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Anmerkung zu:AG Frankfurt, Urteil vom 03.07.2024 - 33 C 377/23
Autor:Frank-Georg Pfeifer, RA
Erscheinungsdatum:13.02.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 812 BGB, Anlage 3 TrinkwV 2001, § 536 BGB, § 278 BGB, § 2 TrinkwV 2001, § 45 TrinkwV 2001, § 51 TrinkwV 2001, § 556 BGB
Fundstelle:jurisPR-MietR 3/2025 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Pfeifer, jurisPR-MietR 3/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Mietminderung wegen Legionellenbefalls erst ab einer Konzentration über 1.500 KBE/100 ml (koloniebildenden Einheiten je 100 Milliliter).



Leitsätze

1. Ein Mangel der Mietsache liegt vor, wenn der Wert der Legionellenbelastung über dem technischen Maßnahmewert von 100 KBE/100 ml liegt, denn dann entspricht das Trinkwasser nicht mehr den Anforderungen der TrinkwasserVO. In diesem Fall hat der Mieter gegen den Vermieter einen Anspruch auf Mangelbeseitigung. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung ist hierfür nicht erforderlich.
2. Dieser Mangel mindert die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht erheblich.



A.
Problemstellung
Das AG Frankfurt hat sich mit der Frage befasst, ab welchem Wert der Legionellenbelastung des Trinkwassers eine Mietminderung vorliegen kann.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten um die Erstattung unter Vorbehalt einer Rückforderung gezahlter Mieten. Denn der Mieter einer im ersten Obergeschoss belegenen Wohnung machte wegen einer Legionellenbelastung des Trinkwassers aus der Hausinstallation ein Mietminderungsrecht von 15% für den Zeitraum von Februar 2021 bis November 2022 geltend.
Zwischen dem 09.11.2020 und dem 20.07. 2023 (Rn. 8 bis Rn. 11) fanden Trinkwasserbeprobungen im Hause statt. Die Hausverwaltung informierte die Hausbewohner unter anderem am 25.11.2020, ohne Angabe eines konkreten Zahlenwertes, dass am 09.11.2020 eine „mittlere Kontamination“ mit Legionellen festgestellt worden sei.
Am 30.11.2020 wurde per E-Mail die Mitteilung über den höchsten ermittelten Legionellenwert nachgereicht (Rn. 3 der amtsgerichtlichen Entscheidung). Dieser habe bei 800 KBE/100 ml gelegen (= koloniebildende Einheiten je 100 ml; zum Begriff vgl. BR-Drs. 68/23, S. 200). Am 25.11.2020 erfolgte die Mitteilung über eine „mittlere Kontamination“, jedoch ohne Angabe eines konkreten Zahlenwertes. Erst am 30.11.2020 wurde mitgeteilt, „der höchste Wert habe bei 800 KBE/100 ml gelegen“ (Rn. 3). Beispielsweise hieß es seitens der Hausverwaltung unter dem 09.07.2021, die untersuchten Proben hielten den technischen Maßnahmenwert der TrinkwasserV ein. Am 15.11.2021 lautete die Information, der technische Maßnahmenwert „sei überschritten“; am 24.11.2021 wurden dann konkrete Zahlen genannt: Es „seien Legionellen im Bereich von einmal 200 KBE/100 ml und einmal von 600 KBE/100 ml nachgewiesen worden“ (Rn. 7).
In einer im 2. Obergeschoss belegenen Wohnung wurde am 20.07.2023 eine Legionellenbelastung von 1.500 KBE/100 ml ermittelt (Rn. 17). Ob in der klägerischen Wohnung eine Probennahme erfolgte, ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht.
Am 02.08.2023 teilte die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung mit, „dass im Juli 2023 eine Beprobung stattgefunden habe, derzufolge keine Legionellenbelastung mehr vorliege“ (Rn. 11). Dann wiederum wird in einem Schreiben der Hausverwaltung vom 19.03.2024 nur ein „minimaler Legionellenbefund“ erwähnt (Rn. 16).
Der Kläger berühmte sich wegen der Legionellenbelastung im Wesentlichen eines Minderungsrechtes gemäß § 536 BGB i.H.v. 15% für den Zeitraum „Februar 2021 bis November 2022“ (Rn. 9). Seit dem 25.01.2021 zahlte er die Miete unter dem Vorbehalt der teilweisen Rückforderung.
Mit seiner Klage verlangte er (Rn. 20 bis 22) zuletzt 7.407 Euro nebst Zinsen. Er verlangte weiter Auskünfte über die Ergebnisse der erfolgten Untersuchungen sowie über die ergriffenen Abhilfemaßnahmen.
Das AG Frankfurt hat dem Auskunftsbegehren stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Denn der Kläger habe aus dem Mietverhältnis selbst einen Anspruch auf Auskunft über das Ergebnis von Legionellenuntersuchungen sowie auf Auskunft, welche Maßnahmen bei Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes ergriffen werden (Rn. 33, vgl. etwa AG Hersbruck, Urt. v. 04.02.2016 - 11 C 146/15 Rn. 37).
Ansonsten sei die Klage nicht begründet, da dem Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete gemäß § 812 BGB zustehe. Denn die Miete sei im Zeitraum von Februar 2021 bis November 2023 nicht gemäß § 536 BGB wegen einer Belastung des Trinkwassers mit Legionellen gemindert gewesen.
Dazu skizzierte das AG Frankfurt drei typische Entscheidungen, die sich mit dem Minderungsrecht wegen Legionellenbefalls auseinandergesetzt haben.
Dazu vorab ein Hinweis: Soweit zitierte Fälle noch nach der bis zum 23.06.2023 geltenden Fassung der TrinkwasserV zu entscheiden waren, ist zu berücksichtigen, dass nach der novellierten Fassung der TrinkwasserV seit dem 24.06.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 159, S. 1, 65) bei Legionellenbefall Abhilfemaßnahmen usw. jetzt nicht mehr erst bei Überschreitung, sondern gemäß § 51 Abs. 1 TrinkwasserV bereits bei Erreichen (!) des in Anlage 3 Teil 2 der TrinkwasserV geregelten technischen Maßnahmenwertes von 100 KBE/100 ml erfolgen müssen (BR-Drs. 68/23, S. 168).
So habe das AG Berlin-Mitte (Urt. v. 30.06.2021 - 123 C 165/20 - ZMR 2021, 897) entschieden, es komme nicht darauf an, ob eine Legionellenkontamination in gesundheitsgefährdender Höhe vorgelegen habe. Ein Mietobjekt sei auch dann mangelhaft, wenn es nur in der Befürchtung der Gefahrverwirklichung genutzt werden könne.
Nach Ansicht des AG Köln sei bereits bei der Überschreitung des Maßnahmenwertes von 100 KBE/100 ml davon auszugehen, dass die Warmwasserversorgung hygienisch nicht mehr einwandfrei sei (AG Köln, Urt. v. 15.05.2019 - 201 C 177/17 - ZMR 2020, 515).
Das AG München sehe erst bei einer Überschreitung der Legionellenkonzentration von 10.000 KBE/100 ml eine Gesundheitsgefahr und damit einen Mietmangel (AG München, Urt. v. 25.06.2014 - 452 C 2212/14 - ZMR 2015, 139).
Im Gegensatz zu den vorstehend referierten Urteilen, so das AG Frankfurt, liege zwar ein Mangel der Mietsache vor, wenn der Wert der Legionellenbelastung über dem technischen Maßnahmenwert von 100 KBE/100 ml liege (Rn. 42).
Eine Mietminderung nach § 536 Abs. 1 BGB setze jedoch weiterhin voraus, dass die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben oder gemindert sei. Vorliegenden habe das Gesundheitsamt keine Sofortmaßnahmen wie z.B. eine Desinfektion der Leitungen oder gar ein Duschverbot angeordnet. Und für eine Nachuntersuchung habe das Gesundheitsamt unter dem 26.11.2021 (Rn. 8) eine Frist von 11 Monaten eingeräumt. Daher haben die Mieter davon ausgehen können, dass keine konkrete und unmittelbare Gesundheitsgefahr bestanden habe. Infolge der Möglichkeit, das Leitungswasser einschränkungslos zu nutzen, sei der „Gebrauch der Mietsache nicht beeinträchtigt“ gewesen.
Daher sei eine Mietminderung bei einem Legionellenwert bis zu 1.500 KBE/100 ml nicht gegeben.


C.
Kontext der Entscheidung
1. Informationen und Abhilfen seitens des Vermieters
Die als Erfüllungsgehilfe fungierende Hausverwaltung, deren Verschulden gemäß § 278 BGB der Beklagten zuzurechnen ist, informierte die Hausbewohner teilweise verzögert bzw. unzulänglich (vgl. auch oben zu B.).
a) Hinsichtlich der von der Hausverwaltung am 30.11.2020 (Rn. 5) zunächst abgelehnten, später dann doch ausgeführte Gefährdungsanalyse (jetzt Risikoabschätzung: vgl. BR-Drs. 68/23, S. 100) lagen deren Ergebnisse erst am 23.02.2021 vor. Die Unterrichtung erfolgte noch später, nämlich nach vier Monaten, am 13.04.2021 (Rn. 6). Damit ist im hier behandelten Fall ein unverzügliches Handeln i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 3 TrinkwasserV (Erstellen einer Risikoabschätzung) zu verneinen. Und zwar selbst dann, wenn man mit dem OLG Koblenz (Urt. v. 15.12.2006 - 10 U 1678/05 - VersR 2007, 1694) noch einen Zeitraum von 33 Tagen als unverzüglich ansähe.
b) Die Zögerlichkeit der Hausverwaltung verstieß nicht nur gegen das vorerwähnte Unverzüglichkeitsgebot des § 51 TrinkwasserV, sondern verletzte auch die vermieterseitige Pflicht, bei Legionellenbefall die Mieter über eine ggf. vorhandenen Gesundheitsgefährdung zu informieren (vgl. AG Hersbruck, Urt. v. 04.02.2016 - 11 C 146/15 Rn. 37).
c) Unzutreffend ist freilich die Ansicht des AG Frankfurt (Rn. 33), ein Informationsanspruch betreffend der Legionellenbelastung ergebe sich aus § 45 TrinkwasserV. Denn § 45 TrinkwasserV betrifft nur zentrale, dezentrale oder mobile Wasserversorgungsanlagen nach § 2 Nr. 2 Buchst. a, b und d TrinkwasserV, nämlich Wasserwerke (vgl. BR-Drs. 68/23, S. 102). Die Gebäudewasserversorgungsanlagen, die unter § 2 Nr. 2 Buchst. e TrinkwasserV fallen, sind aber in § 45 TrinkwasserV nicht genannt. Ergänzungshalber sei angemerkt, dass die vorerwähnten Gebäudewasserversorgungsanlagen aus Gründen textlicher Vereinfachung in § 51 TrinkwasserV ausdrücklich als Trinkwasserinstallationen benannt werden (dazu: BR-Drs. 68/23, S. 168).
2. Die Höhe des zuerkannten Minderungssatzes
Ergänzend zu der vom AG Frankfurt (Rn. 38 bis 40) referierten Rechtsprechung sind unter anderem noch folgende Entscheidungen zu betrachten:
- Das AG Langen (Urt. v. 27.03.2024 - 55 C 72/23 - Grundeigentum 2024, 505) sieht eine Gesundheitsgefährdung erst bei einem Legionellenwert über 1.000 KBE pro 100 ml.
- Nach Ansicht das AG Dresden rechtfertige eine Legionellenkonzentration zwischen 100 KBE/100 ml, aber deutlich unter 3.000 KBE/100 ml keine Mietminderung (AG Dresden, Urt. v. 16.02.2023 - 143 C 2593/22 - ZMR 2023, 375).
- Andererseits, so das AG Berlin-Wedding mit Urteil vom 17.03.2022 (13 C 335/21), begründe schon die Besorgnis abstrakter Gesundheitsgefahr eine Mietminderung von 10%; bei tatsächlicher Gesundheitsgefährdung kämen bis zu 25% in Betracht.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die von der Rechtsprechung sehr unterschiedlich festgelegten Schwellenwerte zur Auslösung eines Minderungsrechts reichen von 100 KBE/100 ml bis 10.000 KBE/100 ml. Insoweit verliert zum Nachteil für Mieter wie Vermieter das Recht seine Kalkulierbarkeit. Neben einer höchstrichterlichen Entscheidung kämen de lege ferenda die vielzitierten „drei berichtigenden Worte des Gesetzgebers“ in Betracht (ähnlich AG Hamburg, Urt. v. 08.02.1995 - 45 C 1787/94 - WuM 1996, 562).


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Die Beprobungskosten für die turnusmäßigen Untersuchungen sind Kosten zentraler Warmwasserversorgungsanlagen und können im Regelfall bei entsprechend wirksamer Betriebskostenabrede gemäß § 556 Abs. 1 BGB als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden. Die Kostenpflicht trifft auch alle (!) Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, und zwar nicht nur die vermietenden Wohnungseigentümer (Langenberg/Zehelein, Betriebskostenrecht, 11. Aufl. 2025, Anm. K 141; VGH München, Beschl. v. 29.09.2014 - 20 CS 14.1663 - NZM 2015, 171; LG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.2015 - 5 S 17/15 m. Anm. Jahreis, jurisPR-MietR 7/2016 Anm. 6).



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