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Anmerkung zu:BSG 7. Senat, Urteil vom 10.04.2024 - B 7 AS 1/23 R
Autor:Rainer Kuhnke, Vizepräsident LSG a.D.
Erscheinungsdatum:28.11.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 16 SGB 2, § 89 SGB 3, § 91 SGB 3, § 163 SGG, § 221 SGB 3, Art 12 GG, § 138 BGB, § 242 BGB, § 1 KSchG, § 88 SGB 3, § 92 SGB 3, § 39 SGB 10, § 45 SGB 10, § 14 SGB 1, § 34 SGB 3
Fundstelle:jurisPR-SozR 23/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Thomas Voelzke, Vizepräsident des BSG a.D.
Jutta Siefert, Ri'inBSG
Zitiervorschlag:Kuhnke, jurisPR-SozR 23/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Zur (teilweisen) Rückforderung eines Eingliederungszuschusses nach Arbeitgeberkündigung in der Probezeit



Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Die Regelung zur Rückforderung eines Eingliederungszuschusses gemäß § 92 Abs. 2 SGB III geht regelmäßig als spezialgesetzliche Regelung den §§ 45 ff. SGB X vor (so schon BSG, Urt. v. 02.06.2004 - B 7 AL 56/03 R).
2. Im Anwendungsbereich des § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III, der allein auf die Berechtigung zur Kündigung abstellt, genügt - unabhängig von den tatsächlichen Umständen der Beendigung der Beschäftigung - das objektive Vorliegen eines zur Kündigung berechtigenden Grundes im Verhalten oder der Person des geförderten Arbeitnehmers, um eine Rückzahlungspflicht auszuschließen.
3. Eine verhaltensbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers ist gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III berechtigt, wenn prognostisch aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut oder in ähnlicher Weise verletzen.
4. Weder aus dem Wortlaut des § 92 SGB III, aus seiner Entstehungsgeschichte noch aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich eine durch eine Analogie zu schließende Regelungslücke vor dem Hintergrund, dass arbeitsrechtlich eine (fristlose) Kündigung innerhalb der Probezeit ohne Angaben von Gründen nicht ausgeschlossen ist.



A.
Problemstellung
Schwerpunkt der Entscheidung des BSG war die Frage nach der Rechtmäßigkeit einer (teilweisen) Rückzahlung eines Eingliederungszuschusses nach arbeitgeberseitiger Kündigung des Arbeitnehmers während der Probezeit. In diesem Zusammenhang stellten sich Fragen, ob Gründe für eine verhaltens- und personenbedingte Kündigung auch Beachtung bei einer Kündigung während der Probezeit finden müssen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin, die ein Unternehmen in der Werbebranche betrieb, stellte zum 15.02.2017 einen Grafiker ein, der zuletzt als „Graphic Designer“ im arabischen Raum tätig war und über geringe Deutschkenntnisse verfügte. Der Arbeitsvertrag sah ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer sechsmonatigen Probezeit vor. Auf den Antrag der Klägerin bewilligte der Beklagte einen Eingliederungszuschuss gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. den §§ 88, 89, 91 SGB III i.H.v. monatlich 1.152 Euro (40 v.H. des sozialversicherungspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts von 2.400 Euro zzgl. des Arbeitgeberanteils zum Gesamtsozialversicherungsbeitrags von 480 Euro) für den Zeitraum vom 15.02.2017 bis zum 14.08.2017. Mit dem Antrag war die Klägerin darüber belehrt worden, dass der Eingliederungszuschuss teilweise zurückzuzahlen sei, wenn das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund während des Förderzeitraums oder in der Nachbeschäftigungszeit beendet würde.
Die Klägerin kündigte dem Angestellten am letzten Tag der Probezeit am 14.08.2017 zum 14.08.2017. Auf Nachfrage des Beklagten teilte sie ihm mit, dass die Sprachbarrieren des Angestellten doch größer gewesen seien als erwartet und seine fachliche Ausbildung etwas unter dem deutschen Standard gelegen habe. Neben mehreren Gesprächen sei ihm zwecks Vermeidung der Kündigung u.a. ein Ausbildungsplatz mit dem Ziel angeboten worden, seine Defizite beheben zu können. Seit Juni 2017 habe er Deutschkurse nicht mehr besucht, Aufträge seien von ihm nicht mehr zufriedenstellend ausgeführt worden und seine Pünktlichkeit habe nachgelassen. An einem Montag habe er zudem unentschuldigt gefehlt.
Der Beklagte forderte mit Bescheid vom 21.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.01.2017 einen Betrag i.H.v. 3.494,40 Euro von der Klägerin zurück, weil Gründe für einen Verzicht der Forderung nicht bestünden.
Das Sozialgericht hatte die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.09.2020 abgewiesen, das Landessozialgericht wies die Berufung mit Urteil vom 25.04.2022 zurück und führte zur Begründung aus, dass keine der in § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB III normierten Ausnahmen von der Rückzahlungsverpflichtung vorgelegen haben. Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen. Eine verhaltensbedingte Kündigung setze jedenfalls eine Abmahnung voraus, die vorliegend fehle. Zudem sei der Vortrag der Klägerin zu personenbedingten Kündigungsgründen weder substanziiert noch in sich schlüssig. Da geringe Deutschkenntnisse des H. gerade Anlass für die Gewährung des Eingliederungszuschusses gewesen seien und schon deshalb eine personenbedingte Kündigung nicht rechtfertigen können, könne dahingestellt bleiben, ob gute Deutschkenntnisse für die ausgeführte Tätigkeit überhaupt erforderlich gewesen seien. Anders als die Klägerin meine, rechtfertigen zudem die in einer Probezeit arbeitsrechtlich erleichterten Kündigungsmöglichkeiten über den Wortlaut des § 92 SGB III hinaus keine Ausnahme von der Rückzahlungsverpflichtung. Auch daraus, dass der Beklagte die Klägerin nicht explizit darauf hingewiesen habe, dass für die Rückzahlung des Eingliederungszuschusseses andere Regelungen als für Kündigungen im Arbeitsrecht gelten, könne die Klägerin keine Rechte herleiten. Eine so weitgehende Beratungspflicht, die alle denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten erfasse, treffe den Beklagten nicht.
Das BSG hat auf die zugelassene Revision das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die (teilweise) Rückzahlungspflicht sei durch die am letzten Tag des Förderzeitraumes ausgesprochene Kündigung gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB III ausgelöst worden. Ob eine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht nach dem von vorherein in Betracht zu ziehenden § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III vorliege (Berechtigung zur Kündigung aus verhaltens- oder personenbezogenen Gründen), könne anhand der Feststellungen des Landessozialgerichts (§ 163 SGG) nicht abschließend entschieden werden.
Im Anwendungsbereich des § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III, der allein auf die Berechtigung zur Kündigung abstelle, genüge – unabhängig von den tatsächlichen Umständen der Beendigung der Beschäftigung – das objektive Vorliegen eines zur Kündigung berechtigenden Grundes im Verhalten oder der Person des geförderten Arbeitnehmers, um eine Rückzahlungspflicht auszuschließen. Weder müsse das Arbeitsverhältnis tatsächlich aus diesen Gründen beendet worden sein – es könne z.B. auch tatsächlich durch einen Aufhebungsvertrag aufgelöst worden sein – noch sei das Kündigungsschutzgesetz im Sinne einer Rechtsgrundverweisung in § 92 Abs. 2 SGB III hineinzulesen. Lediglich inhaltlich beurteile sich die Berechtigung zur Kündigung i.S. des § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III nach Maßgabe der arbeitsgerichtlich zu § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG entwickelten Kriterien (Rn. 18 f.).
Nicht abschließend zu beurteilen sei, ob Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers zur Kündigung berechtigt hätten. Das sei der Fall, wenn prognostisch aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden könne, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut oder in ähnlicher Weise verletzen (Rn. 20). Einerlei, ob eine Abmahnung erfolgt sei oder nicht, könne aus diesem Befund nicht der rechtliche Maßstab für die Rechtfertigung der verhaltensbedingten Kündigung hergeleitet werden, sondern er diene in diesem Zusammenhang nur der Objektivierung der Negativprognose (BAG, Urt. v. 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 „Emmely“; BAG, Urt. v. 23.06.2009 - 2 AZR 103/08).
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfe auch kein milderes Mittel zur Verfügung gestanden haben (Ultima-ratio-Prinzip). Dahingestellt bleiben könne, ob die wenige Tage vor dem Ausspruch der Kündigung angebotene Ausbildung arbeitsrechtlichen Maßstäben entsprochen hätte und dessen Ablehnung eine Kündigung als verhältnismäßig erscheinen lassen würde. Jedenfalls fehle es an Feststellungen im Berufungsurteil dazu, warum nur wenige Tage später dennoch eine (fristlose) Kündigung erfolgt sei. Offenbleiben könne vor diesem Hintergrund, ob und unter ggf. welchen weiteren Voraussetzungen der von der Klägerin vorgebrachte Gesichtspunkt des einmaligen Fehlens an einem Montag oder die Weigerung, weiterhin an einem Deutschkurs teilzunehmen, überhaupt eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen könne.
Auch hinsichtlich der Berechtigung einer personenbedingten Kündigung fehlten dem BSG zur abschließenden Prüfung die erforderlichen Feststellungen. Weiter hat es ausgeführt, dass mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden solle, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer nicht (mehr) die erforderliche Eignung oder Fähigkeit besitze, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die Erreichung des Vertragszwecks müsse durch einen in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Umstand nicht nur vorübergehend zumindest teilweise unmöglich sein (BAG, Urt. v. 18.01.2007 - 2 AZR 731/05; BAG, Urt. v. 18.09.2008 - 2 AZR 976/06 Rn. 22). Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG müsse die Erreichung des Vertragszwecks durch einen in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Umstand nicht nur vorübergehend zumindest teilweise unmöglich sein. Ausgehend hiervon könnten zwar hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache zur persönlichen Eignung zählen. Da aber das Landessozialgericht offengelassen habe, ob die Deutschkenntnisse des Angestellten „geringer als erwartet“ gewesen seien, weil die Kommunikation in Englisch erfolgt sei, könne nicht der Schluss gezogen werden, ausreichende Deutschkenntnisse seien für die ausgeübte Tätigkeit tatsächlich nicht erforderlich gewesen. Anderes könne nicht hinsichtlich seiner Ausbildung gelten, die unter dem „deutschen Standard“ gelegen hätte. Offengelassen hat das BSG zudem, ob jedwede, den arbeitsrechtlichen Kriterien materiell-rechtlich entsprechende, personen- oder verhaltensbedingte Kündigung eine Ausnahme von der Rückzahlungsverpflichtung nach § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III begründen könne oder von vornherein nur Gründe maßgeblich sein könnten, die nicht im Zusammenhang mit dem die Förderung auslösenden Vermittlungserschwernis stünden.
Weder aus dem Wortlaut des § 92 SGB III, aus seiner Entstehungsgeschichte noch aus Sinn und Zweck der Regelung ergebe sich eine durch eine Analogie zu schließende Regelungslücke vor dem Hintergrund, dass arbeitsrechtlich eine (fristlose) Kündigung innerhalb der Probezeit ohne Angaben von Gründen nicht ausgeschlossen sei. Sozialrechtlich befreie diese jedoch nur dann von der Pflicht zur teilweisen Rückzahlung, wenn objektiv unter anderem Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers auch zu einer entsprechenden Kündigung berechtigt hätten. Der Katalog der Befreiungstatbestände von § 92 Abs. 2 Nr. 1 SGB III sei abschließend.
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Der Beklagte sei nicht verpflichtet, über arbeitsrechtliche notwendige Schritte für eine Kündigung zu belehren.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des BSG zeigt für das Verfahren hinreichend klar die Voraussetzungen für einen Rückforderungsverwaltungsakt eines Eingliederungszuschusses nach § 92 SGB III auf und bezieht ausführlich Stellung insbesondere zu dem Ausnahmekatalog von § 92 Abs. 2 Nr. 1 SGB III. Unter Bezugnahme auf die einschlägigen Entscheidungen des BAG zu verhaltens- und personenbedingten Kündigungen werden die Grundlagen offenbart, die Kriterien für ein Absehen von einer Rückforderung sein können, ohne dass das Kündigungsschutzgesetz im Sinne einer Rechtsgrundverweisung in § 92 Abs. 2 SGB III hineinzulesen sei (so schon BSG, Beschl. v. 25.01.2012 - B 14 AS 111/11 B Rn. 9 noch zu § 221 Abs. 2 Satz 2 SGB III).
Die Besonderheit im konkreten Fall, dass die Kündigung während der Probezeit ausgesprochen worden war, gibt rechtlich keinen Anlass, andere Erwägungen mittels einer Analogie in § 92 Abs. 2 Nr. 1 SGB III zu verorten. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss, 27.01.1998 - 1 BvL 15/87) sind die Beschäftigten dort, wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Der gemäß Art. 12 Abs. 1 GG gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust über die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB dürfe jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitgeber die im Kündigungsschutzgesetz vorgesehenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit auch außerhalb seines Geltungsbereichs aufzuerlegen seien. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund hat das BAG festgestellt, dass der Vorwurf objektiver Sittenwidrigkeit i.S.d. § 138 BGB nur in besonders krassen Fällen erhoben werden könne, wenn das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt und nicht einmal ein ethisches Minimum gewahrt werde bzw. dann gegen § 242 BGB verstoße und nichtig sei, wenn sie aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst seien, Treu und Glauben verletze (BAG, Urt. v. 22.05.2003 - 2 AZR 426/02). Nach dem Wortlaut, der Rechtsentwicklung und nach Sinn und Zweck von § 92 Abs. 2 Nr. 1 SGB III besteht für die das Arbeitsrecht relevanten Erwägungen kein Raum. § 92 Abs. 2 SGB III enthalte eine abschließende Regelung.
Soweit das BSG hinsichtlich der personenbedingten Kündigung offengelassen hat, ob jedwede, den arbeitsrechtlichen Kriterien materiell-rechtlich entsprechende, personen- oder verhaltensbedingte Kündigung eine Ausnahme von der Rückzahlungsverpflichtung nach § 92 Abs 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III begründen kann oder von vornherein nur Gründe maßgeblich sein können, die nicht im Zusammenhang mit dem die Förderung auslösenden Vermittlungserschwernis stünden (u.a. Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB III, § 92 Rn. 38, Stand 9/2022; Coseriu in: Eicher/Schlegel, SGB III – Arbeitsförderungsrecht, Stand 6/2018, § 92 Rn. 41), bleibt abzuwarten, welche Fallkonstellation es dabei vor Augen gehabt hat. Denkbar erscheint, dass nun auch verhaltens- und personenbedingte Kündigungen im Förderzeitraum bzw. in der Nachbeschäftigungszeit nach § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III zum Ausschluss einer Rückzahlungspflicht führen können. Ob diese nun gerade mit Gründen unterlegt sein können, die zur Bewilligung des Eingliederungszuschusses i.S.d. § 88 SGB III geführt haben (verneinend: die aufgehobene Berufungsentscheidung, LSG Halle, Urt. v. 09.03.2017 - L 4 AS 221/15 Rn. 39; LSG Stuttgart, Urt. v. 07.09.2011 - L 3 AL 4999/10 Rn. 44), weil dies auch dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Vorschrift entgegenstünde, bleibt weiter klärungsbedürftig.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung bietet für die Mitarbeitenden der Jobcenter und Agenturen für Arbeit eine Arbeitshilfe, rechtssicher einen Eingliederungszuschuss von Arbeitgebern zurückzufordern, auch wenn an einer Stelle in der Entscheidung offengelassen wurde, ob Gründe für eine Kündigung gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III innerhalb des Förderzeitraums bzw. in der Nachbeschäftigungszeit zu einem Ausschluss der Rückforderung des Eingliederungszuschusses führen können. Auch in der Instanzrechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit und bei dem sonst mit derartigen Verfahren konsultierten Personenkreis wird die Entscheidung des BSG Beachtung finden und hilfreiche Dienste leisten. Soweit die Entscheidung auch Aufmerksamkeit in der Arbeitgeberschaft haben wird, wird auf die Besprechung der Entscheidung von Krome, jurisPR-ArbR 35/2024 Anm. 6 verwiesen.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Eingangs der Entscheidung des BSG wird an der spezialgesetzlichen Regelung zur Rückforderung des Eingliederungszuschusses gemäß § 92 Abs. 2 SGB III im Verhältnis zu den §§ 45 ff. SGB X festgehalten (so schon BSG, Urt. v. 02.06.2004 - B 7 AL 56/03 R). Der Erlass des Rückforderungsbescheides hat zur Folge, dass sich der Bewilligungsbescheid zum Eingliederungszuschuss gemäß § 39 Abs. 2 SGB X insoweit „in sonstiger Weise“ erledigt und seine Wirkung als Behaltensgrund für die Leistung verloren geht. Zum Ende der Entscheidung betont das BSG aber auch, dass es daneben noch einen Anwendungskreis für die §§ 45 ff. SGB X geben kann, da die tatsächliche Rückforderungshöhe von 3.494,40 Euro den rechtlich zulässigen Rückforderungsbetrag von 3.456 Euro überschritten hat.
Soweit das BSG auch Erwägungen zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gemacht hat, wird an die bewährte Rechtsprechung angeknüpft (BSG, Urt. v. 27.06.2019 - B 11 AL 8/18 R Rn. 21). Selbst wenn der Beklagte unzutreffend über die Voraussetzungen der Rückzahlungspflicht des Eingliederungszuschusses belehrt und insoweit seine allgemeine Fürsorge- und Beratungspflicht (§ 14 SGB I) in ihrer speziellen Ausprägung des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB III verletzt habe, könne – nach dem Vortrag der Klägerin – die Nicht-Einstellung des H. nicht durch eine zulässige Amtshandlung des Beklagten hergestellt werden.



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