließlich die Rechtfertigung, dass die im Betrieb erlangten Kenntnisse und geschäftlichen Beziehungen nicht zum Schaden des Betriebs woanders ausgenutzt werden sollen (BGH, Urt. v. 26.03.1984 - II ZR 229/83 - NJW 1984, 2366; Lembke, NZA-RR 2019, 65, 68). Hier gibt es wie bezeichnet jedoch erhebliche branchenspezifische Unterschiede.
Eine sog. Schutzfrist des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots von zwei Jahren hat sich dabei als Standard herauskristallisiert (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1993 - KZR 3/92 - NJW 1994, 384, 385; BGH, Urt. v. 29.01.1996 - II ZR 286/94 - NJW-RR 1996, 741, 742; BGH, Urt. v. 28.01.2003 - X ZR 199/99 - NJOZ 2003, 1073, 1076; BGH, Urt. v. 29.09.2003 - II ZR 59/02 - NJW 2004, 66; BGH, Urt. v. 07.05.2007 - II ZR 281/05 - NZG 2007, 583, 586; BGH, Urt. v. 30.04.2014 - I ZR 245/12 - NZG 2014, 1342, 1345). Wird diese Höchstfrist durch eine Klausel überschritten, erfolgt eine Absenkung auf diese maximal tolerablen zwei Jahre im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion (BGH, Urt. v. 08.05.2000 - II ZR 308/98 - NJW 2000, 2584, 2585). Teilweise wird zwar angenommen, bei den zwei Jahren handle es sich nur um eine Regelgrenze, die bei Vorliegen besonderer Gründe auch überschritten werden kann (Jaeger/Steinbrück in: MünchKomm GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 35 Rn. 392; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 9. Aufl. 2022, § 24 Rn. 1058), diese Annahme stützende Rechtsprechung fehlt allerdings bislang.
Die Frage einer Karenzentschädigung als zu berücksichtigender Umstand des Einzelfalls bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot wird vom BGH seit 1987 diskutiert (vgl. BGH, Urt. v. 21.01.1987 - VIII ZR 169/86 - NJW-RR 1987, 628, 630; BGH, Urt. v. 03.05.2001 - I ZR 153/99). Jedoch kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einem Geschäftsführer auch ohne Karenzentschädigung vereinbart werden (BGH, Urt. v. 04.03.2002 - II ZR 77/00 - NJW 2002, 1875, 1876; BGH, Urt. v. 28.04.2008 - II ZR 11/07 - NZG 2008, 664; BGH, Beschl. v. 07.07.2008 - II ZR 81/07 - DStR 2008, 1842, 1843). Vor diesem Hintergrund leuchtet die nunmehrige Aussage des Senats ein, wonach eine Klausel zu einem rückwirkenden Entfallen einer Karenzentschädigung von vornherein unproblematisch ist.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Letztlich sind die Auswirkungen für die Praxis überschaubar, da der BGH letztlich nur eine weitere (recht logische) Folgeaussage getroffen hat: Regelungen zur etwaigen Rückzahlungspflicht von Karenzschädigungen sind frei vereinbar.



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