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Anmerkung zu:BGH 1. Strafsenat, Beschluss vom 22.03.2024 - 1 StR 35/24
Autor:Aleksandra Stankovic, RA‘in
Erscheinungsdatum:22.07.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 459h StPO, § 73c StGB, § 459g StPO, § 214 BGB, § 47 AO 1977, § 299 StGB, § 86 VVG, § 362 BGB, § 397 BGB, § 46 StGB, § 73 StGB, § 73e StGB, § 421 StPO
Fundstelle:jurisPR-StrafR 14/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Mayeul Hiéramente, RA und FA für Strafrecht
Zitiervorschlag:Stankovic, jurisPR-StrafR 14/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Ausschluss der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB bei Wiedergutmachung des Schadens durch den Täter



Orientierungssatz zur Anmerkung

Mit Erlöschen von Schadensersatzansprüchen eines Geschädigten gegen den Täter infolge der Wiedergutmachung des Schadens ist auch insoweit der staatliche Einziehungsanspruch gegen den Täter gemäß § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB ausgeschlossen.



A.
Problemstellung
In seinem Beschluss befasst sich der BGH mit dem Ausschluss der Einziehung gemäß § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB. Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr die Zusammenhänge zwischen dem zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch von Geschädigten sowie dem damit korrespondierenden staatlichen Einziehungsanspruch gegen den Einziehungsadressaten gemäß den §§ 73 ff. StGB. Danach ist etwa die Wiedergutmachung des Schadens durch den Täter im Erkenntnisverfahren nicht nur im Rahmen der Strafzumessung zu würdigen, sondern führt insbesondere auch dazu, dass aufgrund des Erlöschens des zivilrechtlichen Entschädigungsanspruchs des Geschädigten eine entsprechende Einziehung insoweit gemäß § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB ausgeschlossen ist.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das LG Mannheim verurteilte den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs sowie wegen versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu einer Freiheitsstrafe und ordnete die Einziehung des Wertes von Taterträgen i.H.v. 48.300 Euro an.
Auf die Revision des Angeklagten hin, welche auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt war, hob der BGH das Urteil des LG Mannheim im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen mit der Folge auf, dass diese entfällt. Laut BGH habe der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen zu entfallen, da das Landgericht festgestellt, allerdings zu würdigen versäumt habe, dass der Angeklagte den durch die Tat verursachten Schaden vollständig wiedergutgemacht hatte. Damit seien die Ansprüche der Verletzten erloschen und entsprechende Einziehungsentscheidungen gemäß § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB ausgeschlossen.


C.
Kontext der Entscheidung
„Crime does not pay.“ So das vorrangige gesetzgeberische Ziel der Einziehung von Taterträgen als Mittel zur Beseitigung rechtswidriger Vermögensvorteile und Wiederherstellung des materiellen Rechtsfriedens (§§ 73 ff. StGB) (vgl. Peters/Bröckers in: Peters/Bröckers, Vermögensabschöpfung im Strafverfahren, Rn. 2; Heuchemer in: BeckOK, StGB, 60. Edition, Stand: 01.02.2024, § 73 Rn. 1).
Vermögensvorteile, die ein Täter oder Teilnehmer durch die Tat während irgendeiner Phase des Tatablaufes erlangt hat, sind nach dem Einziehungsrecht von Amts wegen unter Maßgabe der persönlichen Bereicherung (sog. Bruttoprinzip) abzuschöpfen. Der Opferschutz hat hierbei lediglich eine sekundäre Funktion (vgl. OLG München, Urt. v. 20.07.2018 - 5 OLG 15 Ss 96/18 - NZWiSt 2019, 77, 78; Bröckers in: Peter/Bröckers, Vermögensabschöpfung im Strafverfahren, Rn. 108). Vorrangig ist primär die Korrektur illegaler Vermögenslagen durch Abschöpfung (vgl. Peters/Bröckers in: Peters/Bröckers, Vermögensabschöpfung im Strafverfahren, Rn. 2). Soweit durch die rechtswidrige Tat Dritte in ihrem Vermögen geschädigt wurden, sieht das Einziehungsrecht jedenfalls im Erkenntnisverfahren keine von Amts wegen durchzuführende Opferentschädigung vor. Vermögensrechtliche Entschädigungsansprüche von Tatgeschädigten werden ohne Aktivwerden eines Verletzten von Gesetzes wegen erst im Strafvollstreckungsverfahren berücksichtigt und „aus dem Topf des eingezogenen Vermögens“ erfüllt (§ 459h StPO) (vgl. OLG München, Urt. v. 20.07.2018 - 5 OLG 15 Ss 96/18 - NZWiSt 2019, 77, 78 m.w.N.). Eine vollständige vermögensrechtliche Befriedigung der Geschädigten ist hierbei nicht garantiert.
Vor diesem Hintergrund steht dem Verletzten einer individualschützenden Straftat losgelöst vom staatlichen Einziehungsanspruch der §§ 73 ff. StGB ein zivilrechtlicher Entschädigungsanspruch gegen den Täter zu. Diesen kann der Geschädigte selbst geltend machen oder aber auch der Täter im Rahmen einer Schadenswiedergutmachung in jeder Phase des Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens anstrengen und so frei von staatlichem Handeln eine Erfüllung bzw. Regelung des Entschädigungsanspruches herbeiführen.
Um in einem solchen Fall einer doppelten Inanspruchnahme von Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten durch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche des Geschädigten auf der einen Seite und dem staatlichen Einziehungsanspruch auf der anderen Seite entgegenzuwirken, ist gemäß § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB die Einziehung von Taterträgen nach den §§ 73 bis 73c StGB ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. Erlischt der Anspruch im Vollstreckungsverfahren, unterbleibt die Vollstreckung gemäß § 459g Abs. 4 Satz 1 StPO.
Der Rechtsgrund des Erlöschens ist dabei unerheblich (Heuchemer in: BeckOK, StGB, 60. Edition, Stand: 01.02.2024, § 73e Rn. 1; vgl. auch BT-Drs. 18/9525, S. 69; Joecks/Meißner in: MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2020, § 73e Rn. 1). Die Regelung des § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB ist mit Blick auf den Grundsatz der Privatautonomie „vergleichsfreundlich“ ausgestaltet und eröffnet hierdurch insbesondere in der Verteidigung eine gewisse Dispositionsbefugnis über das staatliche Einziehungsverfahren (vgl. BT-Drs. 18/9525, S. 69; Salinger in: NK StGB, 6. Aufl. 2023, § 73e Rn. 3 m.w.N.). Lediglich für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind, macht die Vorschrift gemäß § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB eine Ausnahme. Da die Verjährung im Zivilrecht lediglich zu einem Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners führt (§ 214 BGB), ist der Anwendungsbereich des § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB im Rahmen der Abschöpfung von verjährten Steueransprüchen zu verorten. Diese erlöschen gemäß § 47 AO, wodurch gemäß § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB die Einziehung ausgeschlossen wäre. Die hierdurch insbesondere im Hinblick auf Cum/Ex-Fälle entstandene Abschöpfungslücke im Steuerstrafrecht wollte der Gesetzgeber durch § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB schließen (vgl. hierzu Salinger in: NK StGB, 6. Aufl. 2023, Vorbemerkungen zu §§ 73-76b Rn. 61 m.w.N.). Die Einziehung ist hier trotz Verjährung bzw. Erlöschen des Anspruchs möglich (vgl. kritisch hierzu: Heuchemer in: BeckOK, StGB, 60. Edition, Stand: 01.05.2024, Rn. 1 m.w.N. sowie Salinger in: NK StGB, 6. Aufl. 2023, Vorbemerkungen zu §§ 73-76b Rn. 61 m.w.N.).
Im Übrigen ist die Regelung des § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB mit Blick auf den Grundsatz der Privatautonomie „vergleichsfreundlich“ ausgestaltet und eröffnet hierdurch insbesondere in der Verteidigung eine gewisse Dispositionsbefugnis über das staatliche Einziehungsverfahren (vgl. BT-Drs. 18/9525, S. 69; Salinger in: NK StGB, 6. Aufl. 2023, § 73e Rn. 3 m.w.N.). Die Vorschrift soll, so die Idee des Gesetzgebers, das Verhältnisproblem zwischen staatlicher Einziehung und dem Anspruch auf eine zivilrechtliche Entschädigung des Verletzten bei Erlöschen von Entschädigungsansprüchen lösen (vgl. BT-Drs. 18/9525, S. 69; Joecks/Meißner in: MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2020, § 73e Rn. 7.). Daneben soll aber auch mit § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB für den Täter ein Anreiz zu einer freiwilligen und „zügigen“ Schadenswiedergutmachung zugunsten von Verletzten einer Straftat geschaffen werden (BT-Drs. 18/11640, S. 79; BT-Drs. 18/9525, S. 54; OLG München, Urt. v. 20.07.2018 - 5 OLG 15 Ss 96/18 - NZWiSt 2019, 77, 78).
Aus diesen Gründen können auch lediglich Ansprüche von Verletzten zum Ausschluss der Einziehung nach § 73e Abs. 1 StGB führen. Verletzter i.S.d. § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB ist derjenige, dem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Wertersatz aus der Tat erwachsen ist, die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt Gegenstand des Vermögensarrests ist (BT-Drs. 18/9525, S. 50). Mithin derjenige, dessen Individualinteressen durch das vom Täter übertretene Strafgesetz unmittelbar geschädigt worden sind (vgl. Salinger in: NK StGB, 6. Aufl. 2023, § 73e Rn. 8 m.w.N.). Dies ist bei Verletzten einer Straftat, die ausschließlich Individualrechtsgüter betrifft, unstreitig der Fall, wobei auch in diesem Sinne der Fiskus im Falle von Steuerstraftaten als Individualverletzter anzusehen ist (st. Rspr.: BGH, Urt. v. 04.02.2009 - 2 StR 504/08 - BGHSt 53, 179, 181; BGH, Beschl. v. 05.03.2013 - 1 StR 52/13; BGH, Beschl. v. 12.03.2015 - 2 StR 322/14; vgl. auch Saliger in: NK StGB, 6. Aufl. 2023, § 73e Rn. 8, 9 m.w.N.). Delikte, die Individual- und Kollektivrechtsgüter schützen, sind im Einzelfall von § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB umfasst, wenn ihre Begehungsweisen, wie beispielsweise im Fall des § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB, ausschließlich Individualrechtsgüter verletzen (vgl. insoweit: BGH, Beschl. v. 26.01.2022 - 1 StR 460/21 Rn. 17; Salinger in: NK StGB, 6. Aufl. 2023, § 73e Rn. 8 m.w.N.).
Kann der unmittelbar Verletzte seine Ansprüche aus der Tat nicht mehr geltend machen, ist als „Verletzter“ i.S.d. § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB auch der Erbe oder ein sonstiger Rechtsnachfolger des Geschädigten sowie der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Verletzten anzusehen (BT-Drs. 18/9525, S. 50). Auch der Versicherer, auf welchen der Ersatzanspruch des Verletzten nach § 86 Abs. 1 VVG übergegangen ist, ist demnach Verletzter i.S.d. § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB (BT-Drs. 18/9525, S. 51; BGH, Beschl. v. 22.12.2022 - 4 StR 182/22; BGH, Urt. v. 08.02.2018 - 3 StR 560/17 Rn. 7).
Ansprüche des Verletzten erlöschen, wenn die Leistung durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB „bewirkt“ ist, oder durch den Verletzten ein (Teil-)Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB erfolgt ist (vgl. BT-Drs. 18/9525, S. 69). So erlischt der Anspruch nach § 362 Abs. 1 BGB etwa, wenn die geschuldete Leistung dadurch bewirkt wird, dass der Täter bzw. ein Mittäter an den oder die Geschädigten eine Erfüllungsleistung erbringt (BGH, Beschl. v. 10.09.2019 - 2 StR 245/19 (Erfüllung durch den Angeklagten); BGH, Beschl. v. 22.01.2020 - 2 StR 582/18 Rn. 5 sowie OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.08.2021 - 3 Ws 406-408/21 - NStZ-RR 2022, 177 (Erfüllung durch einen gesamtschuldnerisch haftenden Mittäter); vgl. auch Salinger in: NK StGB, 6. Aufl. 2023, § 73e Rn. 17 m.w.N.). Diese kann etwa durch Rückgabe entwendeter Gegenstände oder durch Zahlung eines dem Wert der Tatbeute entsprechendem oder übersteigenden Geldbetrages (auch im Sinne einer Wiedergutmachungshandlung) erfolgen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.2020 - 4 StR 361/20 Rn. 2 ; BGH, Beschl. v. 05.06.2019 - 3 StR 184/19 Rn. 3; BGH, Beschl. v. 05.02.2019 - 5 StR 613/18 Rn. 5; vgl. auch Joecks/Meißner in: MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2020, § 73e Rn. 8 m.w.N.).
Zu einem Erlöschen des Verletztenanspruchs führt vor dem Hintergrund der vergleichsfreundlichen Ausrichtung des § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB auch der in einem Vergleich des Täters mit dem Verletzten liegende (Teil-)Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB (vgl. BT-Drs. 18/9525, S. 69; OLG Hamm, Beschl. v. 25.07.2019 - 1 RVs 44/19 Rn. 9). Dies soll insbesondere ein Türöffner und Anreiz für eine zügige und im frühen Verfahrensstadium sehr zeitige Schadenswiedergutmachung sein (BT-Drs. 18/9525, S. 69; Salinger in: NK StGB, 6. Aufl. 2023, § 73e Rn. 20 m.w.N.). Für die Verteidigung ist dies von wesentlicher Bedeutung, da so in vielen Fällen bereits in einem frühen Verfahrensstadium ein Arrest bzw. eine Einziehung beseitigt bzw. verhindert werden kann und gleichzeitig eine Grundlage für positive Strafzumessungserwägungen gemäß § 46 StGB bzw. § 46a StGB geschaffen werden kann. Umstritten ist der Ausschluss gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB lediglich in den Fällen, in denen ein Vergleich zwischen dem Täter und dem Verletzten einen vollständigen Zahlungsverzicht und damit ein Erlöschen des Verletztenanspruchs ohne Gegenleistung des Täters vorsieht. Vor dem Hintergrund des starken Privatautonomiecharakters des § 73e StGB soll nach überwiegender Ansicht in der Kommentarliteratur ein Forderungsverzicht ohne Gegenleistung lediglich bei Delikten mit reinem Individualrechtsgüterschutz die Einziehungssperre auslösen (Joecks/Meißner in: MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2020, § 73e Rn. 11 m.w.N.; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 673). So könne jedenfalls bei Delikten, die auch den Schutz eines Kollektivrechtsgutes bezwecken, verhindert werden, dass insoweit Verträge zulasten der Allgemeinheit zwischen unmittelbar Geschädigten und dem Täter geschlossen werden und so die Möglichkeit der Einziehung ausgehebelt wird, obwohl aufgrund des Forderungsverzichts des Geschädigten keine Doppelbelastung droht (Joecks/Meißner in: MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2020, § 73e Rn. 11). Betrachtet man indes die instanzgerichtliche Rechtsprechung, bildet sich auch hier kein einheitliches Bild. Nach einer Entscheidung des LG Landshut führt auch ein umfassender Forderungsverzicht des Geschädigten im Falle eines (auch) allgemeinschützenden Delikts (hier KWG) zu einem teilweisen Ausschluss nach § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB. Dies sei insbesondere auf den Wortlaut des § 73e Abs. 1 StGB zurückzuführen, der lediglich von „erlöschen“ spricht, allerdings nicht zwischen Individual- und (auch) Kollektivrechtsgüterschutz differenziere (LG Landshut, Urt. v. 11.11.2020 - 3 KLs 201 Js 3700/20 Rn. 104). Nach Ansicht des LG Stuttgart hingegen sei in einem solchen Fall, in dem tateinheitlich eine individualschützende sowie eine kollektivschützende Norm verletzt wurde, ein Vergleich nur insoweit i.S.d. § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB berücksichtigungsfähig, als dass tatsächlich an den Verletzten geleistet wurde (vgl. LG Stuttgart, Beschl. v. 19.02.2019 - 6 Qs 1/19 Rn. 22 ff.). So drohe auch keine doppelte Inanspruchnahme des Einziehungsadressaten. Ein darüberhinausgehender Forderungsverzicht des Verletzten schlage nicht durch auf die Einziehungsentscheidung, da insoweit keine Doppelbelastung des Täters drohe (LG Stuttgart, Beschl. v. 19.02.2019 - 6 Qs 1/19 Rn. 25). Erst kürzlich positionierte sich der BGH erstmalig zu dieser Frage und bestätigte die Ansicht des LG Stuttgart (BGH, Beschl. v. 23.02.2024 - 5 StR 284/23; vgl. hierzu: Vizcaino Diaz, jurisPR-StrafR 10/2024 Anm. 2). Offen ließ der Senat hierbei allerdings die Frage, ob der Grundsatz auch gelten könne, wenn der Vergleich zwischen dem Einziehungsadressaten und staatlichen Stellen geschlossen werde, die auch die Interessen der Allgemeinheit vertreten (BGH, Beschl. v. 23.02.2024 - 5 StR 284/23 Rn. 26).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung betont nochmals einen – auch in der Praxis – zentralen Aspekt des Einziehungsrechts. Dies ist zu begrüßen. Als Instrument, das staatliche Einziehungsverfahren außerhalb des Erkenntnisverfahrens zu lenken, ist die Vorschrift des § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB für die Verteidigung von besonderer Bedeutung. Leistet der Täter noch im Erkenntnisverfahren Schadenswiedergutmachung, ist dies nicht nur im Rahmen der Einziehung zu beachten, sondern hat insbesondere auch Auswirkungen auf die jeweilige Strafzumessung. Es empfiehlt sich daher, soweit möglich, die Schadenswiedergutmachung, etwa durch Abschließen von Vergleichen, parallel zum Erkenntnisverfahren zu betreiben. Da, wie die Entscheidung des BGH zeigt, oftmals insbesondere bei umfangreichen wirtschaftsstrafrechtlichen Sachverhalten die Schadenswiedergutmachung durch das erkennende Gericht in der Strafzumessung Beachtung findet, allerdings als Einziehungsposten oftmals unberücksichtigt bleibt, empfiehlt sich bei Betreiben einer parallelen Schadenswiedergutmachung ein transparentes Vorgehen, um Klarheit bei allen Verfahrensbeteiligten zu schaffen und die Rechtsfolgen des § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB in vollem Umfang herbeizuführen. Enthält das Urteil gleichwohl die zur Einziehungsentscheidung notwendigen Feststellungen, in welcher Höhe der Anspruch des Verletzten erloschen und daher eine Einziehung ausgeschlossen ist, nicht, ist hierbei das Rechtsmittel der Revision erfolgversprechend. Dies gilt nicht zuletzt aus dem Grund, dass hierbei lediglich eine – im Vergleich zur Verfahrensrüge mit geringem Aufwand verbundene – Sachrüge erhoben werden muss und wie die hiesige Entscheidung des BGH zeigt, das Revisionsgericht nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von der Einziehung des Wertes von Taterträgen mit Zustimmung des Generalbundesanwaltes aus Gründen der Prozessökonomie von einer Wertersatzeinziehung gänzlich bzw. teilweise in Höhe des nach der Schadenswiedergutmachung verbleibenden Mindestbetrages absehen kann (vgl. hierzu auch: BGH, Beschl. v. 20.01.2021 - 2 StR 407/20 Rn. 2; BGH, Beschl. v. 12.08.2022 - 5 StR 54/22 Rn. 2 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 18.02.2020 - 3 StR 349/19).



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