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Anmerkung zu:BayObLG München 1. Zivilsenat, Urteil vom 24.07.2024 - 101 Sch 10/24 e
Autor:Dr. Friedrich L. Cranshaw, RA
Erscheinungsdatum:11.12.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 95 BGB, § 8 GVGEG, § 1029 ZPO, § 1030 ZPO, § 1064 ZPO, § 766 ZPO, § 795 ZPO, § 362 BGB, § 1032 ZPO, § 802 ZPO, § 883 ZPO, § 885 ZPO, § 829 ZPO, § 835 ZPO, § 989 BGB, § 283 BGB, § 546 BGB, § 604 BGB, § 38 InsO, § 870 BGB, § 22 InsO, § 24 InsO, § 240 ZPO, § 1059 ZPO, § 86 InsO, § 826 BGB, § 770 ZPO, § 769 ZPO, § 1025 ZPO, § 985 BGB, § 80 InsO, § 21 InsO, § 94 BGB, § 11 BGB, § 275 BGB, § 1060 ZPO, § 794 ZPO, § 1062 ZPO, § 767 ZPO, § 1 ErbbauV, § 11 ErbbauV, § 566 BGB, § 578 BGB, § 581 BGB, § 986 BGB, § 725 BGB, § 280 BGB, § 47 InsO, § 886 ZPO
Fundstelle:jurisPR-InsR 12/2024 Anm. 1
Herausgeber:Ministerialrat Alexander Bornemann
Dr. Daniel Wozniak, RA, FA für Insolvenz- und Sanierungsrecht, FA für Handels- und Gesellschaftsrecht und FA für Steuerrecht
Zitiervorschlag:Cranshaw, jurisPR-InsR 12/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Vollstreckungsabwehrklage des Insolvenzverwalters gegen Vollstreckung aus Herausgabetitel (unmittelbarer Besitz an „Bauwerken“ i.S.d. ErbbauRG)



Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Die Vollstreckungsabwehrklage des Insolvenzverwalters eines Erbbauberechtigten gegen den Grundstückseigentümer nach Heimfall, gerichtet gegen die Vollstreckbarkeit aus der (Teil-)Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO), welche die Vollstreckung auf Herausgabe des unmittelbaren Besitzes an dem Bauwerk des Erbbaurechts zum Gegenstand hat, ist zulässig. Die Klage ist aber wegen Präklusion (§ 767 Abs. 2 ZPO) unbegründet, wenn der Kläger erst in der Abwehrklage geltend macht, er (bzw. die Erbbauberechtigte) sei stets nur mittelbarer Besitzer des Bauwerks gewesen, weil dieses von Anfang an mit Kenntnis bzw. Zustimmung des Erbbaurechtsausgebers und Grundstückseigentümers an einen Dritten verpachtet gewesen sei.
2. Das gilt auch bei Verträgen über eine kommunale Infrastruktur („PPP/ÖPP-Verträge“) im sog. Erbbaurechtsmodell (hier: Hallen- und Freizeitbad).



A.
Problemstellung
I. Das BayObLG hatte erstinstanzlich über die Vollstreckungsabwehrklage des (vorläufigen) Insolvenzverwalters einer GmbH & Co. KG (als Erbbauberechtigte) zu entscheiden, der sich gegen die Vollstreckung gegen die Insolvenzschuldnerin aus der (Teil-)Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs (§ 1060 Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO) zur Wehr setzte, die vorausgehend vom BayObLG beschlossen worden war. Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens und des Schiedsspruchs (zeitlich vor dem Insolvenzantrag der KG) waren im Wesentlichen der Heimfallanspruch der Grundstückseigentümerin und Erbbaurechtsausgeberin (einer Gemeinde) als Schiedsklägerin gegen die KG als Schiedsbeklagte, der Anspruch der Schiedsklägerin auf Herausgabe des Erbbaurechtsbauwerks (eines „Hallen- und Freibadkomplexes“, „Bad“) und Zahlungsansprüche (Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO in der eröffneten Insolvenz der KG).
II. Das Bad war ab 2010 im Rahmen einer Private Public Partnership („PPP“ oder „ÖPP“) einer bayerischen Gemeinde mit der späteren Insolvenzschuldnerin errichtet worden. ÖPP-Projekte sind im Wesentlichen eine Finanzierungskonstruktion mit Schwerpunkt im kommunalen Bereich, die im Kern davon geprägt ist, dass ein Investor eine öffentliche Infrastruktur (wie Schule, Verwaltungs-/Gerichtsgebäude, Schwimmbad/Freizeitbad, Straße, Brücke) auf seine Kosten errichtet und betreibt, die schließlich in die alleinige Verantwortung der öffentlichen Hand (= Infrastrukturträger) nach Ablauf eines wesentlichen Teils des „Lebenszyklus“ der Infrastruktur übergeht. Der staatliche oder kommunale Infrastrukturträger zahlt an den privaten Partner ein Entgelt für dessen Leistungen bzw. die Zurverfügungstellung der Infrastruktur. Die Maßnahme hat u.a. das Ziel, den (öffentlichen, meist kommunalen) Haushalt zu entlasten, die Investition in die Infrastruktur zu ermöglichen. Um das Jahr 2000 hat diese Form der „privaten“ Errichtung öffentlicher Infrastrukturen zunehmendere Verbreitung gefunden, auf der Zeitachse hat sich eine Reihe von verschiedenen Konzepten oder Modellen von „PPP“ herauskristallisiert (vgl. im Einzelnen den Überblick in dem von der „Gesprächsrunde PPP“ – unter Federführung der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und eines PPP-Arbeitskreises unter der Geschäftsführung des Bayerischen Bauindustrieverbandes – herausgegebenen Leitfaden „PPP - Public Private Partnership zur Realisierung öffentlicher Baumaßnahmen in Bayern“, Teil 1, 2. Aufl. 2016, S. 10 f. zu „PPP-Vertragsmodelle“, verfügbar im Internet unter https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/bauthemen/iia4_ppp_leitfaden_teil1.pdf, Abruf: 09.11.2024, „Leitfaden 1“).
Eines der im „Leitfaden 1“ (S. 11) beschriebenen Modelle ist dasjenige mit Erbbaurechtsvertrag wie in dem Fall des Besprechungsurteils. Bei diesem Konzept hat der private Vertragspartner der öffentlichen Hand aufgrund eines Erbbaurechts ein „Bauwerk“ im Sinne des ErbbauRG (sehr weiter Begriff, vgl. Wicke in: Grüneberg, BGB, 2024, § 1 ErbbauRG Rn. 7) zu errichten und während der Vertragslaufzeit die Infrastruktur zu betreiben und zu unterhalten. Verbreitet ist ein ferner ein Modell, wonach der private Investor auf eigenem, von der öffentlichen Hand erworbenen Grundstück, eine Infrastruktur verwirklicht (wie ein Verwaltungsgebäude), die Infrastruktur an die öffentliche Hand über einen langen Zeitraum (z.B. 25 Jahre) vermietet oder verleast, die wiederum nach Ablauf der Mietdauer die Infrastruktur erwirbt. Die Mieten bzw. Leasingraten müssen in diesem Modell einredefrei an den privaten Partner bezahlt werden, die dieser an seinen Refinanzierer forfaitiert (vgl. zu einem solchen Beispiel, Infrastrukturmaßnahme war das Stadthaus einer Kommune, BGH, Urt. v. 25.04.2013 - IX ZR 65/12 Rn. 1 ff. - WM 2013, 1081; dabei handelte es sich um eine Variante des Finanzierungsleasings (vgl. auch den „Leitfaden 1“, S. 11 zu „Leasingmodell“, „Mietmodell“).
III. Die für die Infrastruktur erforderlichen Grundstücke können somit im Eigentum der öffentlichen Hand bleiben, belastet mit einem Erbbaurecht mit Heimfallanspruch des öffentlichen Infrastrukturträgers (wie die Kommune bei einem Stadthaus/Rathaus) oder Eigentum des beteiligten Privaten werden (vgl. BGH, Urt. v. 25.04.2013 - IX ZR 65/12). Die Errichtung der Infrastruktur als Scheinbestandteil (§ 95 BGB) auf der Grundlage einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, wie bei der Errichtung von Anlagen erneuerbarer Energien, scheint in dem PPP-Segment nicht gebräuchlich. Dass PPP-Projekte wesentlich auch Gegenstand von Vergabeverfahren sind, liegt auf der Hand, es gibt zahlreiche Entscheidungen der Vergabekammern dazu und der zuständigen Gerichte (vgl. nur OLG Rostock, Beschl. v. 30.09.2021 - 17 Verg 3/21 „Abfall-ÖPP“).
IV. Vor diesem Hintergrund ist die Besprechungsentscheidung zu sehen. Über den Streitgegenstand hatte das BayObLG zu entscheiden, weil in dem ÖPP-Vertrag vereinbart war, dass Streitigkeiten darüber durch ein Schiedsgericht zu entscheiden seien und gegen die Schuldnerin ein Schiedsspruch vorlag, dessen Vollstreckbarerklärung vor dem BayObLG zu verfolgen war (§ 1062 Abs. 1 ZPO, § 8 Abs. 1 EG GVG, § 7 BayGZVJu), auch betrieben worden ist und teilweise erfolgreich war. Damit war das BayObLG auch für die Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage zuständig (§ 767 Abs. 1 ZPO).


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. 1. Kläger ist der Insolvenzverwalter einer GmbH & Co. KG, („Insolvenzschuldnerin“, „Schiedsbeklagte“/„Antragsgegnerin“, „Erbbauberechtigte“, vgl. auch unter A.I.), Beklagte ist eine Kommune („Erbbaurechtsausgeberin“, „Schiedsklägerin“/„Antragstellerin“, „Beklagte“) als Infrastrukturträger eines Hallen- und Freibadkomplexes („Erlebnisbad“, als Saunabereich und Gesundheitsbad und „Einfachbad“ des „Sport- und Familienbereichs“ bzw. der „Daseinsvorsorgebereich inklusive Freibad“, vgl. BayObLG, Beschl. v. 13.12.2023 - 101 Sch 112/22 Rn. 34), dessen Gebäude und Einrichtungen von der Insolvenzschuldnerin auf einem Erbbaugrundstück der Beklagten errichtet worden waren. In der Vertragsdokumentation des vorliegenden ÖPP-Projekts im „Erbbaurechtsmodell“ (vgl.o. unter A.II.) war, wie bereits erwähnt, eine Schiedsgerichtsklausel (vgl. §§ 1029, 1030 ZPO) enthalten. Der Vertrag wurde im Jahr 2010 geschlossen („Vertrag über die Neuerrichtung/Sanierung und den Betrieb eines Hallen- und Freibadkomplexes und über die Bestellung eines Erbbaurechts (PPP-Vertrag)“, vgl. BayObLG, Beschl. v. 13.12.2023 - 101 Sch 112/22 Rn. 2, zu Details des PPP-Vertrages vgl. Rn. 3 ff.). § 5 enthält eine aufgrund des Inhalts der Eintragungsbewilligung dinglich wirkende Heimfallklausel, die u.a. „greift“, wenn über das Vermögen der Erbbauberechtigten (rechtskräftig) das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder wenn dem Erbbauberechtigten „schwerwiegende, schuldhafte“ Vertragsverletzungen vorzuwerfen sind. Gegenstand war auch der Betrieb des Bads, wobei das „Erlebnisbad“ auf Rechnung der Erbbauberechtigten geführt wurde, das „Einfachbad“ auf diejenige der Kommune; der Erbbauberechtigten oblag aber auch insoweit die Betriebsführung. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 30 Jahren, die Gemeinde hatte ca. 70.000 Euro p.M. zu zahlen, den ratierlichen Barwert der „Planungs- und Bauleistungen“ der Erbbauberechtigten nebst einem Zinssatz von 3,28% p.a. als „Stundungszins“ (BayObLG, Beschl. v. 13.12.2023 - 101 Sch 112/22 Rn. 36 ff.). Für die Betriebsführung des „Einfachbades“ als Teil der Daseinsvorsorge erhielt die Erbbauberechtigte über den gesamten Zeitraum weitere ca. 6.000 Euro p.M. Die Refinanzierung der GmbH & Co KG erfolgte durch Forfaitierung der Forderung der Erbbauberechtigten gegen die Gemeinde unter Einredeverzicht der Gemeinde, die im Gegenzug von der refinanzierenden Bank eine Bürgschaft auf erstes Anfordern erhielt.
§ 27 enthielt eine Schiedsgerichtsklausel unter der Schiedsgerichtsordnung der DIS eV.
Die Erbbauberechtigte verpachtete nach Fertigstellung das Bad mit Zustimmung der Bürgermeisterin der Gemeinde an eine Betriebsgesellschaft (BayObLG, Beschl. v. 13.12.2023 - 101 Sch 112/22 Rn. 36 ff., Rn. 59 ff. Schiedsgerichtsklausel).
2. Die Gemeinde erklärte im Mai 2021 den Heimfall, da die Erbbauberechtigte Abwassergebühren nicht bezahlt hatte. Sie hatte Frischwassermengen für das Schwimmbad vor dem Wasserzähler (vertragswidrig und betrügerisch) abgeleitet und dadurch die Abwassermengen reduziert, Abwassergebühren „hinterzogen“. Auf Schiedsklage hin wurde die Erbbauberechtigte im Juli 2022 als Schiedsbeklagte u.a. verurteilt, das Erbbaurecht an die Schiedsklägerin und Grundstückseigentümerin, die Gemeinde, zu übertragen, ferner dazu, den „Hallen- und Freibadkomplex“ nebst Gebäude und Zubehör an die Schiedsklägerin herauszugeben sowie verschiedene Zahlungen zu leisten und Schadensersatz dafür, dass das Bad sich zum Zeitpunkt der Beendigung des PPP-Vertrages nicht in einem vertragsgemäßen Zustand befand (BayObLG, Beschl. v. 13.12.2023 - 101 Sch 112/22 Rn. 2 ff., Rn. 74 bis 86, Rn. 13 der Besprechungsentscheidung).
3. Diesen Schiedsspruch hat das BayObLG in dem Beschluss vom 13.12.2023 (101 Sch 112/22) auf Antrag der Schiedsklägerin als Antragstellerin teilweise, nämlich hinsichtlich der Übertragung des Erbbaurechts bzw. der Übergabe des Hallen- und Freibadkomplexes für vorläufig vollstreckbar erklärt (§§ 1060 Abs. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, 1064 Abs. 2 ZPO, § 7 BayGZVJu). Dies geschah nach der Bestellung des Klägers zum vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalter nach § 22 Abs. 1 InsO.
4. Gegen die Vollstreckung aus diesem Beschluss wendet sich der Kläger als Insolvenzverwalter der Schiedsbeklagten, der am 22.08.2022 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde; das Insolvenzgericht ordnete am 08.09.2022 ein allgemeines Verfügungsverbot an (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO), nachdem die Schiedsklägerin die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs beim BayObLG beantragt hatte. Mit der Anordnung des Insolvenzgerichts wurde das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung unterbrochen (§ 240 Satz 2 ZPO). Die Gemeinde als Antragstellerin des Antrags beim BayObLG hat das Verfahren nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO i.V.m. § 24 Abs. 2 InsO gegen den (vorläufigen) Insolvenzverwalter als Antragsgegner wieder aufgenommen mit dem Vortrag, sie sei Berechtigte eines Aussonderungsrechts, da der Heimfallanspruch durch den Grundbucheintrag verdinglicht wurde. Das BayObLG stimmt dem zu. Damit hatte die Gemeinde als Grundstückseigentümerin einen Anspruch auf Übertragung des Erbbaurechts nach § 47 InsO außerhalb des Insolvenzverfahrens. Sie hatte ferner einen Anspruch auf Herausgabe des Hallen- und Freibadkomplexes, denn dessen Gebäude und Einrichtungen („Bauwerk“ des Erbbaurechts) waren wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts (§ 94 BGB, § 11 ErbbauRG).
5. Aufgrund dieses Beschlusses zur (Teil-)Vollstreckbarerklärung des BayObLG hat der Kläger das Erbbaurecht in notarieller Urkunde vom Dezember 2023 an die Erbbaurechtsausgeberin, die im vorliegenden Verfahren vor dem BayObLG beklagte Gemeinde, herausgegeben. In notariell beglaubigter Form hat er ferner in einem Schreiben von Ende Dezember 2023 die Herausgabe des mittelbaren Besitzes an Gebäude und Einrichtungen des Hallen- und Freibadkomplexes erklärt und die Abtretung der Herausgabeansprüche gegen die von der Insolvenzschuldnerin in ihrer Eigenschaft als Erbbauberechtigte eingesetzte Betriebsgesellschaft, an die das Bad von Anfang an verpachtet worden war (vgl.o.). Das Schreiben erhielt die Beklagte im Januar 2024, nachdem sie durch den Gerichtsvollzieher dem Kläger eine Räumungsmitteilung auf den 01.02.2024 hatte zustellen lassen. Den Gerichtsvollzieher wies der Kläger auf den unmittelbaren Besitz der Pächterin hin. Die Pächterin teilte der beklagten Gemeinde ebenfalls im Januar 2024 mit, man „beabsichtige, den Badebetrieb so schnell wie möglich wieder aufzunehmen“ (Rn. 9 des Besprechungsurteils), zugleich wandte sie sich gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Beklagten mit der Erinnerung an das Amtsgericht/Vollstreckungsgericht (§ 766 ZPO), das die Zwangsvollstreckung einstweilen einstellte im Hinblick auf die Behauptung von Besitzrechten der Pächterin gegen die Beklagte aufgrund des Pachtverhältnisses.
Ebenfalls noch im Januar 2024 kündigte die Beklagte einen etwa bestehenden Pachtvertrag mit der Betriebsgesellschaft fristlos. Im Februar erhob sie Herausgabeklage gegen die Betriebsgesellschaft und Pächterin, ihr Prozessantrag ging u.a. dahin, die Zwangsvollstreckung aus dem (Teil-)Vollstreckbarkeitsbeschluss des BayObLG von 2023 zu dulden.
6. Der Kläger wandte sich darauf mit der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) gegen die gegen ihn gerichteten Vollstreckungsmaßnahmen mit der Begründung, alle gegen ihn „titulierten Verpflichtungen“ erfüllt zu haben. Namentlich hat er vorgetragen, er sei nur mittelbarer Besitzer des „Hallen- und Freibadkomplexes“ gewesen, und diesen mittelbaren Besitz habe er an die Beklagte herausgegeben. Neben dem Antrag auf Unzulässigerklärung der Vollstreckung aus dem Titel hat er u.a. die Herausgabe des Titels beantragt.
II. Das BayObLG hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Klageabweisung begründet das BayObLG im Wesentlichen, wie nachfolgend umrissen.
1. Die Klage nach § 767 ZPO (i.V.m. den §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO) sei zulässig, denn der Kläger wende sich gegen die Vollstreckbarkeit des gegen ihn gerichteten Titels mit der Begründung, die daraus resultierenden Pflichten erfüllt zu haben, so dass Erfüllung (§ 362 BGB) eingetreten sei. Die Klage sei auch statthaft; zwar falle auch die Abwehrklage unter die Schiedsgerichtsklausel, so dass die Klage unzulässig ist, sofern die beklagte Seite die Schiedsgerichtseinrede erhebt (§ 1032 Abs. 1 ZPO), was aber hier nicht geschehen sei.
Das BayObLG sei auch sachlich zuständig, denn es sei vorliegend Prozessgericht des ersten Rechtszuges i.S.d. §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO; das sei das Prozessgericht, in dessen Verfahren der Vollstreckungstitel entstanden sei. Vollstreckungstitel sei hier die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nach § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO (nicht der Schiedsspruch selbst). Damit sei Gericht des ersten Rechtszugs dasjenige, das den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt habe, nämlich das BayObLG, wobei sich der Senat auf BGH-Judikatur berufen kann (BGH, Beschl. v. 30.11.2011 - III ZB 19/11 Rn. 6 und BGH, Beschl. v. 30.09.2010 - III ZB 57/10 Rn. 10 m.w.N.).
Das Rechtsschutzinteresse des Klägers sei ebenfalls zu bejahen, wofür allein das Bestehen eines Titels auch ohne konkrete Vollstreckungsdrohung hinreichend sei, ausgenommen die Fälle, in denen aus dem Titel eine Vollstreckung „unzweifelhaft“ nicht mehr zu befürchten sei. Dies sei indes nicht der Fall, weil der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter (und mittelbarer Besitzer) von der Pächterin ggf. den unmittelbaren Besitz erlangt.
Die Herausgabe des Schuldtitels könne neben dem Antrag auf Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus demselben beantragt werden.
2. Die Klage sei aber unbegründet.
Die titulierte Pflicht des Klägers habe sich nämlich nicht in der Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die Pächterin erschöpft. Vielmehr habe er der Beklagten den unmittelbaren Besitz an dem streitgegenständlichen Grundbesitz verschaffen müssen. Sein Einwand bloß mittelbaren Besitzes sei nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, da nicht im Vollstreckbarerklärungsverfahren vorgetragen, weil „Art und Umfang des Besitzes“ der Insolvenzschuldnerin bzw. des Klägers entscheidend für die Wiederaufnahme des nach § 240 Satz 2 ZPO unterbrochenen Verfahrens auf Vollstreckbarkeit nach den §§ 86 Abs. 1 Nr. 1, 24 Abs. 2 InsO (vgl.o., B.I.4.) gewesen sei. Die Aufnahme nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass Streitgegenstand die „Aussonderung eines Gegenstandes aus der Masse“ ist. Der Beklagten sei auch kein Titelmissbrauch vorzuwerfen. Zur Begründung dieses Ergebnisses befasst sich der Senat zunächst eingehend mit der Auslegung des Tenors des Schiedsspruchs zur Herausgabe des „Hallen- und Freibadkomplexes“ sowie mit dem Gegenstand seines Beschlusses vom Dezember 2023 (101 Sch 112/22) über die Teilvollstreckbarkeit.
3. Das Gericht der Vollstreckbarerklärung sei zuständig für die Auslegung des Tenors des Schiedsspruchs. Vorliegend ergebe sich nicht schon aus dem Wortlaut die Verurteilung zur Herausgabe des unmittelbaren Besitzes, vielmehr könne sich der Begriff der „Herausgabe“ dort auch (nur) auf den mittelbaren Besitz der Insolvenzschuldnerin beziehen, denn § 985 BGB richte sich auf Herausgabe der vom Beklagten jeweils innegehabten Besitzposition an den Eigentümer.
a) Nach ebenfalls herrschender Meinung könne der Eigentümer aber nicht nur die Abtretung des Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers (hier des Klägers) gegen den unmittelbaren Besitzer verlangen, sondern die Herausgabe der Sache unmittelbar.
Wenn nämlich ein Beklagter nach Verurteilung zur Abtretung der Ansprüche aus dem Besitzmittlungsverhältnis (§ 870 BGB) den unmittelbaren Besitz (wieder) erlange, müsse der Kläger erneut Klage einreichen, gerichtet dieses Mal auf Herausgabe der Sache selbst, also auf Übertragung des unmittelbaren Besitzes. Ein solches Urteil sei nach § 883 ZPO (bewegliche Sachen) bzw. § 885 Abs. 1 ZPO (Grundstücke, Schiffe – Besitzeinweisung des Gläubigers in den Besitz durch den Gerichtsvollzieher, Weisung des Schuldners aus dem Besitz) zu vollstrecken.
b) Bei bloß mittelbarem Besitz des Schuldners erfolge die Vollstreckung in einem solchen Fall nach § 886 ZPO (Pfändung und Überweisung des Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers gemäß den §§ 829, 835 ZPO aus dessen bestehendem Rechtsverhältnis mit dem unmittelbaren Besitzer, hier aus dem Pachtvertrag). Ist der unmittelbare Besitzer (hier der Pächter) nicht zur Herausgabe bereit, muss der Pfändungsgläubiger des § 886 ZPO gegen diesen auf Herausgabe bzw. Räumung klagen, entweder nach § 985 BGB bei fehlendem Besitzrecht i.S.d. § 986 BGB oder aus dem Herausgabeanspruch nach Maßgabe des Rechtsverhältnisses (hier: Pachtvertrag; vgl. Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 2024, § 886 Rn. 2). Der Senat referiert sodann obiter die Problematik des vor der Schuldrechtsreform (2002) bestehenden Spannungsverhältnisses zwischen § 283 BGB a.F. und den §§ 989 ff. BGB, also vor der Neufassung des § 283 BGB; auf diese Thematik ist im vorliegenden Rahmen nicht einzugehen (vgl. im Einzelnen Rn. 50 des Besprechungsurteils):
c) Ein vertraglicher Herausgabeanspruch, z.B. aus § 546 BGB (Vermieter gegen Mieter) oder § 604 BGB (Verleiher gegen Entleiher), sei „regelmäßig“ auf die Übertragung des unmittelbaren Besitzes gerichtet, ausgenommen im Fall der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB; er habe auch nicht zur Voraussetzung, dass der Schuldner unmittelbarer Besitzer sei (Rn. 51, 54 des Besprechungsurteils).
d) Die Heranziehung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall zeige, dass das Schiedsgericht die Insolvenzschuldnerin und Schiedsbeklagte zur Herausgabe des unmittelbaren Besitzes verurteilt habe. Der Senat leitet dieses Ergebnis aus dem Wortlaut des PPP-Vertrages mit der Berechtigung der Gemeinde zur Besitzübernahme nach Beendigung des Vertrages ab, verbunden mit dem Recht, die Schiedsbeklagte vom Besitz auszuschließen. Der mittelbare Besitz sei ohnehin mit der Verpflichtung zur Übertragung des Erbbaurechts auf die Schiedsklägerin (Gemeinde) übergangen, denn diese sei als Verpächterin in die Verträge mit dem mittelbaren Besitzer als Folge der Erbbaurechtsübertragung eingetreten (§§ 581 Abs. 2, 578 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB). Der weiter gehende Schiedsantrag auf Herausgabe des „Hallen- und Freibadkomplexes“ könne daher nur als auf die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes gerichtet verstanden werden.
4. Diesen Anspruch habe der Senat in der Vorentscheidung (v. 13.12.2023 - 101 Sch 112/22, vgl.o.) für vollstreckbar erklärt. Er habe ein Aussonderungsrecht der Beklagten i.S.d. § 47 InsO bejaht, weil der Kläger in diesem Verfahren seinen nur mittelbaren Besitz nicht eingewandt habe (vgl. Rn. 55 f. des Besprechungsurteils).
a) Ein vertraglicher (schuldrechtlicher) Herausgabeanspruch könne ein Aussonderungsrecht begründen, soweit er sich mit dem Anspruch aus § 985 BGB decke; ein darüber hinausgehender Anspruch sei lediglich Insolvenzforderung (§ 38 InsO). Ein Aussonderungsrecht könne nur an „massebefangenen“ Gegenständen bestehen. Dieser Umstand sei zu bejahen, sofern der Insolvenzverwalter jedenfalls die Nutzung des Gegenstandes für die Masse reklamiere sowie die Entscheidung darüber, wann er ihn an den – grundsätzlich als Aussonderungsberechtigten anerkannten – Eigentümer zurückgebe.
b) Diese Voraussetzung sei vorliegend aus verschiedenen Gründen zu bejahen. So hatte der Kläger im Vollstreckbarerklärungsverfahren die Aussonderungsfähigkeit des Heimfallanspruchs ebenso bestritten wie auch die des schuldrechtlichen Herausgabeanspruchs nach Maßgabe des PPP-Vertrages. Niemals habe er aber seine Stellung als bloß mittelbarer Besitzer vorgetragen, auch nicht als beschränktes Ziel seiner Einwendungen gegen die Teilaufnahme des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch die Schiedsklägerin und Antragstellerin des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. Der Kläger habe vielmehr stets nur die Unzulässigkeit der Teilaufnahme gerügt, weil an einem obligatorischen Anspruch kein Aussonderungsrecht bestehen könne. Die Einwände des Klägers, aus Vergleichsverhandlungen im Kontext mit dem Vollstreckbarerklärungsverfahren oder aufgrund der positiven Kenntnis der Beklagten von dem bestehenden Pachtverhältnis habe diese seinen nur mittelbaren Besitz gekannt, hat der Senat zurückgewiesen. Der Kläger hätte dazu schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung vortragen müssen (Rn. 60 bis 64 des Besprechungsurteils).
c) Er sei mit dem Einwand nur mittelbaren Besitzes nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Ziel der Norm sei, im Vollstreckungsverfahren die Rechtskraft der im Erkenntnisverfahren getroffenen Entscheidung nicht mehr in Frage stellen zu lassen. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung (eines Schiedsspruchs nach § 1060 ZPO) sei Erkenntnisverfahren i.S.d. § 767 Abs. 2 ZPO. Einwendungen gegen den Schiedsspruch seien zwar im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der Judikatur des BGH über diejenigen nach § 1059 Abs. 2 ZPO hinaus zulässig, aber nur insoweit, als die Gründe erst nach dem Schiedsverfahren entstanden seien (§ 767 Abs. 2 ZPO analog). Nach h.M. sei ein Kläger auch mit sämtlichen Einwendungen i.S.d. § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, die er habe im Vollstreckbarerklärungsverfahren vorbringen können.
d) Die Gegenmeinung kritisiert diese Auffassung, weil sie den Rechtsschutz des Klägers der späteren Abwehrklage verkürze, denn da im Vollstreckbarerklärungsverfahren das OLG zuständig sei, § 1062 ZPO (bzw. das BayObLG), stehe einem Kläger dort nicht der gesamte Instanzenzug der „selbstständigen“ Abwehrklage, sondern nur die Klage und Rechtsbeschwerde zur Seite. Zudem erfasse nach dieser Auffassung die Möglichkeit der Ablehnung des Antrags auf Vollstreckbarkeit nach § 1060 ZPO nur die Gründe des § 1059 Abs. 2 ZPO, unter die materiell-rechtliche Einwendungen im Allgemeinen nicht zu subsumieren seien. Soweit diese nicht einen Verstoß gegen den ordre public darstellten, sei ihr Vorbringen im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach einer Literaturmeinung nicht zulässig, so dass nach dieser Auffassung auch Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO ausscheide. Im Hinblick auf ausländische Schiedssprüche verwehrt nach dieser Literaturmeinung auch Art. V New Yorker Übereinkommen (NYÜ, 1958, BGBl II 1958, 121) die Ablehnung der Vollstreckbarerklärung aus anderen als den dort genannten Gründen. Art. V NYÜ entspricht im Wesentlichen § 1059 Abs. 2 ZPO. Das Ziel, den Standort Deutschland durch die Normen zum Schiedsgerichtsverfahren nach der Gesetzesbegründung als „Schiedsort“ attraktiv zu machen, werde durch die Belastung nach der zitierten Literaturstimme mit derartigen Klagen verfehlt (vgl. zu diesem Ziel die Begründung des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes, BT-Drs. 13/5274 v. 12.07.1996, S. 1, unter B. und S. 23; vgl. im Einzelnen Rn. 70 des Besprechungsurteils).
Dieser Gegenmeinung ist nach dem BayObLG nicht zu folgen, der BGH habe dieser Argumentationskette in seiner Entscheidung vom 29.01.2015 (V ZR 93/14 Rn. 9 bis 11 - ZfIR 2015, 304, Stockholmer Schiedsspruch zum deutsch-russischen Investitionsschutzabkommen) in einer „Hilfserwägung“ die Grundlage entzogen (Rn. 71 bis 73 des Besprechungsurteils). Der BGH habe damit im „Interesse der Prozessökonomie“ darauf erkannt, Einwendungen gegen den vom Schiedsspruch zuerkannten Anspruch seien „möglichst frühzeitig“ zu klären, um nicht die Zwangsvollstreckung hinauszuzögern. Der Gesetzgeber habe auch eine „zügige Durchführung“ des gerichtlichen Verfahrens und die Entlastung der Justiz gewollt (BT-Drs. 13/5274, S. 63).
e) Dem Kläger sei zuzumuten gewesen, den Einwand des nur mittelbaren Besitzes rechtzeitig (im Vollstreckbarerklärungsverfahren, spätestens im Rechtsmittel dagegen) geltend zu machen, der auch „erfolgversprechend“ gewesen wäre. Er hatte erst im Rahmen der Klage nach § 767 ZPO vorgetragen, nicht einmal einen Schlüssel des Anwesens zu haben und beim Zutritt zu dem Bad auf das Personal des Pächters angewiesen gewesen zu sein.
Massebefangen sei in dem von der Beklagten wieder teilweise aufgenommenen Verfahren nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO der „massebefangene Besitz“ des Klägers – und das war nur der mittelbare Besitz. Der Schiedsspruch sei jedoch insoweit auf die Herausgabe des unmittelbaren Besitzes gerichtet. Hätte der Kläger seine tatsächliche Rechtsposition – mittelbarer Besitz – dargelegt, hätte die Vollstreckbarerklärung nur dahin gehend gelautet, der Kläger als Insolvenzverwalter der Schiedsbeklagten werde zur Abtretung seines Herausgabeanspruchs gegen die Pächterin, die Betriebsgesellschaft, „verurteilt“ (§ 870 BGB).
f) In dem Vollstreckbarerklärungsverfahren hatte der Kläger eingewandt, die (Teil-)Aufnahme des durch den Beschluss des Insolvenzgerichts nach den §§ 22 Abs. 1, 24 Abs. 2, 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO gemäß § 240 Satz 2 ZPO unterbrochenen Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung hinsichtlich der Tenorierung des Schiedsspruchs auf Übertragung des Erbbaurechts und Herausgabe des „Hallen- und Freibadkomplexes“ sei unzulässig und der Schiedsspruch sei nach § 1059 Abs. 2 ZPO aufgrund des Vorliegens von Aufhebungsgründen aufzuheben.
Der Senat stellt daher fest, gerichtliche Entscheidungen wie der Teilbeschluss des Senats vom 13.12.2023 seien trotz „Unterbrechung oder Aussetzung eines Rechtsstreits“ keineswegs nichtig, sondern nur mit den zulässigen Rechtsmitteln angreifbar. Der Kläger habe aber den Senatsbeschluss vom 13.12.2023 rechtskräftig werden lassen.
g) Die Erfüllung der aus dem Titel resultierenden Pflicht zur Herausgabe des unmittelbaren Besitzes sei auch nicht erst durch die Übertragung des Erbbaurechtes an die Klägerin und deren Eintritt in den Pachtvertrag mit der Betriebsgesellschaft kraft Gesetzes unmöglich geworden. Dadurch habe der Kläger zwar die Möglichkeit der Kündigung des Pachtvertrages eingebüßt, wodurch er den unmittelbaren Besitz hätte erlangen können, um ihn dann der Beklagten herauszugeben. Diese Möglichkeit würde aber über die „Auskehr“ des Hallen- und Freibadkomplexes hinausgehen und dem Kläger einen darüber hinausgehenden Besitzverschaffungsanspruch einräumen. Dies sei mit der beschränkten Zulässigkeit der Teilaufnahme nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht vereinbar. Dem Kläger sei von Anfang unmöglich gewesen, den unmittelbaren Besitz herauszugeben, da er ihn nie innehatte.
5. Der Senat hat ferner den Einwand des Titelmissbrauchs durch die Beklagte zurückgewiesen. Zwar ermögliche § 826 BGB in Ausnahmefällen den Schutz eines Schuldners gegen einen rechtskräftigen, aber materiell unrichtigen Titel, sofern die Ausnutzung der Rechtsposition durch den Gläubiger mit „dem Gerechtigkeitsgedanken“ schlechthin unvereinbar sei (Rn. 82 des Besprechungsurteils). Hiervon könne jedoch vorliegend nicht die Rede sein, der Titel sei richtig. Obiter betont das BayObLG, auch die bloße materielle Unrichtigkeit eines Titels und die Kenntnis des Gläubigers davon reiche für die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung eines Titels nicht aus. Hierzu müsse Sittenwidrigkeit hinzukommen, Umstände hierfür seien nicht ersichtlich.
6. Auf die Begründung des Senats zu weiteren Anträgen des Klägers (Rn. 84 bis 89 des Besprechungsurteils; Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels; Anregung, die Zwangsvollstreckung bis zur Rechtskraft des Urteils einzustellen, §§ 770 Satz 1, 769 ZPO; Aufhebung der Besitzeinweisung der Beklagten durch einstweilige Anordnung) ist im vorliegenden Rahmen nicht einzugehen, ebenso nicht auf die Begründung zur Nichtzulassung der Revision.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Schiedsgerichtsabreden sind in Fällen wie hier zulässig, auch in „verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnissen, sofern die Beteiligten über den Streitgegenstand verfügen können“ (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 12.02.2014 - 8 A 11021/13 Rn. 30 - NVwZ-RR 2014, 613; Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 20.02.1992 - 5 C 22/88 Rn. 8 - NVwZ 1993, 584, zum damaligen § 1025 ZPO).
II. Fasst man den Kern des Streitgegenstandes zusammen, so geht es dem Kläger darum, sich gegen die Vollstreckung zur unmittelbaren Besitzverschaffung zur Wehr zu setzen, da er diese nie innehatte und er es daher dabei bewenden lassen will, der Beklagten (Erbbauberechtigten, Gemeinde) den Herausgabeanspruch gegen den Pächter aus dem Pachtvertrag abzutreten. Unter Erörterung der dogmatischen Grundlagen unter Abgrenzung der Ansprüche auf Herausgabe nach § 985 BGB, dem Eigentümer-/Besitzerverhältnis, zu den vertraglichen Herausgabeansprüchen des Vermieters/Verpächters aus Miete oder Pacht bzw. Leihe arbeitet das BayObLG heraus, dass der Schiedsspruch auf Herausgabe des unmittelbaren Besitzes gerichtet ist. Die Schiedsbeklagte und spätere Schuldnerin hatte es schon im Schiedsverfahren versäumt, vorzutragen, sie sei nur mittelbarer Besitzer, die Herausgabe sei ihr aus den Gründen des § 275 Abs. 1 BGB nicht möglich. Der Schiedsspruch war materiell im Hinblick auf den nur mittelbaren Besitz nach dem eigenen Vortrag der Beklagten im vorliegenden Verfahren falsch. Der Kläger hat aber auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht dazu vorgetragen, und deshalb war er nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Dem ist vor dem Hintergrund der Zielsetzung des § 767 ZPO zuzustimmen.
III. Auch obligatorische Herausgabeansprüche sind aussonderungsfähig (vgl. Ganter in: MünchKomm InsO, 4. Aufl. 2019, § 47 Rn. 340, 341 ff.), geradezu typisch ist der Herausgabeanspruch des Vermieters oder Verpächters in der Mieter-/Pächterinsolvenz. Dasselbe gilt hier für den Herausgabeanspruch der Erbbaurechtsausgeberin gegen die erbbauberechtigte Schiedsbeklagte und den Insolvenzverwalter (Folge des § 80 InsO). Das BayObLG hat auch die notwendige „Massebefangenheit“ des Besitzes an der Infrastruktur dargelegt. Da ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO geltend gemacht wird, ist der Anspruch außerhalb des Insolvenzverfahrens zu verfolgen, § 47 Satz 2 InsO. Damit konnte das Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Einsetzung des Klägers als „starker“ vorläufiger Verwalter ungeachtet des Insolvenzeröffnungsverfahrens fortgesetzt werden, da insolvenzrechtliche Vollstreckungsverbote die Insolvenzgläubiger betreffen, nicht aber Aussonderungsberechtigte. Im Insolvenzeröffnungsverfahren kann das Insolvenzgericht allerdings durch eine Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO die Durchsetzung von Aussonderungsrechten bis zur Eröffnung unter den dortigen Voraussetzungen verhindern. Das ist hier nicht geschehen.
Da die Einrichtungen des Hallen- und Freibadkomplexes wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts sind (§ 94 BGB), waren sie mit Übergang des Erbbaurechts auf die beklagte Gemeinde ebenfalls übergangen, nicht aber der unmittelbare Besitz an dem Bauwerk, wenn auch das Besitzmittlungsverhältnis, der Pachtvertrag, auf die Grundstückseigentümerin übergegangen war (§§ 11 Abs. 1, 566 Abs. 1, 578 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB).
IV. Das Problem für die erfolgreiche Schiedsklägerin (Erbbaurechtsausgeberin, Gemeinde) war bei einem nur auf die Verschaffung des mittelbaren Besitzes gerichteten Titels, dass die insolvente Schiedsbeklagte, wie das BayObLG betont hat, ggf. wieder den unmittelbaren Besitz von der Pächterin erlangen könnte – und zwar u.a. durch schlichte Rückgabe durch die Pächterin an die Schiedsbeklagte und Insolvenzschuldnerin, so dass das Problem einer etwa erneuten Klage für die Gemeinde entstehen konnte.
1. Der Eintritt der Schiedsklägerin nach Rückübertragung des Erbbaurechts in den Pachtvertrag half ihrem Interesse auch nicht ab, denn die Pächterin hatte den Besitzanspruch nach § 986 BGB auf ihrer Seite, die Schiedsklägerin war daher davon abhängig, ob sie den Pachtvertrag kündigen konnte. Wäre eine Kündigung erfolglos, würde sie bis zum Ablauf des Pachtvertrages nicht über den Badkomplex verfügen können.
2. Die Verletzung des Erbbaurechtsvertrags mit der Pflicht zur Verschaffung des unmittelbaren Besitzes durch die Erbbauberechtigte und Schiedsbeklagte wäre folgenlos. Ist es ihr nicht möglich, den unmittelbaren Besitz zu verschaffen wie hier (§ 275 Abs. 1 BGB), schuldet sie aber Schadensersatz (§ 280 Abs. 1 BGB). In der Insolvenz kann dieser Anspruch, je nach Sachlage, Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit sein.
3. Hätte der Verwalter im Vollstreckbarerklärungsverfahren lediglich eingewandt, er sei kein unmittelbarer Besitzer und hätte er sonst keine Einwendungen erhoben oder wäre er erst gar nicht zum „starken“ vorläufigen Verwalter bestellt worden, wäre das bei einer ex-post-Betrachtung möglicherweise positiver für die Masse gewesen. Warum er das Bestehen eines Aussonderungsrechtes bestritten hat, kann mangels weiterer Angaben zu seinem Vortrag nicht beurteilt werden. Der PPP-Vertrag jedenfalls führte zu diesem Ergebnis, wenn der Heimfall tatsächlich eingetreten war. Dies war nach den Feststellungen des Schiedsgerichts der Fall, denn die Schiedsbeklagte hatte in schwerwiegender Weise gegen ihre Pflichten aus dem PPP-Vertrag verstoßen (s.o.; B.I.2.), woraus ein Heimfallanspruch folgte.


D.
Auswirkungen für die Praxis
I. Vollstreckungstitel aufgrund von Schiedssprüchen ist die Vollstreckbarerklärung gemäß § 1060 ZPO, wie aus § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO hervorgeht, soweit sie rechtskräftig ist oder für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist.
II. Für Vollstreckungsabwehrklagen nach § 767 ZPO gegen die Vollstreckbarkeit aus solchen Titeln (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO) ist das OLG (bzw. in Bayern das BayObLG) sachlich zuständig (Folge aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO i.V.m. § 767 Abs. 1 ZPO – „Prozessgericht des ersten Rechtszuges“).
Präkludiert gemäß § 767 Abs. 2 ZPO sind Einwendungen, die bis zum Ende des Schiedsgerichtsverfahrens hätten vorgebracht werden können und solche, die im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahren vorgetragen werden konnten.
III. In PPP-Verträgen sind Schiedsgerichtsklauseln zulässig.
IV. Heimfallklauseln in Erbbaurechtsverträgen führen nach Eintritt des Heimfalls und Übertragung des Erbbaurechts nebst „Bauwerken“ (§ 1 Abs. 1 ErbbauRG) auf den Grundstückseigentümer dazu, dass auf diesen auch Miet-, Pacht- und andere Nutzungsverträge übergehen (§ 11 Abs. 1 ErbbauRG, §§ 566, 578, 581 BGB). Der Nutzungsberechtigte hat gegen den Eigentümer den Besitzanspruch nach § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB, soweit der Erbbauberechtigte zur Verpachtung im Verhältnis zum Eigentümer befugt war.
V. Der Erbbauberechtigte ist beim Heimfall zur Übertragung des unmittelbaren Besitzes an dem Erbbaurechtsbauwerk an den Grundstückseigentümer verpflichtet, soweit ihm das nicht unmöglich (§ 725 BGB) ist. Im letzteren Fall kann er dem Grundstückseigentümer Schadensersatz nach § 280 BGB schulden.
VI. Dem heimfallberechtigten Grundstückseigentümer steht in der Insolvenz des Erbbaurechtsinhabers ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO an dem Bauwerk und zugehörigen Einrichtungen zu, soweit der Heimfallanspruch verdinglicht ist. Hierzu genügt eine entsprechende Vereinbarung im Erbbaurechtsvertrag (in PPP-Fällen in dem entsprechenden Vertrag im sog. Erbbaurechtsmodell), die durch Inbezugnahme in der Eintragungsbewilligung dinglicher Inhalt des Erbbaurechts im Grundbuch wird. Auch der Anspruch auf Herausgabe des „im“ Erbbaurecht errichteten Bauwerks, d.h. der Anspruch auf Besitzübertragung, ist aussonderungsfähig.
VII. Kann der Erbbauberechtigte nur den mittelbaren Besitz herausgeben, so ist der Herausgabetitel nach § 886 ZPO zu vollstrecken. Kosten- und sonstige Risiken aus der unterbleibenden Herausgabe durch den Nutzer (Mieter, Pächter) trägt ggf. die Insolvenzmasse (als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit, je nach den konkreten Verfahrensabläufen).



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