Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Sein Satzungszweck ist die Pflege und Förderung des Amateursports und der Jugendarbeit. Er ist grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG und nach § 3 Nr. GewStG steuerbefreit.
Der Kläger unterhält eine Schwimm- und eine Tennishalle. Beide wurden genutzt sowohl für den ideellen Bereich als auch für die Zweckbetriebe – der Vermietung der Schwimmhalle mit Trainer bzw. der Vermietung der Tennishalle an Mitglieder – und für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb – Vermietung der Schwimmhalle ohne Trainer und Vermietung der Tennishalle an Nichtmitglieder.
Zur Ermittlung der jeweiligen tatsächlichen Nutzungszeiten der Tennishalle legten die Beteiligten einvernehmlich die Nutzungszeiten der fünf Tennisplätze in der Wintersaison 2015 und 2016 zugrunde, um eine durchschnittliche Quote für den gesamten Streitzeitraum 2014 bis 2016 zu ermitteln. Hieraus ergaben sich die zwischen den Beteiligten nicht streitigen Nutzungs- und Leerstandszeiten pro Woche. In gleicher Weise wurden die Nutzungszeiten und Leerstandszeiten pro Woche für die Schwimmhalle (Lehrschwimmbecken) ermittelt.
Der Kläger führte im Streitjahr 2014 eine viertägige Jugendreise nach A durch. Bereits seit dem Jahr 1990 hatte er solche Jugendreisen angeboten. Am Zielort fanden jährlich internationale Jugendbegegnungen statt. Partnerorganisation des Klägers für diesen Austausch ist die Sportjugend in C, einem Ortsteil von A. Die jugendlichen Reiseteilnehmer im Alter zwischen 14 und 18 Jahren wohnten bei Gasteltern in C. Sie nahmen dort an diversen lokalen sportlichen und kulturellen Programmpunkten teil. Vor der Reise fanden in Hamburg mehrere Vorbereitungstreffen statt, um den Teilnehmern die xxx Kultur und die xxx Sportarten näher zu bringen und um sie auf das besondere Verhalten in den Gastfamilien vorzubereiten. Der Kläger ordnete diese Reise als Zweckbetrieb ein.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, sowohl bei der Schwimmhalle als auch bei der Tennishalle seien die Leerstandszeiten allein dem ideellen Bereich des Klägers zuzuordnen. Dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb Schwimmhalle sei ein Anteil der Betriebsausgaben i.H.v. 17,31% (2014), 19,78% (2015) und 23,90% (2016) zuzuordnen. In den Gesamt-Betriebsausgaben für die Tennishalle sind jeweils Aufwendungen für Abschreibungen enthalten. Für die Bemessung der Vorsteuer – insofern hier nicht im Streit – nahm der Betriebsprüfer eine Aufteilung nach den tatsächlichen Nutzungszeiten (ohne Berücksichtigung der Leerstandszeiten) vor.
Nach Auffassung des Betriebsprüfers war die Jugendreise nach B kein Zweckbetrieb, sondern ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, denn der Kläger trete hiermit in den Wettbewerb zu nicht begünstigten Wettbewerbern (vgl. § 65 Nr. 3 AO). Es überwiege der Freizeitcharakter der Reise. Der erzieherische Charakter sei nicht nachgewiesen worden.
Es ergingen entsprechend geänderte KSt- und GewStG-Bescheide. Mit der hiergegen gerichteten Klage trug der Kläger u.a. vor: Die Nutzung der Tennishalle sei vorrangig durch den Zweckbetrieb Vermietung an Mitglieder und den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb Vermietung an Nichtmitglieder verursacht. Die Eigennutzung im ideellen Bereich durch Jugendtraining und Punktspiele sei von untergeordneter Bedeutung. Primärer Anlass der Kosten der Tennishalle sei zwar der ertragsteuerfreie Bereich der Vermietung an Mitglieder als Zweckbetrieb und der Eigennutzung im ideellen Bereich. Unabhängig von der primären Veranlassung sei aber eine anteilige Berücksichtigung von gemischt veranlassten Kosten zulässig, wenn es einen objektiven Maßstab für die Aufteilung der Aufwendungen – z.B. nach zeitlichen Gesichtspunkten – auf die drei Sphären gebe (AEAO zu § 64 Abs. 1 Nr. 6). In den im Erlass angeführten Beispielen für die Abgrenzbarkeit der auf den steuerlichen Geschäftsbetrieb entfallenden Betriebsausgaben seien die Leerstandszeiten nicht erwähnt. Die Betriebsausgaben der Tennis- und Schwimmhalle seien allein nach dem Anteil an der tatsächlichen Nutzung aufzuteilen. Der Leerstand sei hierbei nicht zu berücksichtigen. Für nicht nutzungsabhängige Kosten der Tennishalle sei ein pauschaler Abschlag von 10% vorzunehmen, so dass die nutzungsabhängigen Kosten mit 90% der variablen Kosten im Schätzungswege anzusetzen seien. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Schwimmhalle. Hier seien die von der Betriebsprüfung festgestellten Betriebsausgaben entsprechend dem Anteil an der tatsächlichen Nutzung (2014: 26,69%; 2015: 27,80% und 2016: 32,10%) anzusetzen. Auch für die Schwimmhalle wären ggf. hilfsweise noch die nutzungsabhängigen Kosten zu ermitteln. Die Kosten des Leerstandes seien allein dem ideellen Bereich zuzuordnen.
Das Finanzgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:
I. Die Kosten der Tennis- bzw. Schwimmhalle sind anteilig nach den tatsächlichen Nutzungszeiten dem ideellen Bereich sowie dem Zweckbetrieb und dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen. Eine vollständige Zuordnung der Leerstandszeiten allein zum ideellen Bereich scheidet aus, wenn – wie hier – die tatsächlichen Nutzungsanteile feststehen.
1. Einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind die Einnahmen und Ausgaben zuzurechnen, deren Entstehen durch die den Geschäftsbetrieb begründende Tätigkeit veranlasst ist. Seit der Entscheidung des Großen Senats vom 21.09.2009 (GrS 1/06 - BStBl II 2010, 672; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 10/2010 Anm. 1) wird eine Aufteilung gemischt veranlasster Aufwendungen für rechtens gehalten, wenn und soweit objektivierbare zeitliche oder quantitative Abgrenzungskriterien vorhanden sind und die berufliche oder private Veranlassung nicht von völlig untergeordneter Bedeutung ist. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gebietet die Berücksichtigung des beruflichen Anteils durch Aufteilung.
2. Unter Bezugnahme hierauf hat der BFH mit Urteil vom 15.01.2015 (I R 48/13 - BStBl II 2015, 713; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 22/2015 Anm. 1) seine Rechtsprechung zur Aufteilung von gemischt veranlassten Kosten – auch im Gemeinnützigkeitsrecht – geändert. Die Rechtsprechung nimmt Bezug auf das durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH (BFH, Beschl. v. 21.09.2009 - GrS 1/06 - BStBl II 2010, 672 „gewandelte Verständnis des Veranlassungsprinzips hin zu einem Prinzip der wertenden Selektion der Aufwandsursachen“.
Für die Trennung muss ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab zur Verfügung stehen, der nach objektivierbaren – nach außen hin erkennbaren und nachvollziehbaren – Kriterien ermittelt wird. Es kommt in Betracht eine Aufteilung nach Zeit-, Mengen- oder Flächenanteilen sowie eine Aufteilung nach Köpfen. Ist eine Trennung nicht möglich, weil es an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung fehlt, kommt ein Abzug der Aufwendungen insgesamt auch weiterhin nicht in Betracht. Stehen Ausgaben in mehreren Veranlassungszusammenhängen, ist zunächst zu prüfen, ob sich die Ausgaben den unterschiedlichen Ursachen zuordnen lassen. Ist eine anteilige Zuordnung nicht möglich, ist der vorrangige Veranlassungszusammenhang maßgeblich (BFH, Beschl. v. 24.10.2024 - I R 40/21 Rn. 15, zu sog. gemischten Aufwendungen als verdeckte Gewinnausschüttungen). Die Verwaltung ist dem gefolgt (Nr. 6 des AEAO zu § 64 Abs. 1; BMF, Schreiben v. 26.01.2016 - BStBl I 2016, 155.
Auf der Basis der neueren Grundsätze des BFH in BStBl II 2015, 713, denen sich das FG anschließt, ist für den entschiedenen Fall davon auszugehen, dass die Kosten für die Tennis- und die Schwimmhalle nach den tatsächlichen Nutzungszeiten aufzuteilen sind, da die konkreten Nutzungszeiten feststehen. Eine untrennbare Verflechtung der Aufwendungen ist vorliegend für die Leerstandszeiten nicht ersichtlich.
II. Nach Auffassung des FG ist die Jugendreise nach B kein Zweckbetrieb i.S.d. §§ 65 ff. AO, weder i.S.d. § 68 Nr. 1 Buchst. b AO noch des § 66 Abs. 1 AO. Sie ist auch kein Zweckbetrieb i.S. von § 65 AO, da das FG die Voraussetzungen des § 65 Nr. 2 und 3 AO nicht als gegeben erachtet.
1. Die Jugendreise dient in ihrer Gesamtrichtung dazu, den steuerbegünstigten satzungsgemäßen Satzungszweck der Pflege und Förderung der Jugendarbeit (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO – Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII als Förderung der Jugendhilfe) zu verwirklichen. Die Freizeitgestaltung dient bei Jugendlichen der Erziehung (BFH, Urt. v. 21.11.1974 - II R 107/68 - BStBl II 1975, 389).
Allerdings ist die Voraussetzung des § 65 Nr. 2 AO in Anbetracht des Satzungszweckes „Jugendarbeit“ bei der Durchführung von Reisen für die Zielgruppe nicht erfüllt. „Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger mit einer solchen Jugendreise ein qualitativ besseres Angebot machen könnte als ein nichtprivilegierter Unternehmer“. Jedenfalls aber liegt ein Verstoß gegen § 65 Nr. 3 AO vor. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb „Jugendreise“ tritt zu nicht begünstigten Betrieben derselben Art in größerem Umfang in Wettbewerb, als es zur Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.
2. Bei der Anwendung der Wettbewerbsklausel des § 65 Nr. 3 AO, der dem Schutz des Wettbewerbs dient („Wettbewerbsklausel“; vgl. BFH, Urt. v. 26.08.2021 - V R 5/19 Rn. 36 - BFHE 274, 284 = BFH/NV 2022, 166), ist zu prüfen, ob der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb und der oder die nicht begünstigten Betriebe dem gleichen Kundenkreis im gleichen Einzugsgebiet gleiche Leistungen anbieten oder anbieten könnten. Umfasst ist damit auch der potenzielle Wettbewerb. Ausgehend von der vorhandenen Marktstruktur ist abzuschätzen, ob der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb steuerpflichtige Anbieter verdrängen kann oder eher zur Ausweitung des Güterangebots insgesamt führt (Bezugnahme auf Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht und Spendenrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 6.205 ff.).
3. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht für das Gericht fest, dass das Angebot der Jugendreise durch den Kläger generell geeignet ist, andere Anbieter zu verdrängen. Es ist zudem auch nicht dazu geeignet, zu einer Ausweitung des Güterangebots insgesamt zu führen. Auch ist nicht ersichtlich, dass gerade solche Jugendlichen das Angebot annehmen würden, die eine solche Jugendreise nicht auch von einem entgeltlichen Anbieter in Anspruch nehmen würden. Diese Art der Jugendarbeit ist auch ohne eine steuerrechtlich begünstigte Tätigkeit zu erreichen. Es gibt durchaus Anbieter für Jugendreisen nach B, die dies auch mit einem Aufenthalt bei Gasteltern verbinden (…).