Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger, seine [drei] Kinder, sein Bruder A und dessen [zwei] Kinder sowie sein Bruder B und dessen [zwei] Kinder sind Erben zu je 1/10der Erblasserin. Zum Nachlass gehörte ein Geschäftsanteil mit dem Nennbetrag von 9.000 Euro an einer GmbH, deren Stammkapital 27.000 Euro betrug. Die übrigen Geschäftsanteile hielt die eine KG, an der neben einer Komplementärin ohne vermögensmäßige Beteiligung der Kläger und seine beiden Brüder als Kommanditisten beteiligt waren.
Mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 10.10.2013 veräußerten die Miterben gemeinschaftlich den durch Erbanfall erworbenen Anteil an der GmbH zu einem Kaufpreis von 300.000 Euro an die GmbH selbst (Erwerb eigener Anteile). Der Bestimmung des Kaufpreises lagen zwei Unternehmensbewertungen zugrunde, aufgrund derer sich die Miterben auf einen Unternehmenswert der GmbH von 1.000.000 Euro geeinigt hatten.
Mit Feststellungsbescheid vom 27.04.2017 stellte das örtlich zuständige Finanzamt auf Anforderung des für die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständigen Beklagten (Finanzamt -FA -) den Wert des veräußerten Geschäftsanteils erklärungsgemäß mit 1.819.176 Euro fest.
Aufgrund der Differenz zwischen dem festgestellten Wert und dem vereinbarten Kaufpreis ging das FA von Schenkungen i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG der nicht an der KG beteiligten Miterben zugunsten der Kommanditisten der KG aus und setzte mit Bescheiden jeweils vom 12.11.2018 Schenkungsteuer gegen den Kläger (und dessen Brüder) fest. Den Wert des jeweiligen Erwerbs ermittelte es, ausgehend vom Unterschiedsbetrag zwischen dem festgestellten Wert des Geschäftsanteils und dem vereinbarten Kaufpreis i.H.v. 1.519.176 Euro, der zu je 1/10 auf die zuwendenden Miterben entfalle und von diesen zu je 1/3 den bedachten Kommanditisten zugewandt worden sei, mit jeweils 50.639 Euro. Die Steuerbegünstigung nach den §§ 13a, 13b ErbStG gewährte es nicht.
Der Kläger legte erfolglos Einsprüche gegen die Schenkungsteuerbescheide ein. Das Finanzgericht wies die hiergegen erhobene Untätigkeitsklage als unbegründet ab. Es hat eine Werterhöhung des Anteils des Klägers an der KG aufgrund des Verkaufs der Anteile der GmbH nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG bejaht und das Vorliegen von begünstigtem Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG verneint.
Die Revision führte zur Aufhebung dieses Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Nach Auffassung des BFH hat das FG § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG unzutreffend ausgelegt, da es davon ausgegangen sei, dass die von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG vorausgesetzte Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft „denklogisch“ mit dem Wert des teilweise unentgeltlich auf die Gesellschaft übertragenen Geschäftsanteils korrespondiere. Zu prüfen sei, ob der Erwerb der eigenen Anteile zu einer Erhöhung des Wertanteils des GmbH-Anteils geführt habe, der dem Kläger mittelbar als Kommanditist der KG zuzurechnen sei. Das FG habe hinsichtlich einer möglichen Werterhöhung dieser Anteile keine konkreten Feststellungen getroffen.
Kontext der Entscheidung
Es ist – soweit ersichtlich – das erste Mal, dass sich der BFH mit § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG in einem Revisionsverfahren befasst. Die Norm fingiert eine Schenkung des an eine Kapitalgesellschaft Leistenden an den mittelbar oder unmittelbar beteiligten (Mit-)Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil durch die Leistung eine Werterhöhung erfährt. Sie ist durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 07.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) eingeführt worden und sollte eine Besteuerungslücke insbesondere bei disquotalen Einlagen schließen (
BR-Drs. 253/11 (Beschluss), S. 34). Der BFH hatte in diesen Fällen vor der Einfügung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den Gesellschafter verneint, da es wegen der rechtlichen Eigenständigkeit des Gesellschaftsvermögens der GmbH an einer zivilrechtlichen Vermögensverschiebung zwischen den Gesellschaftern fehle (BFH, Urt. v. 09.12.2009 - II R 28/08 - BFHE 228, 169 = BStBl II 2010, 566). § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG verdrängt als Spezialtatbestand den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Auch wenn die Aufhebung der Vorentscheidung darauf hindeutet, hat der BFH die Rechtsauffassung des FG im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 ErbStG zunächst bestätigt. Seiner Auffassung nach hat das FG zu Recht angenommen, dass die Anteilsabtretung aufgrund des Erwerbs eigener Anteile eine Leistung an die GmbH i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG darstellt. Der Begriff der Leistung i.S.d. Vorschrift ist nämlich weit zu verstehen. Dazu gehört jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das die Hingabe von Vermögen des Zuwendenden bewirkt. Die Leistung kann in einer offenen oder verdeckten Einlage bestehen oder auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung des Gesellschafters oder eines Dritten mit der Kapitalgesellschaft beruhen. Dieser weite Leistungsbegriff wurde bereits bei Einführung der Norm kritisiert (vgl. Viskorf, ZEV 2012, 442, 443).
Eine Anteilsabtretung – wie im Streitfall durch die Miterben – kann daher den Leistungsbegriff des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfüllen. Maßgeblich ist die Perspektive der zuwendenden Gesellschafter. Diese haben mit dem Geschäftsanteil einen Vermögensgegenstand hingegeben und auf diese Weise eine Leistung an die GmbH erbracht. Aus der Sicht eines veräußernden Gesellschafters ist es unerheblich, ob er seinen Geschäftsanteil an die Gesellschaft selbst oder an einen Dritten veräußert. Entscheidend ist allein, dass er – aus seiner Perspektive – einen verkehrsfähigen, werthaltigen Gegenstand hingibt. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG verlangt auch keine freigebige Vermögensverschiebung. Maßgebend für die Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist allein die Werterhöhung von Anteilen an der Gesellschaft, die ein unmittelbar oder mittelbar beteiligter Gesellschafter durch die Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft erlangt.
Grund für die Aufhebung ist die – im Streitfall noch nicht feststehende – Höhe der Bereicherung im Falle des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG. Die Frage, wie die Werterhöhung zu bestimmen ist, ist nicht einfach zu beantworten. Der Gesetzgeber hatte zwar den klassischen Fall der disquotalen Einlage in Kapitalgesellschaften vor Augen, als er § 7 Abs. 8 ErbStG einführte. In dem Fall kann ggf. eine Wertverschiebung zugunsten der Gesellschaft festgestellt werden. Diese Wertverschiebung muss jedoch nicht zwangsläufig zu einer Änderung des Werts der Beteiligung führen.
Der BFH hat ein paar Grundsätze zur Feststellung der Werterhöhung aufgestellt. Danach kann die Bereicherung nicht höher sein als der gemeine Wert der (teil-)unentgeltlich bewirkten Leistung. Der Wortlaut des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG sieht eine solche Obergrenze zwar nicht ausdrücklich vor. Die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Norm, Missbrauch durch eine mittelbare Mehrung des Vermögens eines (Mit-)Gesellschafters zu vermeiden (vgl. Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung,
BT-Drs. 17/7524, S. 6), gebieten es jedoch, den Steuerzugriff auf den gemeinen Wert der Leistung des Zuwendenden zu beschränken. Bei einer teilentgeltlichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen an die GmbH bestimmt sich der gemeine Wert der bewirkten Leistung nach der Differenz zwischen dem gemeinen Wert des Anteils und dem von der GmbH gezahlten Entgelt. Denn eine Leistung von Gesellschaftern oder Dritten an die Kapitalgesellschaft führt nicht zu einer steuerbaren Werterhöhung, soweit dieser Leistung eigene Leistungen der Gesellschaft beziehungsweise der Gesellschafter gegenüberstehen (vgl. R E 7.5 Abs. 11 Satz 2 ErbStR 2019). Ob die Gegenleistung wertadäquat oder die Übertragung des Geschäftsanteils ganz oder teilweise unentgeltlich ist, richtet sich nach dem Preis, der bei einer Veräußerung des Anteils im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) zu erzielen wäre (vgl. BFH, Urt. v. 20.01.2016 - II R 40/14 Rn. 19 - BFHE 252, 453 = BStBl II 2018, 284).
Wenn der Wert der Leistung auch die Obergrenze für eine Werterhöhung darstellt, entspricht die Werterhöhung jedoch nicht zwingend diesem Wert. Es ist – so der BFH – in jedem Einzelfall festzustellen, ob die Leistung an die Gesellschaft tatsächlich zu einer Werterhöhung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft geführt hat. Eine solche Werterhöhung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG liegt nur dann vor, wenn der gemeine Wert des Anteils des Bedachten nach der Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft den gemeinen Wert des Anteils vor der Leistung übersteigt. Die Bewertung hat jeweils nach den in § 11 Abs. 2 und 3 BewG enthaltenen Regeln für die Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften zu erfolgen. Danach ist der gemeine Wert in erster Linie aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Sind solche Verkäufe nicht erfolgt, ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln, wobei die Methode anzuwenden ist, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Der Substanzwert der Gesellschaft darf bei der Wertermittlung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG nicht unterschritten werden (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG).
Bei dem Erwerb von eigenen Anteilen durch eine GmbH ist zusätzlich zu beachten, dass das Gesellschaftsvermögen der GmbH nur noch in den Geschäftsanteilen der verbliebenen Gesellschafter reflektiert wird. Daraus kann sich eine Werterhöhung der Anteile der verbliebenen Gesellschafter i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ergeben. Denn es findet eine Wertverschiebung zulasten der eigenen und zugunsten der übrigen Gesellschaftsrechte statt (vgl. BFH, Urt. v. 02.08.1989 - I R 53/85 - BFHE 158, 452 = BStBl II 1990, 222, unter II.2., 3. und 4.), da die Mitgliedschaftsrechte für einen eigenen Anteil der GmbH ruhen. Bei der Entscheidung über die Gewinnfeststellung und -verwendung hat die Gesellschaft kein Stimmrecht und kann auszuschüttende Gewinne nicht beziehen. Der auf den eigenen Anteil der Gesellschaft rechnerisch entfallende Gewinn kann nur unter den übrigen Gesellschaftern verteilt werden (BGH, Urt. v. 30.01.1995 - II ZR 45/94 - NJW 1995, 1027, Leitsatz 1 und 2). Im Fall des Erwerbs eigener Anteile durch die GmbH kann sich aber auch der Substanzwert der Gesellschaft durch das Ausscheiden des veräußernden Gesellschafters über die Minderung des Geldbestands für den Erwerb der Anteile hinaus verringern. So kann der gemeine Wert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft etwa durch firmenwertbildende Faktoren (zum Beispiel das Entfallen des Kundenstamms oder von Know-how) weiter absinken (vgl. R B 11.5 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2019), so dass es zu keiner Werterhöhung der Anteile der GmbH-Gesellschafter kommen kann.
Schließlich war noch zu entscheiden, ob – sollte eine Werterhöhung der Anteile an der GmbH nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG vorliegen – diese nach den §§ 13a, 13b ErbStG begünstigt ist. Der BFH hat diese Frage verneint. § 13a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ErbStG gewährt einen Verschonungsabschlag und einen Abzugsbetrag beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Unmittelbar ist die Norm daher nicht anwendbar. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 13b Abs. 1 ErbStG liegen nach Auffassung des BFH ebenfalls nicht vor. Die Nichtbegünstigung der Fälle des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfolgte nicht planwidrig. Der Gesetzgeber hat vielmehr von der Möglichkeit, die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in den Katalog des § 13b Abs. 1 ErbStG aufzunehmen, bewusst keinen Gebrauch gemacht, und zwar weder unmittelbar mit dem Erlass des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes noch zu einem späteren Zeitpunkt.