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Anmerkung zu:BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 19.01.2024 - V ZR 191/22
Autor:Prof. Dr. Johannes Handschumacher, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Erscheinungsdatum:06.06.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 2 ErbbauV, § 12 ErbbauV, § 309 BGB, § 27 ErbbauV, § 32 ErbbauV, § 11 BBauG, § 242 BGB, § 640 BGB, § 129 InsO
Fundstelle:jurisPR-ÖffBauR 6/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Johannes Handschumacher, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Zitiervorschlag:Handschumacher, jurisPR-ÖffBauR 6/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Der vergütungslose Heimfall beim gemeindlichen Erbbaurecht



Leitsätze

1. Vereinbart eine Gemeinde als Grundstückseigentümerin mit einem Privaten in einem Erbbaurechtsvertrag den Ausschluss der Heimfallvergütung, verstößt dies für sich genommen nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung aus § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB.
2. Der Ausschluss der Heimfallvergütung führt dazu, dass die Geltendmachung des Heimfallanspruchs einer strengen Ausübungskontrolle im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des gemeindlichen Handelns unterliegt. Die Forderung nach der vergütungslosen Rückübertragung des Erbbaurechts kann sich insbesondere dann als unverhältnismäßig darstellen, wenn der Heimfall nicht auf einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Erbbauberechtigten beruht, das Bauwerk ganz oder weitestgehend fertiggestellt ist, der Erbbauberechtigte erhebliche Investitionen getätigt hat und die Gemeinde absehbar in der Lage sein wird, das Bauwerk anderweitig zu nutzen oder zu verwerten.



A.
Problemstellung
Die Ausgabe von Erbbaurechten ist für die Städte und Gemeinden neben u.a. der Bauleitplanung mittels Flächennutzungs- und Bebauungsplans ein Instrument zur Lenkung und Förderung der innerstädtischen baulichen Entwicklung. Um dem gewünschten Ziel Nachdruck zu verleihen, kann im Erbbaurechtsvertrag gemäß § 2 Ziff. 4 ErbbauRG für den Fall, dass der Erbbauberechtigte seiner Bauverpflichtung nicht oder nicht fristgerecht nachkommt, der Heimfall vereinbart werden. Für diesen Fall ist dem Erbbauberechtigten gemäß § 32 Abs. 1 ErbbauRG grundsätzlich eine angemessene Vergütung für das Erbbaurecht zu zahlen. Der BGH hatte im vorliegenden Fall zu entscheiden, inwieweit ausnahmsweise und unter welchen Voraussetzungen, insbesondere auch unter Beachtung von § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB, diese Vergütungspflicht vertraglich ausgeschlossen werden kann.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin ist eine Stadt in Baden-Württemberg, der Beklagte ein gemeinnütziger Verein, dessen Zweck darin besteht, Menschen islamischen Glaubens soziale, kulturelle und religiöse Dienste anzubieten. Um ihren muslimischen Bürgern die Ausübung ihres Glaubens in einer Moschee zu ermöglichen, vereinbarte die Klägerin mit dem Beklagten, dass diese ein Grundstück der Klägerin in einem ersten Bauabschnitt mit einer Moschee und einem Kulturhaus und in einem zweiten Bauabschnitt mit einem Schülerwohnheim, einem Bistro, einem Friseur und einem Geschäft für Halal-Produkte bebauen sollte. Die Parteien schlossen hierfür am 26.11.2014 eine als Erbbaurechtsvertrag bezeichnete notarielle Vereinbarung (nachfolgend ErbbV), mit der die Klägerin dem Beklagten für die Dauer von 60 Jahren und einer Verlängerungsmöglichkeit von weiteren 30 Jahren ein Erbbaurecht an ihrem Grundstück einräumte. Es wurde ein gestaffelter Erbbauzins vereinbart von anfänglich 35.336 Euro jährlich ab dem 01.07.2017. Der Beklagte verpflichtete sich, den ersten Bauabschnitt innerhalb von vier Jahren ab dem 01.11.2014 fertigzustellen. Nach Abschn. II Ziff. 7 ErbbV konnte die Klägerin vor Zeitablauf die Rückübertragung des Erbbaurechts verlangen, unter anderem dann, wenn der Beklagte die Bauverpflichtung nicht erfüllt (Heimfallanspruch). Für diesen Fall war die Vergütung für das Erbbaurecht ausgeschlossen. Nach Abschn. II Ziff. 7 Abs. 3 ErbbV war der Beklagte zudem schuldrechtlich verpflichtet, das Bauwerk auf Verlangen der Klägerin auf eigene Kosten zu beseitigen. Das Erbbaurecht wurde in das Erbbaugrundbuch eingetragen. Die Baugenehmigung für den ersten Bauabschnitt wurde im Februar 2015 erteilt, Baubeginn und Bauausführung verzögerten sich jedoch. Im Juli 2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er die Frist für die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts nicht werde einhalten können. Im Dezember 2018 machte die Klägerin den Heimfall geltend.
Mit der Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Rückübertragung des Erbbaurechts, hilfsweise dessen Aufhebung, ferner die Versicherung der Moschee gegen Brand- und Elementarschäden und die Zahlung von Erbbauzinsen i.H.v. 110.425 Euro für den Zeitraum 01.01.2019 bis 30.06.2021. Das Landgericht hat der Klage in Bezug auf die Rückübertragung des Erbbaurechts und die Zahlung von 110.425 Euro stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen, allerdings die Revision zugelassen, die mit der vorliegenden Entscheidung durch den BGH zurückgewiesen wurde.
Die Klägerin habe, so der BGH, auf der Grundlage von Abschn. II Ziff. 7 ErbbV gegen den Beklagten einen auf Übertragung des Erbbaurechts gerichteten Heimfallanspruch. Der in Abschn. II Ziff. 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbbV geregelte Heimfallgrund liege vor. Der Beklagte habe seiner Bauverpflichtung zuwidergehandelt, indem er den ersten Bauabschnitt nicht innerhalb von vier Jahren ab dem 01.11.2014, d.h. bis zum 31.10.2018 fertiggestellt habe. Nach den ausdrücklichen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts beruhe die Versäumung der Fertigstellungsfrist auf einem Verschulden des Beklagten. Eine Nachfrist nach Abschn. II Ziff. 2 Abs. 5 ErbbV habe ihm somit nicht gewährt werden müssen. Das Berufungsgericht komme, wenngleich mit teilweise unzutreffender Begründung, richtigerweise zu dem Ergebnis, dass die vertragliche Heimfallregelung wirksam sei. Dabei lege das Berufungsgericht seiner rechtlichen Prüfung im Ausgangspunkt zutreffend zugrunde, dass die Wirksamkeit der Regelungen des Erbbaurechtsvertrages an dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung zu messen sei. Allerdings bestünden Zweifel, ob – wie das Berufungsgericht meint – der hier zu beurteilende Erbbaurechtsvertrag ein städtebaulicher Vertrag i.S.d. § 11 Abs. 1 BauGB sei, auf den § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB unmittelbar anzuwenden wäre. Denn das Berufungsgericht habe keine Feststellungen zu dem für städtebauliche Verträge erforderlichen Zusammenhang mit der gemeindlichen Bauleitplanung getroffen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.06.2015 - V ZR 271/14 Rn. 8 - NJW 2015, 3169; BGH, Urt. v. 20.04.2018 - V ZR 169/17 Rn. 9 - NJW 2018, 3012; BGH, Urt. v. 16.12.2022 - V ZR 144/21 Rn. 7 - ZfIR 2023, 139). Nach Darstellung der Revision schreibe der Bebauungsplan für das Erbbaugrundstück die Errichtung einer Moschee nicht vor, sondern schließe diese lediglich nicht aus. Die Anwendbarkeit von § 11 BauGB könne im Folgenden aber unterstellt werden, da das Gebot zur angemessenen Vertragsgestaltung auf dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruhe und daher auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung für das gesamte Handeln der öffentlichen Körperschaften im Rechtsverkehr mit Privaten bestimmend sei (BGH, Urt. v. 30.09.2005 - V ZR 37/05 - WM 2006, 300, 301; BGH, Urt. v. 26.06.2015 - V ZR 144/14 Rn. 17 - BGHZ 206, 120). Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verlange, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde – hier der klagenden Gemeinde – erbrachten oder zu erbringenden Leistung stehe und dass die vertragliche Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der Behörde führt (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2015 - V ZR 144/14 Rn. 19 m.w.N.; zu § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB zuletzt BGH, Urt. v. 16.12.2022 - V ZR 144/21 Rn. 10 - ZfIR 2023, 139). Rechtsfehlerfrei nehme das Berufungsgericht an, dass die durch den Heimfallanspruch abgesicherte Bauverpflichtung nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verstoße und auch nicht aus anderen Gründen unwirksam sei.
Die dem Beklagten auferlegte und durch den Heimfall sanktionierte Pflicht, das Grundstück innerhalb von vier Jahren mit einer Moschee und einem Kulturhaus zu bebauen, verstoße nach den dargestellten Maßstäben auch nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung. Nach § 2 Ziff. 1 ErbbauRG gehören zum Inhalt des Erbbaurechts auch Vereinbarungen des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten über die Errichtung, die Instandhaltung und die Verwendung des Bauwerks. Diese Regelung erlaube es, die Errichtung des Bauwerks zur Pflicht zu machen und Sanktionen für die Nichterfüllung dieser Pflicht, etwa den Heimfall oder eine Vertragsstrafe, festzusetzen (vgl. Weiß in: MünchKomm BGB, 9. Aufl., § 2 ErbbauRG Rn. 9; Grziwotz in: Erman, BGB, 17. Aufl. § 2 ErbbauRG Rn. 3; Rapp in: Staudinger, ErbbauRG [2021], § 2 Rn. 12). Die Vereinbarung einer Bebauungspflicht in einem von einer Gemeinde mit einem Privaten geschlossenen Erbbaurechtsvertrag stelle sich grundsätzlich nicht als unangemessen dar. Denn die Gemeinde verfolge mit der Ausgabe eines Erbbaurechts in aller Regel gerade das Ziel, das Grundstück einer Nutzung zuzuführen, die öffentlichen Zwecken diene. Es müsse ihr daher im Ausgangspunkt möglich sein, die Bestellung des Erbbaurechts davon abhängig zu machen, dass sich der Erbbauberechtigte zu der Errichtung des Gebäudes verpflichtet, das diese Nutzung ermöglicht. Die Pflicht zur Errichtung des Bauwerks in angemessener Zeit stellt für denjenigen, der ein Erbbaurecht erwerben möchte, regelmäßig auch keine schwerwiegende Belastung dar, denn das Recht, auf dem Grundstück ein Bauwerk zu errichten, ist bei einem unbebauten Grundstück gerade Sinn und Zweck des Erbbaurechts. Auch das eigene Interesse des Erbbauberechtigten gehe regelmäßig dahin, den Erbbauzins nicht für ein unbebautes Grundstück zahlen zu müssen. So liege es auch hier.
Die Bauverpflichtung verstoße zudem auch nicht gegen das Koppelungsverbot nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB (wird ausgeführt). Auch einen Verstoß gegen Grundrechte des Beklagten vermochte der Senat nicht zu erkennen
Die vertragliche Vereinbarung über den Heimfall sei auch nicht deshalb unwirksam, weil die Vergütung für das Erbbaurecht ausgeschlossen wurde. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Ausschluss der Vergütung verstoße gegen das Angemessenheitsgebot aus § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB, und die Regelung über den Heimfall sei nur mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass die gesetzliche Vergütungsregelung greife, treffe nicht zu. Vereinbare eine Gemeinde – wie hier – als Grundstückseigentümerin mit einem Privaten in einem Erbbaurechtsvertrag den Ausschluss der Heimfallvergütung, verstoße dies für sich genommen nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung aus § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Die im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigende gesetzliche Regelung über die Vergütung für das Erbbaurecht (sog. Heimfallvergütung) spreche dafür, dass diese auch in Verträgen wirksam ausgeschlossen werden könne, die eine Gemeinde als Grundstückseigentümerin mit einem Privaten als Erbbauberechtigtem schließt. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG habe der Grundstückseigentümer, der von seinem Heimfallanspruch Gebrauch macht, dem Erbbauberechtigten eine angemessene Vergütung „für das Erbbaurecht“ zu gewähren. Die Vergütung sei eine Entschädigung für den Rechtsverlust, den der Erbbauberechtigte durch die Übertragung des Erbbaurechts erleide, solle also den durch Erfüllung des Heimfallanspruchs eintretenden Vermögensnachteil ausgleichen (vgl. BGH, Urt. v. 20.04.1990 - V ZR 301/88 - BGHZ 111, 154, 155, noch zur ErbbVO). Sie unterscheide sich insofern von der Entschädigung bei Erlöschen des Erbbaurechts wegen Zeitablaufs nach § 27 ErbbauRG, die nur für das Bauwerk zu zahlen sei. Die Vergütung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG umfasse neben der Entschädigung für das Bauwerk –- das als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts (vgl. § 12 Abs. 1 ErbbauRG) mit dessen Übertragung an den Grundstückseigentümer in Vollzug des Heimfallanspruchs mit übergehe – einen Ersatz für das Nutzungsrecht am Grund und Boden (vgl. BGH, Urt. v. 06.12.1974 - V ZR 95/73 Rn. 26 - WM 1975, 256; BGH, Urt. v. 06.02.1976 - V ZR 191/74 - NJW 1976, 895 jeweils noch zur ErbbVO). Für die Bemessung der gesetzlichen Vergütung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG sei der reale Wert des Bauwerks, der Ertragswert des Erbbaurechts und ein gewisser Wert dafür von Bedeutung, dass die Bodennutzung wieder an den Grundstückseigentümer zurückfalle (BGH, Urt. v. 06.12.1974 - V ZR 95/73). Die Vergütung für den Heimfall könne, wie sich aus § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG ergebe, jedenfalls individualvertraglich ausgeschlossen werden (vgl. zu der insoweit gleichlautenden Regelung in § 27 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG, BGH, Urt. v. 23.11.2018 - V ZR 33/18 Rn. 9 - ZfIR 2019, 489; zu § 32 ErbbauRG Maaß in: BeckOK BGB, ErbbauRG [01.08.2023], § 32 Rn. 2; Grziwotz in: Erman, BGB, 17. Aufl., § 32 ErbbauRG Rn. 1; Weiß in: MünchKomm BGB, 9. Aufl., § 32 ErbbauRG Rn. 10; Rapp in: Staudinger, ErbbauRG [2021], § 32 Rn. 3; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht, 7. Aufl., § 4 Rn. 116). Umstritten sei lediglich, ob ein solcher Ausschluss auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber einem Verbraucher vereinbart werden kann, oder ob darin eine unzulässige Vertragsstrafe i.S.v. § 309 Nr. 6 BGB liege (vgl. hierzu Maaß in: BeckOK BGB, ErbbauRG [01.08.2023], § 32 Rn. 3; Weiß in: MünchKomm BGB, 9. Aufl., § 32 ErbbauRG Rn. 13; Rapp in: Staudinger, ErbbauRG [2021], § 32 Rn. 5a mit § 27 Rn. 8d-g; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht, 7. Aufl., § 4 Rn. 116; zu § 27 ErbbauRG BGH, Urt. v. 23.11.2018 - V ZR 33/18 Rn. 13 ff.). Die gesetzliche Wertung spreche dafür, dass es einer Gemeinde im Grundsatz möglich sei, die Vergütung für das Erbbaurecht beim Heimfall gänzlich auszuschließen. Dies erscheine – so der Senat – auch sachgerecht. Denn der Heimfall trete, anders als der Fall des Erlöschens durch Zeitablauf (§ 27 Abs. 1 ErbbauRG), nach den vertraglichen Regelungen regelmäßig nur ein, wenn der Erbbauberechtigte gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt. Dass in diesen Fällen jedenfalls die Begrenzung der Vergütung auf eine Entschädigung für das Bauwerk möglich sein müsse, liege auf der Hand, denn es wäre nicht einzusehen, weshalb dem Erbbauberechtigten bei einem auf seinem Vertragsverstoß beruhenden Heimfall daneben zwingend auch noch ein Ersatz für das Nutzungsrecht am Grund und Boden gezahlt werden müsste. Der Umstand, dass der Heimfall regelmäßig durch einen Vertragsverstoß des Erbbauberechtigten ausgelöst werde, spreche aber darüber hinaus auch für die Zulässigkeit des vollständigen Ausschlusses der Heimfallvergütung in Verträgen von Gemeinden als Grundstückseigentümern. Denn der Erbbauberechtigte habe es bei einer solchen vertraglichen Gestaltung selbst in der Hand, den entschädigungslosen Heimfall zu vermeiden, und könne sich darauf einstellen, dass er keine Vergütung für seine Investitionen erhält, wenn er seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt. Dies lässt den entschädigungslosen Heimfall im Grundsatz als ein dem Erbbauberechtigten zumutbares Ergebnis seines eigenen Handelns erscheinen. Es erscheine daher nicht als unangemessen, wenn eine Gemeinde als Grundstückseigentümerin in einem Erbbaurechtsvertrag mit einem Privaten die Heimfallvergütung ausschließt (so im Ergebnis auch Nagel, ErbbauZ 2022, 181, 183; Schlögel, MittBayNot 2023, 525, 528; Grziwotz, NotBZ 2023, 116). Die Annahme des Berufungsgerichts, der Ausschluss der Vergütung verstoße gegen das Angemessenheitsgebot aus § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB und die Regelung über den Heimfall sei nur mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass die gesetzliche Vergütungsregelung greife, stelle sich somit als rechtsfehlerhaft dar.
Allerdings führt nach Auffassung des Senates der Ausschluss der Heimfallvergütung dazu, dass die Geltendmachung des Heimfallanspruchs einer strengen Ausübungskontrolle im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des gemeindlichen Handelns unterliegt. Der Heimfall dürfe im Ergebnis nicht dazu führen, dass der private Erbbauberechtigte für seinen Verstoß gegen vertragliche Pflichten übermäßig sanktioniert werde, weil sich der vergütungslose Heimfall dann der Sache nach als unangemessene Vertragsstrafe darstellen würde. Somit habe die Gemeinde bei der Ausübung ihres Ermessens einerseits Art und Bedeutung des Heimfallgrundes in den Blick zu nehmen, namentlich die Schwere des Vertragsverstoßes des Erbbauberechtigten, und andererseits die Folgen, die der vergütungslose Heimfall für den Erbbauberechtigten hätte. Beides müsse in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Die Forderung nach der vergütungslosen Rückübertragung des Erbbaurechts könne sich insbesondere dann als unverhältnismäßig darstellen, wenn der Heimfall nicht auf einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Erbbauberechtigten beruhe, das Bauwerk ganz oder weitestgehend fertiggestellt sei, der Erbbauberechtigte erhebliche Investitionen getätigt habe und die Gemeinde absehbar in der Lage sein werde, das Bauwerk anderweitig zu nutzen oder zu verwerten. Ersichtlich unverhältnismäßig wäre es etwa, wenn der Erbbauberechtigte allein aufgrund eines Verstoßes gegen eine Nebenpflicht, etwa die Pflicht, das Bauwerk in stets gutem Zustand zu erhalten – deren Verletzung vorliegend ebenfalls einen Heimfallgrund darstellt (Abschn. II Ziff. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbbV) –, getätigte Investitionen in Millionenhöhe entschädigungslos verlöre, ohne dass zuvor auf andere Weise, etwa durch die Geltendmachung einer Vertragsstrafe, versucht worden wäre, ihn zur Wahrnehmung seiner Pflichten anzuhalten. Andererseits sei die Gemeinde nicht verpflichtet, auch schwere und/oder andauernde Vertragsverletzungen des privaten Erbbauberechtigten hinzunehmen, nur weil dieser erhebliche Summen in das Bauwerk investiert habe und die Vergütung für das Erbbaurecht beim Heimfall zulässigerweise ausgeschlossen wurde.


C.
Kontext der Entscheidung
Die in jeder Hinsicht lesenswerte Entscheidung, deren wesentliche Passagen daher zuvor auch nahezu im Wortlaut wiedergegeben sind, bringt zunächst Rechtsklarheit im Hinblick auf die Möglichkeit für Gemeinden, bei der Bestellung eines Erbbaurechts sogar einen vergütungslosen Heimfall zu vereinbaren, wenn die auferlegte Bauverpflichtung durch den Erbbauberechtigten nicht oder nicht fristgerecht erfüllt wird. Dies ergibt sich indirekt aus § 32 ErbbauRG i.V.m. § 2 Ziff. 1 ErbbauRG. Zu Recht weist der Senat zur Begründung dieses auf den ersten Blick harten Ergebnisses darauf hin, dass die Gemeinde mit der Ausgabe eines Erbbaurechts in aller Regel gerade das Ziel verfolgt, das Grundstück einer Nutzung zuzuführen, die öffentlichen Zwecken dient. Die Ausgabe von Erbbaurechten stellt also neben der Bauleitplanung, dem gemeindlichen Vorkaufsrecht und sonstigen rechtlichen „Instrumenten“ eine weitere Säule zur Regelung und Steuerung der innerstädtischen Entwicklung dar.
Zunächst sollte mit Einführung des Erbbaurechts mittels der ErbbauVO a.F. am 15.01.1919 die große Wohnungsnot nach dem 1. Weltkrieg gelindert werden, indem breiteren Bevölkerungsschichten eine Nutzung von Grund und Boden – ohne dessen Erwerb – ermöglicht werden sollte. Zudem sollte der Bodenspekulation entgegengewirkt werden. Das Erbbaurecht sollte aber vor allem von den Gemeinden als Mittel zur gezielten Wohnungs- und Bodenpolitik genutzt werde (vgl. amtliche Begründung zur ErbbauVO, Deutscher Bundesanzeiger 1919 Nr. 26, 1. Beilage). Auch nach dem 2. Weltkrieg wurden durch die Städte und Gemeinden Erbbaurechte in erheblichem Umfang zu diesem Zweck ausgegeben. In der Stadt Wolfsburg ist zum Beispiel noch heute fast ein Viertel der Fläche mit Erbbaurechten belastet, obwohl die Stadt seit Ende der 90er Jahre – wohl mangels Nachfrage – keine Erbbaurechte mehr ausgibt (vgl. hierzu Handschumacher, Immobilienrecht praxisnah, S. 61 f. m.w.N., 2. Auflage 2019, Springer Vieweg). In letzter Zeit dient die Ausgabe von Erbbaurechten zunehmend dazu, größere Bau- und Infrastrukturprojekte zu befördern oder erst zu ermöglichen. Als Beispiele wären zu nennen, das Flughafen Airport Center in Frankfurt, die Allianz-Arena in München, der Jade-Weser-Port in Wilhelmshafen oder das Tennisstadion Rothenbaum in Hamburg.
Es ist daher im Hinblick auf den städteplanerischen Zweck der Ausgabe von Erbbaurechten durch Gemeinden nicht zu beanstanden, dass der BGH es für weitestgehend zulässig erachtet, die Bestellung des Erbbaurechts davon abhängig zu machen, dass sich der Erbbauberechtigte zu der Errichtung der baulichen Anlage verpflichtet, da gerade dies aus gemeindlicher Sicht gewollt ist, um die den öffentlichen Interessen dienende Nutzung zu ermöglichen, und für den Fall, dass er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, diese Vertragsverletzung durch einen vergütungslosen Heimfall sanktioniert wird.
Dass eine solche Vereinbarung und deren Ausübung an durchaus strenge Voraussetzungen zu knüpfen ist, ist ebenfalls nachvollziehbar und ergibt sich direkt oder mittelbar aus § 11 Abs. 2 BauGB. Der BGH dekliniert dies im Rahmen der Entscheidung zunächst auch Punkt für Punkt und mit überzeugenden Argumenten durch (zustimmend vgl. Maaß in: BeckOK BGB, 69. Ed. 01.02.2024, § 32 ErbbauRG Rn. 1-3.).
Überraschend führt der Senat dann aber, ohne dass der zu entscheidende Fall hierzu konkreten Anlass gab, zu Voraussetzungen aus, unter denen eine Ausübung des Heimrechts ohne Zahlung einer Vergütung der vorzunehmenden strengen Ausübungskontrolle nicht standhalten würde (vgl. auch 2. Leitsatz). Die – nach der gewählten Formulierung – kumulativen Voraussetzungen sind: 1. dass der Heimfall nicht auf einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Erbbauberechtigten beruht, 2. das Bauwerk ganz oder weitestgehend fertiggestellt ist, 3. der Erbbauberechtigte erhebliche Investitionen getätigt hat und 4. die Gemeinde absehbar in der Lage sein wird, das Bauwerk anderweitig zu nutzen oder zu verwerten. Hier drängt sich allerdings die Frage auf, ob der BGH die Rechtslage nicht eher verunklart denn Rechtsklarheit schafft, weil die aufgestellten Kriterien für eine anzunehmende Unverhältnismäßigkeit sich im konkreten Einzelfall i.d.R. allein schon aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB herleiten und begründen ließen.
Es stellt sich zunächst schon die Frage, wer denn was im Streitfall prozessual vorzutragen und zu beweisen hat. Grundsätzlich wäre es ja so, dass der Erbbauberechtigte die Voraussetzungen für eine Unverhältnismäßigkeit der Ausübung des vertraglich vereinbarten vergütungslosen Heimfalls dazulegen und zu beweisen hätte, also die für ihn günstigen Voraussetzungen. Der Beweis einer negativen Tatsache, also insbesondere das Nichtvorliegen einer schweren Vertragsverletzung, ist aber kaum möglich, dürfte also letztlich dazu führen, dass die Gemeinde zumindest die sekundäre Vortrags- und Beweislast diesbezüglich trifft. Was als eine schwere Vertragsverletzung i.S.d. BGH zu verstehen ist, bleibt ansonsten offen. Dass der Verstoß nur gegen eine vertragliche Nebenpflicht keinen vergütungslosen Heimfall rechtfertig, so wie der Senat beispielhaft ausführt, dürfte eigentlich selbstverständlich sein. Genügt aber bereits eine schlichte Überschreitung der vertraglich vereinbarten Frist für die Bauwerkserstellung? Muss die Fristüberschreitung verschuldet sein, wie bei der Verwirkung einer Vertragsstrafe oder müssen sogar noch erschwerende Umstände hinzutreten? All dies lässt sich dem obiter dictum des Senates nicht entnehmen.
Fraglich ist auch, was unter einer weitestgehenden Fertigstellung zu verstehen ist. Bedeutet diese eine Abnahmereife analog § 640 BGB, gar eine Fertigstellung i.S.d. MaBV oder genügt ein Fertigstellungsgrad von z.B. 80% bis 90%?
Die gleiche Schwierigkeit besteht auch bei der Frage, was erhebliche Investitionen sind. Nach welchem Maßstab richtet sich das? Wie stellt sich z.B. die Rechtslage dar, wenn der Erbbauberechtigte nur einen sehr niedrigen Erbbauzins gezahlt, aber schlecht gewirtschaftet hat oder er das Bauvorhaben in erheblichem Umfang durch Subventionen, Beihilfen und Spenden finanziert hat? Für solche Fälle dürften wohl andere Kriterien anzulegen sein als für den „Normalfall“ (so auch Heckschen, Anm. zu BGH, Urt. v. 19.01.2024 - V ZR 191/22 - ZIP 2024, 798).
Schließlich bleibt auch offen, wann die Voraussetzung erfüllt ist, dass die Gemeinde absehbar in der Lage ist, das Bauwerk anderweitig zu nutzen oder zu verwerten. Wie manifest muss diese Nutzungs- bzw. Verwertungsmöglichkeit sein, zu welchem Zeitpunkt muss sie vorliegen und welche Anstrengungen muss die Gemeinde unternehmen, damit feststeht, dass eine solche Möglichkeit nicht, noch nicht oder nicht mehr besteht? Für einen Moschee- oder sonstigem Sakral- oder Spezialbau, selbst wenn ein solcher mit erheblichen Mitteln (weitestgehend) fertiggestellt ist, dürfte für eine Gemeinde wohl kaum eine zumutbare Nutzungs- oder Verwertungsmöglichkeit bestehen. Der Gemeinde würde zudem ein finanzielles Risiko aufgebürdet, dass sie weder absehen noch beeinflussen kann. Das wirtschaftliche Risiko einer Fehlinvestition kann also – von ganz besonders gelagerten Ausnahmen abgesehen – sicherlich nur beim Erbbauberechtigten verbleiben.
Letztlich wird es also immer wieder auf den konkreten Einzelfall ankommen, bei dem zu beurteilen sein wird, ob das Ergebnis eines vergütungslosen Heimfalls mit dem Prinzip von Treu und Glauben schlechterdings unvereinbar wäre. Die vom Senat aufgestellten Kriterien sind insoweit eher redundant.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die notarielle und anwaltliche Beratungspraxis stellt sich im Hinblick auf das obiter dictum des Senates die Frage, ob die Kriterien, die den vergütungslosen Heimfall rechtfertigen, vertraglich in den Griff zu bekommen sind. Dies dürfte wohl zu verneinen sein, weil ansonsten sämtliche Fallvarianten mit zu berücksichtigen wären, was den Erbbaurechtsvertrag nur überfrachten und im Streitfall neuen Fragen aufwerfen würde. Gleichwohl sollte darauf geachtet werden, dass zumindest die vom Erbbauberechtigten zu erfüllenden Verpflichtungen klar und unmissverständlich formuliert werden, insbesondere was einzuhaltende Dimensionen, Qualitäten, Nutzungsarten und Fristen angeht. Damit einhergehend sollte im Erbbaurechtsvertrag auch deutlich zum Ausdruck kommen, welche Interessen die Gemeinde mit der Ausgabe des Erbbaurechts verfolgt, bzw. welchen öffentlichen Interessen die Errichtung des Gebäudes oder der erbbaurechtsfähigen Anlage dienen soll. Damit ließe sich auch einer drohenden Insolvenzanfechtung gemäß den §§ 129 ff. InsO begegnen, für den Fall, dass der Erbbauberechtige nach dem Heimfall in Insolvenz fällt (vgl. Heckschen, Anm. zu BGH, Urt. v. 19.01.2024 - V ZR 191/22 - ZIP 2024, 798; Weiß in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2023, § 32 ErbbauRG Rn. 14; BGH, Urt. v. 19.04.2007 - IX ZR 59/06). Die Beratung des Erbbauberechtigten kann ersichtlich nur dahin gehen, ihm aufzuzeigen, welche wirtschaftlichen Risiken er eingeht, wenn die Umsetzung des Investitionsvorhabens nicht gesichert ist. Das Risiko des Totalverlustes muss aufgezeigt werden, selbst wenn der BGH mit der vorliegenden Entscheidung unter bestimmten Voraussetzungen den vergütungslosen Heimfall ausnahmsweise für unzulässig erachtet.



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