Sofortiges Anerkenntnis der Haftpflichtversicherung bei anlassloser KlageerhebungLeitsatz Ist die Haftpflichtversicherung nicht Adressatin des anwaltlichen Anspruchsschreibens des Unfallgeschädigten und wendet sie sich - nachdem ihr das Anspruchsschreiben von ihrem Versicherungsnehmer weitergeleitet wurde - mit einer Nachfrage an den Bevollmächtigten des Unfallgeschädigten, auf die dieser nicht reagiert, sondern ohne weiteren Kontakt Klage gegen die Versicherung erhebt, beraubt dies die Haftpflichtversicherung nicht der Möglichkeit, die Klageforderung i.S.v. § 93 ZPO sofort anzuerkennen. - A.
Problemstellung Für die Teilnehmer an einer rechtlichen Auseinandersetzung kann oft der beste Rechtsstreit derjenige sein, der vermieden werden kann. Bei der Abwicklung und Regulierung von Schäden aus Verkehrsunfällen werden die weitaus meisten Fälle außergerichtlich geregelt. Andererseits kommt es für Geschädigte zum Teil zu langen Wartezeiten bis zur Regulierung. Die Dualität von Haftenden (Unfallverursacher und dessen Versicherer) erfordert eine Kommunikation in die richtige Richtung. Wenn es dann zu Verzögerungen kommt, stellt sich doch oft die Frage nach einem gerichtlichen Vorgehen. Ein Fehler – ggf. mit der Folge der Anwaltshaftung – wäre es, wenn dem Schädiger oder seinem Haftpflichtversicherer die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses bliebe. Eine solche Fallkonstellation lag dem OLG Frankfurt in einem sofortigen Beschwerdeverfahren vor.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das OLG Frankfurt hatte über die Kostenverteilung eines Rechtsstreits zu entscheiden, nachdem die Beklagten (Schädiger und Haftpflichtversicherer) die Klageforderung anerkannt hatten. Dem lag folgendes Geschehen zugrunde: Die Klägerin war Geschädigte eines Unfalls im Straßenverkehr. Am 03.01.2024 hatte der Anwalt der Klägerin außergerichtlich per Schriftsatz von der Halterin des unfallverursachenden Fahrzeugs – nicht aber von dem Haftpflichtversicherer – Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 7.395,98 Euro verlangt, was insofern erfolglos blieb, als keine Zahlung erfolgte. Am 28.02.2024 reichte die Klägerin gegen den Haftpflichtversicherer Klage ein und verlangte gerichtlich denselben Betrag. Der beklagte Haftpflichtversicherer erkannte die Forderung nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens i.H.v. 6.436,72 Euro zzgl. 713,76 Euro außergerichtlicher Anwaltskosten, also insgesamt 7.150,48 Euro, an und beantragte im Übrigen Klageabweisung. Das Landgericht erließ daraufhin ein Anerkenntnis-Teilurteil über den anerkannten Betrag. Über den restlichen streitbefangenen Betrag wurde später ein Vergleich auf Vorschlag des Gerichts erzielt, der jedoch ebenso wie das Teilurteil keine Kostenentscheidung enthielt, weswegen das Landgericht mit Beschluss vom 22.08.2024 über die Kosten entschied. Darin legte das Landgericht die Kosten zu 90% der Klägerin und zu 10% der Beklagten auf. Es begründete dies damit, dass im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO der § 93 ZPO analog anzuwenden sei. Dabei sei das Anerkenntnis als sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO zu werten mit der Folge, dass die Klägerin insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Das OLG Frankfurt hat die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenbeschluss des Landgerichts zurückgewiesen. Die Beklagte, wie es auch das Landgericht angenommen habe, habe die Klageforderung i.S.v. § 93 ZPO sofort anerkannt, was die besagte Kostenfolge für die Klägerin habe. Die Beklagte sei nämlich nicht Adressatin des anwaltlichen Anspruchsschreibens gewesen und habe sich, nachdem ihr das Schreiben von ihrem Versicherungsnehmer weitergeleitet worden war, mit einer Nachfrage vom 18.01.2024 an den Bevollmächtigten der Unfallgeschädigten gewandt, die indes nicht vor Klageerhebung beantwortet wurde, weil die Nachfrage von Klägerseite für unerheblich gehalten worden sei, ohne diese Einschätzung mitzuteilen. Das Oberlandesgericht sah hierin kein Verhalten der Beklagten, das zur Klageerhebung Anlass gegeben hätte. Die Beklagte habe erwarten können, dass ihre Nachfrage beantwortet werde, zumal sie damit erstmals mit der Klägerseite in Kontakt getreten sei. Wenn die Klägerseite dann nach weiteren vier Wochen unmittelbar Klage erhebe, ohne dies vorher anzudrohen, bleibe der Beklagten die Möglichkeit, die Klageforderung i.S.v. § 93 ZPO sofort anzuerkennen. Anders als die Klägerseite meine, komme es für § 93 ZPO auch nicht darauf an, ob mit dem Schreiben vom 03.01.2024 bereits eine fällige Forderung begründet worden sei, sondern ob davon habe ausgegangen werden können, dass ohne Klageerhebung keine Zahlung geleistet würde, ob also das Verhalten der Beklagten Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Zahlungsverzug allein sei noch kein hinreichender Grund zur Anlassgebung. Eine Haftpflichtversicherung, die ein Anspruchsschreiben von ihrer Versicherungsnehmerin weitergeleitet erhält, ohne selbst kontaktiert worden zu sein, könne damit rechnen, dass eine zeitnah gestellte Nachfrage beantwortet werde, bevor kommentarlos Klage erhoben werde. Auch die Klägerin habe bei dieser Sachlage nicht damit rechnen müssen, dass nur eine Klageerhebung sie zu ihrem Recht bringen werde.
- C.
Kontext der Entscheidung Die Entscheidung ist überzeugend und bringt zum Ausdruck, dass zumindest ein beidseitiger (!) Austausch von Argumenten erfolgten sollte, wenn nicht muss, um einen gerichtlichen Rechtsstreit für erforderlich zu halten. Es ist zwar in der Praxis durchaus so, dass teilweise auch „Zeit geschunden“ wird mit Rückfragen, die letztlich fruchtlos bleiben. Das Vermeiden der vorliegenden Sachverhaltskonstellation wäre indes auch einfach gewesen und hätte durch kurze Fristsetzungen nicht zwingend länger gedauert. Dieses Kostenrisiko wäre für die Klägerin vermeidbar gewesen. Zum Kontext sei zunächst auf die Ausgangsentscheidung des Landgerichts verwiesen, nämlich auf dem Beschluss des LG Hanau vom 22.08.2024 (4 O 288/24). Dort finden sich ergänzend auch noch ein paar Fundstellen aus der Rechtsprechung zur Entscheidungsbegründung. Das Landgericht ist auch auf die versicherungsrechtliche Fälligkeitsregel des § 14 VVG sowie die korrespondierende Pflicht zur Betreibung der Prüfung durch den Versicherer nach § 119 Abs. 3 VVG eingegangen. Generell wird dem Empfänger eines Forderungsschreibens zugestanden, jedenfalls vorübergehend orientierende Fragen zu stellen oder Unterlagen zu sichten, bevor eine Klage als einziges Mittel in Betracht gezogen werden kann. So entschied das OLG Celle, dass ein Insolvenzverwalter zunächst seine Unterlagen konsultieren kann und in den Genuss von § 93 ZPO kommt, wenn er bei Klageerhebung anerkennt, wenn er sich diese Recherchezeit vorher erbeten hat (OLG Celle, Beschl. v. 13.02.2025 - 7 W 2/25).
- D.
Auswirkungen für die Praxis In der Praxis bietet es sich an, als Anwalt in der vorgerichtlichen Schadensregulierung bestimmte Routinen einzuhalten, um Kosten- und Haftungsfallen zu vermeiden. Hier hat es noch immer genutzt, Fristen zu setzen und für den Fristablauf Klage anzudrohen. Dann ist es möglich, trotz allem zügig und sicher statt überfallsartig zu agieren.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung Die Entscheidung nimmt auch ein paar Korrekturen vor, wenn sie dem Landgericht am Rande mitgibt, das Urteil, mit dem es über den anerkannten Teil der Klageforderung entschieden habe, sei als Anerkenntnis-Teilurteil zu bezeichnen und nicht – wie es das Landgericht bezeichnet hat – als Teil-Anerkenntnisurteil. Wer in dieser Frage richtig liegt, ist eher von akademischem Interesse und eine Frage für die mündliche Prüfung im Assessorexamen. Interessanter ist, dass das Oberlandesgericht letztlich nicht beanstandet, dass das Landgericht die Kostenentscheidung hier durch einen Beschluss nach § 91a ZPO trifft, denn ein Fall der Erledigung im technischen Sinn ist ja nicht eingetreten und der „Schluss-Vergleich“ enthielt wohl keine Kostenregelung, was ja möglich gewesen wäre. In diese Situation gerät man erstinstanzlich nach zufriedenstellend konsensualer Regelung der Kernstreitfrage hinsichtlich der Kosten immer einmal. Insofern scheint § 91a ZPO aus Sicht des Oberlandesgerichts, die hier geteilt wird, die richtigen Maßstäbe (und Rechtsbehelfe) für die Kostenentscheidung bereitzustellen.
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