juris PraxisReporte

Autor:Dr. Kevin Marschhäuser, RA
Erscheinungsdatum:14.08.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 5 BImSchV 9, § 9 BImSchV 9, § 10 VwVfG, § 7 BImSchV 9, § 16 BImSchV 9, § 2b BImSchV 9, § 1 BImSchG, § 45c BNatSchG, § 16b BImSchG, § 8a BImSchG, § 29 UVPG, § 9 BImSchG, § 6 BImSchG, § 12 BImSchG, § 80 VwGO, § 63 BImSchG, § 8 BImSchV 9, § 839 BGB, Art 34 GG, § 198 GVG, § 10 BImSchG
Fundstelle:jurisPR-UmwR 8/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Ferdinand Kuchler, RA
Dr. Martin Spieler, RA
Zitiervorschlag:Marschhäuser, jurisPR-UmwR 8/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Die BImSchG-Novelle als weiterer Baustein zur Beschleunigung von Zulassungsverfahren - Ein Überblick -

A. Einleitung

Die am 09.07.2024 in Kraft getretene Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes („BImSchG“) knüpft an eine Reihe von Beschleunigungsgesetzen an, die während der laufenden Legislaturperiode verabschiedet wurden oder sich noch im Gesetzgebungsprozess befinden.1 Die Novelle dürfte die umfassendsten Änderungen des BImSchG seit mehr als 30 Jahren mit sich bringen und ist Teil der Transformationsanstrengungen zur schnellmöglichen Erreichung der Klimaziele.2 Im Fokus stehen neben verfahrensbeschleunigenden Regelungen auch materiell-rechtliche Anpassungen, insbesondere mit Blick auf das Repowering von Onshore-Windenergieanlagen.

Der vorliegende Beitrag soll einen Überblick über wesentliche, mit der BImSchG-Novelle eingeführte Beschleunigungsmaßnahmen geben, im Einzelnen zu verwaltungsverfahrensrechtlichen (B.) und materiell-rechtlichen Neuerungen (C.) sowie Anpassungen im Eilrechtsschutz (D.). Abschließend erfolgt eine erste Einordnung (E.).

B. Verfahrensrechtliche Neuerungen

I. Digitalisierung des Genehmigungsverfahrens

Auch nach Einführung der elektronischen Antragstellung im Jahr 2017 wurden umfangreiche Antragsunterlagen häufig noch analog eingereicht. Mit der Novelle sind die Genehmigungsbehörden nun berechtigt, eine elektronische Antragstellung zu fordern; hat die Genehmigungsbehörde einen elektronischen Zugang eröffnet, müssen Antragsteller diesen sogar nutzen.3 Dies soll zu Effizienzgewinnen führen und technischen Mehraufwand innerhalb der Behörde, der regelmäßig Verfahrensverzögerungen mit sich bringt, vermeiden.4 Flankiert werden die Regelungen dadurch, dass die auszulegenden Dokumente auf Verlangen der Behörde in einem verkehrsüblichen elektronischen Format einzureichen sind (§ 10 Abs. 3 Satz 6 BImSchG).

Die Bekanntmachung des Vorhabens erfolgt neben dem amtlichen Veröffentlichungsblatt von nun an auf der Internetseite der Behörde und nicht mehr in der örtlichen Tageszeitung (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, § 8 Abs. 1 Satz 1 Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV)).5 Die anschließende Auslegung kann jetzt sogar als (nahezu) volldigitalisiert angesehen werden: Sie hat grundsätzlich auf der Internetseite der zuständigen Behörde zu erfolgen (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG). Eine Ausnahme ist nur noch auf Verlangen eines Beteiligten vorgesehen, so etwa im Fall der Gefährdung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder wichtiger Sicherheitsbelange (§ 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG).

Die ursprünglich als Ausnahme aufgrund der Corona-Pandemie eingeführte Onlinekonsultation wird, neben den Möglichkeiten einer Video- und Telefonkonferenz, als echte Alternative zum physischen Erörterungstermin in das BImSchG aufgenommen (§ 10 Abs. 6 Sätze 2 ff. BImSchG). Nach den positiven Erfahrungen während und nach der Corona-Pandemie ist diese Anpassung mit Blick auf ihre verfahrensbeschleunigende Wirkung begrüßenswert.

II. Gestraffte Behördenbeteiligung

Die in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren grundsätzlich erforderliche Behördenbeteiligung hat in der Vergangenheit häufig zu Verfahrensverzögerungen geführt. Die Novelle justiert das Verhältnis zwischen der Genehmigungsbehörde und den zu beteiligenden Behörden neu und stärkt die Stellung des Antragstellers:

Die Genehmigungsbehörde hat eingegangene Stellungnahmen der zu beteiligenden Behörden unverzüglich an den Antragsteller weiterzuleiten (§ 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG). Nun gilt für alle Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG, dass die Genehmigungsbehörde davon auszugehen hat, dass sich eine zu beteiligende Behörde nicht äußern will, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von einem Monat Stellung nimmt. Zwar kann die Behörde eine Verlängerung um einen Monat erbitten, diese Möglichkeit gilt aber nicht für Genehmigungsverfahren von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien oder zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien (§ 10 Abs. 5 Satz 3 BImSchG). Anstelle einer Stellungnahme der zu beteiligenden Behörden kann die Genehmigungsbehörde zulasten der zu beteiligenden Behörde ein Sachverständigengutachten einholen oder selbst Stellung nehmen (§ 10 Abs. 5 BImSchG). Ist von vorneherein davon auszugehen, dass eine beteiligte Behörde innerhalb der Frist nach § 10 Abs. 5 Satz 3 BImSchG nicht in der Lage ist, zu entscheidungserheblichen Aspekten des Antrags Stellung zu nehmen, kann die Genehmigungsbehörde bereits vor Ablauf der Frist ein Sachverständigengutachten einholen. Bei Fristüberschreitungen muss die Genehmigungsbehörde ihre Aufsichtsbehörde in Kenntnis setzen (§ 10 Abs. 5 Satz 8 BImSchG). Maßgeblich für die Entscheidung über den Genehmigungsantrag ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Fristablaufs der Behördenbeteiligung.

III. Novelle der Vorschriften zur Vollständigkeitsprüfung

In immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren kam es insbesondere in der Vergangenheit wegen einer restriktiven Handhabung der Anforderungen an die Prüffähigkeit der Antragsunterlagen und damit ihre Vollständigkeit durch die Genehmigungsbehörden regelmäßig zu Verfahrensverzögerungen. Dem soll mit der Einführung einer Legaldefinition für die Vollständigkeit der Antragsunterlagen begegnet werden. Nach dieser sind die Antragsunterlagen vollständig, wenn sie in einer Weise prüffähig sind, dass sie sich zu allen rechtlich relevanten Aspekten des Vorhabens verhalten, und die Behörde in die Lage versetzen, den Antrag unter Berücksichtigung dieser Vorgaben näher zu prüfen (§ 7 Abs. 2 Sätze 2 ff. 9. BImSchV). Flankierend zu der terminologischen Präzisierung, deren Auswirkungen in der Praxis abzuwarten bleiben, werden die Anforderungen an die Genehmigungsbehörde auch verfahrensrechtlich verschärft. Sie hat nun unverzüglich innerhalb eines Monats die Vollständigkeit zu prüfen und nicht mehr „in der Regel innerhalb eines Monats“ (§ 7 Abs. 1 Satz 1 9. BImSchV).6 Eine Fristverlängerung ist in begründeten Ausnahmefällen einmal um zwei Wochen möglich. Im Falle von Nachforderungen durch die Genehmigungsbehörde beginnt die Entscheidungsfrist nach § 10 Abs. 6a BImSchG mit Eingang der von der Behörde erstmalig nachgeforderten Unterlagen zu laufen. Teilprüfungen sind auch vor Vorlage der vollständigen Unterlagen vorzunehmen, soweit dies bereits möglich ist (§ 7 Abs. 1 Satz 5 9. BImSchV).

IV. Straffung des Entscheidungsfristenregimes

Eine weitere Änderung, von der Beschleunigungseffekte ausgehen dürften, sind Anpassungen in § 10 Abs. 6a BImSchG: Während die Entscheidungsfristen (grundsätzlich sieben Monate) unverändert bleiben, beschneidet der Gesetzgeber die Fristverlängerungsmöglichkeiten. Nun ist nur noch eine begründete einmalige Verlängerung um drei Monate möglich, wenn diese erforderlich ist (§ 10 Abs. 6a Sätze 2 f. BImSchG). Weiter gehende Verlängerungen bedürfen eines Antrages und der Zustimmung des Antragstellers (§ 10 Abs. 6a Satz 4 BImSchG). Die Genehmigungsbehörde hat ihre Aufsichtsbehörde auch hier über jede Überschreitung von Fristen zu informieren (§ 10 Abs. 6a Satz 5 BImSchG).

V. Erweiterte Möglichkeiten eines Absehens von einem Erörterungstermin

Die Novelle schafft neue Möglichkeiten für das Absehen von der Durchführung eines Erörterungstermins. Er entfällt, wenn der Vorhabenträger die Durchführung nicht beantragt hat und die Genehmigungsbehörde ihn nicht im Einzelfall für geboten hält (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 9. BImSchV). Der Wortlaut legt einen eher restriktiven Gebrauch durch die Genehmigungsbehörde nahe. Auf einen Erörterungstermin soll verzichtet werden, wenn es um die Errichtung oder Änderung von Windenergieanlagen an Land oder von Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien oder dessen Speicherung geht. Dies gilt auch für umweltverträglichkeitsprüfungspflichtige Anlagen (§ 16 Abs. 1 Sätze 2 ff. 9. BImSchV).

VI. Präzisierte Projektmanagerstellung

Die Aufgaben des Projektmanagers werden deutlich präzisiert (§ 2b 9. BImSchV). Dazu zählt insbesondere die Prüfung der Vollständigkeit der Unterlagen (§ 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 9. BImSchV). Die Gesetzesbegründung hebt jedoch zu Recht hervor, dass die Feststellung der Vollständigkeit als präjudizierende Vorbereitungshandlung zu verstehen ist, die als hoheitliche Tätigkeit durch die Behörde selbst vorzunehmen sei.7 Die Präzisierungen zur Stellung des Projektmanagers als Verwaltungshelfer im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ändern damit zwar im Ergebnis nichts daran, dass die Letztentscheidungsbefugnis stets bei der zuständigen Behörde verbleibt. Bei der Bewältigung komplexer Genehmigungsverfahren kann der Projektmanager aber durchaus zur Beschleunigung beitragen, wie Erfahrungen aus der Praxis zeigen.

C. Materiell-rechtliche Neuerungen

I. Erweiterung der Gesetzeszwecke

Zweck des BImSchG ist nach der Novelle auch der Schutz von Klima sowie Wild- und Nutztieren. Die Funktion des § 1 BImSchG als Auslegungshilfe wird dadurch nicht erweitert.8 Auch sind weiterhin keine subjektiven Rechte aus § 1 BImSchG ableitbar.

II. Umfassende Anpassungen im Bereich des Repowering

Die weitreichenden Änderungen im Rahmen des Repowering von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien sind neben den verfahrensrechtlichen Beschleunigungsinstrumenten ein weiterer Schwerpunkt der BImSchG-Novelle:

1. Anpassungen bei der „Delta-Prüfung“ im Änderungsgenehmigungsverfahren

Im Unterschied zur alten Rechtslage, die noch einen Antrag des Vorhabenträgers erforderte, erfolgt nun von Gesetzes wegen beim Repowering von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien im Rahmen eines Änderungsgenehmigungsverfahrens nur noch eine Delta-Prüfung. Das heißt, es sind nur Anforderungen zu prüfen, soweit durch das Repowering im Verhältnis zum gegenwärtigen Zustand unter Berücksichtigung der auszutauschenden Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden, die für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 BImSchG erheblich sein können (sog. „Delta-Prüfung“, vgl. § 16b Abs. 1 Satz 1 BImSchG). Von der Privilegierung nicht umfasst ist das Raumordnungs-, Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, die Belange des Arbeitsschutzes und – jetzt neu – das Recht der Natura-2000-Gebiete (§ 16b Abs. 4 Satz 1 BImSchG). Für die Anforderungen des besonderen Artenschutzes gilt § 45c BNatSchG. Daneben erfolgte eine Klarstellung, dass die Genehmigung nicht versagt werden darf, wenn während und nach dem Repowering nicht alle Immissionswerte der TA Lärm eingehalten werden, dafür aber der Immissionsbeitrag der neuen Windenergieanlage im Vergleich zur ersetzten Anlage absolut niedriger ist und die Anlage dem Stand der Technik entspricht (§ 16b Abs. 3 BImSchG). Der Vorhabenträger hat zudem die Wahl, anstelle des verschlankten Änderungsgenehmigungsverfahrens für das Repowering nach § 16b BImSchG ein in seinem Prüfungsumfang nicht eingeschränktes Neugenehmigungsverfahren durchzuführen (§ 16b Abs. 1 Satz 4 BImSchG).

2. Schärfung der Definition des Repowerings

Der Anwendungsbereich des Repowerings, d.h. die Modernisierung einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, ist nach der Novelle unabhängig vom Umfang der baulichen Größenunterschiede, Leistungsgrenzen oder Veränderungen der Anlagenzahl im Verhältnis zur Bestandsanlage (§ 16b Abs. 2 Satz 1 BImSchG). Mit dieser definitorischen Ergänzung schafft der Gesetzgeber Klarheit, dass auch solche Repowering-Maßnahmen vom Anwendungsbereich des § 16b BImSchG erfasst werden, die zugleich zu erheblichen Kapazitätssteigerungen führen. In zeitlicher Hinsicht darf die neue Anlage statt vormals 24 Monaten nach neuem Recht innerhalb von 48 Monaten nach dem Rückbau der Bestandsanlage errichtet werden (§ 16b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BImSchG). Diese Frist kann auf Antrag des Vorhabenträgers aus wichtigem Grund verlängert werden, wenn die Zwecke des BImSchG hierdurch nicht gefährdet werden (§ 16b Abs. 2 Satz 3 BImSchG). Die 2H-Regel wurde außerdem durch die 5H-Regel ersetzt (§ 16b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BImSchG). Der Abstand zwischen der Bestandsanlage und der neuen Anlage darf somit maximal das Fünffache der Gesamthöhe der neuen Anlage betragen.

3. Eingeschränkter Prüfungsmaßstab und Genehmigungsfiktion bei geringfügigen Änderungen

Ergänzungen in § 16b Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 9 BImSchG sollen Änderungsgenehmigungsverfahren für geringfügige Änderungen beschleunigen. Demnach sind bei geringfügigen Standortveränderungen um 8 m, Änderungen der Gesamthöhe um maximal 20 m und einer Verringerung des Rotordurchlaufs um nicht mehr als 8 m lediglich die Standsicherheit sowie schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräusche und nachteilige Auswirkungen durch Turbulenzen zu prüfen. Dies gilt auch für die Erhöhung des Ertrags der Anlage ohne bauliche Anpassungen (§ 16b Abs. 8 Satz 1 BImSchG), z.B. durch spezifische Software-Updates.9 Für die von § 16b Abs. 7 Satz 3 BImSchG und von § 16b Abs. 8 BImSchG erfassten Vorhaben wird zudem eine neue Genehmigungsfiktion in das BImSchG eingeführt. Danach gilt die Genehmigung nach Ablauf von sechs Wochen einschließlich der Nebenbestimmungen als antragsgemäß geändert, sofern die Behörde nicht zuvor entscheidet oder die Durchführung eines Erörterungstermins vom Antragsteller gestellt wurde (§ 16b Abs. 9 Satz 1 BImSchG).

4. Betreiberidentität bei vollständigem Austausch der Anlage nicht erforderlich

Klarstellend bringt der neu eingefügte § 16b Abs. 10 BImSchG zum Ausdruck, dass Betreiberidentität bei einem vollständigen Austausch der Anlage nicht erforderlich ist. Der Gesetzgeber begründet diese Entscheidung mit der klaren Zuordnung des antragstellenden Betreibers zu der betroffenen Windenergieanlage im Fall des vollständigen Austauschs.10 Es muss jedoch eine Einverständniserklärung des Betreibers der Bestandsanlage hinsichtlich des Repowering-Vorhabens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag vorliegen.

III. Zulassung des vorzeitigen Beginns

Für die Zulassung des vorzeitigen Beginns kommt es grundsätzlich weiter auf die sog. positive Gesamtprognose an. Die Behörde muss somit auch nach der neuen Regelung die Erteilung einer endgültigen Genehmigung für überwiegend wahrscheinlich halten (§ 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG). Eine wesentliche Neuerung ergibt sich aber für Änderungsgenehmigungen und Genehmigungen für Anlagen auf einem bereits bestehenden Standort, für deren vorzeitigen Beginn eine positive Gesamtprognose nicht länger erforderlich ist (§ 8a Abs. 1 Satz 2 BImSchG). In diesen Fällen reicht es für die Zulassung des vorzeitigen Beginns aus, dass die für die beantragten vorläufigen Maßnahmen relevanten Vorschriften des BImSchG und der aufgrund des BImSchG erlassenen Vorschriften sowie sonstige für die beantragten vorläufigen Maßnahmen relevante öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes nicht entgegenstehen. Der Gesetzgeber erhofft sich von diesen Anpassungen, Verfahren maßgeblich zu beschleunigen.11Die weiteren Voraussetzungen, namentlich das öffentliche oder berechtigte Interesse am vorzeitigen Beginn und die Verpflichtungserklärung gelten für alle Konstellationen fort (§ 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 BImSchG).

IV. Erleichterte Erteilung eines Vorbescheids für Windenergieanlagen

§ 9 Abs. 1a BImSchG enthält nun eine Sonderreglung für Vorbescheide zugunsten von Windenergieanlagen. Nach der alten Rechtslage erfuhren diese Projekte keinerlei Privilegierung im Rahmen der Erteilung des Vorbescheids. Sofern für diese noch kein Antrag auf Genehmigung gestellt wurde, kann nun bei berechtigtem Interesse auf Antrag durch Vorbescheid die Entscheidung über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen herbeigeführt werden. Dabei entfällt abweichend von § 29 Abs. 1 Satz 1 UVPG eine vorläufige Umweltverträglichkeitsprüfung mit Blick auf die Umweltauswirkungen des Gesamtvorhabens (§ 9 Abs. 1a Satz 2 BImSchG). Das rechtfertigt sich nicht zuletzt daraus, dass der Vorbescheid keine bindende Vorabentscheidung zu den allgemeinen Auswirkungen der Windenergieanlage für die spätere Genehmigung darstellt. Die vollständige Prüfung der Umweltauswirkungen bezogen auf den Gegenstand des Vorbescheides findet weiterhin statt.12

V. Nachträglicher Erlass von Nebenbestimmungen auf Antrag des Betreibers

Durch den neu eingeführten § 12 Abs. 4 BImSchG eröffnet der Gesetzgeber die Möglichkeit zur Anpassung von Nebenbestimmungen nach Eintritt der Bestandskraft. So können Nebenbestimmungen auf Antrag des Betreibers nun auch nachträglich geändert werden, wenn der Betreiber gleichwertige Maßnahmen vorschlägt, die ihrerseits keiner Genehmigungspflicht nach dem BImSchG oder anderen Entscheidungen unterliegen. Stellungnahmen von Fachbehörden im Rahmen der Änderung von Nebenbestimmungen zur Erfüllung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind einzuholen (§ 12 Abs. 4 Satz 2 BImSchG). Dies kann Betreibern im Einzelfall mehr Flexibilität ermöglichen.

D. Rechtsbehelfe gegen Windkraftanlagen

Schon nach der alten Rechtslage entfiel die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage Dritter gegen die Zulassung einer Onshore-Windenergieanlage mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern. Darüber hinausgehend ist der Widerspruch nun binnen eines Monats nach seiner Erhebung zu begründen. Darauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen (§ 63 Abs. 1 Satz 3 BImSchG). Erfolgt die Begründung nicht binnen dieser Frist, soll die Behörde den Widerspruch zurückweisen (§ 63 Abs. 1 Satz 4 BImSchG). Für den vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO ordnet der neu eingeführte § 63 Abs. 2 Satz 1 BImSchG eine Frist von einem Monat für Antragstellung und Begründung ab Zustellung der Zulassungsentscheidung an. Treten nachträglich Tatsachen ein, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO binnen eines Monats zu stellen und zu begründen. Die Frist beginnt sodann im Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den Beschwerten (§ 63 Abs. 2 Satz 5 BImSchG).

E. Einordnung

Die Novelle des BImSchG enthält begrüßenswerte Anpassungen zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren zur Transformation der Wirtschaft und Erreichung der Klimaziele. Generell sind die Öffentlichkeitsbeteiligung mittels Online-Konsultation oder durch eine Video- oder Telefonkonferenz, die Konkretisierung der Vorschriften zur Vollständigkeitsprüfung und die Erleichterungen für Änderungen zum Zwecke des Repowerings von Onshore-Windenergieanlagen positiv hervorzuheben. Die Bedeutung des Repowerings dürfte zunehmen, da die üblicherweise für 20 Jahre laufende feste EEG-Einspeisevergütung für die in den 2000er Jahren errichteten Anlagen sukzessive ausläuft und sich daher ein Repowering aus diesem Grund und zum Ersatz der alten Anlagen durch ggf. effizientere lohnt. Durch die Anpassung der 2H-Regel zu einer 5H-Regel wird zudem das standortverlagernde Repowering gestärkt. Auch die neuen Fristen zur Begründung von Klagen und Eilanträgen gegen Zulassungsentscheidungen sind ein probates Mittel, um schneller zu bestandskräftigen Zulassungen zu gelangen und Risiken für Vorhabenträger zum Zwecke der Schaffung von Investitionssicherheit zu minimieren. Sind nicht zuletzt auch langwierige Gerichtsverfahren regelmäßig Investitionshemmnisse.

Dagegen verspricht die weitgehende Digitalisierung des Genehmigungsverfahrens zwar Effizienzgewinne, dürfte im Ergebnis jedoch nicht zu einer echten Beschleunigung führen. Der Gesetzgeber hielt insbesondere an der Bekanntmachung des Vorhabens im amtlichen Veröffentlichungsblatt fest (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG, § 8 Abs. 1 Satz 1 9. BImSchV), was aufgrund der redaktionellen Vorlauffristen regelmäßig zu Verfahrensverzögerungen um Wochen führen kann. Hier wurde Beschleunigungspotential verschenkt. Die Novellierung der Behördenbeteiligung in § 10 Abs. 5 BImSchG verspricht durch die Einführung der Pflicht zur Weiterleitung von Behördenstellungnahmen an den Antragsteller und das ausdifferenzierte Fristenregime für die Behördenbeteiligung eine wesentliche Verkürzung von Genehmigungsverfahren. Dies insbesondere, da mit der Nichteinhaltung von Fristen nicht nur ein Reporting an die Aufsichtsbehörde verbunden ist, sondern auch die Möglichkeit einer eigenen Stellungnahme der Genehmigungsbehörde oder der Einholung eines Sachverständigengutachtens zulasten der zu beteiligenden Behörde durch die Genehmigungsbehörde besteht. Ein Wermutstropfen in verfahrensrechtlicher Hinsicht sind aber die ungenügenden Sanktionsmechanismen bei behördenseitigen Fristüberschreitungen. Mehr regulatorische Entschlossenheit wäre an dieser Stelle wünschenswert gewesen. Die Reform erscheint deshalb gut gemeint, aber im Ergebnis zahnlos. So bleibt der Antragsteller bei Verzögerungen im immissionsschutzrechtlichen Verfahren auf einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzungen gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG beschränkt. Dieser steht unter anderem wegen seines Verschuldenserfordernisses und des Vorrangs des Primärrechtsschutzes im Konflikt zu möglichst schnellen Entschädigungsverfahren. Erwägenswert wäre hier alternativ ein vereinfachter, pauschalisierter Entschädigungsanspruch gewesen – ähnlich wie in § 198 GVG im Rahmen von Gerichtsverfahren.13 Vergleichbares gilt für die Entscheidungsfrist aus § 10 Abs. 6a BImSchG, an deren Überschreitung keine Sanktion geknüpft ist. Auch hier verspricht ein Amtshaftungsanspruch wenig Erfolg, insbesondere da die Genehmigungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Fristablaufs als Anspruchsvoraussetzung darzulegen und zu beweisen wäre. Ein möglicher Ansatz hätte hier in der Einführung einer Genehmigungsfiktion auf Antrag des Vorhabenträgers liegen können. Damit wäre zugleich sichergestellt, dass aus Sicht des Vorhabenträgers nur eine Fiktion genehmigungsreifer Anträge erfolgte und er sich keiner ungewollten Risiken aussetzte.14


Fußnoten


1)

Zum Beispiel das Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen sowie das Beschleunigungsgesetz für Wasserstoffhochlauf; vgl. zum Überblick: Schütte/Langstädtler, ZUR 2024, 3.

2)
3)

In Ergänzung zur alten Rechtslage nach § 5 Satz 1 9. BImSchV, wonach die Genehmigungsbehörde die Verwendung von Vordrucken verlangen kann, räumt § 5 Satz 2 9. BImSchV der obersten Landesbehörde oder der nach Landesrecht zu bestimmenden Behörde das Recht zur Festlegung des Datenformats ein.

4)
5)

Folgerichtig knüpft § 9 Abs. 2 Halbsatz 2 9. BImSchV für die Bestimmung des Beginns der einwöchigen Frist, die zwischen der Bekanntmachung und dem Beginn der Auslegung liegen soll, nicht länger an den voraussichtlichen Tag der Ausgabe des Veröffentlichungsblattes oder der Tageszeitung, die zuletzt erscheint, an. Maßgebend ist nun der Tag der zeitlich letzten Veröffentlichung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG.

6)

Das Unverzüglichkeitserfordernis geht insbesondere über das Beschleunigungsgebot des § 10 Satz 2 VwVfG hinaus, in dem lediglich Zügigkeit bei der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens verlangt wird. Zum Beschleunigungsgebot in Abgrenzung zur Unverzüglichkeit vgl. Sennekamp in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 10 Rn. 18 f.

7)
8)

Zur Funktion der Norm vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 - 2 BvL 11/85 Rn. 43 f.

9)
10)
11)
12)
14)

Ähnlich BDEW, Stellungnahme zur BImSchG-Novelle v. 19.04.2023, S. 15 (zuletzt abgerufen am 07.08.2024).


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