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Anmerkung zu:BGH 5. Strafsenat, Urteil vom 15.02.2024 - 5 StR 283/23
Autor:Dr. Ruben Doneleit, RA
Erscheinungsdatum:19.08.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 77 StGB, § 70 BBG, § 67 BBG, § 203 StGB, § 42 BDSG 2018, § 126a StGB, § 2 StGB, § 201a StGB, § 33 KunstUrhG, § 205 StGB, § 77b StGB, § 158 StPO, § 353b StGB, Art 5 GG, § 33 HinSchG, § 35 HinSchG, § 2 HinSchG, § 7 HinSchG, § 32 HinSchG
Fundstelle:jurisPR-StrafR 16/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Mayeul Hiéramente, RA und FA für Strafrecht
Zitiervorschlag:Doneleit, jurisPR-StrafR 16/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Anwendungsprobleme des § 353b StGB hinsichtlich der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen



Orientierungssatz zur Anmerkung

Eine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen i.S.d. § 353b StGB kann auch mittelbar erfolgen. Eine tatbestandsmäßige Gefährdung erfordert nicht, dass nur durch die unbefugte Geheimnisoffenbarung an sich öffentliche Belange verletzt werden. Ausreichend ist bereits, wenn durch das Bekanntwerden des Vertrauensbruchs das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität staatlicher Stellen erschüttert werden kann.



A.
Problemstellung
Das Urteil des BGH vom 15.02.2024 hat Seltenheitswert. Dies liegt zunächst weniger am konkreten Inhalt der Entscheidung, als daran, dass es insgesamt nur wenige und vor allem wenig aktuelle Entscheidungen gibt, die sich überhaupt mit § 353b Abs. 1 StGB auseinandersetzen. Ausweislich der Fallzahlen in der polizeilichen Kriminalstatistik wurden 2022 gerade einmal 352 Fälle statistisch erfasst. Dieser Wert liegt im Mittelfeld der Vorjahre (2021: 444; 2020: 296; 2019: 299; alle Zahlen gemäß BKA, Polizeiliche Kriminalstatistik, T01 Grundtabelle - Fallentwicklungen, Schlüssel 655200). Ein Grund hierfür ist das – in dieser Entscheidung unproblematische – Ermächtigungserfordernis nach § 353b Abs. 4 StGB. Als besondere Verfahrensvoraussetzung begründet das Fehlen der Ermächtigung ein Verfahrenshindernis. Trotz dieser Einschränkung überraschen die niedrigen Zahlen dennoch, wenn man sie in Relation zu den rund fünf Millionen (vgl.: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 6, Personal des öffentlichen Dienstes, Tabelle 2.1) im öffentlichen Dienst tätigen Personen in Deutschland setzt. Ab- und Verurteilungen wegen der Verletzung des Dienstgeheimnisses sind sogar noch seltener (2021: 45/32; 2020: 47/37; 2019: 35/24; jeweils laut Statistischem Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 3, Rechtspflege Strafverfolgung, Tabelle 2.1).
Im Kontrast zu der geringen praktischen Bedeutung des § 353b StGB stehen die bei seiner Anwendung auftretenden Probleme. Einige davon werden vom BGH in seiner Entscheidung thematisiert und gemäß der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechungslinie konsequent fortgesetzt. Dies betrifft vorrangig das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen und die Strafbarkeit sogenannter mittelbarer Gefährdungen. Auch das Verhältnis zu den oft im Zusammenhang mit § 353b StGB ebenfalls verwirklichten Delikten, wie den §§ 203, 201a StGB, § 42 BDSG und ferner dem § 33 KUG, gilt es zu erörtern. Nicht zuletzt bietet die Entscheidung Anlass, eine kurze Abgrenzung zu der in den letzten Jahren weiter vorangeschrittenen Debatte rund um das Thema Whistleblowing vorzunehmen. Prozessual beschäftigt sich der BGH schließlich noch mit den Anforderungen, die an einen Strafantrag nach § 158 Abs. 2 StPO, §§ 77 ff. StGB zu stellen sind.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das Urteil des BGH befasst sich mit der vom Angeklagten und seitens der Staatsanwaltschaft zu dessen Ungunsten eingelegten Revision gegen die Verurteilung des Landgerichts. Dieses hatte den Angeklagten zu einer Gesamtgeldstrafe von 330 Tagessätzen á 40 Euro verurteilt. Maßgeblich hierfür war die Verwirklichung des § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB in fünf und des § 353b Abs. 1 Nr. 3 StGB in zwei Fällen. Dazu kamen noch fünf Taten gemäß § 203 StGB sowie jeweils eine Tat gemäß § 201a StGB und § 33 KUG. In vier Fällen hatte das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses freigesprochen. Diesen Schuldspruch hat der BGH überwiegend aufgehoben. In Bezug auf die Freisprüche monierte der fünfte Strafsenat vor allem, dass eine revisionsgerichtliche Prüfung des Sachverhalts bezüglich der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen mangels ausreichender Ausführungen nicht möglich sei (Rn. 57). Zudem wurde in mehreren Fällen in nicht nachvollziehbarer Weise eine tateinheitliche Verwirklichung von § 203 StGB und § 353b StGB abgelehnt (Rn. 47 ff.).
Der Angeklagte ist Polizeioberkommissar. Zugleich war dieser zeitweise Mitglied des Hauptpersonalrats der Landespolizei und stellvertretender Landesvorsitzender sowie Pressesprecher der Deutschen Polizeigewerkschaft. Der Angeklagte ließ einem befreundeten Journalisten in insgesamt 16 Fällen verschiedene Informationen zukommen. Diese betrafen entweder Einzelheiten aus damaligen, laufenden Ermittlungsverfahren oder andere behördeninterne Vorgänge bei der Polizei (Rn. 4). Ziel des Angeklagten war eine gesteuerte öffentliche Berichterstattung, um auf die von ihm als solche empfundenen Missstände in seinem beruflichen Umfeld hinzuweisen und zugleich dem öffentlichen Ansehen einzelner Personen zu schaden. Hierfür machte er dem Journalisten teilweise konkrete Vorgaben für den Umfang und den Zeitpunkt der Informationsveröffentlichung (Rn. 4).
Bei den Informationen handelte es sich beispielsweise um die Personendaten von Beschuldigten (Rn. 5, 9, 11) oder von einer aus der Justizvollzugsanstalt geflohenen Person (Rn. 8). Außerdem erfolgte eine Art Live-Berichterstattung über laufende Ermittlungen (Rn. 5) oder aus Sitzungen des Hauptpersonalrats (Rn. 13). Weitergegeben wurde ebenfalls eine als Verschlusssache eingestufte PowerPoint-Präsentation (Rn. 15), ein internes Schreiben des Landesverbands der Deutschen Polizeigewerkschaft zum Thema Mobbing (Rn. 16) und der ebenfalls als Verschlusssache eingestufte Bericht eines vom Innenministerium eingesetzten Sonderbeauftragten hinsichtlich der Missstände in der Landespolizei (Rn. 17).


C.
Kontext der Entscheidung
Nachfolgend sollen die bestehenden Rechts- und Anwendungsprobleme im Rahmen der vom Gericht geprüften Straftatbestände aufgezeigt werden.
I. § 353b StGB
Nach § 353b Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein Geheimnis offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet. Die Gefährdung der wichtigen öffentlichen Interessen kann dabei vorsätzlich oder fahrlässig (§ 353b Abs. 1 Satz 2 StGB) erfolgen. Das Geheimnis muss dem Täter beispielsweise als Amtsträger (§ 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder als Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt, anvertraut oder sonst bekannt geworden sein.
1. Täterkreis
Aufgrund des eingeschränkten Täterkreises ist § 353b Abs. 1 StGB ein Sonderdelikt (Kuhlen/Zimmermann in: NK-StGB, 6. Aufl. 2023, § 353 Rn. 9). Amtsträger sind vor allem Beamte im statusrechtlichen Sinn (BGH, Urt. v. 09.10.1990 - 1 StR 538/89 - BGHSt 37, 191, 192) und damit Polizisten. Von § 353b Abs. 1 Nr. 3 StGB sind auch Mitglieder des Hauptpersonalrats bei der Polizei erfasst (Puschke in: MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2022, § 353b Rn. 17). Somit gab es in Bezug auf den Angeklagten eine zweifache Anknüpfung als Täter des § 353b Abs. 1 StGB.
2. Unbefugtes Offenbaren von Dienstgeheimnissen
Dienstgeheimnisse sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die tatsächlich geheim, also nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich und aufgrund einer Anordnung oder ihrer Natur nach geheimhaltungsbedürftig sind (BGH, Urt. v. 23.03.2001 - 2 StR 488/00 - BGHSt 46, 339, 340 f.; Puschke in: MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2022, § 353b Rn. 21). Die Geheimhaltungsbedürftigkeit kann sich beispielsweise auch aus der Einstufung als Verschlusssache (vgl. Rn. 15, 17) gemäß § 2 Abs. 2 VSA ergeben. Vorliegend waren sämtliche Informationen, die der Angeklagte dem Journalisten mitgeteilt hatte, als Dienstgeheimnisse zu bewerten.
Das Dienstgeheimnis muss dem Täter als Amtsträger oder Person, die Aufgaben des Personalvertretungsrechts wahrnimmt, anvertraut oder sonst bekanntgeworden sein. Die Formulierung „als“ umschreibt einen vom Gesetz geforderten inneren Zusammenhang zwischen Kenntniserlangung und dem aus seiner rechtlichen Stellung folgenden Pflichtenkreis. Eine solcher Zusammenhang besteht bei Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises und auch bei einer Kenntniserlangung außerhalb hiervon. Es genügt, wenn die Kenntnisnahme allein in Ansehung der besonderen Stellung des Täters erfolgte (Puschke in: MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2022, § 353b Rn. 32).
Das Bekanntwerden ist der Oberbegriff für die Modalitäten des Anvertrautseins oder des sonstigen Bekanntwerdens. Letzteres ist erfüllt, wenn von dem Geheimnis in irgendeiner Art und Weise Kenntnis erlangt wird. Insofern sind die Ausführungen des BGH überzeugend, wenn er entgegen dem Landgericht ein Bekanntwerden auch bei einer außerdienstlichen Kenntniserlangung für möglich hält (Rn. 58 f.). So eröffnet eine private Chatgruppe (vgl. Rn. 10) unter Kollegen und anderen Amtsträgern ebenfalls potenziell eine Zugangsmöglichkeit für Informationen, die ihre Grundlage in der besonderen Pflichtenstellung des Täters haben kann. Daher hätte es weiterer Feststellungen bedurft, die sich auf die Größe und Zusammensetzung der Gruppenmitglieder beziehen (Rn. 60). Somit war nicht auszuschließen, dass die dort übersandten Nachrichten, die an den Journalisten übermittelt wurden, nicht doch jedenfalls in Ansehung der besonderen rechtlichen Stellung des Angeklagten übersandt wurden.
Die Dienstgeheimnisse hat der Angeklagte auch unbefugt offenbart, da keine Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise bestehende, rechtliche Gestattung der Informationsübermittlung an die Presse (vgl. § 70 BBG) bestehen. Vielmehr gilt für Beamte dem Grunde nach eine umfassende einfachrechtliche Verschwiegenheitspflicht, beispielsweise gemäß § 67 BBG (ausführlich hierzu: Doneleit, Die Strafbarkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst, Rn. 218 ff.). Dies gilt ungeachtet der umstrittenen dogmatischen Einordnung des Merkmals „unbefugt“ als Tatbestandsmerkmal oder als allgemeiner Verweis auf die Rechtswidrigkeit (zum Streitstand: Doneleit, Die Strafbarkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst, Rn. 529 ff.).
3. Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen
Taterfolg des § 353b Abs. 1 StGB ist die Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen. Hierauf hat der BGH seinen Schwerpunkt bei der revisionsrechtlichen Überprüfung gelegt, da in mehreren Fällen erstinstanzlich keine ausreichenden Feststellungen dahingehend getroffen wurden oder eine Gefährdung zu Unrecht verneint wurde.
a) Begriffsbestimmung
Nach übereinstimmender Ansicht erfordert § 353b Abs. 1 StGB eine konkrete Gefahr für die wichtigen öffentlichen Interessen (BVerfG, Beschl. v. 28.04.1970 - 1 BvR 690/65 - BVerfGE 28, 191, 200; BGH, Urt. v. 08.11.1965 - 8 StE 1/65 - BGHSt 20, 342, 348; Vormbaum in: Leipz. Komm., 13. Aufl. 2023, § 353b Rn. 37). Diesbezüglich bedarf es einer Gefahrenprognose. Aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts „und dadurch“ muss die konkrete Gefahr Folge des unbefugten Offenbarens als Tathandlung sein. Auf den Inhalt des Geheimnisses kommt es somit dabei nicht an.
Weitaus problematischer ist jedoch die Bestimmung der wichtigen öffentlichen Interessen. Dem Tatbestand lässt sich zunächst nur entnehmen, dass Interessen der Öffentlichkeit und nicht solche von Privaten betroffen sein müssen, die wichtig sind. Klare Leitlinien, wie diese drei auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale „wichtig“, „öffentlich“ und „Interesse“ zu interpretieren sind, gibt es bis heute nicht, obwohl die Merkmale des § 353b StGB seit dessen erstmaliger Einführung in das deutsche Strafrecht 1936 (RGBl I 1936, Nr. 64, S. 531) unverändert geblieben sind. Die Unwägbarkeiten sind zunächst durch die Begrifflichkeiten selbst verursacht, da die Einordnung als schützenswertes Interesse bereits für sich genommen Schwierigkeiten bereitet, welche sich durch die Graduierung „wichtig“ weiter potenzieren. Schließlich muss es denklogisch auch öffentliche Interessen geben, die nicht oder nicht ausreichend wichtig sind, um von § 353b StGB erfasst und damit strafbewehrt zu sein.
Die Rechtsprechung zu § 353b StGB ist deshalb seit jeher von einer umfassenden Kasuistik geprägt. Einem solchen Vorgehen kann man zwar die Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit zugutehalten, unter dem Blickwinkel des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots ist sie allerdings zumindest bedenklich. Der BGH hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht in seinem Urteil zunächst die ungestörte Durchführung von Ermittlungen, der Fahndung, der Disziplinar- und Mitbestimmungsverfahren sowie von Schutzmaßnahmen als wichtige öffentliche Interessen angesehen (Rn. 20). Im Hinblick auf die aus Sicht des BGH zu Unrecht ergangenen Freisprüche galt es ferner das Ansehen der Landespolizei und die Sicherheit der Polizeidienststellen als mögliche wichtige öffentliche Interessen zu berücksichtigen (Rn. 57).
Diese Aufzählung verdeutlicht das grundlegende Problem des § 353b StGB. Wenngleich die genannten Interessen stets einen Bezug zum Handeln der Staatsgewalt haben, ist eine abschließende Festlegung der zu schützenden Interessen aufgrund der Möglichkeit zur subjektiven Bestimmung faktisch nicht möglich – zumal es nicht die originäre Aufgabe der Judikative, sondern die der Legislative ist, den Umfang strafwürdigen Verhaltens festzulegen. Vorzugswürdig wäre daher eine enumerative Aufzählung (so zum Beispiel: Schuldt, Geheimnisverrat, S. 137 f.; Brockhaus, Geheimnisschutz und Transparenz, S. 190, 458 f.) solcher Interessen oder jedenfalls eine Beschränkung auf von der Rechtsordnung anerkannte öffentliche Interessen, denen durch ihre Normierung stets eine ausreichende Wichtigkeit innewohnt.
Die Ausführungen des BGH zur Bestimmung wichtiger öffentlicher Interessen sind aber noch einem weiteren Kritikpunkt ausgesetzt. So können etwa die ungestörte Durchführung von Ermittlungen oder andere rein die Funktionsfähigkeit staatlicher Institutionen betreffende Tätigkeiten und Vorgänge – wenngleich dies zunächst irritieren mag – kein wichtiges öffentliches Interesse i.S.d. § 353b StGB sein. Unstreitig handelt es sich dabei zwar um einen bedeutsamen Aspekt staatlicher Machtausübung, die zugunsten der gesamten Bevölkerung ohne Beeinträchtigungen erfolgen sollte. Doch widerspricht eine derartige Auslegung dem Schutzgedanken des § 353b StGB. Dessen geschütztes Rechtsgut ist nach zutreffender Ansicht der Erhalt der staatlichen Funktionsfähigkeit (zum Streitstand: Doneleit, Die Strafbarkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst, Rn. 474 ff.). Hierdurch wird ein Gleichlauf mit dem Schutzzweck der einfachrechtlichen Verschwiegenheitspflichten, zum Beispiel gemäß § 67 BBG, erreicht. Diese Parallele ist zwingend, da § 353b StGB gerade eingeführt wurde, um schwere Verstöße gegen solche Pflichten zu pönalisieren. In der Konsequenz kann aber jeder Bruch einer derartigen Verschwiegenheitspflicht dazu führen, die Funktionsfähigkeit des Staates, beispielsweise in Gestalt der ungestörten Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zu beeinträchtigten. Einen Unterschied zwischen Tathandlung und Taterfolg gäbe es dann nicht mehr. Vielmehr läge stets eine Gefährdung wichtiger Interessen vor. Dies führte jedoch zu einer unzulässigen Verschleifung mehrerer, voneinander unabhängiger Tatbestandsmerkmale. Die Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen muss folglich über die bloße Verwirklichung der Tathandlung hinausgehen.
b) Mittelbare Gefährdungen
Die Anwendungsprobleme vergrößern sich noch, lässt man wie der Strafsenat, eine rein mittelbare Gefährdung bei § 353b Abs. 1 StGB ausreichen. Dahingehend entschied der BGH im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Rn. 48 ff. mit den dortigen Nachweisen sowie ferner BayObLG, Urt. v. 15.01.1999 - 1St RR 223/98 - NStZ 1999, 568). Von einer mittelbaren Gefährdung ist vor allem dann zu sprechen, wenn bereits das Bekanntwerden des Geheimnisbruchs an sich das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der staatlichen Stellen als wichtiges öffentliches Interesse erschüttern kann. Auf die direkten Folgen des unbefugten Offenbarens wird dabei entgegen dem Gesetzeswortlaut gerade nicht abgestellt. Zudem bleibt beim Abstellen auf einen „Bekanntwerden-Erfolg“ außer Acht, dass § 353b StGB keine Schädigung der Interessen, sondern allein deren Gefährdung voraussetzt.
Daher besteht seit vielen Jahren zu Recht ein breiter Widerstand gegen eine derart extensive und auch verfassungsrechtlich höchstproblematische Gesetzesauslegung (vgl. nur: Schumann, NStZ 1985, 170, 172 f.; Behm, NStZ 2001, 153, 154 f.; Puschke in: MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2022, § 353b Rn. 42; Vormbaum in: Leipz. Komm., 13. Aufl. 2023, § 353b Rn. 36). Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass das Risiko eines Ansehensverlustes in der Bevölkerung bei jeder Geheimnisoffenbarung besteht. Warum dann bei § 353b StGB eine fünffach höhere Strafe als beispielsweise bei § 203 StGB vorgesehen ist, ist nicht nachvollziehbar. Außerdem ist unklar, weshalb in dieser Konstellation doch die Sicht von einzelnen Privatpersonen maßgeblich sein soll, obwohl private Interessen grundsätzlich nicht tatbestandsmäßig sind. Schließlich steht diese Ansicht im Widerspruch zum Rechtsgut des § 353b StGB, da bereits fraglich ist, inwiefern die Meinung einzelner Bürger tatsächlich die staatliche Funktionsfähigkeit beeinträchtigen kann. Dies zumal dann zu erwägen ist, ab wie vielen Personen, die ihrerseits völlig unterschiedliche Ansichten haben können, ein ausreichendes Maß an Erschütterung in der Bevölkerung zu erwarten ist. Diese Bedenken lassen sich auch nicht durch die von der Rechtsprechung bei mittelbaren Gefährdungen vorgenommene Gesamtabwägung im Einzelfall entkräften, da diese von weiteren Hilfskriterien abhängig und damit fehleranfällig ist (insgesamt zum Problemkreis: Doneleit, Die Strafbarkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst, Rn. 554 ff.).
II. Weitere Delikte
Typischerweise kommen in Fällen des § 353b StGB stets – wie hier – weitere Delikte in Betracht. So sind die Ausführungen des BGH zu den §§ 203, 201a StGB, § 42 Abs. 2 BDSG und § 33 KUG insgesamt überzeugend.
Die tateinheitliche Koexistenz von § 203 StGB und § 353b StGB ist durch die jeweils unterschiedlichen Rechtsgüter und den Umstand, dass Privatgeheimnisse auch ein Dienstgeheimnis sein können, bedingt. Als Privatgeheimnis kommt beispielsweise die Geheimhaltung eines eigenen Rechtsverstoßes (Rn. 32) in Betracht. Je nach Inhalt des Geheimnisses und den konkreten Umständen des unbefugten Offenbarens können auch § 42 Abs. 2 BDSG, § 33 KUG (vgl. Rn. 43 ff.) und § 201a StGB erfüllt sein, die aufgrund ihrer im Vergleich zu § 353b StGB unterschiedlichen Rechtsgütern dann ebenfalls mit § 353b Abs. 1 StGB tateinheitlich verwirklicht sein können.
Zudem ist zu beachten, dass in gleichgelagerten Fällen künftig auch der seit 2021 in Kraft getretene § 126a Abs. 1 StGB einschlägig sein kann, wenn personenbezogene Daten weitergegeben werden und die Betroffenen unter anderem der Gefahr einer im Tatbestand genannten, gegen sie gerichteten Straftat ausgesetzt sind. Eine rückwirkende Anwendung des § 126a StGB auf den vom BGH zu überprüfenden Sachverhalt aus den Jahren 2018 und 2019 ist aber über § 2 Abs. 1 StGB ausgeschlossen.
Schließlich nimmt der BGH erstmals Stellung zum Konkurrenzverhältnis von § 33 KUG und § 201a StGB (Rn. 42 ff.). Auch dahingehend kann aufgrund der unterschiedlichen Rechtsgüter Idealkonkurrenz bestehen. Ein Fall der Konsumtion liege dagegen nicht vor (Rn. 44 f.). § 201a StGB schützt das Recht am eigenen Bild und den höchstpersönlichen Lebensbereich. § 33 KUG betrifft dagegen das Recht am eigenen Bild i.S.d. Verfügungsrechts über die Darstellung der eigenen Person, so dass die Annahme von Tateinheit überzeugt.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die Praxis ist das Urteil des BGH trotz der geringen Fallzahlen bei § 353b StGB in mehrerlei Hinsicht von Bedeutung. Zunächst gilt es bei einem in Rede stehenden Verstoß gegen § 353b StGB genau zu prüfen, ob überhaupt eine wirksame Ermächtigung nach § 353b Abs. 4 StGB vorliegt, da sonst ein Verfahrenshindernis besteht. Zudem bietet der Tatbestand, trotz oder gerade wegen der erörterten Unwägbarkeiten ein umfassendes Verteidigungspotenzial. In rechtlicher Hinsicht ist aufgrund der tatbestandlichen Unbestimmtheit auf eine restriktive Handhabung zu verweisen. Die gilt insbesondere bei der Auslegung der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen. Welches wichtige öffentliche Interesse genau verletzt worden sein soll, ist stets genau zu prüfen. Zudem bieten die vorzunehmende Gefahrenprognose und die Gesamtabwägung bei einer eventuell im Raum stehenden mittelbaren Gefährdung das Potenzial, die den Mandanten begünstigende Umstände des Einzelfalls herauszustellen. Dies ist besonders bedeutsam, da Sachverhalte mit Bezug zu § 353b StGB, sofern sie denn vorkommen, in der Regel medienwirksam und politisch aufgeladen sind, wie die Entscheidungen zur Spiegel-Affäre oder im Fall Edathy belegen, was weitere Risiken für den Mandanten bergen kann.
Gleichermaßen für die Praxis bedeutsam sind die Ausführungen zum Strafantrag und zur Strafzumessung. Im Rahmen des § 205 Abs. 1 StGB weist der BGH explizit darauf hin, dass jeder potenziell Verletzte einen eigenen Strafantrag stellen muss (Rn. 32). Zudem verweist der BGH darauf, dass es für den Strafantrag innerhalb der Frist des § 77b StGB einer schriftlichen Erklärung bedarf, die den Willen des Antragstellers „eindeutig und unmissverständlich“ erkennen lassen muss (Rn. 63). Für dieses Erfordernis gemäß § 158 Abs. 2 StPO genügt es daher nicht, wenn bei einem Formularblatt bezüglich der „Erklärung zum Strafantrag“ keine der Auswahlmöglichkeiten angekreuzt wird und so den Strafverfolgungsbehörden übermittelt wird.
Schließlich hat der Strafsenat es als rechtsfehlerhaft erachtet, dass das Landgericht die Weitergabe der Geheimnisse an einen Journalisten als „strafzumessungsrechtlich neutral“ (Rn. 53) bewertet hat. Der BGH argumentierte, eine solche Weitergabe berge das Risiko einer Verbreitung an eine große Öffentlichkeit und sei daher strafschärfend zu berücksichtigen, weil eine redaktionelle Kontrolle vor Veröffentlichung dieses Risiko nicht mindere (Rn. 54). Hiergegen lässt sich aber die mit der Einführung des § 353b Abs. 3a StGB getroffene Wertungsentscheidung des Gesetzgebers anführen, durch die gerade journalistische Tätigkeiten in Gestalt von Beihilfehandlungen zu § 353b Abs. 1 StGB privilegiert werden sollten. Diese Privilegierung ist Ausfluss der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Medien in einem demokratischen Rechtsstaat. Dabei gilt die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich auch für die öffentliche Mitteilung rechtswidrig beschaffter Informationen durch Dritte (BVerfG, Beschl. v. 25.01.1984 - 1 BvR 272/81 - BVerfGE 66, 116, 137 f.).


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Die bezüglich des Tatgeschehens getroffenen Feststellungen bieten ferner Anlass, die vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen zum Phänomen des Whistleblowings, welches durch die Einführung des ersten nationalen Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) in Deutschland im Sommer 2023 einen neuen (rechtlichen) Höhepunkt erreicht hat, abzugrenzen. So führt der BGH aus, dass es dem Angeklagten darum ging, auf von ihm empfundene Missstände und das vermeintliche Führungsversagen der Landespolizei aufmerksam zu machen (Rn. 4).
Dahingehend gibt es eine gewisse Überschneidung mit Whistleblowern bzw. Hinweisgebern i.S.d. nationalen Hinweisgeberschutzgesetzes. Für diese besteht stets das Problem, dass sie vor ihrem Tätigwerden subjektiv einschätzen müssen, ob es sich tatsächlich um Missstände handelt und falls ja, an wen sie sich damit wenden können und dürfen. Dem Angeklagten ging es aber auch darum, bestimmte Einzelpersonen anzuprangern und bloßzustellen, was eher untypisch für Whistleblower sein dürfte.
Vom strafrechtlichen Schutz der §§ 33 Abs. 1, 35 Abs. 2 HinSchG ist der Angeklagte jedenfalls nicht erfasst. Hierfür hätte er einen hinreichenden Grund zur Annahme haben müssen, dass die von ihm mitgeteilten Informationen erforderlich, wahr und vom Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes erfasst sind (ausführlich dazu: Doneleit, Die Strafbarkeit von Whistleblowing im öffentlichen Dienst, Rn. 419 ff.). Seine mutmaßlich boshafte Motivation zum Handeln ist dabei irrelevant für die Frage, ob die Schutznormen des Hinweisgeberschutzgesetzes anwendbar sind und eine mögliche Strafbarkeit infolge der Informationsübermittlung entfällt. Der festgestellte Sachverhalt spricht im Hinblick auf die Beweggründe des Angeklagten und dessen Überzeugungsbildung allerdings gegen die Annahme eines hinreichenden Grundes hinsichtlich der zuvor genannten Faktoren, vor allem in Bezug auf den Anwendungsbereich des HinSchG. Dass der Angeklagte sein Handeln dagegen für erforderlich hielt, ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen.
Zudem unterfallen die von ihm mitgeteilten Informationen nicht gänzlich dem sachlichen Anwendungsbereich nach § 2 HinSchG. Anderes gilt beispielsweise aber für Informationen über strafbewehrte Verstöße, § 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG. Außerdem kontaktierte der Angeklagte als Empfänger der Informationen unmittelbar den Journalisten. Diese erste Anlaufstelle steht im Widerspruch zu den gesetzlich vorgesehenen Meldestellen und Offenlegungsmöglichkeiten nach den §§ 7, 32 HinSchG und der vorgesehenen Reihenfolge ihrer Kontaktierung. Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise zulässige direkte Offenlegung waren nicht ersichtlich.



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