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Anmerkung zu:OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 11.07.2024 - 34 Wx 155/24 e
Autor:Wolfgang Dötsch, RiOLG
Erscheinungsdatum:29.08.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 23 WoEigG, § 876 BGB, § 877 BGB, § 18 GBO, § 925 BGB, § 19 GBO, § 20 GBO, § 26 WoEigG, § 29 GBO, § 925a BGB, § 9b WoEigG, § 27 WoEigG, § 24 WoEigG
Fundstelle:jurisPR-MietR 17/2024 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Dötsch, jurisPR-MietR 17/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Eigentumserwerb durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei Vertretung durch Verwalter



Leitsätze

1. § 9b Abs. 1 WEG beinhaltet eine umfassende organschaftliche Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
2. Bei Erwerb von Grundeigentum durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vertreten durch den Verwalter, ist für die Eintragung der Auflassung im Grundbuch kein Nachweis einer durch Mehrheitsbeschluss erfolgten Verwalterermächtigung erforderlich (Abgrenzung zu OLG München, Beschl. v. 16.11.2016 - 34 Wx 305/16 - ZWE 2017, 93).



A.
Problemstellung
Dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer grundbuchfähig ist und – übrigens auch bei sich selbst im eigenen WEG-Objekt als sog. „Erwerb eigener Anteile“ (dazu Müller in: BeckOK WEG, Ed. 57, § 9a Rn. 41 ff. m.w.N.) – Wohn- und Teileigentumseinheiten erwerben kann, ist an und für sich nicht neu. Im alten Recht hatte der Verwalter aber keine umfassende Vertretungsmacht und musste nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG a.F. per Beschluss einzelermächtigt werden. Das war grundbuchrechtlich im Eintragungsverfahren dann nach den §§ 20, 29 GBO sauber nachzuweisen, wobei man allerdings die §§ 26 Abs. 3, 24 Abs. 6 WEG a.F. nach h.M. analog (auch) für den Nachweis der Ermächtigung zuließ und eine etwaige Anfechtbarkeit der Ermächtigung richtigerweise wegen § 23 Abs. 4 WEG irrelvant blieb (OLG München, Beschl. v. 16.11.2016 - 34 Wx 305/16 - ZWE 2017, 93). Eigentumserwerb durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist und bleibt auch heute ein praktisch wichtiges Thema: Grenzabstandsfragen, Stellplatzauflagen und auch etwa Fragen des Aufstellortes für neue zentrale Heizungsanlagen unter dem Regime des GEG (dazu demnächst Dötsch, MietRB 2024, Heft 8) lassen sich oft deutlich praktikabler durch einen Eigentumserwerb der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einer Lösung zuführen, ohne dass man alle Eigentümer zum Notar bitten muss und ggf. noch Zustimmungen Dritter nach den §§ 876, 877 BGB einzuholen hat. Das Gute ist: Seit dem 01.12.2020 ist alles noch einfacher geworden – wie der Fall hier zeigt; das lohnt die Befassung damit!


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Zwei Miteigentümer verkauften ihren Grundbesitz an eine benachbarte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, für die bei der Beurkundung die Verwaltung auftrat. Dem Eintragungsantrag war neben der notariellen Auflassungsbewilligung ein Protokoll der Eigentümerversammlung mit notariell beglaubigten Unterschriften des organschaftlichen Vertreters der Hausverwaltung, der Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats und einer weiteren Miteigentümerin beigelegt worden, wonach die Hausverwaltung für den fraglichen Zeitraum bestellt war. Ferner beigefügt war ein Protokoll, wonach der Erwerb des Grundstücks und der Zuschlag der Fläche zum Gemeinschaftseigentum mehrheitlich beschlossen worden war. Die Verwaltung wurde beauftragt und – soweit dies rechtlich möglich sei – auch bevollmächtigt, den Kaufvertrag im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abzuschließen. Dieses Protokoll war ebenfalls – jeweils unbeglaubigt – vom organschaftlichen Vertreter der Hausverwaltung, der Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats und einer weiteren Miteigentümerin unterzeichnet. Mit Zwischenverfügung beanstandete das Grundbuchamt nunmehr das Fehlen der Unterschriftsbeglaubigungen auch auf diesem WEG-Beschluss. Zu Recht?
Nein! Voraussetzung für den Erlass einer Zwischenverfügung ist nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO, dass der begehrten Eintragung ein Hindernis entgegensteht. Dies ist nicht der Fall, weil es der geforderten Unterschriftsbeglaubigungen nicht bedarf.
Im Fall der Übertragung eines Grundstücks durch Auflassung (§ 20 GBO, § 925 BGB) erfordert das materielle Konsensprinzip des § 20 GBO, dass – zusätzlich zu der Bewilligung des verlierenden Teils (§ 19 GBO, formelles Konsensprinzip) – eine materiell-rechtliche Einigung, die den Verfahrensvorschriften der §§ 20, 29 GBO genügt, nachgewiesen wird. Wird ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten vertreten, sind die gesetzliche Vertretungsmacht bzw. die Wirksamkeit und der Umfang einer Vollmacht vom Grundbuchamt selbstständig zu prüfen. Die Vertretungsberechtigung der Hausverwaltung ergibt sich aber aus § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG i.V.m. dem Protokoll der Eigentümerversammlung. Seit Inkrafttreten des WEMoG zum 01.12.2020 regelt § 9b Abs. 1 WEG eine inhaltlich umfassende Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als organschaftliche Vertretungsmacht. Der Verwalter vertritt kraft Gesetzes – grundsätzlich unbeschränkt und gemäß § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG unbeschränkbar – die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Ausgenommen ist nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG lediglich der Abschluss von Grundstückskauf- oder Darlehensverträgen. Vertretungsmacht hat der Verwalter in diesen Fällen nur, wenn er durch Beschluss ermächtigt ist. Dies beschränkt sich allerdings nach dem klaren Wortlaut und der eindeutigen Begründung dieser Vorschrift allein auf das schuldrechtliche Rechtsgeschäft. Nicht betroffen von der Ausnahme ist das dingliche Geschäft, also insbesondere die Erklärung der Auflassung beim Grundstückskaufvertrag (BT-Drs. 19/22634, S. 43). Dementsprechend war die Hausverwaltung im Außenverhältnis zur Erklärung der Auflassung für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt, ohne dass es darauf ankommt, ob im Innenverhältnis diesbezüglich ein wirksamer Beschluss vorliegt. Die Bestellung zum Verwalter wurde durch das andere Protokoll nachgewiesen und diese Niederschrift entspricht den Anforderungen des § 26 Abs. 4 WEG, eine öffentlich beglaubigte Urkunde i.S.d. § 29 GBO liegt damit vor.
Soweit die Hausverwaltung gemäß der in § 9b Abs. 1 WEG geregelten Ausnahme zum Abschluss des Kaufvertrages eines wirksamen Beschlusses bedurfte, ist das Grundbuchamt zu einer Prüfung dieses Beschlusses bzw. des wirksamen Abschlusses des Kaufvertrages nicht befugt. Das Grundbuchamt hat nur zu prüfen, ob die Auflassung ordnungsgemäß erklärt wurde. Ob das schuldrechtliche Kausalgeschäft unter Beachtung von § 925a BGB vorgelegen hat, unterliegt nicht seiner Prüfungskompetenz. Angesichts der nunmehr in § 9b Abs. 1 WEG geregelten umfassenden Organvertretungsmacht des Verwalters hält der Senat nicht daran fest, dass im Grundbuchverfahren der Nachweis der durch Mehrheitsbeschluss erfolgten Verwalterermächtigung geführt werden muss; die oben zitierte Entscheidung des Senats hatte ihre Grundlage allein in der vor dem Inkrafttreten des WEMoG eingeschränkten organschaftlichen Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 WEG in der damals gültigen Fassung. Auflassungserklärungen waren davon nicht umfasst und bedurften gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG a.F. eines Ermächtigungsbeschlusses. Zwar wird vereinzelt in der Literatur weiterhin ein solcher Nachweis gefordert (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 9b Rn. 9; Erman/Grziwotz, BGB, 17. Aufl. 2023, § 9b WEG Rn. 2). Mit der zum 01.12.2020 neu geregelten umfassenden organschaftlichen Vertretungsmacht des Verwalters ist dem aber die Grundlage entzogen; im Grundbuchverfahren ist damit der Nachweis der Vertretungsmacht anlässlich der Auflassung an den Verband entbehrlich. Ob und in welcher Form ein Nachweis im Beurkundungsverfahren zu erbringen ist (hierzu Bremkamp/Echternach, DNotZ 2021, 162, 166 f.), bedarf keiner Erörterung.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung ist richtig und setzt das neue Recht mit der starken organschaftlichen Stellung des Verwalters nur folgerichtig um (vgl. auch Greiner in: BeckOGK WEG, Stand: 01.06.2024, § 9b Rn. 14 m.w.N.). Das vereinfacht die Nachweisführung nochmals deutlich; der Gesetzgeber hat genau dies auch bezweckt.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Der i.S.d. § 24 Abs. 6 WEG formgerechte Nachweis (nur) des Bestellungsbeschlusses ist eigentlich ohnehin unzureichend, denn es bleibt bei dem Problem, dass die Vorlage des Protokolls der Versammlung, bei der der Verwalter bestellt wurde, überholt sein kann, weil der Verwalter zwischenzeitlich durch einen weiteren Beschluss wieder abberufen worden ist. Der Gesetzgeber hat sich leider auch gegen die Einführung eines öffentlichen Registers entschieden und auch das Grundbuch wurde als der „falsche Ort“ bezeichnet, dem die Eintragung der bestellen Verwalter zu entnehmen wäre (Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) von August 2019, ZWE 2019, 429, 442). Ohne Anhaltspunkte wird man aber eine potenzielle Abberufung nicht zu prüfen haben; eine negative Tatsache kann man schwerlich urkundlich ausräumen.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Ein Nachweis der Eigenschaften der die Niederschrift unterzeichnenden Personen – deren Unterschriften beglaubigt werden – ist gegenüber dem Grundbuchamt jedenfalls so lange nicht erforderlich, bis es „begründete Zweifel“ gibt (dazu OLG Köln, Beschl. v. 15.08.2012 - I-2 Wx 195/12, I-2 Wx 212/12 - FGPrax 2013, 16; vgl. dazu und zur Frage der Erforderlichkeit eines Funktionsvermerks bzw. der Klarstellung der Funktion auch OLG München, Beschl. v. 30.05.2016 - 34 Wx 17/16 - ZWE 2016, 331 = NZI 2016, 746 m. Anm. Schneider). Das ist auch etwa Thema, wenn es um die Eigenschaft als werdender Wohnungseigentümer geht; das Grundbuchamt hat zur Vermeidung unerfüllbarer Nachweisanforderungen auch hier nur begründeten Zweifeln nachzugehen (KG, Beschl. v. 11.09.2018 - 1 W 233/18 - FGPrax 2018, 249; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.08.2020 - I-3 Wx 109/20 - FGPrax 2021, 8). Die Unterschrift eines Bruchteilseigentümers einer WEG-Einheit sollte als Eigentümerunterschrift genügen (so auch Gutachten DNotI-Report 2018, 113).
Ein Grundbuchamt kann die Unterschrift des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats nicht schon allein deshalb verlangen, weil die Eigentümer die Einrichtung eines Verwaltungsbeirats vereinbart haben; dies ist vielmehr erst möglich, wenn Anhaltspunkte für die Annahme der tatsächlichen Bestellung eines Beirats bestehen (LG Oldenburg, Beschl. v. 07.07.1983 - 5 T 65/83 - Rpfleger 1983, 436). Ist dem Grundbuchamt aber bekannt, dass ein Verwaltungsbeirat existiert und in der Sitzung anwesend war, muss es auf der entsprechenden Unterschrift bestehen (KG, Beschl. v. 20.01.2015 - 1 W 580/14 - ZWE 2015, 173 auch zur Frage der Unterschrift in „Doppelrolle“). Etwas anderes wird gelten, wenn in einer Versammlung erstmals ein Beirat gewählt worden ist, der sich noch keinen Vorsitzenden gegeben hat, wenn einer der Beiräte diesen Umstand bestätigt (KG, Beschl. v. 27.02.2018 - 1 W 38/18 - MDR 2018, 587; vgl. aber auch erneut OLG München, Beschl. v. 30.05.2016 - 34 Wx 17/16 - ZWE 2016, 331 = NZI 2016, 746 m. Anm. Schneider).



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