juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BGH 8. Zivilsenat, Urteil vom 18.12.2024 - VIII ZR 16/23
Autor:Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, Weiterer aufsichtsführender RiAG a.D.
Erscheinungsdatum:16.01.2025
Quelle:juris Logo
Normen:Art 14 GG, § 557a BGB, § 556d BGB
Fundstelle:jurisPR-MietR 1/2025 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Börstinghaus, jurisPR-MietR 1/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2025 verfassungsgemäß und Zweite Berliner Mietpreisverordnung bestätigt



Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Die Verordnung des Landes Berlin vom 19.05.2020 zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn (Zweite Berliner Mietenbegrenzungsverordnung) ist rechtmäßig.
2. Sie beruht insbesondere auf einer verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage in § 556d Abs. 2 BGB in der seit dem 01.04.2020 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn vom 19.03.2020.



A.
Problemstellung
Die Regelungen über die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete („Mietpreisbremse“) gilt bekanntlich nicht bundesweit. Erforderlich ist die Aufnahme in eine entsprechende MietpreisbegrenzungsVO des Bundeslandes. Dazu muss das Land wirksam ermächtigt sein. Es kommt also zunächst auf die Wirksamkeit der Ermächtigungsgrundlage in § 556d Abs. 2 BGB an. Sie muss verfassungsgemäß sein. Anschließend muss die maßgebliche Landesverordnung rechtmäßig sein, was bekanntlich bei zahlreichen Verordnungen wegen Veröffentlichungs- oder Begründungsmängeln nicht der Fall war. Das BVerfG (Beschl. v. 18.07.2019 - 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18) hatte die Ermächtigungsgrundlage in ihrer ursprünglichen Fassung aus dem Jahr 2015 mit einer fünfjährigen Laufzeit für verfassungsgemäß gehalten. In der Folgezeit waren die Regelungen zweimal verändert worden. Insbesondere die Verlängerung der möglichen Laufzeit der Landesverordnungen von fünf auf zehn Jahre führte zu der Frage, ob dies Folgen für die Verfassungsmäßigkeit der Regelung hatte. In Berlin wurde darüber hinaus von interessierten Kreisen immer wieder die ordnungsgemäße Veröffentlichung der 1. Mietpreisbremseverordnung behauptet.
Der BGH hat dies in zahlreichen Entscheidungen bekanntlich anders gesehen. Nun musste er sich erstmals mit der 2. MietpreisbremseVO beschäftigen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Gegenstand des Verfahrens war ein im September 2015 geschlossener Staffelmietvertrag. Die Mieter rügten im November 2018 unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB). Seitdem zahlten sie die vertraglich vereinbarte Miete unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Klageweise verlangten sie die Rückerstattung der für die Monate November 2018 bis Januar 2019 vermeintlich unwirksamen Mieten sowie die Feststellung, dass die von ihnen geschuldete Nettomiete für die Wohnung im Zeitraum von Januar 2022 bis September 2022 einen bestimmten Betrag nicht übersteige.
Die Klage hatte vor dem Amtsgericht im Wesentlichen Erfolg gehabt. Das Landgericht hatte die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision mit der Begründung zugelassen, die von der Berufung infrage gestellte Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften der §§ 556d ff. BGB für die Zeit ab dem 01.06.2020 sei von grundsätzlicher Bedeutung.
Die Revision hatte keinen Erfolg.
Nach Ansicht des BGH galt die Begrenzung der Wiedervermietungsmiete in Berlin auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der nächsten Staffelerhöhung im Oktober 2021. Die zuvor durch das Gesetz zur Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn vom 19.03.2020 (BGBl I 2020, 540) ab 01.04.2020 erfolgte Verlängerung der Geltungsdauer der Mietpreisbremse sei verfassungsgemäß. Keine Bedenken hatte der BGH auch gegen die Wirksamkeit der 2. Berliner Verordnung.
I. Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der „Mietpreisbremse“
Wegen der allgemeinen Frage, ob die Beschränkung der Wiedervermietungsmiete generell verfassungsgemäß ist, nimmt der BGH Bezug auf die maßgebliche Entscheidung des BVerfG und seine eigene bisherige Rechtsprechung. Anschließend begründet er ausführlich, warum seiner Meinung nach auch die ab dem 01.04.2020 geltende (verlängerte) Fassung weiterhin verfassungsgemäß sei und der hierdurch bewirkte erneute Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum des Vermieters nach wie vor gerechtfertigt sei.
Eine Verfassungswidrigkeit der §§ 556d ff. BGB ergebe sich auch nicht aus der Möglichkeit, dass die Landesregierungen – statt wie bisher einmalig und befristet bis zum 31.12.2020 – nunmehr auch mehrfach für die Dauer von (jeweils) höchstens fünf Jahren Gemeinden in eine Landesverordnung aufnehmen können. Die Regelung sei weiterhin verhältnismäßig.
1. Regelungsziel
Mit den Regelungen der Mietpreisbremse verfolge der Gesetzgeber ein legitimes Regelungsziel. Es soll dem überdurchschnittlich starken Anstieg der Mieten bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen auf angespannten Wohnungsmärkten entgegengewirkt werden, der zu zunehmend größeren Schwierigkeiten von einkommensschwächeren Haushalten, aber auch von Durchschnittsverdienern, insbesondere Familien mit Kindern, bei der erfolgreichen Suche nach einer noch bezahlbaren Wohnung und in deren Folge zu einer Verdrängung erheblicher Teile der Wohnbevölkerung aus ihren angestammten, stark nachgefragten Wohnquartieren geführt hatte. Durch die Dämpfung des Preisanstiegs soll der Zugang der Bevölkerung zu bezahlbaren Mietwohnungen in ihrem bisherigen Wohnviertel gesichert und der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren in Folge großer Mietsteigerungen bei Abschluss eines neuen Mietvertrags entgegengewirkt werden. Dieser im öffentlichen Interesse liegende Zweck wird vom Gesetzgeber mit der Verlängerung weiterverfolgt.
2. Geeignetheit
Die Regelung ist zu Erreichung dieses Regelungsziel weiterhin geeignet. Ein Mittel ist bereits dann geeignet im verfassungsrechtlichen Sinne, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg erreicht werden kann, wobei die (abstrakte) Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Bei der Einschätzung der Frage der Geeignetheit verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Beurteilungs- und Prognosespielraum. Das vom Gesetzgeber eingesetzte Mittel darf nur darauf überprüft werden, ob es „objektiv untauglich oder ungeeignet“ bzw. „schlechthin ungeeignet“ war. An der Geeignetheit habe der Senat keine Zweifel. Grundlage der Entscheidung war die Studie zur „Untersuchung der Wirksamkeit der in 2015 eingeführten Regelungen zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten (Mietpreisbremse)“ vom 15.12.2018 des DIW. Diese Studie war unter Auswertung verschiedener empirischer Untersuchungen sowie eigener Analysen zu der Einschätzung gelangt, dass sich mit der Einführung der sog. Mietpreisbremse im Jahr 2015 die Dynamik der Mietentwicklung in den regulierten Märkten – hinsichtlich des Wirkungsgrads mit Unterschieden zwischen einzelnen Teilmärkten – verlangsamt hat und dies ursächlich auf die Einführung der Mietpreisbremse zurückzuführen ist.
3. Erforderlichkeit
Die gesetzliche Regulierung der Wiedervermietungshöhe sei zur Erreichung des angestrebten Ziels auch weiterhin erforderlich. Dies sei der Fall, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können. Ebenso wie bei der Frage der Geeignetheit stehe ihm auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit des Regelungsvorhabens ein (weiter) Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung könne grundsätzlich nur dann von Verfassungs wegen verneint werden, wenn sich eindeutig feststellen lasse, dass für die Erreichung des verfolgten Zwecks andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Gemessen daran habe der Gesetzgeber mit der Verlängerung der Vorschriften zur Begrenzung der Wiedervermietungshöhe die Grenzen der Erforderlichkeit nicht überschritten. Es sei kein anderes gleichwertiges, zweifelsfrei – auch kurzfristig – vergleichbar wirksames (milderes) gesetzgeberisches Mittel ersichtlich, mit dem die vom Gesetzgeber bis zum Wirksamwerden der oben bereits aufgeführten, regelmäßig erst mittel- bis langfristig wirkenden wohnungsmarktpolitischen Maßnahmen weiterhin angestrebte rasche Verlangsamung des Anstiegs der Wiedervermietungsmieten bei Bestandswohnungen erreicht werden könnte.
4. Angemessenheit
Die Verlängerung der gesetzlichen Miethöhenregulierung bis längstens zum 31.12.2025 stelle auch eine im Verhältnis zu dem angestrebten Zweck angemessene Maßnahme dar. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber hierbei die schutzwürdigen Interessen der Wohnungseigentümer und die Belange des Gemeinwohls nicht in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht hätte. Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen.
5. Zumutbarkeit
Die Regelung müsse die Grenze der Zumutbarkeit wahren und dürfe die betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer nicht übermäßig belasten. Auch bei Schaffung privatrechtlicher Vorschriften müsse der Gesetzgeber den betroffenen Interessen der Beteiligten so weit wie möglich Geltung verschaffen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedeute dies für die Ausgestaltung zwingender mietrechtlicher Vorschriften, dass der Gesetzgeber bei solchen Regelungen sowohl die Belange des Mieters als auch die des Vermieters in gleicher Weise berücksichtigen müsse. Diese müssen zwar nicht zu jeder Zeit und in jedem Zusammenhang dasselbe Gewicht haben. Die Grenzen dieses Gestaltungsspielraums habe der Gesetzgeber mit seiner Entscheidung, die Geltung der Vorschriften zur Miethöhenregulierung bei der Wiedervermietung zur Flankierung wohnungsmarktfördernder Maßnahmen für einen weiteren – überschaubaren – Zeitraum zu verlängern, nicht überschritten.
Wegen des in § 556d Abs. 1 BGB bei der Bestimmung der Mietobergrenze vorgesehenen zehnprozentigen Zuschlags bleiben auch in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt weiterhin (moderate) Steigerungen der Miete bei der Wiedervermietung möglich.
6. Unechte Rückwirkung
Nach Ansicht des Senats stellt die Verlängerung der Regelungen insbesondere bei Staffelmietvereinbarungen auch eine wirksame unechte Rückwirkung dar. Eine solche liege vor, soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden. Sie sei nicht grundsätzlich unzulässig. Denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zulasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Eine unechte Rückwirkung sei mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich sei und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibe.
Nach diesem Maßstab begegne die Verlängerung der Geltung der §§ 556d ff. BGB für bereits vereinbarte Staffelmieten auch im Hinblick auf die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Vertrauen der Vermieter auf die Beendigung einer gesetzlichen Miethöhenregulierung für künftig fällige Mietstaffeln sei kein Vorrang einzuräumen. Vermieter von Wohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt i.S.d. §§ 556d ff. BGB haben nicht davon ausgehen können, dass die mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21.04.2015 eingeführten Regelungen zur Begrenzung der Wiedervermietungshöhe mit dem Auslaufen der zeitlichen Geltungsdauer der Landesverordnung entfallen und damit künftig fällig werdende Mietstaffeln in bestehenden Mietverträgen (vgl. § 557a Abs. 4 BGB) einer Miethöhenregulierung nicht mehr unterliegen. Vermieter müssen auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und dürfen nicht ohne Weiteres auf das unveränderte Fortbestehen einer ihnen derzeit günstigen Rechtslage vertrauen.
II. Wirksamkeit der 2. Berliner Mietenbegrenzungsverordnung
Die auf der Grundlage von § 556d Abs. 2 BGB am 19.05.2020 erlassene Zweite Berliner Mietenbegrenzungsverordnung ist von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt und steht auch im Übrigen mit höherrangigem Recht in Einklang.
1. Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage
Der Senat von Berlin hat die am 19.05.2020 erlassene Zweite Mietenbegrenzungsverordnung in einer den Anforderungen des § 556d Abs. 2 Sätze 5 bis 7 BGB entsprechenden Art und Weise begründet; die darin gemachten Angaben gewährleisten die Nachvollziehbarkeit und Transparenz der in der Verordnung durch den Senat von Berlin getroffenen Gebietsbestimmung. In der Begründung seien im Abschnitt 4 – jeweils den einzelnen in § 556d Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 4 BGB genannten Indikatoren zugeordnet sowie um das Kriterium der Entwicklung der Differenzen zwischen Angebotsmieten und ortsüblichen Vergleichsmieten ergänzt – die tatsächlichen Grundlagen angegeben, die der Senat von Berlin für seine Entscheidung über die (erneute) Ausweisung des gesamten Stadtgebiets als Gemeinde mit angespanntem Wohnungsmarkt i.S. der §§ 556d ff. BGB herangezogen hat (vgl. § 556d Abs. 2 Satz 6 BGB). Dabei werden jeweils aktuelle Daten aus Erhebungen verschiedener öffentlicher und privater Stellen für das Land Berlin und für die Bundesrepublik Deutschland bis einschließlich 2019 aufgeführt und vergleichend gegenübergestellt sowie die auf dieser Datengrundlage getroffene Schlussfolgerung des Senats von Berlin dargestellt.
Die Verordnungsbegründung wurde am 29.05.2020 und damit vor dem Inkrafttreten der Verordnung zum 01.06.2020 im Amtsblatt für Berlin (ABl. für Berlin 2020, Nr. 23, S. 2885 ff.) öffentlich bekanntgemacht. Damit ist der Senat von Berlin seiner Pflicht, die Verordnungsbegründung der Öffentlichkeit rechtzeitig in zumutbarer Weise an einer allgemein zugänglichen Stelle bekannt zu machen, hinreichend nachgekommen.
Der Senat von Berlin habe sich bei Erlass der Zweiten Mietenbegrenzungsverordnung innerhalb des ihm bei der Feststellung eines angespannten Wohnungsmarkts zustehenden Beurteilungsspielraums gehalten. Er habe sich an den in § 556d Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 4 BGB aufgeführten vier Kriterien orientiert.
2. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Der Senat von Berlin habe mit dem Erlass der Zweiten Berliner Mietenbegrenzungsverordnung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Insbesondere habe er eine Erstreckung der Verordnung auf das gesamte Berliner Stadtgebiet und ihre Befristung auf die nach § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB höchstmögliche Dauer von fünf Jahren als erforderlich ansehen dürfen. Auch insoweit stehe dem Verordnungsgeber ein vom Gesetzgeber delegierter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zu, der erst überschritten sei, wenn nach den dem Verordnungsgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf bisher gemachte Erfahrungen eindeutig feststellbar sei, dass die alternativ in Betracht kommende Maßnahme mit geringerer Eingriffswirkung die angestrebten Ziele sachlich gleichwertig erreiche. Hiervon ist nach Ansicht des BGH nicht auszugehen.


C.
Kontext der Entscheidung
Bereits aus dem Umfang der Entscheidung (50 Urteilsseiten mit 117 Randnummern) ist ersichtlich, dass der BGH die Angelegenheit ggf. auch im Hinblick auf eine mögliche Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung äußerst sorgfältig und umfassend angegangen ist. Das gilt insbesondere für die Frage, ob durch die Möglichkeit zur Verlängerung der Laufzeit von Mietpreisbegrenzungsverordnungen eine maßgebliche Säule der BVerfG-Entscheidung von 2019 (BVerfG, Beschl. v. 18.07.2019 - 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18) zur Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse entfallen ist. Das hat der BGH hiermit verneint. Da bekanntlich fast alle Entscheidungen des BGH zur Mietpreisbremse Mietverträge aus Berlin betreffen, dürfte die Entscheidung wahrscheinlich auch für die zu erwartenden weiteren Verfahren von dort als „Blaupause“ dienen, auf die – zur Vermeidung von Wiederholungen – verwiesen werden kann.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Rechtspolitisch stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Begründung auf die mögliche weitere Verlängerung der Mietpreisbremse haben wird. Der erste Vorschlag des BMJ war noch auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben eingegangen und hatte eine Verlängerung nur bis Ende 2028 vorgesehen. Außerdem sollte eine weitere Begründungspflicht eingeführt werden. Daraus sollte sich ergeben, welche Abhilfemaßnahmen gegen einen angespannten Wohnungsmarkt ergriffen wurden und weshalb auch unter Berücksichtigung dieser Maßnahmen die erneute Aufnahme der Gemeinde in eine Verordnung erforderlich ist.
Nach dem Bruch der Ampelkoalition wurde vom neuen Interimsjustizminister ein Gesetzentwurf vorgelegt, der die Regelungen bis Ende 2029 verlängerte und erstmals auch Neubauten, die zwischen 01.10.2014 und 01.10.2019 erstmals vermietet wurden, erfasst. Die Teile der Begründung zur zunächst vorgesehenen Verlängerung, die sich mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben befassten, wurden einfach gelöscht. Die wohnungswirtschaftlichen Verbände sprechen bereits von einem „Verfassungsbruch mit Ansage“. Ob der Gesetzentwurf im Bundestag nach dem Ampel-Aus eine Mehrheit finden wird, scheint fraglich. Die Begründung des BGH vorliegend gibt beiden Seiten genügend Argumente.



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!