juris PraxisReporte

Autor:Alexander Bornemann, Ministerialrat
Erscheinungsdatum:19.07.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 178 InsO, § 179 InsO, § 292 InsO, § 5 StaRUG, § 23 StaRUG, § 126 BGB, § 17 StaRUG, § 22 StaRUG, § 56 StaRUG, § 286 InsO, § 305 InsO, § 184 ZPO, § 41 StaRUG, § 28 InsO, § 270a InsO, § 8 InsO, § 5 InsO, § 58 InsO, § 59 InsO, § 290 InsO, § 296 InsO, § 303 InsO, § 247 InsO, § 214 InsO, § 4 InsO, § 251 InsO, § 253 ZPO, § 173 ZPO, § 130a ZPO, § 2 ERVV, § 235 InsO, § 241 InsO, § 121 AktG, § 45 StaRUG, § 20 StaRUG, § 21 StaRUG, § 85 StaRUG, § 37 StaRUG, § 49 StaRUG, § 59 StaRUG, § 72 StaRUG, § 81 StaRUG, § 82 StaRUG, § 93 StaRUG, § 64 InsO, § 31 StaRUG, § 84 StaRUG, § 29 StaRUG, BJNR291109994BJNE004601125, Art 103n EGInsO, § 174 InsO, EURL 2019/1023, EUV 2015/848
Fundstelle:jurisPR-InsR 6/2024 Anm. 1
Herausgeber:Ministerialrat Alexander Bornemann
Dr. Daniel Wozniak, RA, FA für Insolvenz- und Sanierungsrecht, FA für Handels- und Gesellschaftsrecht und FA für Steuerrecht
Zitiervorschlag:Bornemann, jurisPR-InsR 6/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Insolvenz- und restrukturierungsrechtliche Aspekte des Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz

I. Einleitung

Die praktischen Erfordernisse des digitalen Zeitalters erfordern Reformen auch und gerade im Justizbereich. Dieser Reformprozess ist nun durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vom 12.07.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 234) um ein weiteres Kapitel bereichert worden. Auch das Restrukturierungs- und Insolvenzrecht wird in diesem Zusammenhang fortentwickelt (Art. 36 ff. des Gesetzes): Für das Insolvenzverfahren werden die Voraussetzungen für die elektronische Forderungsanmeldung präzisiert, die Verpflichtung zum Einsatz von elektronischen Gläubigerinformationssystemen verallgemeinert und die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation erweitert. Für das Restrukturierungsrecht werden Schriftformerfordernisse abgebaut und die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Restrukturierungsdokumentation auch elektronisch übermittelt oder zur Verfügung gestellt werden kann; Letzteres wird künftig namentlich im Verhältnis zu Aktionären und den Inhabern von Schuldverschreibungen verpflichtend, wenn der Schuldner auf die Übermittlung schriftlicher Dokumente verzichtet. Schließlich wird der Umfang der in öffentlichen Restrukturierungssachen erforderlichen öffentlichen Bekanntmachungen konkretisiert und zugleich beschränkt, um dem im derzeitigen Wortlaut des Gesetzes angelegten Missverständnis vorzubeugen, jedweder Verfahrensschritt müsse öffentlich bekannt gemacht werden.

Weiter gehende Vorstellungen zur Digitalisierung von Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren reichen bis hin zur Schaffung einer umfassenden und integrierten Plattformlösung, welche man mit Blick auf die in Belgien implementierte und praxisbewährte Lösung mitunter auch als „belgisches Modell“ bezeichnet. Im sachlichen und zeitlichen Horizont des nun zum Abschluss gebrachten Vorhabens ließen sich solche Vorschläge nicht umsetzen. Es ist aber deutlich geworden, dass ein praktisches Bedürfnis besteht. Dieses Bedürfnis wird im Weiteren in konkrete Spezifikationen der an die Plattformlösung zu stellenden Anforderungen zu übersetzen und mit dem Gesamtprozess zur Digitalisierung der Justiz abzugleichen sein.

Die nachfolgende Darstellung der insolvenz- und restrukturierungsrechtlich relevanten Teile des Gesetzes gliedert sich in vier Teile. Zunächst werden (unter II.) diejenigen Teile des Gesetzes in den Blick genommen, die sich als Umsetzungen von Vorgaben aus Art. 28 der Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU) 2019/1023 verstehen oder diesen Vorgaben zumindest zugeordnet werden können. Sodann werden (unter III.) weiter gehende Neuerungen im Restrukturierungsrecht vorgestellt, mit denen auf praktische Bedürfnisse reagiert wird. Es folgt (unter IV.) eine Darstellung der die öffentlichen Restrukturierungssachen betreffenden Neuerungen. Abschließend werden (unter V.) die Inkrafttretens- und Übergangsregelungen beleuchtet.

II. Umsetzung von Vorgaben der Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU) 2019/1023

Art. 28 der Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU) 2019/1023 (nachfolgend auch einfach: „Richtlinie“) verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Schaffung der Voraussetzungen für die elektronische Vornahme bestimmter Verfahrenshandlungen, namentlich: (a) die „Geltendmachung von Forderungen“; (b) die Einreichung von Restrukturierungs- und Tilgungsplänen, (c) Mitteilungen an die Gläubiger sowie (d) die Einlegung von Beanstandungen und Rechtsbehelfen. Diese Vorgaben sollen helfen, die Verfahrensabwicklung zu vereinfachen und zu beschleunigen; auch soll eine aktive Beteiligung der Gläubiger gefördert werden (Erwägungsgrund 90 Sätze 1 und 2 der Richtlinie). Dabei soll den Mitgliedstaaten die Möglichkeit verbleiben, die elektronische Kommunikation gegenüber Gläubigern an eine Zustimmung der Gläubiger zu knüpfen (Erwägungsgrund 90 Satz 3 der Richtlinie). Überhaupt soll der umzusetzende Rahmen die Gestalt eines „Angebots“ an die Verfahrensbeteiligten annehmen dürfen, das die Beteiligten annehmen können, ohne dazu verpflichtet zu sein (Erwägungsgrund 91 Satz 1 der Richtlinie). Bei den Anforderungen an die Kommunikationswege ist den Mitgliedstaaten ein weites Gestaltungsermessen eingeräumt (Erwägungsgrund 91 Satz 4 der Richtlinie). Die Vorgaben zu (a) bis (c) waren bis zum 17.07.2024 umzusetzen, die Vorgabe zu (d) bis zum 17.07.2026.

1. Die elektronische „Geltendmachung“ von Forderungen – Art. 28 Buchst. a der Richtlinie

a) Insolvenzverfahren

Als Geltendmachung einer Forderung i.S.d. Art. 28 Buchst. a der Richtlinie hat man in erster Linie deren Anmeldung im Insolvenzverfahren zu verstehen, setzt doch die Geltendmachung einer Insolvenzforderung stets deren Anmeldung voraus. Eine solche kann schon seit Langem (namentlich seit dem Inkrafttreten des Justizkommunikationsgesetzes zum 01.01.2005) auf elektronischem Weg erfolgen, wenn der Verwalter dem zustimmt (§ 174 Abs. 4 Satz 1 InsO a.F.). Das Zustimmungserfordernis sollte sicherstellen, dass der Verwalter der Anmeldung bestimmte Formate und Übermittlungswege vorgeben darf, um die eingehenden Anmeldungen in geordneter Weise entgegennehmen und verarbeiten zu können (vgl. Begr. RegE Justizkommunikationsgesetz, BT-Drs. 15/4067, S. 54). Eine willkürliche und kategorische Verweigerung der Entgegennahme elektronischer Anmeldungen wäre deshalb schon nach bisherigem Recht nicht unproblematisch gewesen. Der Wortlaut des Gesetzes ließ allerdings Zweifel, da er die „ausdrückliche Zustimmung“ zur Voraussetzung für die Übermittlung eines elektronischen Dokuments machte, ohne diese Zustimmung (oder deren Verweigerung) an einen bestimmten Zweck zu binden.

Um die vorgenannten Zweifel zu beseitigen, setzt die neue Fassung des § 174 Abs. 4 InsO an die Stelle des früheren Zustimmungserfordernisses die Einschränkung, dass der Verwalter „einen gängigen elektronischen Übermittlungsweg sowie ein gängiges Dateiformat vorgeben“ darf (§ 174 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 InsO n.F.) und dabei stets einen sicheren Übermittlungsweg nach § 130a Abs. 4 ZPO anzubieten hat (§ 174 Abs. 4 Satz 2 InsO n.F.). Letzteres soll es namentlich Behörden erlauben, internen Vorgaben zur elektronischen Kommunikation zu genügen. Die Befugnis des Gerichts und des Verwalters, im Einzelfall Ausdrucke, Abschriften und Originale zu verlangen, bleibt bestehen (künftig: § 174 Abs. 4 Satz 3 InsO n.F.). Man wird sie aber mit Blick auf den Geltungsanspruch der Richtlinienvorgabe und den abermals bekräftigten Grundsatz, dass elektronische Anmeldungen grundsätzlich voraussetzungslos möglich sind, einschränkend auszulegen haben. In der Regel wird deshalb auch in Bezug auf etwaige vom Verwalter eingeforderte Belege eine elektronische Übermittlung genügen. Die Vorlage von Originalen wird nur in Ausnahmefällen verlangt werden können – insbesondere zum Zwecke der Anbringung eines Feststellungsvermerks auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden (vgl. § 178 Abs. 2 Satz 3 InsO). Letztlich handelt es sich aber ohnehin – wie nicht zuletzt die als Soll-Vorschrift konzipierte Regelung zur Beifügung von Urkunden in § 174 Abs. 1 Satz 2 InsO verdeutlicht – um eine Obliegenheit des Gläubigers, deren Verletzung nicht die Unwirksamkeit der Forderungsanmeldung nach sich zieht, sondern allein zur Folge haben kann, dass unausgeräumt bleibende Zweifel an der angemeldeten Forderung Widersprüche den Verwalter oder einen Gläubiger zum Widerspruch verleiten (BGH, Urt. v. 01.12.2005 - IX ZR 95/04 Rn. 9 ff.). Ebenso wenig besteht eine Pflicht zur Vorlage von Schuldurkunden zwecks Anbringung eines Feststellungsvermerks; denn auch dieser Vermerk wird allein im Interesse des anmeldenden Gläubigers erteilt (BGH, Urt. v. 01.12.2005 - IX ZR 95/04 Rn. 10).

Zur „Geltendmachung“ der Forderung i.S.d. Art. 28 Buchst. a der Richtlinie mag man über den Bereich der Forderungsanmeldung hinaus auch die weitere Verfolgung von (angemeldeten, aber) bestrittenen Forderungen zählen wollen. Es spricht allerdings viel dafür, dass es sich beim Begriff der Geltendmachung um eine unglückliche Übersetzung des englischen Begriffs „filing“ handelt, der allein für die Anmeldung steht. Letztlich kann die Frage aber auf sich beruhen. Denn die Verfolgung bestrittener Forderungen hat über den Weg der Feststellungsklage beim Prozessgericht zu erfolgen (§ 179 Abs. 1 InsO), für den die allgemeinen prozessualen Bestimmungen gelten, welche ihrerseits auch eine elektronische Verfolgung des Klaganspruchs zulassen (für den Zivilprozess etwa §§ 130a, 253 Abs. 5 Satz 2 ZPO).

b) Restschuldbefreiungsverfahren

Art. 28 der Richtlinie gilt nicht nur für das Insolvenzverfahren, sondern auch für das Restschuldbefreiungsverfahren sowie die in Umsetzung der Art. 4 ff. der Richtlinie geschaffenen Rahmen für die präventive Unternehmensrestrukturierung (in Deutschland also die Restrukturierungssachen i.S.d. §§ 31 ff. StaRUG). Besonderer Vorschriften für das deutsche Restschuldbefreiungsverfahren bedarf es indessen nicht. Angemeldete Insolvenzforderungen werden hier ohne Weiteres berücksichtigt (§ 292 Abs. 1 InsO); einer separaten „Geltendmachung“ bedarf es nicht.

c) Restrukturierungssachen

In Restrukturierungssachen können Forderungen gar nicht erst im eigentlichen Sinne „angemeldet“ werden. Vielmehr erfolgt eine „Geltendmachung“ im Rahmen einer Verteidigung gegen das im Planangebot zum Ausdruck gebrachte Ansinnen des Schuldners, in die Forderung eingreifen zu wollen (vgl. § 17 Abs. 1 StaRUG i.V.m. § 7 StaRUG). Für die Übermittlung eines solchen Plans aber ist Art. 28 Buchst. b der Richtlinie die speziellere Bestimmung (vgl. dazu sogleich unter 2.).

2. Die Übermittlung von Restrukturierungs- und Tilgungsplänen – Art. 28 Buchst. b der Richtlinie

Nach Art. 28 Buchst. b der Richtlinie müssen „Restrukturierungs- oder Tilgungspläne“ elektronisch übermittelt werden können.

a) Insolvenzpläne

Unklar ist, ob Art. 28 Buchst. b der Richtlinie auch für Insolvenzpläne gilt. Denn von Restrukturierungsplänen ist in der Richtlinie allein im Zusammenhang mit Plänen die Rede, die im Rahmen einer Restrukturierung nach den Art. 4 ff. der Richtlinie zur Abstimmung gestellt werden. Die darum bestehenden Zweifel werden noch dadurch verstärkt, dass Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie „sonstige Restrukturierungsrahmen“ nach nationalem Recht unberührt lässt, solange nur sichergestellt wird, dass die Beteiligten Zugang zu einem Rahmen haben, der den Anforderungen der Art. 4 ff. der Richtlinie genügt. Insoweit erkennt die Richtlinie selbst den möglichen Dualismus von Restrukturierungsplänen i.S.d. Art. 8 ff. der Richtlinie und sonstigen Plänen an, greift in Art. 28 Buchst. b der Richtlinie gleichwohl nur die Restrukturierungspläne auf. Freilich kann auch diese Frage letztlich auf sich beruhen, da es in Anbetracht der Weite des Anwendungsbereichs des § 130a ZPO (u.a.: „schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien“ sowie „Anlagen“ und „Erklärungen Dritter“) nicht zweifelhaft sein kann, dass eine elektronische Planvorlage zulässig ist.

b) Restrukturierungspläne nach dem StaRUG

Hinsichtlich der Restrukturierungspläne i.S.v. Art. 8 ff. der Richtlinie (und damit der §§ 5 ff. StaRUG) ist zwischen dem außergerichtlichen Planabstimmungsverfahren der §§ 17 ff. StaRUG und dem gerichtlichen Planabstimmungsverfahren der §§ 23, 45 f. StaRUG zu differenzieren.

aa) Außergerichtliches Abstimmungsverfahren

Die Planübermittlung im außergerichtlichen Abstimmungsverfahren – genauer: das Planangebot i.S.d. § 17 StaRUG – unterliegt zwar der Schriftform. Diese steht aber zur Disposition der Beteiligten (§ 17 Abs. 4 Satz 1 StaRUG), die sich darum auch ohne Weiteres auf eine elektronische Übermittlung verständigen können; überhaupt kann der Schriftform hier nach § 126 Abs. 3 BGB auch durch die elektronische Form Genüge getan werden. Dasselbe gilt für die Erklärung oder Ablehnung der Planannahme (§ 17 Abs. 4 Satz 2 StaRUG). Das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz stellt nun auch sicher, dass diese Grundsätze auch für die Abwicklung der Versammlung der Planbetroffenen (§§ 20 f. StaRUG) gelten: Künftig ist auch die bisherige Schriftform für die Einberufung der Versammlung abdingbar (§§ 20 Abs. 1 Satz 2, 21 Abs. 2 Satz 1 StaRUG n.F.).

bb) Gerichtliches Abstimmungsverfahren

Im Rahmen des gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (§§ 22, 56 f. StaRUG) war schon bislang eine elektronische Übermittlung an das Gericht statthaft (§ 130a ZPO i.V.m. § 38 Satz 1 StaRUG); zudem konnte unter den Voraussetzungen des § 173 ZPO eine elektronische Übermittlung des Plans an die planbetroffenen Gläubiger erfolgen. Das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz schafft nun einfachere Übermittlungsmöglichkeiten. Nach § 45 Abs. 3a StaRUG n.F. kann im Rahmen der Ladung zum Planabstimmungstermin auf die Beifügung des vollständigen Restrukturierungsplans verzichtet werden, wenn der Schuldner den elektronischen Zugriff auf diese Dokumente gewährleistet und der Geladene anhand der in der Ladung aufgeführten Zugangsdaten auf die Dokumente zugreifen kann. In diesem Fall hat der schuldnerische Antrag auf Durchführung des gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens Angaben dazu zu enthalten, wie der elektronische Zugang zu diesen Dokumenten sichergestellt wird; insbesondere sind die Zugangsdaten mitzuteilen, auf deren Grundlage den zu ladenden Planbetroffenen der unmittelbare Zugriff auf die Restrukturierungsdokumentation eröffnet werden soll, § 45 Abs. 3 StaRUG n.F.

Wird das Restrukturierungsvorhaben im Rahmen einer öffentlichen Restrukturierungssache (§§ 84 ff. StaRUG) betrieben und verzichtet der Schuldner auf die Zustellung von Ladungen an Aktionäre, Kommanditaktionäre und Inhaber von Schuldverschreibungen (bislang § 85 Abs. 2 StaRUG a.F.; künftig § 85 Abs. 4 StaRUG n.F.), werden die solchermaßen vom Ladungserfordernis ausgenommenen Planbetroffenen einen Anspruch auf elektronische Übermittlung oder elektronische Zugänglichmachung der Restrukturierungsdokumentation haben; das folgt dann nicht aus § 45 Abs. 3 und 3a StaRUG a.F., der mangels Ladungspflicht nicht zur Anwendung kommt, sondern unmittelbar aus § 84 Abs. 4 StaRUG n.F. (näher dazu unten, III.2.).

c) Keine Umsetzungsnotwendigkeit für Tilgungspläne

In Deutschland bedarf es keiner besonderen Bestimmungen zu (den in Art. 2 Abs. 1 Nr. 11 der Richtlinie definierten) Tilgungsplänen. Denn das deutsche Recht hat die Vorgaben zum Entschuldungsrecht (Art. 20 ff. der Richtlinie) nicht in der Variante des Tilgungsplanverfahrens (Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie) umgesetzt: Die im Mittelpunkt des deutschen Restschuldbefreiungsverfahrens (§§ 286 ff. InsO) stehende Abtretung der Bezüge fällt unter Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie und kommt folglich ohne Tilgungsplan aus. Im Übrigen ist es über die allgemeinen Bestimmungen des Zivilprozessrechts möglich, den einem Tilgungsplan funktional nahekommenden Schuldenbereinigungsplan nach § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO elektronisch zu übermitteln (§ 130a ZPO i.V.m. § 4 InsO). Und für den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) bestehen von vornherein keine Formvorgaben.

3. Die Kommunikation mit Gläubigern – Art. 28 Buchst. c der Richtlinie

Nach Art. 28 Buchst. c der Richtlinie müssen „Mitteilungen an die Gläubiger“ elektronisch erfolgen können. Es steht den Mitgliedstaaten frei, die elektronische Kommunikation mit Gläubigern von deren Zustimmung abhängig zu machen (Erwägungsgrund 90 Satz 3 der Richtlinie). Damit kann insbesondere die Erstkommunikation mit dem Gläubiger auf herkömmlichem Wege stattfinden – nicht nur um dem Gläubiger die Möglichkeit zu geben, sein Einverständnis zu erklären, sondern auch, um ihm (aber auch dem Gericht und dem Verwalter) die Möglichkeit zu geben, der elektronischen Kommunikation einen Kommunikationsweg und eine elektronische Adresse zugrunde zu legen. Der deutsche Gesetzgeber macht von dieser Möglichkeit Gebrauch und setzt für die elektronische Kommunikation in der Regel eine Forderungsanmeldung voraus, welche freilich selbst schon elektronisch erfolgen kann (vgl. oben, unter II.1.). Im Wesentlichen bestehen zwei Wege für Mitteilungen an die Gläubiger:

a) Elektronische Zustellungen

Da elektronische Zustellungen einen sicheren Übermittlungsweg und (jenseits der Fälle des § 173 Abs. 2 ZPO) die Zustimmung des Zustellungsadressaten erfordern (§ 4 InsO i.V.m. § 173 Abs. 4 ZPO), soll dem Gläubiger die Gelegenheit gegeben werden, im Rahmen seiner Forderungsanmeldung ein Postfach anzugeben, über welches verfahrensbezogene Zustellungen über einen sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 130a Abs. ZPO erfolgen können (§ 28 Abs. 4 InsO n.F.). Macht der Gläubiger von dieser Möglichkeit Gebrauch, liegt darin zugleich eine Zustimmung i.S.v. § 173 Abs. 4 ZPO. Auf die Möglichkeit der Abgabe einer Zustimmung zum Empfang elektronischer Zustellungen ist der Gläubiger im Eröffnungsbeschluss hinzuweisen (§ 28 Abs. 4 InsO n.F.).

Wie § 8 Abs. 3 Satz 3 InsO n.F. nun klarstellt, können elektronische Zustellungen auch vom Verwalter vorgenommen werden. Zustellnachweise hat der Verwalter zu den Akten zu nehmen und einen Vermerk über die erfolgte Zustellung und deren Zeitpunkt unverzüglich zu den Gerichtsakten zu reichen (§ 8 Abs.3 Satz InsO n.F.). Im Regierungsentwurf hatte es insoweit noch geheißen, dass der Zeitpunkt der Absendung (statt der Zustellung) zu vermerken sei. Da es in prozessualer Hinsicht aber stets nur auf den Zustellungszeitpunkt ankommt und es bei elektronischen Zustellungen an einer an die Versendung anknüpfenden Zustellungsfiktion fehlt, wie sie nach § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO für zur Post aufgegebene Schriftstücke besteht, war eine Anknüpfung an die Absendung (wie sie § 184 Abs. 2 Satz 3 ZPO für zur Post gegebene Schriftstücke vorsieht) nicht zweckmäßig (Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 20/11309, S. 6). Zur Vermeidung des Risikos unwirksamer Zustellungen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.09.1978 - IV ZB 104/78) war es geboten, den Zustellungszeitpunkt zu vermerken. Praktisch ändert sich hierdurch wenig, da es für den Zustellungszeitpunkt auf das im elektronischen Empfangsbekenntnis ausgewiesene Empfangsdatum bzw. auf den in der automatisierten Eingangsbestätigung ausgewiesenen Tag des Eingangs (vgl. § 173 Abs. 4 Satz 4 ZPO) ankommt.

Für das Restrukturierungsrecht ist klargestellt worden, dass auch in Restrukturierungssachen elektronische Zustellungen möglich sind; der zweite Halbsatz von § 41 Abs. 3 StaRUG n.F. lässt durch die Nennung des § 173 ZPO keine Zweifel daran aufkommen, dass auch elektronische Zustellungen möglich sind. Auf die Einführung einer § 28 Abs. InsO n.F. entsprechenden Bestimmung, durch welche Beteiligte hätten aufgefordert werden können, ihre Zustimmung zur elektronischen Zustellung zu erteilen und für Zwecke der elektronischen Kommunikation ein geeignetes Postfach anzugeben, ist mit Blick auf die restrukturierungsrechtlichen Besonderheiten abgesehen worden: So fehlt es zunächst an einem Forderungsanmeldungsverfahren, das sich für diese Zwecke hätte fruchtbar machen lassen. Im Übrigen soll das Verfahren auch weiterhin so weit wie möglich der privaten Selbstorganisation überlassen bleiben. Und dem – in aller Regel beratenen – Schuldner steht es frei, entsprechende Zustimmungen einzuholen.

b) Elektronische Gläubigerinformationssysteme

Seit dem Inkrafttreten des SanInsFoG zum 01.01.2021 sind Insolvenzverwalter gehalten, elektronische Gläubigerinformationssysteme vorzuhalten, über welche den Gläubigern verfahrensbezogene Informationen und Dokumente zugänglich zu machen sind (§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO). In Verfahren jenseits der Schwellenwerte des § 22a Abs. 1 InsO mussten solche Systeme schon bislang eingesetzt werden (§ 5 Abs. 5 Satz 2 InsO). Diese Beschränkung fällt ab dem 17.07.2024 weg, so dass die Systeme in allen Verfahren zum Einsatz kommen müssen. Dabei wird eine weitere Lücke geschlossen: Da das bisherige Recht allein den Verwalter in die Pflicht nahm, erweckte es den Eindruck, dass die Systeme in Eigenverwaltungsverfahren verzichtbar waren. § 5 Abs. 6 InsO n.F. stellt nun klar, dass Gläubigerinformationssysteme auch in Eigenverwaltungsverfahren zum Einsatz kommen müssen. Primär Verantwortlicher ist – gemäß des Eigenverwaltungsgedankens – der Schuldner. Verfügt der Schuldner nicht über die dafür erforderliche IT-Infrastruktur, ist der Sachwalter verpflichtet, das ihm zugängliche System zur Verfügung stellen. Das ändert nichts an der materiellen Verantwortung des Schuldners, für eine vollständige und richtige Information der Gläubiger zu sorgen. Man hat hiergegen geltend gemacht, dass es zu ungebührlichen Belastungen der Masse führen könnte, wenn dem Schuldner die Last auferlegt wird, das System auf Kosten der Masse zu betreiben (Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 20/11309, S. 5). Es ist allerdings zu bezweifeln, dass aus der Inpflichtnahme des Schuldners überhaupt erhebliche Belastungen der Haftungsmasse folgen. Soweit das der Fall ist, müssten diese Kosten in der Eigenverwaltungsplanung abgebildet werden (§ 270a Abs. 1 Nr. 1 und 5 InsO). Sie können damit eingangs des Verfahrens bei der Frage Berücksichtigung finden, ob die Durchführung der Eigenverwaltung überhaupt im Gläubigerinteresse liegt (Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 20/11309, S. 14).

Zu den weiteren Neuerungen gehört eine Ausweitung der im Gesetz genannten Dokumente, die den Gläubigern über das System zugänglich zu machen sind. Neben den bislang erwähnten Entscheidungen des Insolvenzgerichts und den an das Insolvenzgericht übersandten Berichten gehören dazu nun auch die Entscheidungen von Rechtsmittelgerichten sowie die nach § 8 Abs. 3 InsO zugestellten Dokumente. Damit wird insgesamt sichergestellt, dass die im System hinterlegten und zugänglich gemachten Informationen für den jeweiligen Gläubiger vollständig und aktuell sind.

Auch weiterhin sind die Dokumente in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung zu stellen; Zugang haben Insolvenzgläubiger, die ihre Forderung angemeldet haben (§ 5 Abs. 5 Satz 1 InsO). Klarstellend und die gängige Praxis nachzeichnend ergibt sich nun aus § 5 Abs. 5 Satz 3 InsO n.F., dass dem Insolvenzgericht zwecks Ausübung der Aufsicht (§ 58 InsO) ebenfalls ein Zugang zum (Gesamt-)System einzuräumen ist; naturgemäß können die für einzelne Gläubiger maßgeblichen Zugriffsbeschränkungen (zu den allein die Forderungen anderer Gläubiger betreffenden Berichten) dem Gericht nicht entgegen gehalten werden.

4. Elektronische Beanstandungen und Rechtsmittel – Art. 28 Buchst. d der Richtlinie

Nach Art. 28 Buchst. d der Richtlinie muss die Möglichkeit gegeben sein, Beanstandungen und Rechtsmittel auf elektronischem Weg einzulegen. Dabei wird man als „Beanstandungen“ (challenges, contestations, impugnaciones) Erklärungen und Anträge ansehen müssen, deren Wirkungen mangels Devolutiveffekts verfahrensintern bleiben. Dazu gehören: der Antrag auf Entlassung des Insolvenzverwalters (§ 59 Abs. 1 InsO), Anträge auf Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung (§§ 290 Abs. 1, 296 Abs. 1, 303 Abs. 1 InsO), der Widerspruch gegen den Insolvenzplan (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 InsO), der schuldnerische Widerspruch gegen den Plan (§ 247 InsO) sowie der Antrag auf Einstellung des Verfahrens und der dagegen erhobene Widerspruch (§ 214 Abs. 1 InsO). Wie sich dem Wortlaut des § 130a Abs. 1 ZPO („Anträge und Erklärungen“) entnehmen lässt, eröffnet diese Bestimmung (über § 4 InsO) auch in diesen Fällen den Weg für elektronische Übermittlungen. Dass einzelne der genannten Bestimmungen die Schriftlichkeit der Erklärung explizit voraussetzen, steht dem nicht entgegen. Zum einen soll § 130a ZPO gerade sicherstellen, dass prozessualen Schriftformerfordernissen durch die Übermittlung elektronischer Dokumente Genüge getan werden kann. Und zum anderen ist die Funktion der genannten Schriftformerfordernisse (etwa in § 251 Abs. 1 Nr. 1 InsO und in § 290 Abs. 2 Satz 1 InsO) in Abgrenzung zu den sonstigen Formen zu bestimmen, welche das Prozessrecht im Allgemeinen und die Insolvenzordnung im Besonderen zulässt – etwa die Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle, welche insbesondere durch das ESUG zwecks Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zurückgedrängt wurde (vgl. Begr. RegE ESUG, BT-Drs. 17/5712, S. 30, 34 f.) oder die Erklärung im Termin, die bis zum Inkrafttreten des ersten Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens vom 15.07.2013 (BGBl I 2013, 2379) für Versagungsanträge im Schlusstermin maßgeblich war (Begr. RegE Restschuldbefreiungsverkürzungsgesetz, BT-Drs. 17/11268, S. 27). Der in diesen Bestimmungen vorausgesetzten Schriftform geht es deshalb nicht darum, den Geltungsbereich des § 130a ZPO zurückzudrängen, sondern allein um die Klarstellung der grundsätzlich zu wahrenden Form.

Dass Rechtsmittel elektronisch eingelegt werden können, wie dies Art. 28 Buchst. d der Richtlinie fordert, ergibt sich wiederum aus § 130a ZPO. Diese Vorschrift mag zwar in einem systematischen Kontext verortet sein, der vermuten lassen könnte, dass es allein um die Anforderungen an vorbereitende Schriftsätze geht. Tatsächlich geht § 130a Abs. 1 ZPO aber schon seinem Wortlaut nach weiter, indem „Anträge und Erklärungen“ der Parteien miterfasst werden. Folglich gilt die Vorschrift auch für bestimmende Schriftsätze und andere Prozesshandlungen, die das Prozessrechtsverhältnis gestalten. Selbst das Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses ist keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 130a ZPO, wie § 253 Abs. 5 ZPO für die Klageerhebung verdeutlicht. Daraus folgt insgesamt, dass auch die Einlegung von Rechtsmitteln auf dem durch § 130a ZPO vorgezeichneten elektronischen Weg erfolgen kann.

III. Weitere restrukturierungsrechtliche Neuerungen

1. Elektronische Zugänglichmachung des Restrukturierungsplans im gerichtlichen Planabstimmungsverfahren, § 45 Abs. 3a StaRUG n.F.

Für das Restrukturierungsrecht bringt das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vor allem Erleichterungen bei der elektronischen Zugänglichmachung des Restrukturierungsplans (vgl. bereits oben, II 2 b). Verzichtet der Schuldner bei öffentlichen Restrukturierungssachen auf eine Ladung von Aktionären, Kommanditaktionären oder Schuldverschreibungsinhabern, wird er künftig sogar verpflichtet sein, den Restrukturierungsplan elektronisch zu übermitteln oder zugänglich zu machen. Damit werden erste Lehren aus der Praxis der Restrukturierung kapitalmarktorientierter Unternehmen gezogen, in der sich gezeigt hat, dass die Möglichkeit der Planeinsichtnahme auf der Geschäftsstelle gerade für Kleinaktionäre und überhaupt Kleinanleger mit unnötigem und – in Anbetracht der engen Zeithorizonte – auch unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist, der sich ohne Weiteres durch elektronische Formen der Zugänglichmachung vermeiden lässt.

Unabhängig davon, ob die Restrukturierungssache öffentlich geführt werden soll, wird dem Schuldner künftig die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (§§ 45 f. StaRUG) auf die Übermittlung einer Papierfassung des Restrukturierungsplans und der zugehörigen Anlagen zu verzichten. In diesem Fall hat der Antrag auf Durchführung des gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens Angaben dazu zu enthalten, wie sichergestellt werden wird, dass der Plan und die Anlagen den zu ladenden Planbetroffenen zugänglich sein werden (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StaRUG n.F.). Abweichend von § 45 Abs. 3 Satz 2 StaRUG muss der Ladung zum Abstimmungstermin dann keine vollständige Fassung des Restrukturierungsplans und der Ladung beigefügt werden; stattdessen muss der Schuldner gewährleisten, dass der Geladene anhand der in der Ladung enthaltenen Zugangsdaten auf die Dokumente zugreifen kann (§ 45 Abs. 3a StaRUG n.F.). Plan und Anlagen sind dabei im PDF und ggf. (zusätzlich) im TIFF zu hinterlegen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes, wohl aber aus der Überlegung, dass die elektronische Zugänglichmachung die Übermittlung anlässlich einer Zustellung der Ladung ersetzt, deren elektronische Durchführung in den Bahnen des § 173 ZPO zu erfolgen hätte. Daher sind die Anforderungen an elektronische Dokumente i.S.d. § 130a Abs. 2 ZPO zu erfüllen, die der Elektronischen Rechtsverkehrsverordnung (ERVV) zu entnehmen sind. Nach § 2 ERVV ist stets das PDF zugrunde zu legen; ergänzend kann auf das TIFF zurückgegriffen werden, wenn bei bildlichen Darstellungen eine verlustfreie Abbildung in das PDF nicht möglich ist.

Die Möglichkeit einer Störung des vom Schuldner zu gewährleistenden Zugangs hat im Gesetzgebungsverfahren Anlass zur Sorge gegeben, dass sich der Verfahrensablauf – und mit ihm der gesamte Restrukturierungsprozess – infolge von Streitigkeiten über die Frage verzögern könnte, ob der Schuldner den gebotenen Zugang durchgehend gewährleistet hat. Namentlich hat der Bundesrat geltend gemacht, dass das Gericht keine Handhabe zur Sicherstellung und Kontrolle der vom Schuldner zu schaffenden Zugriffsmöglichkeiten habe und dass damit auch das Recht der Planbetroffenen auf rechtliches Gehör verletzt werden könnte (Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 20/11309, S. 6). Demgegenüber liegt es in der Konsequenz des vom StaRUG verfolgten Grundgedankens, die Gestaltung des Verfahrens in die Hände des Schuldners zu legen. Dieser Macht zur privaten Selbstorganisation korrespondiert die Verantwortung für den Prozess. Daher hat der Schuldner die Zugriffsmöglichkeiten in eigener Verantwortung zu gewährleisten und im eigenen Interesse an einer zügigen und erfolgreichen Durchführung des Verfahrens dafür zu sorgen, dass er über die eröffneten Zugriffsmöglichkeiten geeignete Nachweise beibringen kann. Die Klärung von Streit- und Beweisfragen kann in Anbetracht dieser Rahmenbedingungen der Praxis überlassen bleiben (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 20/11309, S. 14).

2. Zugänglichmachung des Restrukturierungsplans in öffentlichen Restrukturierungssachen, § 85 Abs. 4 StaRUG n.F.

In öffentlichen Restrukturierungssachen konnte bislang auf die Übermittlung des vollständigen Restrukturierungsplans an Aktionäre, Kommanditaktionäre und Schuldverschreibungsinhaber verzichtet werden (§ 85 Abs. 2 StaRUG a.F.). Diese Regelung orientiert sich an insolvenzplanverfahrensrechtlichen Vorbildern, nach denen die Ladung von Aktionären und Kommanditaktionären zum Erörterungs- und Abstimmungstermin verzichtbar ist (§§ 235 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 3 sowie 241 Abs. 2 Satz 2 InsO). Damit soll Aufwand vermieden werden, der namentlich bei Publikumsgesellschaften anfallen würde, zumal insbesondere bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften besondere Schwierigkeiten bei der Identifizierung der Aktionäre bestehen (Begr. RegE ESUG, BT-Drs. 17/5712, S. 33). Hier soll die öffentliche Bekanntmachung des Termins die Ladung ersetzen; zusätzlich soll bei börsennotierten Gesellschaften in Entsprechung zu § 121 Abs. 4a AktG eine Veröffentlichung über geeignete Medien erfolgen, welche eine Verbreitung der Information in der gesamten EU erwarten lassen. Da nach § 45 Abs. 3 Satz 2 StaRUG a.F. die Übermittlung des vollständigen Restrukturierungsplans nebst Anlagen anlässlich der Ladung zum Erörterungs- und Abstimmungstermin erfolgt, bedeutete die Übernahme des insolvenzplanrechtlichen Vorbilds ins Restrukturierungsrecht, dass den Aktionären und den ihnen gleichgestellten Schuldverschreibungsinhabern der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen nicht zur Verfügung gestellt wird. Sie mussten sich in der Praxis daher damit behelfen, in der Geschäftsstelle des Restrukturierungsgerichts Einsicht in den Plan zu nehmen. Das aber bedeutet gerade für Publikumsanleger einen enormen und geradezu unverhältnismäßigen Aufwand insbesondere dann, wenn die Einsichtnahme mit einer langen Reise verbunden ist. Diese Unwucht ist nun behoben worden: Es bleibt zwar dabei, dass eine Ladung verzichtbar ist (§ 85 Abs. 4 Satz 1 StaRUG n.F.). Gleichwohl muss der Schuldner, wenn er von der Ladung absieht, den Plan und die Anlagen elektronisch zuleiten oder zumindest zugänglich machen (§ 85 Abs. 4 Satz 2 StaRUG n.F).

3. Disponibilität von Schriftformerfordernissen, §§ 20 Abs. 1 Satz 2 und 21 Abs. 2 Satz 1 StaRUG n.F.

Zwecks Erleichterung der Durchführung von Planabstimmungen im schuldnerautonom durchgeführten Verfahren werden die Schriftformerfordernisse, denen die Ladungen durch den Schuldner bislang unterworfen waren (§§ 20 Abs. 1 Satz 2 und 21 Abs. 2 Satz 1 StaRUG n.F.) disponibel gestellt. Ohnehin ist aber die Schriftform nach § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form ersetzbar.

IV. Neuerungen, die öffentlichen Restrukturierungssachen betreffend

1. Reichweite der öffentlichen Bekanntmachungen, § 84 Abs. 2 Satz 2 StaRUG n.F.

Bislang waren letztlich „sämtliche“ in öffentlichen Restrukturierungssachen ergehenden Entscheidungen öffentlich bekannt zu machen (§ 85 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG a.F.). Das war einerseits zu weitgehend, indem es den Eindruck erweckte, dass etwa auch verfahrensleitende Verfügungen erfasst waren, an denen kein spezifisches Informationsinteresse der Planbetroffenen besteht. Zugleich war die Fokussierung auf gerichtliche Maßnahmen zu eng, da namentlich die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache auch ohne eine gerichtliche Entscheidung ihr Ende finden kann, etwa aufgrund einer Rücknahme der zugrunde liegenden Anzeige oder durch Zeitablauf (vgl. § 31 Abs. 4 Nr. 1 und 4 StaRUG). Um in diesem Punkt für Klarstellung zu sorgen und um zugleich dem Bedenken entgegenzuwirken, dass wichtige Informationen in der Masse unwichtiger Informationen untergehen könnten, ist der Katalog der zu veröffentlichenden Entscheidungen und Vorgänge präzisiert worden (§ 85 Abs. 2 StaRUG n.F.). Das erforderte einerseits eine Erweiterung des Katalogs der veröffentlichungspflichtigen Sachverhalte. Andererseits ist die frühere Öffnung „sämtliche Entscheidungen“ betreffend (§ 85 Abs. 1 StaRUG a.F.) weggefallen; der Katalog ist nun abschließend.

Die Wahl der öffentlich bekannt zu gebenden Entscheidungen und Vorgänge orientiert sich dabei an den insolvenzverfahrensrechtlichen Vorbildern. In § 85 Abs. 2 StaRUG n.F. finden sich nun deren restrukturierungsrechtlichen Pendants wider. Es handelt sich um

Ort und Zeit gerichtlicher Termine,
die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten,
die Entscheidungen des Restrukturierungsgerichts betreffend die (ggf. kombinierten) Gruppen-Gerichtsstände (§ 37 Abs. 1 und 2 StaRUG),
die sich gegen alle Gläubiger richtende Stabilisierungsanordnung (§ 49 Abs. 1 StaRUG) nebst Folge- und Aufhebungsanordnungen (§ 59 Abs. 1, 2 und 4 StaRUG n.F.);
die Aufhebung der Planüberwachung (§ 72 Abs. 4 StaRUG), Festsetzungen zur Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten (§§ 81 Abs. 4 und 6, 82 Abs. 1 und 93 Abs. 4), wobei jedoch festgesetzte Stundensätze, Honorar- und Vergütungsbeträge und die Höhe der Auslagen nicht öffentlich bekannt gemacht werden (vgl. § 64 Abs. 2 InsO),
die Beendigung der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache (§ 31 Abs. 4 StaRUG).

2. Isolierte Feststellung der internationalen Zuständigkeit, § 84 Abs. 2 Satz 2 StaRUG

Aus Anlass der Änderungen zum Umfang der öffentlichen Bekanntmachungen hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer isolierten Feststellung der internationalen Zuständigkeit geschaffen. Damit eröffnet sich dem Schuldner die Möglichkeit, schon vor und unabhängig von der Inanspruchnahme eines Restrukturierungsinstruments nach § 29 Abs. 2 StaRUG eine die Bekanntmachungspflicht auslösende Entscheidung des Gerichts über das Bestehen der internationalen Zuständigkeit herbeizuführen. Eine solche Entscheidung fungiert internationalinsolvenzrechtlich als Eröffnungsentscheidung (vgl. Art. 2 Nr. 7 Buchst. i EuInsVO) und hat folglich die Anerkennung der Restrukturierungssache im europäischen Ausland zur Folge. Etwaiger Streit, der in Bezug auf die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bestehen mag, kann auf diese Weise im Rahmen einer sofortigen Beschwerde gegen die Feststellungsentscheidung (Art. 5 Abs. 2 EuInsVO, Art. 102c § 4 EGInsO) ausgefochten und so vom Streit über die Inanspruchnahme einzelner Instrumente losgelöst werden.

V. Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

Die vorstehend vorgestellten Regelungen sind am 17.07.2024 in Kraft getreten (Art. 44 Abs. 5 des Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz). Grundsätzlich gilt, dass für die vor dem 17.07.2024 eröffneten Verfahren das bis dahin geltende Recht anzuwenden ist (Art. 103n Abs. 1 EGInsO). Anderes gilt für die Änderungen des § 174 Abs. 4 InsO betreffend die elektronische Forderungsanmeldung. Diese sind auch in Verfahren anwendbar, die vor dem 17.07.2024 eröffnet waren; das rechtfertigt sich nicht zuletzt aus dem Gedanken, dass die Änderungen des § 174 InsO klarstellender Natur sind (vgl.o., II 1 a).

Anm. der Redaktion:

Der Verfasser ist Leiter des Referats für Insolvenz- und Restrukturierungsrecht im Bundesministerium der Justiz. Er gibt hier ausschließlich seine eigenen Anschauungen wieder.


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