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Anmerkung zu:BGH 3. Zivilsenat, Urteil vom 13.06.2024 - III ZR 279/23
Autor:Dr. Kyrill Makoski, RA und FA für Medizinrecht
Erscheinungsdatum:29.08.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 30 GewO, § 108 SGB 5, § 5 KHG, § 67 AO 1977, § 5 GOÄ 1982, § 10 GOÄ 1982, § 134 BGB, § 138 BGB, § 17 KHG, § 2 GOÄ 1982, 1982 Anlage GOÄ
Fundstelle:jurisPR-MedizinR 8/2024 Anm. 1
Herausgeber:Möller und Partner - Kanzlei für Medizinrecht
Zitiervorschlag:Makoski, jurisPR-MedizinR 8/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Ambulante Leistungen auch von Krankenhäusern nur nach der GOÄ abrechenbar



Leitsätze

1. Die GOÄ ist auch auf eine ambulante Operation in einer Privatkrankenanstalt anwendbar (Fortführung von BGH, Urt. v. 04.04.2024 - III ZR 38/23 - BeckRS 2024, 9034 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
2. Nr. 2454 der Anlage zur GOÄ ist auf die Liposuktion im Rahmen der Behandlung eines Lipödems anwendbar.



A.
Problemstellung
Bereits mit Urteil vom 04.04.2024 hatte der BGH deutlich gemacht, dass auch Krankenhäuser ambulante Leistungen nur nach Maßgabe der GOÄ abrechnen dürfen. Die Vereinbarung von Pauschalpreisen ist unzulässig. Diese Rechtsprechung hat der BGH nun noch einmal bestätigt und ausgeführt, dass dies auch dann gelte, wenn die ambulanten Leistungen in einer privaten Krankenanstalt erbracht werden.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Streitig war die Frage, ob eine Privatklinik bereits gezahltes Honorar an die Patientin zurückerstatten musste.
Die Behandlung erfolgte in einer nach § 30 GewO konzessionierten Krankenanstalt. Durchgeführt wurde eine Liposuktion im Bereich der Arme und Beine. Der Behandlungsvertrag sah vor, dass die Patientin hierfür ein Pauschalhonorar zahlen sollte. Durchgeführt wurden insgesamt drei Eingriffe. Nach jedem Eingriff verbrachte die klagende Patientin eine Nacht in einem kooperierenden Krankenhaus, mit dem sie einen eigenen Vertrag über Unterkunft und Pflege nach ambulantem Eingriff geschlossen hatte. Die Unterbringung selbst wurde zwischen der Beklagten und dem Krankenhaus abgerechnet.
Die Beklagte stellte der Patientin für jeden Eingriff entsprechende Teilrechnungen über den Pauschalbetrag. Später erstellte sie zudem noch weitere Rechnungen nach der GOÄ, mit denen sie die Liposuktionen gemäß Ziffer 2454 GOÄ mehrfach abrechnete.
Die klagende Patientin hatte die Rechnungen zunächst ausgeglichen und dann aber den Betrag zurückverlangt. Sie war der Auffassung, dass die Leistungen ohne rechtlichen Grund gezahlt worden seien. Die Vereinbarung über die Pauschalhonorare sei unwirksam, weil sie gegen zwingendes Preisrecht der GOÄ verstoße. Auch die hilfsweise Abrechnung sei nicht tragfähig, da die Rechnungen nicht fällig und zudem inhaltlich nicht korrekt seien.
Das Landgericht hatte hier nur einen Teilbetrag von 17.000 Euro für abrechenbar erachtet und ansonsten der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hatte nur noch eine Honorarforderung von knapp 9.000 Euro für zutreffend erachtet, ansonsten aber auch den Rückzahlungsanspruch bejaht. Gegen dieses Urteil wandten sich beide Parteien.
Zunächst stellte der BGH fest, dass die Revision der beklagten Krankenanstalt keinen Erfolg habe. Der Behandlungsvertrag über ein Pauschalhonorar sei unwirksam und könne daher keinen Rechtsgrund für die Honorarforderung darstellen. Ambulante Leistungen seien zwingend nach der GOÄ abzurechnen, was die Vereinbarung einer pauschalen Vergütung ausschließe. Es sei dabei, wie der BGH vor Kurzem entschieden habe, irrelevant, ob der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person oder mit einzelnen Ärzten abgeschlossen werde. Wichtig sei allein, dass es sich um ambulante Leistungen handle. Die Frage, wer Inhaber der durch die ärztlichen Leistungen begründeten Forderung sei, sei irrelevant. Nur dieses weite Verständnis des Anwendungsbereichs der GOÄ werde dem Sinn und Zweck gerecht, den Patienten vor unsachgemäßen Belastungen zu schützen. Insbesondere sei auch ausgeschlossen, dass die Liquidierung ambulanter ärztlicher Leistungen, zu deren Erbringung sich nicht ein Arzt selbst, sondern eine juristische Person, bei der Arzt beschäftigt sei, verpflichte, unreguliert bleiben sollte. Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte ergebe sich nichts anderes.
Der BGH hat jedoch ausdrücklich festgestellt, dass für den Bereich der stationären Krankenhausbehandlung anderes gelte. Soweit es sich um Krankenhäuser i.S.d. § 108 SGB V handle, seien dort das Fallpauschalensystems nach Maßgabe des KHEntgG und der BPflV anzuwenden. Bei reinen Privatkliniken, die weder nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KHG gefördert noch steuerlich begünstigt (§ 67 AO) seien, hätten die Möglichkeit, freie Preise zu vereinbaren. Grenzen hierzu ergäben sich nur aus den §§ 134, 138 BGB. Hier sei also auch eine Pauschalabrechnung möglich.
Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch um eine ambulante Behandlung. Die Eingriffe selbst seien ambulant erfolgt und hätten auch nicht medizinisch erfordert, dass die Patientin länger im Krankenhaus geblieben wäre. Die ambulante Behandlung sei auch nicht deswegen zu einer stationären Behandlung geworden, weil die Patientin nach jedem Eingriff eine Nacht in einem kooperierenden Krankenhaus verbracht habe. Die Patientin habe mit dem Krankenhaus gesonderte Verträge über Unterkunft und Pflege geschlossen. Zudem seien diese Aufenthalte medizinisch nicht notwendig gewesen, sondern lediglich eine Art Hotelleistung, weswegen auch sie nicht den Charakter des Eingriffs verändern könnten.
Auch wenn die beklagte Einrichtung weitere postoperative Leistungen wie etwa die akzentuierte manuelle Lymphdrainage übernommen sowie der Klägerin nach den Eingriffen Kompressionswäsche zur Verfügung gestellt habe, ändere dies nichts an der Anwendung der GOÄ. Das gegenüber der Patientin erbrachte Paket an – auch einzeln möglichen und medizinisch nur teilweise indizierten – Leistungen rücke die ambulante Behandlung nicht in die Nähe eines voll- oder teilstationären Krankenhausaufenthaltes.
Auf die Revision der Klägerin hin wurde der Betrag, der nach der GOÄ abzurechnen ist, jedoch angepasst. Insgesamt hätte die Beklagten hier nur 4.200 Euro abrechnen dürfen. Grund hierfür sei, dass die Ziffer 2454 GOÄ nicht mehrfach pro Extremität abzurechnen sei.
Die Rechnungen, die während des Rechtsstreits vorgelegt worden seien, entsprechen den formellen Voraussetzungen der GOÄ. Inhaltlich sei aber die Begrenzung der Abrechenbarkeit der Ziffer vorzunehmen. So sehe die Ziffer 2454 GOÄ ausdrücklich vor, dass es um die operative Entfernung von bestehendem Fettgewebe an einer Extremität gehe und damit eine Eingrenzung auf eine bestimmte Art von Fettgewebe nicht erfolge. Die Ziffer sei daher unmittelbar anzuwenden, zumal nicht festgelegt worden sei, auf welche Weise das überschüssige Fettgewebe entfernt werde. Auch eine Fettabsaugung sei eine operative Entfernung, es bedürfe mithin keines offenen Eingriffs.
Eine mehrfache Abrechnung sei nicht zulässig. Es spiele insoweit keine Rolle, dass es medizinisch sinnvoll sein möge, bei der Liposuktion den Eingriffsbereich in unterschiedliche Bereiche aufzuteilen. Ein Ausnahmefall für eine Mehrfachberechnung der Norm sei hier nicht gegeben. Dies betreffe insbesondere die Untergliederung von Armen und Beinen in verschiedene Areale. Auch wenn es sich um eine verbesserte Methode zugunsten der Patienten handle, berechtige dies nicht, die Gebühr mehrfach abzurechnen. Medizinischem Fortschritt, besonderen Schwierigkeiten und auch einem höheren Zeitaufwand könne der Arzt bei der Berechnung des Steigerungsfaktors nach § 5 Abs. 2 GOÄ oder im Weg einer Gebührenvereinbarung nach § 2 Abs. 1 GOÄ Rechnung tragen. Es sei auch nicht erkennbar, dass sich die Verhältnisse seit 1982 derart gravierend geändert hätten, dass die Gebührenordnungsziffer nicht mehr den entsprechenden Aufwand abbilde. Es lasse sich insoweit auch nicht feststellen, dass die Bewertung der Leistung in der GOÄ auch unter Ausschöpfung des Gebührenrahmens objektiv nicht auskömmlich sei und die Beklagte in ihrer Berufsfreiheit verletze. Es sei hier auch zu berücksichtigen, dass es der Beklagten offengestanden hätte, eine entsprechende Gebührenvereinbarung zu schließen.
Soweit die Beklagte darüber hinaus Kosten für die akzentuierte Lymphdrainage verauslagt habe, seien diese nicht zu erstatten, sondern zu Recht abgerechnet worden. Es handle sich um Auslagen, die durch einen kooperierenden Physiotherapeuten entstanden seien und für die grundsätzlich ein Aufwendungsersatz bestehe. Hier hätte es der Patientin oblegen, darzulegen, warum die Aufwendungen den Umständen nach nicht erforderlich gewesen seien. Ebenso seien die Kompressionsstrümpfe als Auslagen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1 GOÄ erstattungsfähig.


C.
Kontext der Entscheidung
1. Diese Entscheidung macht, knapp zwei Monate nach dem ersten Urteil des BGH vom 04.04.2024 (III ZR 38/23 m. Anm. Clausen, jurisPR-MedizinR 5/2024 Anm. 1) noch einmal deutlich, dass auch bei reinen Privatkliniken die GOÄ dann anzuwenden ist, wenn der durchzuführende Eingriff ambulant erfolgt. Die Abrechnung von Pauschalhonoraren, was gerade im Bereich der ästhetischen Chirurgie dem Standard entspricht, dürfte jetzt weitestgehend der Vergangenheit angehören (vgl. auch Makoski, GesR 2024, 369, 370).
Auch wenn die Patienten dann nach dem Eingriff noch stationär verbleiben (was in aller Regel eine Komfortleistung darstellt), verändert dies nicht den Charakter des Eingriffs. Dies wird erst dann anders, wenn die stationäre Überwachung nach dem Eingriff auch medizinisch erforderlich ist. Dies dürfte regelmäßig den Ausnahmefall darstellen. Eine stationäre Aufnahme allein zur Beruhigung des Patienten reicht hingegen nicht aus.
Erfolgt hingegen eine medizinisch notwendige stationäre Behandlung, dann ist eine Privatklinik in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB frei in der Preisgestaltung (Rn. 19) (vgl. BGH, Urt. v. 21.04.2011 - III ZR 114/10 m. Anm. Tigges, jurisPR-MedizinR 7/2011 Anm. 1).
Befindet sich die Privatklinik in räumlicher Nähe zu einem Plankrankenhaus und ist sie mit diesem organisatorisch verbunden, darf die Privatklinik hingegen nur Leistungen entsprechend der Fallpauschalenvereinbarung abrechnen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG; dazu Quaas, GesR 2012, 193).
2. Wenn Privatkliniken also entsprechende Leistungen abgerechnet haben, sollten sie rein vorsorglich auch eine Abrechnung nach der GOÄ erstellen. Nur auf diese Weise können sie ein Rückforderungsbegehren des Patienten abwehren.
Es mag sein, dass der dort ausgewiesene Betrag dem Pauschalhonorar entspricht. In aller Regel dürfte dies jedoch nicht der Fall sein. Dies gilt insbesondere, wenn – wie hier – eine Mehrfachabrechnung von bestimmten Ziffern wie bei der Liposuktion nicht möglich ist. Hier ist also mit Rückforderungsansprüchen zu rechnen.
Wenn auch jetzt noch Pauschalpreise abgerechnet werden, könnte dies zu einer Strafbarkeit wegen Abrechnungsbetruges führen (so schon Clausen, jurisPR-MedizinR 5/2024 Anm. 1 unter D).
3. Soweit während des Eingriffs Leistungen erbracht werden, die nach Ansicht der Behandler nicht mehr auskömmlich nach Maßgabe der GOÄ abrechnet werden können (z.B. – wie hier – wegen Ausschlusses einer Mehrfachberechnung), ist anzuraten, eine entsprechende Gebührenvereinbarung nach § 2 Abs. 1 GOÄ mit einem höheren Steigerungsfaktor abzuschließen. Die Grenzen hierfür sind relativ flexibel. Es ist aber darauf zu achten, dass insbesondere die Formvorgaben eingehalten werden, d.h. in der Vereinbarung über den höheren Steigerungsfaktor keine anderen Angaben enthalten sind (im Einzelnen Makoski in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 2019, § 2 GOÄ Rn. 25 ff.). Für den Arzt ist dies oft unangenehm, weil er dem Patienten erklären muss, warum die Abrechnung nach der GOÄ allein nicht auskömmlich ist.
Im vorliegenden Fall hat der BGH bekräftigt, dass der Wortlaut der Beschreibung der Nr. 2454 GOÄ abschließend ist und die Ziffer nur einmal pro Extremität berechnet werden kann, auch wenn an mehreren Stellen Fettgewebe entfernt wird (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.12.2007 - I-4 U 48/07; OLG Braunschweig, Urt. v. 16.09.2020 - 11 U 122/18 m. Anm. Laux, jurisPR-VersR 12/2020 Anm. 4; LG Dortmund, Urt. v. 09.07.2020 - 2 O 89/18).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Sämtliche ambulanten Leistungen sind nach Maßgabe der GOÄ abzurechnen (jedenfalls wenn es sich um Privatleistungen handelt). Werden derartigen Behandlungsleistungen aus medizinischen Gründen stationär erbracht, können reine Privatkrankenanstalten hierfür Pauschalpreise vereinbaren. Dies dürfte in Zukunft eher den Ausnahmefall darstellen.
In allen anderen Fällen empfiehlt sich eine genaue Betrachtung der zu erbringenden Leistungen, die Kalkulation der entsprechenden Gebührenordnungsziffern und ggf. der Abschluss einer Gebührenvereinbarung mit dem Patienten.



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