Wahrung der Fristen des § 45 Satz 1 WEG im elektronischen RechtsverkehrLeitsätze 1. Das Fehlen der nach § 130a Abs. 3 ZPO erforderlichen einfachen Signatur einer auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereichten Klageschrift kann nur dann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der einfachen Signatur vergleichbare zweifelsfreie Gewähr dafür ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Klageschrift übernommen und diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat. 2. Eine unwirksame Prozesshandlung wird erst von ihrer Heilung an wirksam; eine nach Fristablauf erfolgte Behebung des Mangels ist nicht mehr fristwahrend. Das gilt auch für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 45 Satz 1 WEG. - A.
Problemstellung Der elektronische Rechtsverkehr bewegt derzeit viele Rechtsanwälte. Neben Störungen, wie sie im Bereich der Anwaltssoftware oder auch des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA), aber auch der Landesjustizverwaltungen auftreten, könnte eine Ursache für Fristversäumnisse die fehlende genaue Kenntnis der gesetzlichen Regelungen sein. Deren Einzelheiten noch einmal vorzustellen, kann nicht Gegenstand einer Entscheidungsbesprechung sein, zumal eine Recherche eine Vielzahl von Entscheidungen der obersten Bundesgerichte zu Einzelfragen ergibt. Vielleicht lohnt angesichts der in § 130d ZPO angeordneten Nutzungspflicht für Rechtsanwälte ein Blick in eine aktuelle Kommentierung der gesetzlichen Regelungen. Hier geht es um die Auswirkung der Regelungen des elektronischen Rechtsverkehrs auf die Wahrung der durch § 45 Satz 1 WEG geregelten Frist zur Einlegung und Begründung der Anfechtungsklage gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 WEG, die der BGH mit der vorliegenden Entscheidung klärt.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Ein Wohnungseigentümer will Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 14.12.2021 anfechten, die die Bereinigung der von der Teilungserklärung abweichenden tatsächlichen Errichtung zum Gegenstand haben. Sein Rechtsanwalt übermittelte die Klage am 14.01.2022 dem Amtsgericht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) als elektronisches Dokument. Auf dem Briefbogen der Klageschrift ist nur Rechtsanwalt X. genannt mit dem Zusatz „X Rechtsanwälte“. Die Klageschrift ist nicht qualifiziert signiert und schließt mit dem Wort „Rechtsanwalt“ ab. Die Klage ist in allen Instanzen ohne Erfolg geblieben. Die Klage sei nicht begründet. Anfechtungsgründe seien nicht zu prüfen, weil die Klagefrist des § 45 Satz 1 WEG von einem Monat nicht formwirksam gewahrt sei und der Formmangel nicht fristwahrend geheilt worden sei. Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor (dazu unter E.). Die Versäumung der Anfechtungsfrist, die eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist sei, führe – vorbehaltlich des Durchgreifens vorgetragener Nichtigkeitsgründe – zur Abweisung der Klage als unbegründet (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2023 - V ZR 28/22 Rn. 7 - WuM 2023, 705; st. Rspr.). Gewahrt werde die Frist durch die fristgerechte wirksame Klageerhebung. Was für eine wirksame Klageerhebung erforderlich sei, bestimme sich grundsätzlich nach dem Verfahrensrecht. Bei Einreichung durch einen Rechtsanwalt geschehe dies gemäß § 130d Satz 1 ZPO durch Übermittlung der Klageschrift als elektronisches Dokument. Ein Formverstoß führe zur Unwirksamkeit der Prozesserklärung (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2023 - V ZR 134/22 Rn. 6 - ZIP 2023, 1594). Hier habe der Kläger binnen der Monatsfrist keine den Formerfordernissen des § 130a Abs. 3 und 4 ZPO entsprechende Klageschrift bei Gericht eingereicht. Die Klageschrift könne eingereicht werden einmal in Form eines elektronischen Dokumentes mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen (§ 130a Abs. 3 Satz 1 Fall 1 ZPO) oder von der verantwortenden Person einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg (§ 130a Abs. 3 Satz 1 Fall 2 ZPO). Ein sicherer Übermittlungsweg sei insbesondere das beA (vgl. § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument werde nur dann formgerecht auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem beA eingereicht, wenn es von der den Schriftsatz verantwortenden Person einfach signiert und selbst versendet werde (vgl. BGH, Beschl. v. 30.03.2022 - XII ZB 311/21 Rn. 10 f. - MDR 2022, 784). Daran fehle es hier deshalb, weil die einfache Signatur der Klageschrift fehle. Diese schließe nur mit „Rechtsanwalt“ ab. Für eine einfache Signatur genüge die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, etwa als maschinenschriftlicher Namenszug oder eingescannte und entzifferbare Unterschrift (vgl. BGH, Beschl. v. 30.11.2023 - III ZB 4/23 Rn. 10 - MDR 2024, 394; st. Rspr.; BAG, Beschl. v. 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 Rn. 15 - MDR 2020, 1393; BSG, Beschl. v. 16.02.2022 - B 5 R 198/21 B Rn. 9 - NJW 2022, 1334). Entzifferbar sei die Namenswiedergabe übrigens, wenn sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlichem zugeordnet werden könne. Hier lasse sich mit der Angabe „Rechtsanwalt“ ohne weitere Namensangabe die Klageschrift keiner bestimmten verantwortenden Person zuordnen (vgl. BGH, Beschl. v. 07.09.2022 - XII ZB 215/22 Rn. 12 - MDR 2022, 1362; BAG, Beschl. v. 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 Rn. 17 - MDR 2020, 1393). Dieser Mangel sei auch nicht innerhalb der Klagefrist des § 45 Satz 1 WEG behoben worden. Das wäre zunächst durch Nachholung der formwirksamen Einreichung möglich, aber auch dann, wenn sich auf andere, jeden vernünftigen Zweifel ausschließende Weise feststellen lasse, dass der nicht unterschriebene Schriftsatz nicht etwa ein Entwurf, sondern von dem postulationsfähigen Anwalt verantwortet und mit seinem Wissen und Wollen als Klageschrift bei dem Gericht eingereicht worden sei (vgl. BGH, Urt. v. 03.03.2004 - IV ZR 458/02 - MDR 2004, 879). Für den elektronischen Rechtsverkehr folge daraus, dass das Fehlen der einfachen Signatur einer auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereichten Klageschrift nur dann ausnahmsweise unschädlich sein könne, wenn sich aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der einfachen Signatur vergleichbare zweifelsfreie Gewähr dafür ergebe, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Klageschrift übernommen und diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht habe (vgl. BGH, Beschl. v. 19.01.2023 - V ZB 28/22 Rn. 11 - WuM 2023, 705; BAG, Beschl. v. 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 Rn. 19). Daran fehle es hier. Wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers allein in dem Briefbogen der Klageschrift namentlich aufgeführt sei, soll allerdings ohne weiteres erkennbar sein, dass der Kanzleiinhaber Urheber der schriftlichen Prozesshandlung sei und die inhaltliche Verantwortung für das betreffende Dokument übernehme (vgl. BAG, Beschl. v. 25.08.2022 - 2 AZN 234/22 Rn. 2 - MDR 2023, 111). Das erscheine als zweifelhaft, weil der Briefbogen einer Anwaltskanzlei keine Gewähr für eine vollständige Aufzählung der in einer Kanzlei tätigen Rechtsanwälte biete; angestellte Rechtsanwälte müssen nach § 10 BORA nicht aufgelistet werden. Dass im Briefbogen der Kanzlei nur ein Rechtsanwalt genannt sei, schließe daher nicht aus, dass ein dort nicht aufgeführter Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen habe (vgl. statt aller Greger in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 130a Rn. 12 m.w.N.). Indes handele es sich hiernach bei dem Briefbogen mit der Formulierung „Rechtsanwälte“ ohnehin nicht um einen Einzelanwalt, denn diese Formulierung deute auf die Tätigkeit einer Mehrzahl von – nicht namentlich aufgeführten – Rechtsanwälten für die Kanzlei hin. Weil die einfache Signatur gewährleisten müsse, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden könne, müsse sich der Absender an dieser Angabe festhalten lassen. Auf die tatsächlichen Verhältnisse komme es nicht an (vgl. BGH, Beschl. v. 07.09.2022 - XII ZB 215/22 Rn. 11 - MDR 2022, 1362). Daran ändere auch nichts, dass hier ein vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis erzeugt worden sei, der Rechtsanwalt X. als Absender ausweise. Denn dadurch werde anders als durch eine einfache Signatur nicht gewährleistet, dass der als Absender ausgewiesene Rechtsanwalt die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen habe, sondern es sei möglich, dass er einen von einem Dritten verfassten Schriftsatz übermittele. Der Mangel der fehlenden einfachen Signatur der Klageschrift sei deshalb erst durch Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 07.09.2022 behoben worden. Eine unwirksame Prozesshandlung werde erst von ihrer Heilung an wirksam; eine – wie hier – nach Fristablauf erfolgte Behebung des Mangels sei nicht mehr fristwahrend (vgl. BGH, Urt. v. 03.03.2004 - IV ZR 458/02 - MDR 2004, 879). Das alles gelte ebenso für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 45 Satz 1 WEG (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2023 - V ZR 28/22 Rn. 18 - WuM 2023, 705 zur Begründungsfrist gemäß § 45 Satz 1 WEG). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 45 Satz 2 WEG i.V.m. §§ 233 ff. ZPO komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger innerhalb der Antragsfrist (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) die versäumte Prozesshandlung nicht nachgeholt habe.
- C.
Kontext der Entscheidung Die Entscheidung fügt sich nahtlos in die bestehende Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte ein. Insbesondere ergibt sich wegen der unterschiedlichen Sachverhalte keine Abweichung gegenüber dem Beschluss des BAG vom 25.08.2022 (2 AZN 234/22 Rn. 2 - MDR 2023, 111), welcher seinerseits auf die Besonderheit des dort zu entscheidenden Sachverhalts hinweist. Wer bei alledem gegen die Argumentation des BGH einwendet, auch bei Wahrung der Form komme es in der Praxis vor, dass der Rechtsanwalt ungesehen Entwürfe Dritter, wissenschaftlicher Mitarbeiter usw. einreicht oder von Dritten (Sekretariat usw.) durch Überlassung der notwendigen Daten zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs „formwirksam“ einreichen lässt, verkennt die Funktion der Formvorschriften, die regeln, wann sich der Rechtsanwalt so behandeln lassen muss, als habe er persönlich für die eingereichten Schriftsätze die Verantwortung übernommen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Wer sich die „Mühe“ der qualifizierten elektronischen Signatur ersparen möchte, sollte jedenfalls für eine einfache Signatur sorgen; dazu genügt die den Schriftsatz abschließende Namensangabe des Rechtsanwalts in Maschinenschrift; das kann man einfach durch eine generelle Anweisung an das Büropersonal oder die Gestaltung der Vorlagen sicherstellen. Bei mehreren Trägern des gleichen Nachnamens ist diese nur dann eindeutig „eindeutig“, wenn auch der Vorname genannt wird. Es könnte alles so einfach sein …
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung Nach Klärung der Fragen zur Fristwahrung ist Folge der hier vorliegenden Fristversäumung, dass nur noch Nichtigkeitsgründe zu prüfen sind. Diese Prüfung von Nichtigkeitsgründen erfolgt auch dann, wenn sich der Anfechtungskläger nicht auf die Nichtigkeit berufen hat (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2023 - V ZR 43/22 Rn. 14 - WuM 2023, 243; st. Rspr.). Dabei geht es um folgenden Beschluss TOP 6.2: „Die Eigentümer beschließen, den Schreibfehler in der Klarstellung zur Teilungserklärung vom 13. Mai 2011 korrigieren zu lassen – spätestens, wenn der zugrundeliegende Rechtsstreit rechtskräftig ist.“ Das ist doch offensichtlich unbestimmt und deshalb nichtig, oder? Anders der BGH, der wiederum Tendenzen der Instanzrechtsprechung (vgl. Hogenschurz, NZM 2024, 800, 801) nicht folgt: Der Inhalt eines Beschlusses muss inhaltlich bestimmt und klar sein, weil ein Sonderrechtsnachfolger gemäß § 10 Abs. 3 WEG an ihn gebunden ist. Die Bestimmung des Beschlussinhaltes hat dabei „aus sich heraus“ objektiv und normativ zu erfolgen. Es kommt maßgeblich darauf an, wie der Beschluss nach seinem Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter nächstliegend zu verstehen ist. Ausgangspunkt der Auslegung ist der protokollierte Wortlaut des Beschlusses; Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind, weil sie sich etwa aus dem – übrigen – Versammlungsprotokoll oder aus in Bezug genommenen Dokumenten ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 08.04.2016 - V ZR 104/15 Rn. 9 - WuM 2016, 518; st. Rspr.). Dem zu TOP 6.2 gefassten Beschluss fehlt es zwar an der inhaltlichen Bestimmtheit und Klarheit, weil nicht zu erkennen ist, welche vermeintlichen Schreibfehler berichtigt werden sollen. Die pauschale Verweisung auf einen nicht näher bezeichneten Rechtsstreit lässt auch nicht erkennen, welcher Schreibfehler zu korrigieren ist. Die Unbestimmtheit eines Beschlusses führt aber nicht stets zur Nichtigkeit. Wenn der Beschluss eine durchführbare Regelung noch erkennen lässt, die Unbestimmtheit also nicht auf inhaltlicher Widersprüchlichkeit beruht, führen die Mängel nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 10.09.1998 - V ZB 11/98 - WuM 1998, 738, 741). In diesen Fällen muss die Unbestimmtheit als Anfechtungsgrund innerhalb der Begründungsfrist des § 45 Satz 1 WEG geltend gemacht werden. Hier ist eine durchführbare Regelung noch zu erkennen, ohne dass der Inhalt widersprüchlich ist. Der Beschluss enthält als Mindestinhalt eine Regelung, nach der ein die Wohnungseigentumseinheit des Klägers in der Klarstellung zur Teilungserklärung betreffender Schreibfehler korrigiert werden soll, dessen Existenz zwischen den Parteien streitig ist und welcher bereits Gegenstand eines anderweitig geführten Rechtsstreits zwischen den Parteien ist. Auch die Beschlusskompetenz für diese Regelung besteht. Denn es geht nicht um eine Inhaltsänderung oder die Aufhebung eines Sondernutzungsrechts, die nur durch Vereinbarung erfolgen kann (vgl. BGH, Urt. v. 22.03.2019 - V ZR 298/16 Rn. 12 - WuM 2019, 338), sondern bei nächstliegender Auslegung um die zulässige Vorbereitung der erforderlichen Bereinigung des Grundbuchs (vgl. BGH, Urt. v. 20.09.2019 - V ZR 258/18 Rn. 16 - WuM 2019, 724).
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