I. Einleitung
Am 01.07.2026 soll die Novelle der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) in Kraft treten. Sie ersetzt die bislang geltende Fassung von 2017. Ziel der Novelle ist es, die Verordnung stringenter und vollzugstauglicher zu gestalten, die behördliche Kontrolle der getrennten Sammlung gewerblicher Abfälle zu stärken und sicherzustellen, dass die angestrebte Recyclingquote bei der Vorbehandlung erreicht wird. Nachdem die Bundesregierung am 27.11.2024 dem Entwurf zugestimmt hat, soll die Zustimmung des Bundesrates noch zu Beginn des neuen Jahres erfolgen. Parallel läuft bereits das Verfahren zur Notifizierung durch die EU-Kommission. Ein Beschluss könnte also noch vor den Neuwahlen zum Deutschen Bundestag erfolgen. Es lohnt sich daher, einen genaueren Blick auf die geplante Neuregelung zu werfen.
II. Hintergrund
Die GewAbfV regelt den Umgang mit gewerblichen Siedlungsabfällen sowie bestimmten Bau- und Abbruchabfällen. Dabei sollen allgemein das Recycling der Abfallarten und die Abfallvermeidung gefördert und eine ordnungsgemäße Entsorgung durch die Unternehmen sichergestellt werden. Daher sind Erzeuger und Besitzer grundsätzlich dazu verpflichtet, Abfälle nach bestimmten Kategorien zu trennen. Eine energetische Verwertung soll die Ausnahme sein.
Flankiert wird die GewAbfV von den „Vollzugshinweisen zur Gewerbeabfallverordnung“ (LAGA M34), die allerdings nicht bindend sind.1
Die GewAbfV wurde als Reaktion auf vom Verordnungsgeber festgestellte Missstände innerhalb der gewerblichen Abfallentsorgung eingeführt und 2017 erstmals novelliert.2 Mit der Novellierung von 2017 wurde in Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie3 die fünfstufige Abfallhierarchie in Deutschland eingeführt.4 Ziel dieser Novelle war es, durch die Einführung rechtlich verbindlicher Recyclingquoten sowie die Schaffung einer stringenteren und vollzugstauglicheren Verordnung, das Recycling gewerblicher Siedlungsabfälle sowie bestimmter Bau- und Abbruchabfälle zu stärken.5
Die bestehende GewAbfV wird von der privaten Entsorgungswirtschaft insbesondere in Bezug auf ein erhebliches Vollzugsdefizit kritisiert, das vor allem auf einen Personalmangel der Behörden zurückzuführen sei.6 Aufseiten der Behörden wird der hohe Verwaltungsaufwand bei angespannter Personallage bemängelt. Die Kritik wird durch eine Evaluation des Umweltbundesamtes (UBA) aus 2023 weitgehend bestätigt.7
Die Ergebnisse der UBA-Studie deuten darauf hin, dass die GewAbfV zwar einen Impuls gesetzt hat, um das Recycling gewerblicher (Siedlungs-)Abfälle zu stärken. So sank etwa der Anteil der Gemische, die direkt einer thermischen Abfallbehandlungsanlage zugeführt wurden, von 46% (2016) auf 32% (2020), während der Anteil der in Sortieranlagen behandelten Gemische von 36% (2016) auf 45% (2020) stieg.8
Die gewünschte Wirkung wurde allerdings verfehlt: Nur 18% der Abfälle wurden als Wertstoffe ausgeschleust, 60% hingegen energetisch verwertet. Dabei wären von den zur energetischen Verwertung aussortierten Abfällen etwa 23% noch stofflich verwertbar gewesen.9
Laut UBA werden nur 60% der Abfälle überhaupt getrennt erfasst. Außerdem erfüllen etwa 50% der Vorbehandlungs- bzw. Sortieranlagen die technischen Anforderungen nicht. Abfälle werden also in der Praxis noch oft als Gemisch erfasst, obwohl dies nach der gesetzgeberischen Intention nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig sein soll. Aufgrund fehlender Kontrollen bleibt eine Sanktionierung vielerorts aus.10
In der Folge werden gewerbliche Siedlungsabfälle oft ohne vorherige Behandlung direkt der Verbrennung zugeführt, ohne dass ein Ausnahmetatbestand vorliegt. Gleichzeitig bleiben die technische Ausstattung und die erreichten Recyclingquoten der Vorbehandlungsanlagen hinter den Vorgaben der GewAbfV zurück.
Eine ausreichende Umsetzung der mit der Novellierung von 2017 verfolgten Ziele erfolgt somit in der Praxis bisher nicht.11
III. Zu den geplanten Änderungen im Einzelnen
Mit der Neuregelung der GewAbfV (GewAbfV-E) sollen diese Defizite nunmehr behoben werden.12 Die nachfolgende Darstellung widmet sich den wichtigsten Neuerungen im Detail und unterzieht sie einer kritischen Prüfung darauf, ob sie den Anforderungen und Bedürfnissen der Praxis gerecht werden und geeignet sind, die Recyclingquoten zu erhöhen.
1. Konkretisierung des § 3 Abs. 2 GewAbfV
§ 3 Abs. 1 GewAbfV bestimmt im Grundsatz eine Getrenntsammlung der Abfallfraktionen. Eine Ausnahme regelt § 3 Abs. 2 GewAbfV. In diesen Fällen ist eine Sammlung als Gemisch zulässig, welches dann gemäß § 4 GewAbfV vorbehandelt werden muss. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GewAbfV entfallen die Pflichten zur Getrenntsammlung bei Gemischen dann, wenn die getrennte Sammlung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Dabei ergeben sich Probleme vor allem aufgrund der weiten gesetzlichen Formulierung, die durch die Neuregelung nur bedingt behoben werden.
a) Technische Unmöglichkeit
Die technische Unmöglichkeit liegt bisher nach § 3 Abs. 2 Satz 2 GewAbfV dann vor, wenn für eine Aufstellung der Abfallbehälter für die getrennte Sammlung nicht genug Platz zur Verfügung steht oder die Abfallbehälter an öffentlich zugänglichen Anfallstellen von einer Vielzahl von Erzeugern befüllt werden und die getrennte Sammlung aus diesem Grund durch den Besitzer nicht gewährleistet werden kann. Diese Regelung soll durch § 3 Abs. 2 Satz 3 GewAbfV-E verschärft werden, wonach die technische Unmöglichkeit nur noch dann vorliegt, „wenn die in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten zur Erfüllung der Pflichten geprüft worden sind und ausscheiden“.
Dadurch soll verhindert werden, dass Erzeuger und Besitzer eine technische Unmöglichkeit pauschal behaupten, um der Trennung zu entgehen. Dabei knüpft der Entwurf an die in der Vollzugspraxis vorliegenden Empfehlungen an.13
Im Vergleich zum Referentenentwurf wurde die Formulierung insofern abgemildert, als dort noch vorgesehen war, dass alle in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten geprüft werden und ausscheiden müssen, um von einer technischen Unmöglichkeit auszugehen. Nichtsdestotrotz erscheint die Formulierung weiterhin ungeeignet, da für die Erzeuger und Besitzer nicht absehbar ist, welche Möglichkeiten in Betracht kommen und inwieweit Nachforschungspflichten bestehen, um die „in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten“ zu erfassen. Die unpräzise Formulierung schafft somit auf der Adressatenseite Rechtsunsicherheit. Die weite Interpretationsmöglichkeit erhöht auch den Prüf- und Bearbeitungsaufwand im Vollzug, so dass diese Regelung das bereits bestehende Vollzugsdefizit eher vertiefen wird.14 Nicht nachzuvollziehen ist, warum nicht auch in Anlehnung an die LAGA M34 eine (bestenfalls abschließende) Aufzählung der technischen Gründe, die zu einer technischen Unmöglichkeit führen können, vorgenommen wurde.15
b) Wirtschaftliche Unzumutbarkeit
Die wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt nach § 3 Abs. 2 Satz 3 GewAbfV dann vor, wenn die Kosten der getrennten Sammlung, insbesondere aufgrund einer sehr geringen Menge, außer Verhältnis zu den Kosten für die gemischte Sammlung mit anschließender Vorbehandlung stehen. Wann eine solche sehr geringe Menge vorliegt, wird nunmehr durch § 3 Abs. 2 Satz 3 GewAbfV-E dahin gehend konkretisiert, dass eine sehr geringe Menge jedenfalls dann nicht anzunehmen sei, wenn innerhalb einer Woche gewöhnlich mehr als 10 kg der jeweiligen Abfallfraktion anfallen. Dadurch sollen insbesondere auch Gastronomiebetriebe und Betriebe mit Mitarbeiterküchen und -kantinen sowie Betriebe, die Lebensmittel verkaufen, zu einer getrennten Sammlung von Bioabfällen gezwungen werden.16
Schon die Wahl der Maßeinheit in Kg ist aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Abfallfraktionen misslich, weil sie in der Praxis für die Unternehmen schwer zu prüfen und aufgrund der verschiedenen Dichten der Fraktionen auch nicht sinnvoll ist. Vorzugswürdig wäre hier eine Messung sowohl nach Gewicht als auch Volumen, welche sich an den gängigen Abfallbehältern orientiert.17 Auch wenn im Verfahren der Mengenschwellenwert von noch 5 kg im Referentenentwurf auf 10 kg verdoppelt wurde, so ist die Schwelle noch immer deutlich zu niedrig angesetzt, so dass nicht mit einer Entlastung kleiner Betriebe zu rechnen ist. Beispielsweise der Erlass aus Niedersachsen vom 21.07.2021 nennt für die „wirtschaftliche Zumutbarkeit“ eine 10- bzw. 20-fach größere Menge, ab der getrennt gesammelt werden muss.18 Der jetzt vorgesehene Grenzwert führt vielmehr schon bei mittelständischen Betrieben dazu, dass auch bezüglich exotischer Abfallfraktionen, die mit dem Hauptgeschäft eigentlich keine Verbindung aufweisen, eine Trennungspflicht ausgelöst wird, die die Betriebe über Gebühr belastet. Dazu kommt, dass bei einer getrennten Sammlung von derart geringen Mengen es für die Betriebe schwierig sein dürfte, Entsorger zu gewinnen, für die die Verwertung von Kleinstmengen in Anbetracht des damit verbundenen auch bürokratischen Aufwands wirtschaftlich ist.19
2. Formblätter für die Dokumentation der Getrenntsammlungs- und Verwertungspflichten
Der Verordnungsentwurf sieht darüber hinaus unter anderem in § 3 Abs. 3 Satz 3 GewAbfV-E zur Erfassung der Getrenntsammlungs- und Verwertungspflichten neue Formblätter vor. Dabei wurden die vormals detaillierten Regelungen darüber, welche Angaben zur Dokumentation erforderlich sind, durch Verweise auf Formblätter ersetzt, die sich nunmehr in den Anlagen zur Verordnung finden.20 Dies ist vor dem Hintergrund der bisher fehleranfälligen und bürokratisch aufwendigen Dokumentationspflicht zu begrüßen. Auch die vorgesehene Möglichkeit zur elektronischen Vorlage, die auf Verlangen der Behörde zu einer Pflicht erwächst, kann zum Bürokratieabbau beitragen.
Gleichwohl gilt es hier zu bedenken, dass sich in den meisten Branchen bereits Formblätter etabliert haben, die die in der jeweiligen Branche bestehenden Eigenheiten berücksichtigen. Diese Arbeit wird durch die nunmehr verpflichtende Verwendung vorgegebener Formblätter zunichte gemacht, so dass jedenfalls zeitweise ein erhöhter Aufwand durch die Einführung der neuen Formulare und die Einbindung in bestehende Schnittstellen entstehen wird.21 Zweifelhaft ist auch, ob die Eigenheiten der verschiedenen Branchen bei der Verwendung der Formblätter überhaupt hinreichend abgebildet werden.22 Der Anwendungsbereich der GewAbfV ist so weit, dass die Verwendung eines einheitlichen Formblatts für alle Branchen nicht zweckmäßig erscheint. Zu befürchten ist daher, dass wesentliche Informationen nicht ausreichend dargestellt werden können und infolgedessen weiterer Bürokratieaufwand entsteht, weil die Behörden und Betriebe ergänzend zu den Formblättern kommunizieren müssen, sobald normabweichende Sachverhalte bestehen. Die Verwendung von Formblättern erleichtert daher nur scheinbar die Arbeit der Behörden und Betriebe.23
3. Streichung des § 4 Abs. 3 Satz 3 GewAbfV
Erzeuger und Besitzer nicht getrennt gehaltener Abfälle in Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GewAbfV sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GewAbfV verpflichtet, diese Abfälle einer Vorbehandlungsanlage zuzuführen. Nach § 4 Abs. 3 Satz 3 GewAbfV entfiel diese Verpflichtung bisher für Erzeuger dann, wenn die Getrenntsammlungsquote im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 90 Masseprozent betrug. Diese Regelung soll durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. a des Verordnungsentwurfes gestrichen werden.24
Nach Auffassung der Entwurfsverfasser werde das Ziel dieser Regelung, Unternehmen einen Anreiz zu besseren Getrenntsammlung zu bieten, verfehlt. Vielmehr würde dieser Ausnahmetatbestand von Branchen, deren Abfälle ohnehin überwiegend aus Monochargen bestehen, als Lösung genutzt, um die Vorbehandlungspflicht zu vermeiden. Der Wegfall dieser Regelung trage zur Vollzugserleichterung bei, weil er den Prüfaufwand der Behörde verringere.25
Diese Regelung wurde bislang nur von wenigen Erzeugern in Anspruch genommen, so dass sich insoweit auch der zu erwartende Prüfaufwand der Behörde nur geringfügig verbessern dürfte. Vor diesem Hintergrund wurde offenbar die Möglichkeit außer Acht gelassen, dass diese minimale Erleichterung für den behördlichen Vollzug nicht im angemessenen Verhältnis zu den Erleichterungen steht, die die bisherige Regelung für diejenigen Branchen bringt, auf die sie Anwendung findet. Im Gegenteil kann die Streichung sogar dazu führen, dass sich die „Fehlwurfquote“ erhöht und in der Folge ein Recycling des Abfalls erschwert wird, weil auch schwer zuordenbare Restabfälle zweifelsfrei verteilt werden müssen.26
4. Begrenzung der Kaskaden-Vorbehandlung auf maximal zwei Behandlungsanlagen
Nach § 6 Abs. 1 GewAbfV-E dürfen nunmehr maximal zwei Anlagen zur Erfüllung der Anforderungen zur Vorbehandlung hintereinander betrieben werden. Die Begrenzung der Kaskaden-Vorbehandlung soll ausweislich der Entwurfsbegründung vor allem dazu dienen, die behördliche Kontrolle zu ermöglichen, die bei einem Durchlaufen der Kaskade aufgrund der Komplexität nicht mit vertretbarem Aufwand zu bewältigen sei.27
Die Begründung für die Streichung der weiter gehenden Kaskadennutzung erscheint nicht sehr tragfähig, weil die Kaskadennutzung in der Praxis für eine wirtschaftliche Vorbehandlung insbesondere bei kleineren und mittleren Unternehmen notwendig ist. Zu befürchten ist vielmehr, dass die Regelung zur Schließung von Vorbehandlungsanlagen kleinerer und mittlerer Unternehmen führt, was eine weitere Marktkonzentration zur Folge hätte.28 Eine ausreichende Überwachung wird auch mit der Neuregelung kaum möglich, jedenfalls mit einem erhöhten personellen Aufwand verbunden sein.29 Es darf deshalb bezweifelt werden, dass durch die Begrenzung der Kaskadennutzung der Vollzug der Verordnung erheblich verbessert werden kann.
5. Ausweitung der Getrennthaltungspflichten bei Bau- und Abbruchabfällen
Durch § 8 GewAbfV-E wird die Getrennthaltungsverpflichtung bei Bau- und Abbruchabfällen auf weitere Fraktionen wie die nicht gefährlichen asbesthaltigen Abfälle ausgeweitet.
Die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 6 GewAbfV-E, der die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Trennung für Bau- und Abbruchabfälle als Ausnahme regelt, setzt einen Mengenschwellenwert von unter einem Kubikmeter pro Bau- oder Abbruchmaßnahme fest. Dieser trifft auf ähnliche Bedenken wie der Mengenschwellenwert im Rahmen des § 3 GewAbfV-E. Neben der Kritik an der ungenauen Formulierung betreffend die technische Unmöglichkeit und wirtschaftliche Unzumutbarkeit erweist sich der Schwellenwert auch hier als zu gering.30 Die in der Entsorgungswirtschaft vielfach auftretenden Dämmmaterialien wie Styropor haben überwiegend eine niedrige Dichte, so dass der Schwellenwert von einem Kubikmeter schon bei Kleinstmengen erreicht wird.31 Zudem kommen in der Praxis regelmäßig Sammelbehälter mit einem Volumen von 9 m³ zum Einsatz. Der Entwurf orientiert sich also auch bei Bau- und Abbruchabfällen nicht an der Praxis.32 Die Regelung erscheint somit nicht geeignet, die bestehenden Vollzugsschwierigkeiten abzuschwächen.
6. Pflicht zur Kennzeichnung der verwendeten Abfall-Sammel-Container
Der neu eingeführte § 9a GewAbfV-E sieht vor, dass Erzeuger und Besitzer der Abfall-Sammel-Container, die sie zur getrennten Sammlung verwenden, so kennzeichnen, dass eine ordnungsgemäß getrennte Sammlung sichergestellt wird. Dafür sind die Container an der Außenfläche des Behälters gut sichtbar und mindestens in deutscher Sprache anhand der in dem Behälter zu sammelnden Abfallfraktion zu bezeichnen. Dies gilt nach Absatz 2 auch für Gemische, wobei insoweit nur diejenigen Abfallfraktionen zu kennzeichnen sind, die nicht enthalten sein dürfen. Dies dient nach dem Willen des Verordnungsgebers dazu, die Kenntnisse der Mitarbeiter im Betrieb zu fördern und so die getrennte Sammlung zu stärken.33
Die Regelung ist grundsätzlich sinnvoll und begrüßenswert. Aufgrund der Internationalisierung der Arbeitskräfte im Bereich der Abfallwirtschaft erscheint allerdings eine nur deutsche Beschriftung nicht ausreichend, um dieses Ziel zu erfüllen. Vorzugswürdig wäre vor diesem Hintergrund eine zumindest zusätzlich bildliche Beschriftung.34 Die Kennzeichnungspflicht könnte zudem in der Praxis zu einem nicht unerheblichen Aufwand führen, wenn Behälter, wie üblich, bei der Abholung mitgenommen und durch andere Behälter ersetzt bzw. an anderer Stelle wieder aufgestellt werden. Dann müsste diese Kennzeichnung ggf. mehrmals im Monat erneuert werden.35
Auch eine Liste der nach Absatz 2 im Gemisch nicht zugelassenen Abfallfraktionen dürfte in der Praxis schwer durchführbar sein. Insbesondere ist nicht erkennbar, wo diese Auflistung endet. Müssten alle erdenklichen nicht zugelassenen Abfallfraktionen aufgeführt werden, würde dies zu langen, unübersichtlichen Listen führen, die dem Ziel der Schulung der Mitarbeiter und des Schutzes des Gemisches im Ergebnis nicht dienen würden.36 Auch die bestehenden Vollzugsschwierigkeiten werden durch eine derartige Vorschrift voraussichtlich vertieft.
Die Sanktionierung mit einer Bußgeldvorschrift, wie sie in § 15 Abs. 2 Nr. 7a GewAbfV-E vorgesehen ist, erscheint vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig.37
7. Stichprobenkontrolle durch Betreiber von Anlagen zur energetischen Verwertung
Die Neuregelung des § 14 GewAbfV-E lässt erheblichen Bürokratieaufwand für die Betreiber von Anlagen zur energetischen Verwertung erwarten. Danach ist mindestens eine Anlieferung von Abfällen im Monat zu kontrollieren und das Ergebnis zu dokumentieren. Dabei sind neben Namen und Anschrift desjenigen, der die Abfälle anliefert, auch detaillierte Angaben über Masse, Herkunftsbereich, Abfallschlüssel und die Vorbehandlung der Abfälle aufzunehmen. Auch hier wird der Verordnung ihr weiter Anwendungsbereich zum Verhängnis, der neben „klassischen“ Abfallverbrennungsanlagen auch Anlagen zur Verbrennung von Ersatzbrennstoffen umfasst. Bei diesen sind Abfälle stets vorbehandelt, so dass eine genaue Bestimmung der Abfälle rein praktisch ausscheidet. Auch die Annahme der Verordnung, dass nur vorbehandelte Abfälle energetisch verwertet werden, ist unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 3 GewAbfV-E nicht zutreffend und führt daher zu einem Widerspruch innerhalb der gesetzlichen Regelung. Hier zeigt sich, dass eine genauere Bezeichnung und Eingrenzung des Anwendungsbereichs der Verordnung ihrer Umsetzung gedient hätte.
Schließlich werden den Betreibern erhebliche Prüf- und Dokumentationspflichten auferlegt, die eigentlich eine behördliche Vollzugsaufgabe darstellen. Die so zunächst geschaffene Entlastung der Behörden wird allerdings durch die Überwachung der Betreiber und Prüfung der Dokumentation wieder beseitigt. Gerade in Bezug auf die Prüfung der ordnungsgemäßen Dokumentation ist mit erheblichem Bearbeitungsaufwand seitens der Behörden zu rechnen, denn konkrete Anforderungen an die Form der Dokumentation werden nicht gestellt, so dass mit einer Vielzahl uneinheitlicher Aufschriebe zu rechnen ist. Hier wären – anders als in § 3 Abs. 3 Satz 3 GewAbfV-E – Formblätter sinnvoll gewesen, die allerdings für die geplante Dokumentationspflicht nach § 14 GewAbfV-E bislang nicht vorgesehen sind.
Die Dokumentationspflicht der Betreiber erstreckt sich nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 GewAbfV-E auch auf Anhaltspunkte dafür, „dass die Abfälle offensichtlich entgegen § 4 Absatz 1 oder § 9 Absatz 1 nichtvorbehandelt wurden.“ Die Betreiber müssen also selbst bewerten, wann Anhaltspunkte für eine fehlende Vorbehandlung vorliegen und tragen insoweit auch das Risiko einer fehlerhaften Dokumentation. Durch fehlende Regelbeispiele besteht ein hohes Fehlerpotenzial, so dass auch hier mit erhöhtem Konfliktpotenzial und Bürokratieaufwand zu rechnen ist.
8. Erweiterte Behördenrechte zur Beauftragung externer Sachverständiger für Überprüfungen
Liegen Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Dokumentation vor, sieht die Verordnung nun in den §§ 4 Abs. 5, 8 Abs. 3 Satz 3, 9 Abs. 6 Satz 3 GewAbfV-E vor, dass Sachverständige zur Überprüfung der Angaben in der Dokumentation durch die Behörde beauftragt werden können.
Ob die Einschaltung externer Sachverständiger bei der behördlichen Überwachung hilft, darf bezweifelt werden, zumal der Behördenaufwand durch neue Stichprobenregelungen und weitere Kontrollaufgaben steigen wird. Zumindest wurde die ursprünglich vorgesehene primäre Kostenbelastung des Betreibers, die nur über das Staatshaftungsrecht zu einem Rückgriff auf die Behörde geführt hätte, insofern umgekehrt, als dass nunmehr die Kostenheranziehung des Betroffenen nur dann erfolgen darf, wenn der Sachverständige die Unrichtigkeit der Dokumentation feststellt. Aber auch diese Einschränkung erscheint insoweit nicht sachgerecht, als nicht näher konkretisiert wurde, welcher Grad der Unrichtigkeit vorliegen muss. Eine Inanspruchnahme bei nur kleineren Ungenauigkeiten dürfte nicht verhältnismäßig sein.
9. Verpflichtung zur Nutzung der Nahinfrarot-Technik bei Vorbehandlungsanlagen
Schließlich wird durch die Anlage 3 die Verwendung von Nahinfrarotaggregaten in Vorbehandlungsanlagen künftig verpflichtend vorgegeben. Nicht nachvollziehbar ist, warum jede Vorbehandlungsanlage Nahinfrarotaggregate verbaut haben soll. Die Nachinfrarot-Technik ist nicht die einzig mögliche Technologie zur stofflichen Identifizierung, so dass eine regulatorische Eingrenzung nicht notwendig erscheint und die technologischen Weiterentwicklungen anderer, ggf. effizienterer Technologien hindern dürfte.38 Ein regulatorische Eingriff sollte gerade in den Bereichen unterbleiben, in denen die Betreiber – wie hier – selbst ein Interesse an möglichst effizienten Prozessen haben.
IV. Fazit
Der vorliegende Referentenentwurf einer Novelle der GewAbfV lässt ein Mehr an Bürokratieaufwand und anstelle der angestrebten Verbesserung beim Vollzug der Verordnung das Gegenteil befürchten. Mit den vorgesehenen zusätzlichen Prüf-, Dokumentations- und Kennzeichnungspflichten dürften erhebliche (Mehr-)Belastungen der Unternehmen bei der Umsetzung und der Behörden bei der Überwachung verbunden sein, ohne dass dem nennenswerte Entlastungen an anderer Stelle entgegenstehen. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass der Referentenentwurf den durch die Neuregelungen im Detail ausgelösten erhöhten Erfüllungsaufwand sowohl für die Wirtschaft als auch für die Behörden systematisch unterschätzt.39
Eine der wesentlichen Ursachen des Vollzugsdefizits, nämlich der überbordende Anwendungsbereich der GewAbfV, wird durch den Referentenentwurf nicht aufgegriffen. Demgegenüber bleibt offen, ob die geplanten Verschärfungen bei den Getrenntsammlungs- und Verwertungspflichten eine wesentliche Erhöhung der Recyclingquote bewirken werden oder sich schon mangels Zielerreichung bei gleichzeitiger erheblicher Belastungswirkung für die betroffenen Unternehmen als unverhältnismäßig erweisen.