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Anmerkung zu:BGH 3. Zivilsenat, Urteil vom 04.04.2024 - III ZR 38/23
Autor:Dr. Tilman Clausen, RA, FA für Medizinrecht und FA für Arbeitsrecht
Erscheinungsdatum:31.05.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 116b SGB 5, § 280 BGB, § 134 BGB, § 630c BGB, § 812 BGB, § 2 GOÄ 1982, § 125 BGB, § 12 GOÄ 1982, § 11 Bundesärzteordnung, § 11 BÄO, § 1 GOÄ 1982, § 6 GOÄ 1982
Fundstelle:jurisPR-MedizinR 5/2024 Anm. 1
Herausgeber:Möller und Partner - Kanzlei für Medizinrecht
Zitiervorschlag:Clausen, jurisPR-MedizinR 5/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Anwendbarkeit der Gebührenordnung für Ärzte für ambulante Leistungen eines Krankenhausträgers



Leitsatz

Der in § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) beschriebene Anwendungsbereich der GOÄ setzt nicht voraus, dass Vertragspartner des Patienten ein Arzt ist, sondern dass die Vergütung für die beruflichen Leistungen eines Arztes geltend gemacht wird. Die GOÄ findet deshalb auch dann Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person, zum Beispiel einem Krankenhausträger, abgeschlossen wird und ambulante Leistungen durch Ärzte erbracht werden, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in der Erfüllung ihrer eigenen Dienstaufgaben tätig werden und selbst mit dem Patienten keine Vertragsbeziehung eingehen.



A.
Problemstellung
Die letzte Neufassung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) stammt vom 12.11.1982 und ist am 01.01.1983 in Kraft getreten. Nach § 1 Abs. 1 GOÄ bestimmt sich die Vergütung für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Nach der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 295/82, S. 12) zu § 1 Abs. 1 GOÄ gelte die GOÄ nicht für Leistungen, die durch andere Berufsgruppen oder Einrichtungen abgerechnet würden. Die Verordnungsbegründung konnte damals allerdings nicht die Weiterentwicklungen im Bereich der Ausübung des Arztberufs berücksichtigen (zum Beispiel Ärzte-GmbH, Medizinische Versorgungszentren), die zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar waren. Nicht absehbar war auch die Tatsache, dass bestimmte Fachrichtungen der Medizin wie die ästhetische und plastische Chirurgie inzwischen einen rasanten Aufschwung genommen haben, ohne dass die dort erbrachten Leistungen hinreichend im Gebührenverzeichnis zur GOÄ abgebildet sind. Der Verordnungsgeber hat der Tatsache, dass sich die Medizin stetig weiterentwickelt, zwar durch die Vorschrift des § 6 Abs. 2 GOÄ Rechnung getragen, wonach selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistungen des Gebührenverzeichnisses berechnet werden können. Nachdem die letzten Änderungen des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ allerdings aus dem Jahr 1996 stammen, wird die Findung geeigneter Analogziffern, an denen bei Neuerungen im Bereich der Medizin angeknüpft werden kann, zunehmend schwieriger. Der Abrechnung von Pauschalhonoraren vor allem im Bereich der Fachrichtung der plastischen und ästhetischen Chirurgie mit der Begründung, dass die dort erbrachten ärztlichen Leistungen im Gebührenverzeichnis zur GOÄ nur unzureichend abgebildet seien, hat der BGH bereits mit Urt. v. 23.03.2006 (III ZR 223/05 - NJW 2006, 1879) eine Absage erteilt. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die beruflichen Leistungen der Ärzte nur nach Maßgabe der GOÄ abrechenbar seien und die Gebührenordnung nicht zugunsten eines Pauschalhonorars abbedungen werden können.
Offen blieb die Frage, ob die GOÄ dann abdingbar ist, wenn der Behandlungsvertrag nicht zwischen Arzt und Patient abgeschlossen wird, der Patient vielmehr mit einer juristischen Person kontrahiert, die die abgerechneten Leistungen durch einen dort angestellten Arzt erbringen lässt. Diese Frage, die in Rechtsprechung und Literatur bislang umstritten war, hat der BGH nunmehr dahin gehend entschieden, dass auch juristische Personen, die die beruflichen Leistungen der Ärzte abrechnen, an die GOÄ gebunden sind.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der klagende Patient befand sich bei der Beklagten, einem Universitätsklinikum, wegen eines Prostatakarzinoms in ärztlicher Behandlung. Zwischen den Parteien wurde vereinbart, dass der Kläger sich einer strahlentherapeutischen Behandlung unterziehen sollte, die mit Hilfe des sog. Cyberknife-Verfahrens durchgeführt werden sollte. Das Cyberknife ist ein aus einem kompakten Linearbeschleuniger bestehendes Bestrahlungsgerät, das auf einen Industrieroboter montiert ist und eine hochenergetische Präzisionsbestrahlung von Tumoren ermöglicht, wobei die Behandlung regelhaft ambulant durchgeführt wird. Das Verfahren ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für gesetzlich krankenversicherte Patienten nicht enthalten und gehört daher nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Das beklagte Universitätsklinikum verfügte auch nicht über eine Ermächtigung gemäß § 116b SGB V, das Verfahren im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung anzuwenden.
Das beklagte Universitätsklinikum hat mit dem Verband der Privaten Krankenversicherungen sowie einzelnen gesetzlichen Krankenkassen Vereinbarungen zur Vergütung des Cyperknife-Verfahrens abgeschlossen, nicht aber mit der gesetzlichen Krankenkasse, bei der der Kläger versichert ist. Die Krankenkasse des Klägers lehnte mit Bescheid vom 19.03.2020 eine Kostenbeteiligung ab, der dagegen eingelegte Widerspruch blieb ebenso erfolglos wie der Antrag des Universitätsklinikums auf Kostenübernahme gegenüber der Krankenkasse des Klägers i.H.v. 10.633 Euro im Rahmen einer Einzelfallentscheidung. Das beklagte Universitätsklinikum informierte den Kläger über die Ablehnung der Kostenübernahme und dass er für die Kosten selbst aufkommen solle, wenn er die Cyberknife-Behandlung haben wolle.
Der Kläger unterzeichnete daraufhin am 16.04.2020 eine Erklärung, mit der er sich verpflichtete, die anfallenden Kosten in der oben genannten Höhe nach erfolgter Behandlung auszugleichen. Daraufhin wurde die Cyberknife-Bestrahlung am 09., 12., 15., 18. und 23.06.2020 jeweils ambulant durchgeführt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.07.2020 forderte der Kläger das beklagte Universitätsklinikum auf, ihm eine ordnungsgemäße Rechnung nach der GOÄ zu stellen. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach, sondern rechnete die Behandlungskosten mit der Leistungsbezeichnung „Cyberknifekomplexleistung III“ mit einem Pauschalbetrag von 10.633 Euro gegenüber dem Kläger ab, der die Rechnung auch vollständig bezahlte. Anschließend nahm der Kläger seine gesetzliche Krankenkasse vor dem Sozialgericht auf Erstattung in Anspruch, nahm die Klage dann nach einem Hinweis des Sozialgerichts auf die fehlende Erfolgsaussicht allerdings zurück.
Daraufhin verklagte der Kläger die Beklagte auf Rückzahlung des Pauschalbetrages. Die Klage wurde zum einen darauf gestützt, dass die Beklagte ihn pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt habe, dass andere gesetzliche Krankenkassen die Kosten für eine Cyberknife-Behandlung übernehmen und ihm somit die Möglichkeit verwehrt wurde, rechtzeitig vor Behandlungsbeginn zu einer dieser Krankenkassen zu wechseln, was möglich gewesen wäre. Die Pauschalpreisvereinbarung vom 16.04.2020 widerspreche im Übrigen den Bestimmungen der GOÄ.
Das LG Köln verurteilte die Beklagte mit Urt. v. 24.08.2022 (25 O 256/21) zur Rückzahlung des erhaltenen Honorars nebst Zinsen und wies die Klage nur hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ab. Die Berufung der Beklagten vor dem OLG Köln hatte keinen Erfolg (OLG Köln, Urt. v. 22.02.2023 - 5 U 115/22).
Nachdem das OLG Köln die Revision zugelassen hatte, hat der BGH diese als unbegründet zurückgewiesen.
I. Zwar stehe dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB wegen Verletzung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht des Behandlers zu, die Vereinbarung der Parteien über die Zahlung eines Pauschalhonorars von 10.633 Euro für die Cyberknife-Behandlung entspreche jedoch nicht den Anforderungen des § 2 GOÄ und sei deshalb gemäß § 125 Satz 1 BGB bzw. § 134 BGB nichtig.
II. Eine Verletzung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht liege nicht vor, weil der Kläger bereits aufgrund des ablehnenden Bescheides seiner Krankenkasse vom 19.03.2020 wusste, dass diese die Kosten für die beabsichtigte Cyberknife-Behandlung nicht übernehmen würde. Zudem hatte die Beklagte den Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass seine Krankenkasse auch im Rahmen einer Einzelfallentscheidung die Kostenübernahme abgelehnt habe. In der Pauschalvereinbarung seien zudem die Kosten für die Cyberknife-Behandlung explizit ausgewiesen worden. Eine Beratung dahin gehend, dass andere gesetzliche Krankenkassen die Kosten der Cyberknife-Behandlung übernehmen, sei nicht Gegenstand der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht des Behandlers nach § 630c Abs. 3 BGB.
III. Der Kläger habe jedoch gegenüber der Beklagten einen bereicherungsrechtlichen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Behandlungskosten, weil die von den Parteien getroffene Pauschalpreisvereinbarung nicht mit § 2 GOÄvereinbar und deshalb gemäß § 125 Satz 1 BGB bzw. § 134 BGB nichtig sei, da die Beklagte die Abrechnung nicht zumindest hilfsweise auf eine Rechnung gestützt habe, die den Anforderungen der GOÄ (§ 12 Abs. 2 bis 4 GOÄ) genüge, so dass sie den gesamten Rechnungsbetrag zurückzahlen müsse. Die ambulanten ärztlichen Leistungen im Rahmen der Cyberknife-Behandlung, die die Beklagte erbracht habe, unterfallen nach Auffassung des BGH den Vorschriften der GOÄ. Deren in § 1 Abs. 1 GOÄ beschriebener Anwendungsbereich setze nicht voraus, dass Anspruchsteller und Vertragspartner des Patienten ein Arzt sei, sondern dass die Vergütung für die beruflichen Leistungen eines Arztes geltend gemacht werden. Die GOÄ finde deshalb auch dann Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person abgeschlossen worden sei und die ambulanten Leistungen durch Ärzte erbracht werden, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in der Erfüllung ihrer eigenen Dienstaufgaben tätig werden und selbst mit dem Patienten in keinerlei vertraglicher Beziehung stehen.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Die Entscheidung des BGH ist sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis richtig und steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats.
II. Schon 2006 hatte der BGH bezogen auf Schönheitsoperationen festgestellt, dass es sich auch bei medizinischen nicht notwendigen ärztlichen Leistungen um berufliche Leistungen der Ärzte handelt, die nach § 1 Abs. 1 GOÄ dem Anwendungsbereich der Gebührenordnung für Ärzte unterliegen. Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie, die in eigener Praxis tätig sind, waren deshalb seitdem an die Vorschriften der GOÄ gebunden, auch wenn dies in der Praxis nicht immer so praktiziert worden ist (BGH, Urt. v. 23.03.2006 - III ZR 223/05 - NJW 2006, 1879). In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahr 2009 hat der BGH diese Rechtsprechung fortgeführt und festgestellt, dass bei Abrechnungen mehrerer Leistungserbringer untereinander die GOÄ keine Anwendung findet (BGH, Urt. v. 12.11.2009 - III ZR 110/09 - BGHZ 183, 143). Bei dieser Entscheidung hatte der BGH über eine Auseinandersetzung im Rahmen eines Kooperationsvertrages zwischen niedergelassenen Radiologen und einem Krankenhaus zu befinden, bei der die Radiologen sich im Bestreben, eine höhere Vergütung durchzusetzen, darauf berufen hatten, dass die in diesem Vertrag getroffene Vergütungsvereinbarung nicht den Anforderungen der GOÄ genüge. Hier hatte der BGH die Klage letztinstanzlich abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die GOÄ nur dann Anwendung finde, wenn es um den Interessenausgleich zwischen denjenigen gehe, die eine adäquate Vergütung für ihre Leistung haben wollen und denjenigen, die diese Vergütung bezahlen sollen. Nur diese Konstellation sei von § 11 Bundesärzteordnung (BÄO) erfasst (so auch Clausen in: Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 8 Rn. 190; Schroeder-Printzen in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, § 1 Rn. 13 ff.). Zwar gehe es auch hier um die beruflichen Leistungen der Ärzte, nicht aber um den Interessenausgleich nach § 11 BÄO, den die GOÄ regeln soll.
III. Die Entscheidung des BGH steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung. Der BGH beruft sich zutreffend darauf, dass sich die Vergütung für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach der GOÄ bestimmt, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes festgelegt sei (§ 1 Abs. 1 GOÄ). Die GOÄ sei zwingendes Preisrecht. Eine anderweitige bundesgesetzliche Regelung, nach der ärztliche Leistungen wie die Cyberknife-Behandlung außerhalb der GOÄ abgerechnet werden könnten, existiere nicht. Die Behandlung sei ambulant erfolgt und nicht stationär, wofür anderes Preisrecht hätte zur Anwendung kommen können (Krankenhausentgeltgesetz, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung).
Die Anwendbarkeit der GOÄ ergibt sich im Übrigen aus dem Wortlaut der Gebührenordnung, wie der BGH zutreffend feststellt. § 1 Abs. 1 GOÄ stellt auf alle beruflichen Leistungen der Ärzte „ab“, für die die GOÄ anwendbar sei, ohne dass zwischen Leistungen differenziert wird, die aufgrund eines Behandlungsvertrages oder von Ärzten im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses ohne eigene vertragliche Beziehung zum Patienten erbracht werden. Auch aus § 11 BÄO, der Ermächtigungsgrundlage zur GOÄ, ergebe sich nichts anderes. Dort werde die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die „Entgelte für ärztliche Tätigkeit“ in einer Gebührenordnung zu regeln. Zwischen „Vergütungen“ für die beruflichen Leistungen der Ärzte im § 1 Abs. 1 GOÄ und „Entgelte“ für ärztliche Tätigkeit in § 11 Satz 1 BÄO sieht der BGH völlig zutreffend keinen Unterschied. Nach der Bundesärzteordnung sind in der Gebührenordnung Mindest- und Höchstsätze für die ärztlichen Leistungen festzusetzen (§ 11 Satz 2 BÄO) und es ist den berechtigten Interessen der Ärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen (§ 11 Satz 3 BÄO). Die GOÄ verfolge somit als öffentlich-rechtliches Preisgericht das Ziel, dem Leistungserbringer eine gesicherte Einnahmequelle zu verschaffen und andererseits die Patienten vor unkontrollierbaren und unzumutbaren finanziellen Belastungen zu schützen.
IV. Dieser Auslegung steht – worauf der BGH zutreffend hinweist – auch nicht entgegen, dass in der Verordnungsbegründung zu § 1 Abs. 1 GOÄ ausgeführt wird, dass die GOÄ die Vergütungen für die Leistungen der Ärzte regle und nicht für Leistungen, die durch andere Berufsgruppen oder Einrichtungen im Gesundheitswesen (zum Beispiel Krankenhäuser) erbracht werden. Zum einen habe der Verordnungsgeber dabei nur im Blick gehabt, die beruflichen Leistungen der Ärzte von Leistungen abzugrenzen, die auch von anderen Berufsgruppen oder Einrichtungen erbracht werden können, im Übrigen ist die Verordnungsbegründung über 40 Jahre alt und lasse die seit den 80er Jahren erfolgten Weiterentwicklungen im Bereich der Ausübung des Arztberufs unberücksichtigt. Deshalb sei sie nur noch eingeschränkt als Auslegungshilfe tauglich.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des BGH ist für die Praxis von ganz erheblicher Bedeutung. Überall dort, wo bisher für die beruflichen Leistungen der Ärzte Pauschalen abgerechnet wurden, sollte dies sofort eingestellt, zumindest aber überprüft werden, ob eine Einstellung dieser Praxis geboten ist und stattdessen auf die Abrechnung nach Maßgabe der GOÄ umgestellt werden.
Dort wo das Gebührenverzeichnis zur GOÄ keine Gebührenordnungspositionen enthalten sollte, die z.B. für Leistungen der plastischen und ästhetischen Chirurgie direkt zur Anwendung kommen können, muss zukünftig mit Analogziffern gearbeitet werden. Hier ist von den Behandlern allein oder ggf. mit ihren anwaltlichen Beratern zu prüfen, welche Leistungen des Gebührenverzeichnisses im konkreten Einzelfall für die Analogabrechnung geeignet sind, weil sie nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertig sind. Dies ist bezogen auf den Einzelfall für jedes der drei vorstehend genannten Merkmale in § 6 Abs. 2 GOÄ zu prüfen.
Behandler, die meinen, weiterhin mit Pauschalen arbeiten zu können, riskieren strafrechtliche Konsequenzen. Mit Beschluss vom 25.01.2012 (1 StR 45/11) hatte der BGH den sog. normativen Schadensbegriff aus dem Vertragsarztrecht auch auf die Privatliquidation nach Maßgabe der GOÄ übertragen. Ein Verstoß gegen Abrechnungsbestimmungen der GOÄ kann somit bereits den objektiven Tatbestand des Abrechnungsbetruges erfüllen. Über vorsätzliches Handeln des Behandlers musste man bereits aufgrund der Urteile des BGH vom 23.03.2006 (III ZR 223/05) und vom 12.11.2009 (III ZR 110/09) nachdenken, nach Veröffentlichung der Entscheidung vom 04.04.2024 wird es noch schwieriger für Behandler, die für die beruflichen Leistungen der Ärzte weiterhin Pauschalen abrechnen wollen, sich vom Vorwurf des vorsätzlichen Abrechnungsbetruges zu entlasten, so dass von einer Fortführung dieser Praxis nur dringend abgeraten werden kann.
Die Entscheidung des BGH vom 04.04.2024 ist dagegen kein Präjudiz für weitere Verfahren, die derzeit beim BGH anhängig sind und die die Frage zum Gegenstand haben, ob das Liquidationsrecht für wahlärztliche Leistungen im stationären Bereich auch durch den Krankenhausträger ausgeübt werden darf. Für die Entscheidung dieser Rechtsfrage kommt es allein auf die Auslegung des Krankenhausentgeltgesetzes an. Sollte der BGH die derzeit überwiegende Praxis, dass das Liquidationsrecht bei wahlärztlichen Leistungen durch den Krankenhausträger ausgeübt wird, bestätigen, dürfte das Urteil vom 04.04.2024 allein insoweit von Bedeutung sein, dass der Krankenhausträger auch hier mit der Begründung des BGH in der vorgenannten Entscheidung bei der Abrechnung der bei ihm angestellten oder beamteten Wahlärzte an die Gebührenordnung für Ärzte gebunden wäre.



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