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Anmerkung zu:OLG Düsseldorf 5. Zivilsenat, Urteil vom 30.11.2023 - I-5 U 33/23
Autor:Hans Christian Schwenker, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Erscheinungsdatum:07.01.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 645 BGB, § 649 BGB, § 643 BGB, § 634 BGB, § 280 BGB, § 281 BGB, § 287 ZPO, § 648a BGB, § 648 BGB, § 320 BGB, § 650f BGB
Fundstelle:jurisPR-PrivBauR 1/2025 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Bernd Siebert, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Zitiervorschlag:Schwenker, jurisPR-PrivBauR 1/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

§ 650f Abs. 5 Satz 2 BGB: Abrechnung nach Unternehmerkündigung bei Mängeln



Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Kündigt der Unternehmer den Bauvertrag, nachdem er dem Besteller erfolglos eine Frist zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung gesetzt hat, steht ihm eine Vergütung für erbrachte Leistungen nur insoweit zu, als er die Leistung tatsächlich erfüllt, also mangelfrei erbracht hat.
2. Zum Kündigungszeitpunkt vorhandene Mängel beschränken (zunächst) den Umfang des dem Unternehmer für die erbrachten Leistungen zustehenden Vergütungsanspruchs. Er hat insoweit die Wahl, entweder die Mängel zu beseitigen und die volle Vergütung zu erlangen, oder sich ohne Mängelbeseitigung auf eine gekürzte Vergütung zu beschränken.



A.
Problemstellung
§ 650f Abs. 5 Satz 2 BGB (früher: § 648a Abs. 5 BGB) bestimmt, dass der Unternehmer nach Kündigung wegen nicht gestellter Sicherheit berechtigt ist, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt. Wie zum Kündigungszeitpunkt vorhandene Mängel bei der Bemessung der Vergütung zu berücksichtigen sind, hatte das OLG Düsseldorf zu entscheiden.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Restwerklohn nach Kündigung für die Herstellung eines Wärmedämmverbundsystems an dem Mehrfamilienhaus des Beklagten in Gesamthöhe von 7.668,28 Euro. Nachdem der Beklagte eine ausstehende Sicherheit nicht geleistet hatte, setzte die Klägerin im September 2016 ihren Anspruch auf Sicherheitsleistung i.H.v. 5.500 Euro gerichtlich durch. Mit Schreiben vom 23.03.2017 kündigte die Klägerin sodann wegen der ausstehenden Sicherheitsleistung den Vertrag hinsichtlich etwaiger Restleistungen. Zugleich wies sie darauf hin, dass die Kündigung nicht die von dem Beklagten erhobenen Mängelrügen betreffe und auch nicht solche, welche während des Laufes der Gewährleistungsfrist noch auftreten könnten. Zugleich setzte die Klägerin dem Beklagten erneut eine Frist zur Stellung einer Sicherheit i.H.v. nunmehr 8.435,11 Euro. Nachdem der Beklagte diese nicht erbrachte, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 20.04.2017 den Vertrag sodann auch hinsichtlich etwaiger Mängel- und Gewährleistungsansprüche. Sie ist der Ansicht gewesen, ihr stehe die volle Vergütung auch insoweit zu, als Mängel bestünden und sie letztlich nach ihrer zweiten, auf die Mängelbeseitigung bezogenen Kündigung keine Mängelbeseitigung mehr habe erbringen müssen und erbracht habe. Hierzu hat sie bestritten, aufgrund der nicht durchgeführten Arbeiten zur Mängelbeseitigung etwas erspart zu haben. Auch habe sie hierdurch keine Füllaufträge generieren können oder in ihren Auftragsbüchern bereits befindliche Aufträge vorziehen können. Vielmehr hätte sie die Mängelbeseitigung durch nicht ausgelastetes Personal durchführen lassen können. Bis auf Materialkosten i.H.v. insgesamt 430 Euro, die zudem auch nicht berechtigte Mängelrügen des Beklagten umfasst hätten, wäre die Mangelbeseitigung für sie kostenneutral gewesen. Der Beklagte hat in erster Instanz die Berechtigung der Klageforderung als solche bestritten. Zudem hat er bestehende Mängel geltend gemacht und ist insoweit der Ansicht gewesen, dass jedenfalls die zur Mängelbeseitigung aufzuwendenden Kosten von einem eventuell ausstehenden Werklohn in Abzug zu bringen seien.
Das Landgericht hat der Klage i.H.v. 6.198,28 Euro stattgegeben und sie wegen eines weiteren Betrages von 1.470 Euro abgewiesen. Die Klägerin müsse sich von dem ihr grundsätzlich gemäß § 648a Abs. 5 BGB a.F. vollständig zustehenden Werklohn i.H.v. 7.668,28 Euro wegen bestehender Mängel 1.470 Euro in Abzug bringen lassen. Sie habe den Vertrag nach Ablauf der zur Sicherheitsleistung gesetzten Frist gemäß § 648a Abs. 5 BGB a.F. wirksam gekündigt. Soweit sie eigentlich Leistungen zur Mängelbeseitigung geschuldet habe, seien diese nach der zweiten Kündigung nicht mehr zu erbringen gewesen; dies müsse sich die Klägerin gemäß § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB a.F. anrechnen lassen. Der Abzug bestehe, wenn eine Mängelbeseitigung möglich sei und nicht wegen unverhältnismäßig hoher Kosten verweigert werden könne, in Höhe des Aufwands, der für die Beseitigung des Mangels anfalle, ansonsten in Höhe des mangelbedingten Minderwerts des Werkes. Daher sei es nicht maßgeblich, ob die Klägerin etwaige anderweitige Füllaufträge akquiriert habe. Vielmehr müsse sich die Klägerin 1.470 Euro an objektiven Mangelbeseitigungskosten und als mangelbedingten Minderwert anrechnen lassen.
In der Berufungsinstanz beschränkt sich der Streit darauf, was im Rahmen einer Kündigung nach § 648a Abs. 5 BGB (jetzt: § 650f Abs. 5 BGB n.F.) bei bestehenden Mängeln nach erneutem erfolglosem Sicherheitsverlangen und hierauf gestützter weiterer Kündigung in Bezug auf zunächst bestehende Mängelrechte in Abzug zu bringen ist. Insoweit ist die Klägerin der Ansicht, es sei fehlerhaft, Abzüge in Höhe des mangelbedingten Minderwertes zu berücksichtigen. Berücksichtigungsfähig seien lediglich solche in Höhe der ersparten Aufwendungen sowie des anderweitigen (böswillig unterlassenen) Erwerbs.
Diese Einschätzung teilt der Senat nicht. Der für bereits erbrachte Leistungen begründete Vergütungsanspruch bleibt bei Kündigung des Unternehmers nach § 648a Abs. 5 BGB durch im Kündigungszeitpunkt vorhandene Mängel beschränkt. Im Ergebnis gilt danach in Bezug auf die Vergütung des Unternehmers, dass zum Kündigungszeitpunkt vorhandene Mängel den Umfang seines ihm für die erbrachten Leistungen zustehenden Vergütungsanspruchs (zunächst) beschränken. Der Unternehmer hat insoweit die Wahl, entweder die Mängel zu beseitigen und die volle Vergütung zu erlangen oder sich aber ohne Mängelbeseitigung auf eine gekürzte Vergütung zu beschränken. Der Unternehmer kann auf diese Weise auch insoweit eine endgültige Abrechnung herbeiführen, als er seine Leistung mangelhaft erbracht hat. Umstritten ist, ob auch die Kürzung der Vergütung für die entfallene Mängelbeseitigung ihrerseits nach dem System des § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB – respektive § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB – zu ermitteln ist. Begründet wird diese Ansicht insbesondere damit, dass hinsichtlich der Mängelrechte eine weitere Kündigung erfolgt und dementsprechend die Regelungen insoweit ein weiteres Mal zur Anwendung zu kommen hätten (Nachweise Rn. 28). Nach anderer Ansicht erfolgt eine Berechnung wie im Abrechnungsverhältnis. Diese Ansicht wird damit begründet, dass dem Unternehmer nach einer Vertragskündigung gemäß § 648a Abs. 5 BGB hinsichtlich des Teils der bereits erbrachten Werkleistungen lediglich insoweit eine Vergütung zustehen kann, soweit er die Leistung tatsächlich erfüllt – also mangelfrei erbracht – hat. Im Ergebnis bedeute das, dass der Vergütungsanspruch um den infolge des Mangels entstandenen Minderwert zu kürzen ist, wenn sich der Unternehmer dazu entscheide, keine Mängelbeseitigung zu erbringen (Nachweise Rn. 29).
Dieser letztgenannten Ansicht schließt der Senat sich an. Die Möglichkeit des Unternehmers, eine endgültige Abrechnung herbeizuführen, hat der BGH zu § 648a BGB entwickelt: „Würde dem Unternehmer der uneingeschränkte Anspruch auf Vergütung eingeräumt, führte das dazu, dass er die volle Vergütung erhielte, obwohl seine Leistung mangelhaft ist. Dieses Ergebnis ist unangemessen. ... Dem Interesse des Unternehmers wird vielmehr in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Systematik ausreichend Rechnung getragen, wenn er sich von seiner Verpflichtung lösen und die geminderte Vergütung verlangen kann. ... Dem Unternehmer muss die Wahl bleiben, ob er den vollen Werklohn durchzusetzen will oder ob er die geminderte Vergütung in Anspruch nimmt. Hat er eine angemessene Nachfrist gesetzt und ist diese fruchtlos abgelaufen, kann er allerdings nur noch die geminderte Vergütung geltend machen.“ (BGH, Urt. v. 22.01.2004 - VII ZR 183/02 Rn. 22). Diese Erwägungen gelten nach der Änderung des § 648a BGB fort. Insoweit kann keine entsprechende Anwendung des § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB in Betracht kommen, da dieser lediglich die Folgen für den infolge der Kündigung nicht erbrachten Leistungsteil nach Kündigung regelt, während demgegenüber vorliegend die Vergütung für erbrachte – aber mangelhafte – Leistungen infrage steht. Soweit diese mangelhaft sind, sind sie weniger wert und entsprechend geringer zu vergüten.
Entgegen der von der Klägerin angeführten Ansicht kann die Folge des „Wegkündigens“ der Mängelansprüche damit weiterhin nicht darin liegen, dass der Unternehmer sich allein die ersparten Aufwendungen sowie (böswillig unterlassenen) anderweitigen Erwerb in Abzug bringen lassen muss. Begründet wird diese Ansicht damit, dass eine solche Rechtsfolge in § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB und dem Regelungszweck des Forderungssicherungsgesetzes, das den Unternehmer schützen solle, angelegt sei. Hierdurch sei die zu § 648a BGB in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung ergangene Rechtsprechung des BGH überholt. Diese Bewertung teilt der Senat nicht. Zutreffend ist insoweit, dass der vormals in § 648a BGB der damaligen Fassung enthaltene Verweis auf § 643 BGB nicht mehr herangezogen werden kann. Dies ändert indes nichts daran, dass § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB in der vorliegend maßgeblichen Fassung (wie auch im § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB in der aktuellen Fassung) Regelungen zu einer vereinbarten Vergütung verhält. Eine solche gibt es für die zunächst geschuldete und durch die zweite Kündigung nicht mehr zu erbringende Nachbesserung nicht. Entgegen der Ansicht, auf die die Klägerin sich stützt, kann daher nicht § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB einfach ein weiteres Mal angewendet werden mit einer aufgrund seines Wortlautes zwingenden Rechtsfolge. Vielmehr liegt eine Situation von, die rechtlich durch die Regelung des § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB (und nun § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB) nicht unmittelbar erfasst ist. Nach Ansicht des Senats kommt eine entsprechende Anwendung nicht in Betracht. Die Wertung und damit die Regelung des § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB ist nicht übertragbar auf zur Mängelbeseitigung geschuldete Leistungen, denen gerade keine weitere Vergütungspflicht gegenübersteht. Insbesondere kann der Gesetzesbegründung nicht entnommen werden, dass der Unternehmer für mangelhafte Leistungen dennoch eine nicht oder nur um seine ersparten Aufwendungen und seinen (böswillig unterlassenen) sonstigen Erwerb gekürzte Vergütung erhalten soll. Vielmehr heißt es in der Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 648a Abs. 5 BGB: „Durch die Änderungen des § 648a BGB soll die Bauhandwerkersicherung effektiver ausgestaltet werden. ... § 648a Abs. 5 BGB-E entspricht funktionell dem bisherigen Absatz 5. Die Regelung wird aber technisch neu gestaltet. Der bisherige Absatz 5 nimmt auf die §§ 643 und 645 BGB Bezug, die sich für den Unternehmer vor allem in der Situation nach der Abnahme als nicht praktisch erweisen. Der Unternehmer ist nach bisherigem Recht gezwungen, dem Besteller eine Frist zur Stellung der Sicherheit zu bestimmen. Wurde die Sicherheit nicht fristgerecht erbracht, galt der Vertrag nach § 643 Satz 2 BGB als aufgehoben. Das ist für den Unternehmer vor allem dann ungünstig, wenn er seine Werkleistung erbracht hat und der Besteller Mängel einwendet. Deshalb soll der Unternehmer die Wahl erhalten, ob er die Sicherheit trotz Fristablaufs weiterhin verlangt oder vom Vertrag zurücktritt. Im Falle des Rücktritts soll ihm ein dem § 649 BGB entsprechender Anspruch zustehen, der dem Unternehmer die vereinbarte Vergütung unter Anrechnung des Ersparten bzw. des durch anderweitigen Einsatz böswillig nicht Erzielten zuspricht. Diese Kündigungsfolgen im Gegensatz zu denen des § 643 BGB, der die Vergütung auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen beschränkt, sind angemessen.“ (BT-Drs. 17/511). Aus dieser Gesetzesbegründung wird deutlich, dass eine Neuregelung zum Schutz des Unternehmers angestrebt wurde, indem die bis dahin bestehende Beschränkung der Vergütung auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen ersetzt werden sollte.
Dass darüber hinaus zugleich eine Änderung der vom BGH entwickelten Art der Berechnung der Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen herbeigeführt werden sollte, ist dagegen der Begründung nicht zu entnehmen. Eine solche Änderung erscheint dem Senat auch nicht angezeigt. Vielmehr behalten die wertenden Argumente, die der BGH für seine zur alten Rechtslage entwickelte Rechtsprechung herangezogen hat, ungeachtet der Regelung des § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB/§ 650f Abs. 5 Satz 2 BGB ihre Gültigkeit. Denn diese neue Vergütungsregelung betrifft die vereinbarte Vergütung für eigentlich geschuldete, aber aufgrund der Kündigung entfallene zukünftige Leistungen. Demgegenüber sind hier Mängelbeseitigungsansprüche bezüglich bereits erbrachter Leistungen zu bewerten, denen eben keine eigene Vergütung mehr gegenübersteht. Eine Übertragbarkeit der Regelung auf die vorliegende Interessenlage erschließt sich dem Senat damit nicht. Dies gilt umso mehr, als der von der Klägerin bemühte Sinn und Zweck des Forderungssicherungsgesetzes zwar darin besteht, den Unternehmer zu sichern und vor Forderungsausfall zu schützen. Dies beinhaltet es indes nicht, ihm für mangelhafte Leistungen einen ungekürzten oder allein um seine ersparten Aufwendungen und (böswillig unterlassenen) anderweitigen Erwerb gekürzten Werklohn zuzuerkennen. Die Mängelbeseitigung wäre mit dem Werklohn für die erbrachte Leistung auch abgegolten. Die durch die Gesetzesänderung gewollte Besserstellung des Unternehmers ergibt sich bereits daraus, dass der Unternehmer die Mängel der erbrachten Leistungen beseitigen kann, um für die bis zum Kündigungszeitpunkt erbrachten Werkleistungen den vollständigen Werklohn zu erhalten, ohne gezwungen zu sein, entweder noch weitere – ungesicherte Leistungen – hinsichtlich des gekündigten Teils des Werkvertrages zu erbringen oder aber den hierauf bezogenen Anteil seines Werklohns zu verlieren.
Zudem kann der Unternehmer bis zu dem Zeitpunkt, in dem er seine Wahl trifft, jegliche Mängelbeseitigung verweigern, solange der Besteller weiterhin die Sicherheit nicht stellt. Hieraus ergibt sich indes kein Grund, dem Unternehmer für sein Werk als Folge seiner Wahl, die Mängel nicht zu beseitigen, den lediglich um seine ersparten Aufwendungen und seinen (böswillig) unterlassenen anderweitigen Erwerb gekürzten Werklohn zukommen zu lassen. Dies würde verkennen, dass anders als bezüglich des Teils der zukünftigen Leistungen nicht lediglich den Besteller der Vorwurf trifft, die Sicherheit nicht geleistet zu haben. Vielmehr hat zugleich der Unternehmer die Mängel seiner Leistung zu verantworten. Die Rechtsfolgen dennoch an § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB auszurichten, der allein das fehlende Stellen der Sicherheit durch den Besteller berücksichtigt und die ebenfalls vertragswidrige Leistung des Unternehmers nicht im Blick hat, erschiene nicht angemessen. Nach alledem sieht der Senat keinen Raum für die entsprechende Anwendung des § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB zur Bemessung der Abzüge für Mängel, gegen deren Beseitigung der Unternehmer sich entscheidet. Vielmehr ist wie auch sonst in Abrechnungsverhältnissen bezüglich bereits erbrachter, aber mangelhaft ausgeführter Leistungen der mängelbedingte Minderwert in Abzug zu bringen. Diesen schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf 1.470 Euro, die bereits das Landgericht in Abzug gebracht hat. Insoweit legt der Senat zugrunde, dass auch bei der Bemessung des Abzugs die Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigten ist, wonach Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß den §§ 634 Nr. 4, 280, 281 Abs. 1 BGB nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden darf. Indes hat der BGH klargestellt, dass in geeigneten Fällen der mangelbedingte Wertunterschied aus Gründen der Vereinfachung anhand fiktiver Mängelbeseitigungskosten gemäß § 287 ZPO geschätzt werden darf. Ausgeschlossen ist dies, wenn diese Kosten den Wertunterschied nicht mehr annähernd widerspiegeln. Vorliegend erscheint indes die Schätzung i.H.v. 1.470 Euro, die sich teilweise aus der Berücksichtigung fiktiver Mängelkosten und teilweise aus mangelbedingtem Minderwert zusammensetzt, auf der Basis der Ausführungen des Gutachters A. angemessen. Insbesondere hat der Gutachter differenzierend bezüglich der jeweiligen Mängel konkret ausgeführt, inwieweit die fiktiven Mängelbeseitigungskosten den Minderwert angemessen widerspiegeln und inwieweit diese demgegenüber den Minderwert übersteigen; insoweit hat bereits die Kammer lediglich einen Abzug für den Minderwert berücksichtigt. Dem schließt sich der Senat an.


C.
Kontext der Entscheidung
Das OLG Oldenburg ist – mit einem nach dem OLG Düsseldorf ergangenen Urteil – im entscheidenden Punkt anderer Auffassung: „Die Kündigungsvergütung gemäß § 650 f Abs. 5 S. 2 BGB bemisst sich an der vereinbarten Vergütung abzüglich infolge der Vertragsaufhebung ersparter Aufwendungen. Deswegen sind von der vereinbarten Vergütung die Aufwendungen abzuziehen, welche sich der Kläger infolge der durch die Kündigung entfallenen Mängelbeseitigung erspart hat. Nur so wird ausreichend berücksichtigt, dass die Beklagte durch ihre Vertragsverletzung in Form der unterbliebenen Sicherheitsleistung das Vertragsverhältnis gestört hat. Soweit also Mängel an Leistungen aus dem Vertrag ‚Einbauleistungen‘ festgestellt werden, hat der Kläger darzulegen, welche Selbstkosten der Mängelbeseitigung insoweit bei ihm angefallen wären. Erfüllt der Kläger diese Erstdarlegungslast, liegt im Falle des Bestreitens die Beweislast bei der Beklagten.“ (OLG Oldenburg, Urt. v. 05.03.2024 - 2 U 115/23 Rn. 65 - 66). Das OLG Düsseldorf nimmt eine grundsätzliche Bedeutung der Frage an, ob nach einer auf die Mängelbeseitigung bezogenen weiteren Kündigung des Bestellers wegen nicht geleisteter Sicherheit gemäß § 648a Abs. 5 BGB (§ 650f Abs. 5 BGB n.F.) die Vergütung um den mangelbedingten Minderwert der erbrachten Leistung zu kürzen ist oder lediglich ersparte Aufwendungen sowie (böswillig unterlassener) anderweitiger Erwerb des Unternehmers in Abzug zu bringen sind. Es hat deshalb die Revision zugelassen. Erfreulicherweise ist Revision auch eingelegt worden, so dass der BGH die Streitfrage demnächst entscheiden wird (VII ZR 236/23).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Leistet der Besteller die vom Unternehmer geforderte Sicherheit nicht, kann er den Unternehmer nicht zwingen, die Kündigung zu erklären, um die Pattsituation aufzulösen. Er ist auf die eigene Kündigung gemäß § 648 BGB verwiesen. Kündigt keine der Parteien, gilt: Vor der Abnahme kann der Unternehmer nur Abschlagszahlung beanspruchen. Wegen Mängeln kann sich der Besteller auf § 320 BGB berufen. In der Situation nach der Abnahme, in der ebenfalls Sicherheit verlangt werden kann (§ 650f Abs. 1 Satz 3 BGB), kann sich der Besteller wegen Mängeln ebenfalls auf § 320 BGB berufen. Der Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht gemäß § 320 BGB kann der Unternehmer nicht entgegenhalten, wegen fehlender Sicherheit zur Leistung/Nacherfüllung nicht verpflichtet zu sein. Allerdings reduziert sich der Einbehalt auf die einfachen Mängelbeseitigungskosten. Will der Besteller das Leistungsverweigerungsrecht beseitigen, muss er nach § 650f Abs 5 Satz 1 BGB den Vertrag hinsichtlich der Mängelbeseitigung kündigen und dafür die aus Absatz 5 Satz 2 folgenden Abzüge hinnehmen. Der Unternehmer hat somit die Wahl, entweder die Mängel zu beseitigen und die volle Vergütung zu erlangen oder aber ohne Mängelbeseitigung die um die Mängelbeseitigungskosten gekürzte Vergütung.



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