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Anmerkung zu:FG Hannover 9. Senat, Urteil vom 24.07.2024 - 9 K 196/22
Autor:Dr. Sascha Bleschick, Vors. RiFG
Erscheinungsdatum:10.02.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 52 EStG, § 150a SGB 11, § 8 EStG, § 3 EStG
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 6/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Bleschick, jurisPR-SteuerR 6/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Anwendungsbereich der Steuerbefreiungsvorschrift nach § 3 Nr. 11a EStG für Corona-Sonderzahlungen



Leitsätze

1. Die mit dem Corona-SteuerhilfeG v. 19.06.2020 (BGBl I 2020, 1385) in § 3 Nr. 11a EStG eingeführte Steuerbefreiung ist rückwirkend, d.h. für ab dem 01.03.2020 gewährte Corona-Sonderzahlungen, anwendbar.
2. Eine ersatzweise anstelle von Urlaubsgeld oder einer Bonuszahlung aus Gründen der Steueroptimierung steuerfrei erbrachte Corona-Sonderzahlung stellt jedenfalls dann keine zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährte Leistung dar, wenn zeitgleich mit der als Corona-Sonderzahlung deklarierten Auszahlung ein Anspruch auf Urlaubsgeld bzw. eine Bonuszahlung begründet worden ist (im Streitfall: Ankündigung der Auszahlung von Urlaubsgeld bzw. Bonus verbunden mit dem Hinweis der Deklarierung als Corona-Sonderzahlung aus steuerlichen Gründen durch internen Aushang).
3. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG setzt u.a. voraus, dass der Arbeitgeber die Sonderzahlung auf Grund der Corona-Krise erbringt. Aus den Gesamtumständen muss erkennbar sein, dass die konkrete Leistung gewährt wird, um die beim Arbeitnehmer wegen der Corona-Pandemie entstandenen (Mehr-)Belastungen auszugleichen und abzumildern.



A.
Problemstellung
Streitig ist, ob im Streitjahr (2020) von einer Arbeitgeberin gezahlte Sonderzahlungen gemäß § 3 Nr. 11a EStG steuerfrei sind. Nach dieser Vorschrift sind Beihilfen und Unterstützungen, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit v. 01.03.2020 bis zum 31.03.2022 aufgrund der Corona-Krise an seine Arbeitnehmer gewährt werden, bis zu einem Betrag von 1.500 Euro steuerfrei.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin zahlte ihren Arbeitnehmern für die Monate von April bis Juli sowie November und Dezember des Streitjahres zusammen mit dem Arbeitsentgelt für die Monate Mai 2020 und November 2020 „Sonderzahlungen Corona“ aus. In internen Informationen hatte sie hierzu dargestellt, dass es bei guten wirtschaftlichen Voraussetzungen jährlich zwei einmalige Sonderzahlungen gebe: zur Jahresmitte Urlaubsgeld und zum Jahresende einen Bonus. Das Urlaubsgeld solle 50% des Bruttogehalts betragen und mit der Mai-, spätestens mit der Juni-Abrechnung erfolgen, der Bonus mit der November-, spätestens mit der Dezember-Abrechnung. Alle Sonderzahlungen würden freiwillig gezahlt. Zudem wies die Klägerin für das Jahr 2020 auf die steuerrechtliche Sonderregelung hin, wonach ein Teil des Urlaubsgeldes aufgrund der Corona-Situation als steuerfreie Corona-Sonderzahlung ausgewiesen werde. Diese Aufteilung solle eine höhere Netto-Auszahlung bewirken, wobei sich aus dem ausgewiesenen Urlaubsgeld plus der Corona-Sonderzahlung die Gesamtsumme des Urlaubsgeldes ergebe. Auch diese Zahlungen sollten auf freiwilliger Basis erfolgen.
Nach einer Lohnsteueraußenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung für die im Mai und November 2020 gewährten Sonderzahlungen nicht erfüllt seien, insbesondere fehle es an der Zusätzlichkeit der Leistungen. Den Einspruch der Klägerin wies der Beklagte als unbegründet zurück. Mit ihrer anschließenden Klage machte die Klägerin geltend, sie habe nicht einfach einen Teil des Urlaubsgelds in eine Corona-Sonderzahlung umgewandelt. Denn dafür hätte überhaupt ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf das volle Urlaubsgeld bestanden haben müssen. Außerdem habe sie die Corona-Sonderzahlung unabhängig von der Gewährung von Urlaubsgeld oder Boni beschlossen, um die besonderen Belastungen durch die Corona-Krise abzumildern. Das Finanzamt ist dagegen der Ansicht, dass die Zahlungen nicht krisenbedingt erfolgt, sondern lediglich aus steuerlichen Gründen anders bezeichnet worden seien, um eine höhere Netto-Auszahlung zu erreichen. Deshalb greife nicht die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG.
Auf Nachfrage des Gerichts teilte die Klägerin im Klageverfahren ergänzend mit, die Entscheidung über die Gewährung von „Urlaubsgeld“ und „Bonuszahlung“ sei bereits im April 2020 durch die Geschäftsführung und die Prokuristin getroffen worden. Man habe zwei Sonderzahlungen i.H.v. jeweils ca. 50% eines Bruttomonatsgehalts zahlen wollen, bestehend aus einem steuerfreien Corona-Teil und einem steuerpflichtigen Teil. Bereits im April 2020 sei eine Corona-Sonderzahlung i.H.v. maximal 250 Euro an alle Arbeitnehmer geflossen, ohne den für die steuerliche Begünstigung geltenden Höchstbetrag von 1.500 Euro auszuschöpfen.
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Zwar fielen die verfahrensgegenständlichen Zahlungen in den zeitlichen Anwendungsbereich der steuerrechtlichen Privilegierung nach § 3 Nr. 11a EStG (I.) und es seien auch weitere Voraussetzungen dieser Begünstigungsvorschrift gegeben (II.). Allerdings seien die Zahlungen weder zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn (III.) noch aufgrund der Corona-Krise (IV.) gewährt worden.
I. Die mit dem Corona-SteuerhilfeG v. 19.06.2020 in § 3 Nr. 11a EStG eingeführte Steuerbefreiung für Corona-Sonderzahlungen sei dem Grunde nach rückwirkend anwendbar, weshalb für eine Anwendung bereits der Wortlaut spreche. Sinn und Zweck der Steuerbefreiung lege eine solche Auslegung nahe, da der Gesetzgeber (freiwillige) Leistungen von Arbeitgebern, die diese zur Abmilderung der besonderen Belastungen durch die Corona-Pandemie gewährten, im Wege der Steuerfreistellung habe begünstigen wollen. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/19601, S. 33) habe der Gesetzgeber zudem im Interesse einer umfassenden Rechtssicherheit nachträglich eine eigenständige gesetzliche Regelung schaffen wollen. Auch systematische Gründe sprächen dafür, denn die Lohnsteuer sei eine Jahressteuer, welche nach dem im Kalenderjahr bezogenen Arbeitslohn bemessen werde.
II. Zudem seien die Corona-Sonderzahlungen im gemäß § 3 Nr. 11a EStG relevanten Zeitraum, also zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.03.2022, gewährt worden, indem die Klägerin entsprechende Zahlungen im Mai und November 2020 an die Arbeitnehmer erbracht habe. Auch seien die in beiden Monaten gewährten Sonderleistungen als Beihilfen in Form von Zuschüssen anzusehen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass sie als Gegenleistung für Arbeitsleistungen gedient hätten, da sie nicht vertraglich vereinbart worden seien und sich an wirtschaftlichen Gegebenheiten, Betriebszugehörigkeit sowie Krankheitstagen orientiert hätten. Zudem habe die Klägerin die Geldbeträge jeweils zusammen mit dem laufenden Entgelt überwiesen.
III. Die von der Klägerin in den Monaten Mai 2020 und November 2020 als Corona-Sonderzahlung bezeichneten Zahlungen seien jedoch keine zusätzlich zum Arbeitslohn geschuldeten Leistungen. Das FG könne im Ergebnis offenlassen, ob § 8 Abs. 4 EStG in der durch das JStG 2020 eingeführten Fassung bereits für die Lohnzahlungszeiträume Mai und November 2020 anwendbar sei. Denn die „Corona-Sonderzahlungen“ seien weder gemäß § 8 Abs. 4 EStG (1.) noch nach den Anforderungen der bisherigen Rechtsprechung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt worden (2.).
1. Für eine Anwendung des § 8 Abs. 4 EStG auf die Lohnzahlungszeiträume Mai und November 2020 spreche der ausdrücklich geäußerte Wille des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 19/22850, S. 83; BT-Drs. 19/23551, S. 13; BR-Drs. 503/20, S. 86). Demnach solle die Vorschrift für alle Leistungen des Arbeitgebers gelten, die in einem nach dem 31.12.2019 endenden Lohnzahlungszeitraum zugewendet würden. Zudem habe die Regelung gemäß § 52 Abs. 1 EStG erstmals für das Jahr 2020 anwendbar sein sollen. Das Zusätzlichkeitskriterium nach § 8 Abs. 4 EStG sei nicht erfüllt, da Urlaubsgeld und Bonuszahlungen teilweise als Corona-Sonderzahlung zur Steueroptimierung deklariert worden seien. Den Mitarbeitern sei nach der internen Information ein Anspruch auf Urlaubsgeld und Bonuszahlungen zugesichert worden. Der als Corona-Sonderzahlung deklarierte Betrag sei jedoch Teil des ohnehin geschuldeten Lohns gewesen und daher keine zusätzliche Leistung. Die Klägerin habe dies genutzt, um die Netto-Auszahlung zu erhöhen. Sie habe so den vertraglich geschuldeten Arbeitslohn (hier: Urlaubsgeld und Bonuszahlung) zugunsten der Corona-Sonderzahlung teilweise herabgesetzt, was nach § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG für das Zusätzlichkeitskriterium schädlich sei.
2. Auch nach aktueller Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 01.08.2019 - VI R 32/18 - BStBl II 2020, 106; Anm. Geserich, jurisPR-SteuerR 46/2019 Anm. 2) sei die Corona-Sonderzahlung keine zusätzliche Leistung. Danach werde eine Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt, wenn eine zweckgebundene Leistung neben dem ohnehin geschuldeten Lohn gezahlt werde, unabhängig von einem arbeitsrechtlichen Anspruch; ein Lohnformenwechsel sei zulässig, jedoch nicht bei Anrechnung oder Umwandlung des bestehenden Lohns, da dies die Steuerbefreiung zweckwidrig mache; die Zusätzlichkeit sei auf den Zeitpunkt der Zahlung zu beziehen. Im Streitfall ersetzten die verfahrensgegenständlichen Leistungen Urlaubsgeld und Bonus. Die Umwandlung verstoße gegen das Anrechnungsverbot. Die Zahlung sei nicht zweckgebunden erfolgt, sondern habe der Steueroptimierung gedient, wodurch der Zweck der Entlastung in der Corona-Krise nicht erreicht werde.
IV. Nach Überzeugung des Senats habe die Klägerin die Sonderleistungen nicht aufgrund der Corona-Krise erbracht. Das gesetzliche Erfordernis der Gewährung „auf Grund der Corona-Krise“ sei ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Aus den Gesamtumständen des Streitfalls ergebe sich indes nicht, dass die Corona-Sonderzahlung zur Abmilderung der Belastungen der Arbeitnehmer durch die Corona-Pandemie geleistet worden sei. So lasse sich aus den Äußerungen der Klägerin gegenüber ihren Mitarbeitern nicht entnehmen, dass die als Corona-Sonderzahlung deklarierte Leistung diese Belastungen habe abmildern sollen.
Die Sonderzahlung im Mai 2020 werde in den Informationsschreiben nämlich als „Sonderzahlung/Urlaubsgeld“ bezeichnet. Ein Bezug zur Corona-Pandemie werde nicht hergestellt. Die Klägerin habe im Monat Mai tatsächlich Urlaubsgeld ausgezahlt und mit der bloßen Ausweisung als Corona-Sonderzahlung eine höhere Netto-Auszahlung erreichen wollen. Auch die im November 2020 gewährte Bonuszahlung sei nicht aufgrund der Corona-Krise erbracht worden, fehle es doch auch insoweit an einer entsprechenden Klarstellung. Die Sonderzahlungen hätten sich nach dem Bruttogehalt gerichtet und besondere Belastungen infolge der Corona-Krise nicht zur Voraussetzung gemacht.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Die Vorgeschichte zur Steuerfreiheit von Corona-Sonderzahlungen nach § 3 Nr. 11a EStG begann mit dem Schreiben des BMF v. 09.04.2020, das eine Steuerbefreiung für Arbeitgeberleistungen zur „Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise für Arbeitnehmer“ regelte. Danach sollten Arbeitgeber im Kern Beihilfen und Unterstützungen aufgrund der Corona-Krise bis zu einem Betrag von 1.500 Euro nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei gewähren können (BMF, Schr. v. 09.04.2020 - IV C 5-S 2342/20/10009:001 - FMNR163000020 - BStBl I 2020, 503).
1. Nach dieser internen Verwaltungsanweisung war v.a. auch Voraussetzung, dass diese Arbeitgeberleistungen (Beihilfen und Unterstützungen) zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Sodann hat der Gesetzgeber auf Empfehlung des Finanzausschusses v. 27.05.2020 in Anlehnung an das vorgenannte BMF-Schreiben durch das Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.06.2020 (BGBl I Nr. 30) die Befreiung in § 3 Nr. 11a EStG gesetzlich normiert, um im Interesse einer umfassenden Rechtssicherheit eine gesetzliche Rechtsgrundlage für die Steuerfreiheit der Corona-Sonderleistungen zu schaffen (vgl. BT-Drs. 19/19601, S. 11 und 33). Nach der Gesetzesbegründung sollte Voraussetzung weiterhin (gemeint: nach der gesetzlichen Neuregelung in § 3 Nr. 11a EStG) sein, dass Beihilfen und Unterstützungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden (BT-Drs. 19/19601, S. 33). Damit machten sowohl Finanzverwaltung als auch der Gesetzgeber die Steuerbegünstigung von Corona-Sonderzahlungen übereinstimmend von dem Zusätzlichkeitskriterium abhängig.
Haben also Arbeitgeber in der Zeit nach Ergehen des BMF-Schreibens und vor Einbringung der Neuregelung in das Gesetzgebungsverfahren durch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses v. 27.05.2020 bzw. vor dem Inkrafttreten der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG Beihilfen und Unterstützungen gewährt, ohne das Zusätzlichkeitserfordernis zu beachten, sind diese Arbeitgeberleistung weder nach Auffassung der Finanzverwaltung noch nach der Neuregelung steuerbefreit gewesen.
2. Darüber hinaus verlangt der Gesetzeswortlaut in § 3 Nr. 11a EStG, dass Beihilfen und Unterstützungen „auf Grund der Corona-Krise“ geleistet worden sind. Nach dem durch § 3 Nr. 11a EStG überholten BMF-Schr. v. 09.04.2020 - IV C 5-S 2342/20/10009:001 - FMNR163000020 (BStBl I 2020, 503) durfte aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Betroffenheit durch die Corona-Krise allgemein unterstellt werden, dass ein die Beihilfe und Unterstützung rechtfertigender Anlass vorliege (vgl. dazu im Allgemeinen R 3.11 Abs. 2 Satz 1 LStR). Diese Regelung aus der Zeit vor Schaffung einer gesetzlichen Steuerbefreiung bietet entgegen der in Rn. 91 des Besprechungsurteils niedergelegten – dort nicht entscheidungserheblichen – Auffassung des FG Hannover Anlass, auch bei der Auslegung von § 3 Nr. 11a EStG davon auszugehen, dass die Gewährung von Beihilfen und Unterstützungen durch den Arbeitgeber innerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs von § 3 Nr. 11a EStG „auf Grund der Corona-Pandemie“ erfolgt. Denn der Gesetzgeber beabsichtigte, die Regelungen des BMF-Schr. v. 09.04.2020 - IV C 5-S 2342/20/10009:001 - FMNR163000020 (BStBl I 2020, 503) rechtssicher, d.h. inhaltsgleich zur Verwaltungsregelung, umzusetzen (vgl. BT-Drs. 19/19601, S. 33; vgl. zu den Diskussionen zum BMF-Schr. v. 09.04.2020 - IV C 5-S 2342/20/10009:001 - FMNR163000020, BStBl. I 2020, 503, auch Hechtner, NWB 2020, 1826, 1830; enger: Levedag in: BeckOK EStG, § 3 Nr. 11a Rn. 37, Stand: Stand: 01.07.2024, nur anlässlich der Corona-Pandemie innerhalb des Begünstigungszeitraums gewährte/erdiente Arbeitgeberleistungen nicht steuerfrei, unter Hinweis auf eine gebotene restriktive Auslegung der Vorschrift und die FAQ „Corona“ [Steuern] VI. Nr. 1 und 3, Stand: 21.03.2023, wobei dort allerdings maßgeblich auf den zeitlichen Anwendungsbereich von § 3 Nr. 11a EStG sowie einen in der vertraglichen Vereinbarung erkennbaren Bezug zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise abgehoben wird). Der Bezug zur Corona-Krise folgt unter Berücksichtigung der Typisierungsbefugnis des Steuergesetzgebers allein daraus, dass die Beihilfen und Unterstützungen in den zeitlichen Anwendungsbereich von § 3 Nr. 11a EStG fallen und bereits deshalb i. S. v. § 3 Nr. 11a EStG „auf Grund der Corona-Krise“ geleistet werden. Dieser Konnex zur Corona-Pandemie ging auch nicht durch die späteren Ausweitungen des zeitlichen Anwendungsbereichs der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG verloren: Der zeitliche Anwendungsbereich war zunächst nur für solche Zahlungen eröffnet, die in der Zeit v. 01.03.2020 bis zum 31.12.2020 gezahlt worden waren (§ 3 Nr. 11a EStG i.d.F. des Corona-Steuerhilfegesetzes v. 19.06.2020, BGBl I 2020, 1385). Sodann wurde der zeitliche Anwendungsbereich auf den 30.06.2021 (§ 3 Nr. 11a EStG i.d.F. des JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl I 2020, 3096) und schließlich auf den 31.03.2022 verlängert (§ 3 Nr. 11a EStG i.d.F. des AbzStEntModG v. 02.06.2021 (BGBl I 2021, 1259). Diese Verlängerungen weisen einen eindeutigen Bezug zu den allgemeinen Folgen der Corona-Pandemie auf, wollte der Gesetzgeber doch eine Steuerbefreiung der „Corona-Prämie“ i.S.v. § 150a SGB XI bzw. anderweitig gewährter „Corona-Beihilfen“ aufrechterhalten (BT-Drs. 19/25160, S. 192 f.; BT-Drs. 19/28925, S. 70) und den Arbeitgebern insgesamt mehr Zeit für eine steuerbegünstigte Abwicklung von Corona-Prämien und Corona-Beihilfen gewähren (ebenso Valta in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 3 Nr. 11a EStG Rn. 7, Stand: September 2024; Hechtner, NWB 2020, 1826, 1830; vgl. zur Entstehungsgeschichte auch Haversath in: Wagner Lohnsteuer, F. Rn. 77, Stand: 01.09.2024). Der Gesetzgeber unterstellte, dass in dieser Zeit eine besondere Förderungswürdigkeit für die Leistungen des ArbG besteht, unabhängig davon, ob die Corona-Krise auf diesen Zeitraum beschränkt ist (v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Rn. B 11a/3, Stand: November 2024; ders. in: Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 3 Rn. 29e). Außerdem haben sich Sinn und Zweck von § 3 Nr. 11a EStG, mit Blick die Corona-Pandemie gewährte Arbeitgeberleistungen steuerfrei zu stellen, mit den Tatbestandsmerkmalen der „Beihilfe“ und „Unterstützungen“ auch im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen (vgl. v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Rn. B 11a/19, Stand: November 2024; ders. in: Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, § 3 Rn. 29d; Hamacher in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 EStG, Rn. 5, Stand: Oktober 2024). Auf dieser Linie liegt die Auffassung, wonach § 3 Nr. 11a EStG nicht verlangt, dass der einzelne Arbeitnehmer konkrete Nachteile erlitten hat bzw. konkret besonderen Belastungen ausgesetzt war (vgl. v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Rn. B 11a/20: „abstrakte Betrachtung“, Stand: November 2024; Levedag in: BeckOK EStG, § 3 Nr. 11a Rn. 37, Stand: Stand: 01.07.2024).
II. Das BMF begreift die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG als abschließende Spezialregelung gegenüber § 3 Nr. 11 EStG; andere Steuerbefreiungen, Bewertungsvergünstigungen oder Pauschalbesteuerungsmöglichkeiten (wie z.B. die §§ 3 Nr. 34a, 8 Abs. 2 Satz 11, 8 Abs. 3 Satz 2 EStG) blieben hiervon unberührt und könnten neben der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11a EStG in Anspruch genommen werden (vgl. BMF, Schr. v. 26.10.2020 - IV C 5-S 2342/20/10012:003 - FMNR4f5000020 - BStBl I 2020, 1227).
III. Soweit ersichtlich ist die Besprechungsentscheidung die zweite finanzgerichtliche Entscheidung zu der Frage, ob Zahlungen nach § 3 Nr. 11a EStG steuerfrei sind. Ebenso wie das FG Hannover mit der Besprechungsentscheidung hat auch das FG Kassel eine Zahlung als nicht nach § 3 Nr. 11a EStG eingestuft (FG Kassel, Urt. v. 28.02.2024 - 2 K 38/23 - juris, rkr.). Der dortige Streitfall betraf Leistung aus dem Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020 an Gewerbetreibende. Insoweit entschied das FG Kassel, dass § 3 EStG keine positive Regelung zur Steuerfreiheit der dort verfahrensgegenständlichen Corona-Beihilfen enthalte. Vielmehr seien nur Regelungen zu anderen Zahlungen normiert, die ganz oder zum Teil im Zusammenhang mit der Corona-Krise geleistet wurden. So werde in § 3 Nr. 11a, 11b EStG die Steuerfreiheit von Corona-Beihilfen des Arbeitgebers, in § 3 Nr. 25 EStG i.V.m. § 56 Abs. 1a IfSG die Steuerfreiheit von Entschädigungen nach dem IfSG für Verdienstausfälle infolge eines epidemiebedingten Entfallens der Betreuung von Kindern und Menschen mit Behinderungen sowie in § 3 Nr. 28a EStG die Steuerfreiheit von Zuschüssen des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld geregelt. Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 EStG sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen, so dass an Gewerbetreibende Corona-Beihilfen insbesondere mangels Zahlung durch einen Arbeitgeber nicht nach § 3 Nr. 11a EStG begünstigt seien (FG Kassel, Urt. v. 28.02.2024 - 2 K 38/23 Rn. 44, 49 f., 52, rkr.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Das FG Hannover hat in dem Besprechungsurteil die Revision zugelassen, die die Klägerin auch eingelegt hat. Damit hat der BFH in dem unter dem Az. VI R 25/24 geführten Revisionsverfahren die Möglichkeit, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG näher zu präzisieren.



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