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Anmerkung zu:OLG Stuttgart 10. Zivilsenat, Beschluss vom 19.04.2023 - 10 U 33/23
Autor:Prof. Dr. Reinhold Thode, RiBGH a.D.
Erscheinungsdatum:04.06.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 650l BGB, Anlage 10 BGBEG, § 356e BGB, § 145 BGB, § 631 BGB, § 356 BGB, § 355 BGB, § 2022-05-2 BGBEG §, § 360 BGB, § 357a BGB, § 357e BGB, § 522 ZPO, BJNR006049896BJNE240701819, § 312 BGB, § 650i BGB, § 312b BGB, Art 246 BGBEG
Fundstelle:jurisPR-PrivBauR 6/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Bernd Siebert, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Zitiervorschlag:Thode, jurisPR-PrivBauR 6/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Widerrufsrecht des Verbrauchers: Wirksamkeit des Widerrufs eines Verbraucherbauvertrags sowie eines Planungsvertrages



Leitsätze

1. Der Verbraucher ist nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht nach § 650l BGB belehrt, wenn dem Verbraucherbauvertrag zwar eine Musterbelehrung nach Art. 249 § 3 Abs. 2 EGBGB i.V.m. Anlage 10 beigefügt ist, aber an hervorgehobener Stelle in den Vertragsunterlagen der unzutreffende Eindruck erweckt wird, das Widerrufsrecht müsse durch Verwendung eines bestimmten Formulars ausgeübt werden (Anschluss BGH, Beschl. v. 30.07.2015 - IV ZR 63/13 Rn. 14 und BGH, Urt. v. 16.12.2015 - IV ZR 71/14 Rn. 11).
2. Schließen die Parteien eines Verbraucherbauvertrags, der Planungsleistungen enthält, einen zusätzlichen Vertrag über im Bauvertrag enthaltene Planungsleistungen für den Fall der Ausübung eines vereinbarten Rechts zum Rücktritt vom Bauvertrag, begründet dies ein Widerrufsrecht nach § 356 Abs. 1 BGB, wenn der Planungsvertrag außerhalb von Geschäftsräumen i.S.v. § 312b Abs. 1 BGB geschlossen wird.
3. Zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit und Verwirkung im Falle der Ausübung des Widerrufsrechts innerhalb der gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB verlängerten Widerrufsfrist.



Orientierungssatz zur Anmerkung

Die in § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB geregelte Höchstfrist trägt bereits dem Interesse des Unternehmers, Rechtssicherheit über die Endgültigkeit des Vertragsschlusses zu erlangen, in ausreichendem Maße Rechnung. Sie bedarf daher grundsätzlich keiner Korrektur durch das Rechtsinstitut der Verwirkung; dies gilt jedenfalls dann, wenn zur bloßen Entgegennahme der vertraglichen Leistung durch den Verbraucher keine besonderen Umstände hinzukommen.



A.
Problemstellung
Das OLG Stuttgart hatte darüber zu entscheiden, ob der Verbraucher im Hinblick auf einen Verbraucherbauvertrag über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden ist und ob dem Verbraucher ein Widerrufsrecht hinsichtlich eines zusätzlich außerhalb von Geschäftsräumen abgeschossenen Vertrages über die im Bauvertrag enthaltene Planungsleistungen zusteht, den die Parteien für den Fall der Ausübung eines für den Bauvertrag vereinbarten Rücktritts abgeschlossen haben. Weiterhin hatte das Oberlandesgericht die Frage zu entscheiden, ob die Ausübung des Widerrufsrechts innerhalb der gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB verlängerten Widerrufsfrist rechtsmissbräuchlich sein kann oder ob der Einwand der Verwirkung begründet ist.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 14.02.2023 (3 O 152/22), durch einstimmigen Beschluss als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger schloss im Juli 2021 mit der Beklagten einen „Verbraucherbauvertrag“ und einen Planungsvertrag. Der Planungsvertrag enthielt den Zusatz „aufgrund Rücktrittsrechts-Verbrauchervertrag“.
Der Kläger erklärte den Widerruf hinsichtlich sämtlicher Vertragserklärungen und begehrt nun die Rückzahlung des aufgrund des Planungsvertrags bezahlten Honorars von 8.000 Euro. Die Beklagte hat die nach dem Planungsvertrag geschuldeten Leistungen erfüllt.
Das Landgericht kam zum Ergebnis, dass der Kläger seine Vertragserklärungen wirksam widerrufen habe. Ihm stehe ein Anspruch auf Rückzahlung des bezahlten Honorars zu, während die Beklagte keinen Wertersatzanspruch habe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht mit Zurückverweisungsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mit im Wesentlichen folgender Begründung entschieden, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe:
Das Landgericht kam zutreffend zum Ergebnis, dass dem Kläger aufgrund wirksamen Widerrufs seiner Vertragserklärungen ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung zusteht, dem die Beklagte keinen Wertersatzanspruch entgegensetzen kann, und dass der Kläger das ihm gemäß § 650l BGB zustehende Widerrufsrecht hinsichtlich des Verbraucherbauvertrags rechtzeitig ausgeübt hat.
Zwar war die an sich gemäß den §§ 355 Abs. 2, 650l BGB für die Ausübung des Widerrufsrechts geltende Zwei-Wochen-Frist ab Vertragsschluss abgelaufen; die Widerrufsfrist betrug jedoch gemäß den §§ 356e, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB zwölf Monate und 14 Tage ab Vertragsschluss, weil der Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.
Der Umstand, dass dem Bauvertrag eine Belehrung beilag, die dem nach Art. 249 § 3 Abs. 2 EGBGB i.V.m. Anlage 10 maßgeblichen Musterformular entspricht, genügt für eine den Anforderungen von Art. 249 § 3 EGBGB entsprechende Belehrung nicht. Denn die sich aus Art. 249 § 3 Abs. 2 EGBGB ergebende Vermutung, dass die Belehrung die Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, greift nicht, wenn zwar die Musterbelehrung verwendet wird, aber dies mit Ergänzungen oder Zusätzen verbunden wird, die hiervon abweichen und dazu dem Deutlichkeitsgebot des Art. 249 § 3 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zuwiderlaufen.
Dies ergibt sich daraus, dass der von den Parteien unterzeichnete „Verbraucherbauvertrag“ die folgende Passage enthält:
„Die Bauherrschaft hat das Recht, die auf den Abschluss dieses Vertrages gerichtete Willenserklärung innerhalb einer Frist von zwei Wochen unter Verwendung des als Anlage zu diesem Vertrag beigefügten Formulars, dessen Erhalt die Bauherrschaft hiermit bestätigt, zu widerrufen.“
Eine Widerrufsbelehrung ist aus der Sicht eines durchschnittlichen Kunden auszulegen. Die Formulierung „unter Verwendung des als Anlage zu diesem Vertrag beigefügten Formulars“ im Bauvertragsformular kann ein durchschnittlicher Kunde nur so verstehen, dass für die Ausübung des Widerrufsrechts ein bestimmtes Formular verwendet werden muss. Ein Formular stellt eine vorgedruckte Erklärung dar, die ggf. durch Ausfüllen der hierfür vorgesehenen Felder individualisiert werden kann. Bei diesem Verständnis ist die Widerrufsbelehrung unzutreffend, da der Widerruf nach § 355 Abs. 1 BGB in der seit 13.06.2014 geltenden Fassung im Gegensatz zur früheren Rechtslage formfrei und damit ohne Verwendung eines bestimmten Formulars erklärt werden kann.
Eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung wird nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten, sofern der von der Rechtslage bzw. der Musterbelehrung abweichende Hinweis nicht geeignet ist, den Verbraucher von der rechtzeitigen Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass die zitierte Passage zur Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung führt:
Der unzutreffende Hinweis über die Modalitäten der Ausübung des Widerrufsrechts befand sich nicht an untergeordneter, sondern an hervorgehobener Stelle.
Sie befand sich in dem einseitigen Schriftstück, das mit „Verbraucherbauvertrag nach BGB“ unterschrieben war. Dieses beinhaltete die persönlichen Daten des Bauherrn, die Baustellenanschrift, die Auflistung der Vertragsunterlagen und den vereinbarten Festpreis. Zwischen dem Festpreis und den Unterschriften der Vertragsparteien befand sich die oben zitierte Passage sowie ein weiterer Absatz, der zwar nicht auf den vorgelegten Anlagen K2 und K3, aber auf dem im Protokoll vom 22.12.2022 vorgelegten Leerformular lesbar ist und ein Rücktrittsrecht der Beklagten regelt. Bei diesem Schriftstück handelt es sich demnach um die zentrale Vertragsurkunde, aus der sich der Vertragsgegenstand ergibt, sowie, aus welchen darin ausdrücklich genannten Unterlagen sich die Einzelheiten der geschuldeten Bauleistung ergeben. Aufgrund des Umstandes, dass sich die zitierte Passage in diesem nur eine Seite umfassenden zentralen Vertragsdokument befand, war kein Fettdruck oder eine sonstige drucktechnische Hervorhebung erforderlich, um diese Passage als bedeutende Regelung auf den ersten Blick erkennbar hervorzuheben. Der Umstand, dass in dieser Vertragsurkunde das Zusatzblatt mit der Widerrufsbelehrung nicht ausdrücklich erwähnt wurde, kann zudem den Eindruck erwecken, dass der Widerspruch zwischen der Widerrufsbelehrung und der zitierten Passage dahin gehend aufzulösen ist, dass die in der Vertragsurkunde enthaltene Passage maßgeblich sein soll. Schon aufgrund dieses Umstandes ist die von der Rechtslage abweichende Information über die Ausübung des Widerrufsrechts in der Vertragsurkunde geeignet, einen Verbraucher davon abzuhalten, seine Vertragserklärung zu widerrufen. Diese Gefahr wird noch dadurch verstärkt, dass diese Passage aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers dahin gehend verstanden werden muss, dass er den Widerruf nicht nur unter Verwendung eines bestimmten Formulars erklären muss, sondern er auch bestätigt, dieses Formular bereits erhalten zu haben; dies kann beim Verbraucher den Eindruck erwecken, dass er zur Erklärung eines wirksamen Widerrufs nicht in der Lage ist, weil er einerseits durch seine Unterschrift bestätigt hat, das dazu erforderliche Formular erhalten zu haben, über dieses aber tatsächlich nicht verfügt.
Die inhaltlich fehlerhafte Widerrufsbelehrung führt gemäß § 356e Satz 2 BGB dazu, dass die Widerrufsfrist nicht gemäß § 355 Abs. 2 BGB zwei Wochen ab Vertragsschluss endete; vielmehr erlischt das Widerrufsrecht in diesem Fall erst zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss. Der Kläger hat den Widerruf innerhalb dieser Frist erklärt.
Darüber hinaus stand dem Kläger hinsichtlich des Planungsvertrags ebenfalls ein Widerrufsrecht zu, das er rechtzeitig ausgeübt hat.
Der Kläger unterzeichnete den Planungsvertrag bei sich zu Hause und unterbreitete damit ein Angebot i.S.d. § 145 BGB zum Abschluss dieses Vertrags, das die Beklagte annahm. Bei dem Planungsvertrag handelt es sich daher um einen außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag i.S.d. § 312b Abs. 1 Nr. 2 BGB. Die Anwendung dieser Vorschrift ist nicht durch § 312 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, insbesondere handelt es sich bei dem Planungsvertrag nicht um einen Verbraucherbauvertrag i.S.d. §§ 312 Abs. 2 Nr. 3, 650i Abs. 1 BGB. Nach dem Wortlaut des § 650i Abs. 1 BGB muss die Verpflichtung des Unternehmers den Bau eines neuen Gebäudes umfassen. Die von ihm als Erfolg geschuldete Herstellung des versprochenen Werkes (§ 631 Abs. 1 BGB) in der Form der Herstellung einer Sache (§ 631 Abs. 2 Fall 1 BGB) muss in dem Bau eines neuen Gebäudes bestehen. Damit reicht es nicht aus, einen Erfolg zu versprechen, der auf einen Teil des Baus eines neuen Gebäudes beschränkt ist, wie dies bei der Verpflichtung zur Herstellung eines einzelnen Gewerks und bei der Verpflichtung zur Erstellung der Genehmigungsplanung der Fall ist.
Dem Kläger stand daher im Hinblick auf den Planungsvertrag ein Widerrufsrecht gemäß den §§ 356 Abs. 1, 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB zu. Die 14-tägige Widerrufsfrist hätte gemäß § 355 Abs. 2 BGB mit dem Zugang der Annahmeerklärung der Beklagten vom 30.07.2021 begonnen. Dem Fristbeginn stand jedoch gemäß § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB entgegen, dass die Beklagte den Kläger im Zusammenhang mit dem Abschluss des Planungsvertrags nicht über sein Widerrufsrecht informiert hatte. Zwar erlischt das Widerrufsrecht in einem solchen Fall gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, der Kläger hatte jedoch vor Ablauf dieser Frist den Widerruf ausdrücklich auch hinsichtlich des Planungsvertrags erklärt.
Das Widerrufsrecht war nicht gemäß § 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB durch vollständige Erfüllung des Planungsvertrags erloschen, da dies voraussetzt, dass der Verbraucher in Textform ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt und eine solche Zustimmung hier nicht vorliegt.
Der Wirksamkeit des Widerrufs steht weder der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung noch die Verwirkung des Widerrufsrechts entgegen.
Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist mithin verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Dabei besteht zwischen dem Zeitmoment und dem Umstandsmoment insoweit eine Wechselwirkung, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände umso geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist.
Vorliegend ist weder das für die Verwirkung eines Rechts erforderliche Zeit- noch das Umstandsmoment gegeben: Der Widerruf wurde am 19.05.2022 und damit ca. zehn Monate nach Abschluss des Verbraucherbau- und Planungsvertrags erklärt. Auch wenn die Beklagte zutreffend darauf hinweist, dass es für die Annahme einer Verwirkung keine generelle Mindestfrist gibt, genügt angesichts der Regelung in § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB, wonach das Widerrufsrecht bei fehlender Belehrung abweichend von der früheren Rechtslage nach zwölf Monaten und 14 Tagen erlischt, der Ablauf von zehn Monaten für den Eintritt der Verwirkung nicht bzw. es wären angesichts dieses kurzen Zeitraums im Hinblick auf das Umstandsmoment außergewöhnliche Umstände erforderlich, die hier nicht gegeben sind. Denn die Beklagte durfte allein aufgrund des Umstandes, dass der nicht über sein Widerrufsrecht bzgl. des Planungsvertrags belehrte Kläger die planerischen Leistungen in Anspruch nahm, nicht davon ausgehen, dass er von dem ihm zustehenden Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen würde, und weiter gehende Umstände macht die Beklagte schon nicht geltend. Die in § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB geregelte Höchstfrist trägt vielmehr dem Interesse des Unternehmers, Rechtssicherheit über die Endgültigkeit des Vertragsschlusses zu erlangen, in ausreichendem Maße Rechnung und bedarf daher keiner Korrektur durch das Rechtsinstitut der Verwirkung.
Der Kläger kann daher das aufgrund des Planungsvertrags gezahlte Honorar i.H.v. 8.000 Euro zurückverlangen, während der Beklagten kein Anspruch auf Wertersatz für die erbrachten Planungsleistungen zusteht.
Der wirksam erklärte Widerruf des Planungsvertrags führt gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB dazu, dass der Kläger nicht mehr an seine diesen Vertrag begründende Willenserklärung gebunden ist und die Beklagte gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB verpflichtet ist, die aufgrund dieses Vertrags erhaltene Vergütung von 8.000 Euro zurückzuerstatten.
Der Beklagten steht für die erbrachten Planungsleistungen kein Wertersatzanspruch zu. Die Beklagte hat mit dem geltend gemachten Wertersatzanspruch im Prozess nicht die Aufrechnung erklärt; die Geltendmachung dieses Anspruchs ist dahin gehend zu verstehen, dass sie dem Rückzahlungsanspruch des Klägers den Wertersatzanspruch entgegenhalten möchte. Angesichts der Gleichartigkeit von Forderung und Gegenforderung wird damit kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, sondern konkludent die Aufrechnung erklärt.
Ein Wertersatzanspruch besteht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen gemäß § 357a Abs. 2 BGB nur, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen werden soll, er dieses Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat und der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch ordnungsgemäß informiert hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Der Widerruf des Bauvertrags gemäß § 360 Abs. 1 BGB hat dazu geführt, dass der Kläger auch an seine zum Planungsvertrag führende Willenserklärung nicht gebunden ist, da es sich um zusammenhängende Verträge i.S.d. § 360 Abs. 2 Satz 1 BGB handelt. Zwar enthält die Regelung in § 357e BGB über die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verbraucherbauverträge keinen der Regelung in § 357a Abs. 2 BGB entsprechenden Ausschluss des Wertersatzanspruchs des Unternehmers. Da dem Kläger jedoch auch hinsichtlich des Planungsvertrags ein vom Verbraucherbauvertrag unabhängiges Widerrufsrecht zustand und er dieses wirksam ausgeübt hat, kommt es auf die Frage, ob im Hinblick auf den Planungsvertrag ein Wertersatzanspruch nach § 357e BGB bestünde, nicht an. Denn ein solcher ist jedenfalls aufgrund des Rechts über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge ausgeschlossen, und die Rechtslage des Verbrauchers kann nicht dadurch verschlechtert werden, dass ihm neben dem hieraus resultierenden Widerrufsrecht auch ein solches aufgrund des Zusammenhangs des Planungs- mit dem Verbraucherbauvertrag zusteht.


C.
Kontext der Entscheidung
Das OLG Stuttgart hat die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.05.2023 - 10 U 33/23 - NJW 2024, 154 = NZBau 2024, 25: hierzu I.E. Homann/Wiegard, NZBau 2024, 15; Hildebrandt, NJW 2024, 122 Rn. 11-19). Das Gericht hat sich auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 19.04.2023 bezogen (Rn. 9) und entschieden, dass es der Zurückweisung einer Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet nicht entgegensteht, dass das Berufungsgericht das angefochtene Urteil zwar im Ergebnis für zutreffend hält, seine Entscheidung aber auf eine andere materielle oder prozessuale Begründung stützt (Leitsatz 3, Rn. 10 m.w.N.).
Die Ausführungen des Oberlandesgerichts zu den Mindestanforderungen einer Belehrung nach Art. 249 § 3 Abs. 2 EGBGB entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte (Beschl. v. 23.05.2023 - 10 U 33/23 Leitsatz 1, Rn. 12; Beschl. v. 19.04.2023 - 10 U 33/23 Leitsatz 1, Rn. 11, 14, 15, 19; Martens in: BeckOK BGB, 69. Ed. Stand: 01.02.2024, Art. 246 EGBGB Rn. 33; Voit in: BeckOK BGB, 69. Ed. Stand: 01.02.2024, § 650I Rn. 2-4; Langjahr in: BeckOK Bauvertragsrecht, 24. Ed. Stand: 01.02.2024, Art. 249 EGBGB Rn. 1-6, jeweils m.w.N.). Den Planungsvertrag grenzt das Oberlandesgericht von einem Verbraucherbauvertrag i.S.d. §§ 312 Abs. 2 Nr. 3, 650i Abs. 1 BGB ab (OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.04.2023 - 10 U 33/23 Rn. 22; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.05.2023 - 10 U 33/23 Leitsatz 3, Rn. 16). Das Oberlandesgericht verneint die Voraussetzungen eines Verbraucherbauvertrags unter Hinweis auf die Ausführungen des BGH im Urt. v. 16.03.2023 - VII ZR 94/22 Rn. 17 m. Anm. Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 10/2023 Anm. 1; Fischer, jurisPR-PrivBauR 8/2023 Anm. 2; i.E. Schwenker/Rodemann in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 650i Rn. 3 ff.). Das OLG Stuttgart wertete den Planungsvertrag als separaten Vertrag, der im Hinblick auf seinen Vertragsgegenstand kein Verbraucherbauvertrag i.S.d. §§ 312 Abs. 2 Nr. 3, 650i Abs. 1 BGB ist, so dass die Regelung des § 312b Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht ausgeschossen ist (Leitsatz 2, Rn. 22).
Das OLG Stuttgart hat auf den Einwand der Beklagten entschieden, dass der Wirksamkeit des Widerrufs weder der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung noch die Verwirkung des Widerrufsrechts entgegensteht (Beschl. v 19.04.2023 - 10 U 33/23 Rn. 26-27 m.w.N.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Aufgrund der Entscheidung des OLG Stuttgart zu dem Geschäftsmodell, das Gegenstand der beiden Beschlüsse ist, hat dieses Modell aus der Sicht der Bauunternehmer an Bedeutung verloren. Das Oberlandesgericht hat entschieden, dass, wenn die Parteien eines Verbraucherbauvertrags, der Planungsleistungen enthält, einen zusätzlichen Vertrag über im Bauvertrag enthaltene Planungsleistungen für den Fall der Ausübung eines vereinbarten Rechts zum Rücktritt vom Bauvertrag vereinbaren, ein separater Vertrag vorliegt (Leitsatz 2, Rn. 22).
Die Ausführungen des Oberlandesgerichts zu den Anforderungen an die Belehrung gemäß Art. 246 Abs. 3 Satz 3 EGBGB entsprechen der bisherigen Rechtsprechung des BGH: wenn die Belehrung den unzutreffenden Eindruck erweckt, es müsse für die Ausübung des Widerrufsrechts ein bestimmtes Formular verwendet werden, ist der Verbraucher nicht ordnungsgemäß belehrt (Leitsatz 1 m.w.N., Rn. 11, 14, 15, 19; Martens in: BeckOK BGB, 69. Ed. Stand: 01.02.2024, Art. 246 EGBGB: Informationspflichten beim Verbrauchervertrag Rn. 33; Voit in: BeckOK BGB, § 650I: Widerrufsrecht Rn. 3; Langjahr in: BeckOK Bauvertragsrecht, Art. 249 § 3 EGBGB: Widerrufsbelehrung Rn. 1).



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