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Anmerkung zu:BGH 10.Zivilsenat, Urteil vom 19.03.2024 - X ZR 9/23
Autor:Jochem Gröning, RiBGH a.D.
Erscheinungsdatum:27.06.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 195 BGB, § 199 BGB, § 81 PatG, § 214 BGB, § 197 BGB, § 823 BGB, § 812 BGB, § 5 IntPatÜbkG Art, § 8 PatG, § 12 PatG
Fundstelle:jurisPR-WettbR 6/2024 Anm. 1
Herausgeber:Jörn Feddersen, RiBGH
Zitiervorschlag:Gröning, jurisPR-WettbR 6/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Verjährungsfrist bei Anspruch auf Patentübertragung („Automatisierte Wärmebehandlung“)



Leitsätze

1. Ein Anspruch auf Abtretung des Rechts auf Erteilung oder auf Übertragung des erteilten Patents aus Art. II § 5 Abs. 1 IntPatÜbkG unterliegt nicht der dreißigjährigen Verjährung gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB, sondern der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB.
2. Die Verjährung eines solchen Anspruchs beginnt frühestens mit Schluss des Jahres zu laufen, in dem das Patent erteilt worden ist.
3. Die Verjährung von Ansprüchen in Bezug auf Teilanmeldungen und darauf erteilte Patente ist gesondert zu beurteilen.
4. Die Verjährung eines Anspruchs aus Art. II § 5 Abs. 1 IntPatÜbkG steht der Geltendmachung von Ansprüchen auf Ersatz von Schäden und Herausgabe von Vorteilen aufgrund der Nutzung der zu Unrecht zum Patent angemeldeten Erfindung nicht entgegen (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 18.05.2010 - X ZR 79/07 Rn. 31 - BGHZ 185, 341 = GRUR 2010, 817.



A.
Problemstellung
Die Entscheidung beantwortet zentrale Fragen zur Verjährung des Anspruchs auf Abtretung des Rechts auf Erteilung eines vom Nichtberechtigten angemeldeten europäischen Patents. Sie betrifft dabei auch das Verhältnis von Verjährung und Ausschluss des Anspruchs auf Übertragung nach Erteilung des europäischen Patents.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Tabellarischer Sachverhalt
Seit 2004: Zusammenarbeit der Prozessparteien bei der Verbesserung von Echtzeit-PCR-Geräten.
2005: Abschluss einer diesbezüglichen Vertraulichkeitsvereinbarung.
2009: Beendigung der Kooperation durch die Beklagte.
2010: Beklagte reicht europäische Patentanmeldung 2 463 661 (Stammanmeldung) ein betreffend die automatisierte Wärmebehandlung von Flüssigkeitsproben.
03.04.2013: Einreichung einer Teilanmeldung, die zur Erteilung des Streitpatents führte.
04.07.2013: Klägerin verlangt schriftlich die Übertragung der Stammanmeldung; darin seien ihre Erfindungen beschrieben, die sie der Beklagten auf Grundlage der Vertraulichkeitsvereinbarung mitgeteilt habe. Das von der Beklagten vertriebene Produkt „L.“ mache von der Erfindung Gebrauch.
14.12.2016: Hinweis auf die Erteilung des Streitpatents.
10.02.2017: Einreichung der Klage auf.
- Übertragung des deutschen Teils des Streitpatents, hilfsweise Einräumung einer Mitberechtigung.
- Feststellung der Pflicht zum Ausgleich aller von der Beklagten erlangten Vorteile aus der Erfindung seit dem 15.11.2010.
- Ersatz aller Schäden der Klägerin aus der unberechtigten Patentanmeldung, Auskunft und Rechnungslegung.
Das Berufungsgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen.
II. Entscheidung des BGH
1. Keine dreißigjährige Verjährung
Für den Anspruch auf Übertragung des europäischen Patents gilt nicht die dreißigjährige Verjährung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB (Entscheidungsgründe Rn. 18 ff.). Der BGH stellt dafür auf die Gesetzesmaterialien und den Sinn und Zweck der Norm ab; danach sind nur solche Rechte erfasst, die wie das Eigentum auf körperliche Gegenstände gerichtet sind (Rn. 24 ff.). Das Recht an der Erfindung und das daraus abgeleitete Recht auf das Patent erfüllen diese Voraussetzung nicht.
Die Bestimmung über die dreißigjährige Verjährungsfrist ist auch nicht entsprechend anzuwenden. Die Ausgangslage ist in Fällen der vorliegenden Art nicht mit der bei einem körperlichen dinglichen Recht vergleichbar, und eine rechtliche Besonderheit spricht gegen die Notwendigkeit einer entsprechenden Anwendung (Rn. 37 ff.): Nach der Rechtsprechung des BGH stehen dem Erfinder, selbst wenn er die Ausschlussfrist des Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜbkG versäumt, gegen den Anmelder bzw. Inhaber des Schutzrechts auch nach Ablauf dieser Frist Ansprüche zu (BGH, Urt. v. 18.05.2010 - X ZR 79/07 Rn. 31 - BGHZ 185, 341 „Steuervorrichtung“).
2. Regelmäßige Verjährung und deren frühester Beginn
Es gilt die regelmäßige Verjährung des § 195 BGB. Das hatte zwar das Berufungsgericht auch schon angenommen. Bei der Frage, wann deren Lauf beginnt, liegen das Berufungsgericht und der BGH aber diametral auseinander. Das Berufungsgericht hatte an den eigentlich frühestmöglichen Zeitpunkt für den Beginn der Verjährungsfrist angeknüpft, nämlich an das Ende des Jahres, in das die Anmeldung des Streitpatents fällt. Ist das Streitpatent – wie hier – aus einer Teilanmeldung hervorgegangen, komme es gleichwohl auf die Stammanmeldung an (Rn. 13 f.).
Nach dem BGH beginnt die Verjährung des Anspruchs auf Erteilung oder Übertragung des erteilten Patents (frühestens) mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem das Patent erteilt worden ist.
Die dafür maßgeblichen Überlegungen sind:
Die Patenterteilung ist kein in sich abgeschlossener Vorgang, der gleichsam automatisiert einen vorgezeichneten Weg nähme, wenn er nur erst durch die Anmeldung in Gang gesetzt wurde. Der Anmelder müsse vielmehr durch Stellung des Prüfungsantrags und Gebührenzahlungen aktiv werden, und er könne den Gegenstand der Anmeldung vor allem gestalten (Rn. 66). Zudem sind der Gegenstand der Anmeldung und das erteilte Patent keine unterschiedlichen Schutzgegenstände, sondern die Zäsur der Erteilung bewirkt nur, dass der herauszugebende Gegenstand eine andere Gestalt annimmt als zuvor (Rn. 75). Die eigentliche Ratio für den Schutz bleibe die erfinderische Leistung. Deshalb könne die Anmeldung als solche nicht für den Lauf der Verjährungsfrist von maßgeblicher Bedeutung sein.
Diese Bestimmung des Verjährungsbeginns hat auch für sich den Gleichklang mit Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜbkG, jedenfalls hinsichtlich der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen. Diese Bestimmung stellt für den Beginn der Ausschlussfrist ebenfalls auf die Erteilung des Patents ab. Eine gesonderte Regelung für das Stadium vor Erteilung des Patents ist in Art. II § 5 Abs. 5 IntPatÜbkG nicht enthalten. Für das deutsche Recht ergibt sich aus der Entscheidung des BGH, dass der Anspruch im Stadium vor Patenterteilung jedenfalls bei „normalem“ Lauf der Dinge (vgl. Rn. 66) nicht verjähren kann (vgl. auch Rn. 73).
Verjährungsrechtlich kommt lediglich hinzu, dass der Fristenlauf zusätzlich von den in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB genannten subjektiven Tatbestandsmerkmalen abhängt.
Ein winziges Fragezeichen kann lediglich darin gesehen werden, ob der BGH mit „Erteilung des Patents“ den Zeitpunkt meint, zu dem die Entscheidung über die Erteilung des europäischen Patents ergangen ist (Regel 71a EPÜAO) oder an dem sie – durch den Hinweis auf die Erteilung im Europäischen Patentblatt – bekanntgemacht und wirksam geworden ist (Art. 97 Abs. 3 EPÜ). Letzteres dürfte gemeint sein. Denn die Sachlage ist nicht vergleichbar mit derjenigen, dass ein Einspruchsverfahren noch anhängig ist, und der damit zusammenhängenden Frage, wie lange das Klagehindernis aus § 81 Abs. 2 PatG besteht (dazu BGH, Urt. v. 06.12.2022 - X ZR 47/22 Rn. 30 ff. „Aminopyridin“). Statistisch dürfte das zudem ohnehin keine bedeutende Rolle spielen, nämlich nur dann, wenn die materielle Entscheidung noch gegen Ende eines Jahres ergangen ist, die Bekanntmachung aber erst im neuen Jahr erfolgt.
3. Verhältnis von Ausschlussfrist in Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜbkG und Verjährung
Wie verhält sich die Ausschlussfrist in Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜbkG zur regelmäßigen Verjährung?
Dazu bezieht die vorliegende Entscheidung des BGH keine Stellung. Das ist einerseits plausibel, weil die Ausschlussfrist für die Beurteilung des konkreten Falles nicht erheblich war. Andererseits wird das Verhältnis von Ausschlussfrist und Verjährung gerade durch die mit dem zweiten Leitsatz dieser Entscheidung begründete Rechtsprechung grell in den Fokus der Betrachtung gerückt:
Der Ablauf einer Ausschlussfrist hat grundsätzlich den Untergang eines Rechts zur Folge (BGH, Urt. v. 18.01.2006 - VIII ZR 94/05 Rn. 10 m.w.N. - NJW 2006, 903). Der Eintritt der Verjährung bewirkt demgegenüber lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners (§ 214 Abs. 1 BGB).
Wenn einerseits die Verjährung gemäß dem zweiten Leitsatz frühestens mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem das Patent erteilt worden ist, die Geltendmachung des Übertragungsanspruchs nach Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜbkG gegen den nicht bösgläubigen Patentinhaber andererseits aber nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Hinweis auf die Patenterteilung im Europäischen Patentblatt ausgeschlossen ist, dann läuft die Verjährungsfrist in diesen Fällen partiell ins Leere. Der Anspruch auf Übertragung ist nach Ablauf der genannten Zeitspanne untergegangen, obwohl er bei rein verjährungsrechtlicher Betrachtung zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal (verjährungs-)einredebehaftet war.
4. Rechtslage bei nationalen Patenten
Im nationalen Recht (§ 8 PatG) ist die Rechtslage komplexer. Der Berechtigte kann zwar auch vom Berechtigten Abtretung des Anspruchs auf Patenterteilung verlangen (§ 8 Satz 1 bis 3 PatG). Mit Blick auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme kann er aber auch Einspruch einlegen, und ihm steht danach noch die Möglichkeit der Klageerhebung innerhalb eines Jahres nach rechtskräftigem Abschluss des Einspruchsverfahrens zu.
5. Rechtslage bei Teilanmeldungen
Bei Teilanmeldungen gelten keine Besonderheiten (Rn. 79 ff.). Im Streitfall war das Streitpatent ja aus einer Teilanmeldung hervorgegangen. Für den Lauf der Verjährungsfrist ist also auch in solchen Fällen die Erteilung des aus der Teilanmeldung hervorgegangenen Schutzrechts maßgeblich.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung ist zum einen im Kontext des BGB eingebettet in die Rechtsprechung zur Abgrenzung von § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB einerseits und § 195 BGB andererseits. Sie fügt sich zum anderen ein in die bisherige Rechtsprechung zu den Ansprüchen des Berechtigten gegen den nichtberechtigten Patentanmelder/-inhaber (BGH, Urt. v. 01.02.2005 - X ZR 214/02 Rn. 20 f. - BGHZ 162, 110 „Schweißbrennerreinigung“; BGH, Urt. v. 18.05.2010 - X ZR 79/07 Rn. 31 - BGHZ 185, 341 „Steuervorrichtung“).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung ist dem materiell berechtigten Erfinder günstig und vereinfacht zugleich die Rechtsanwendung, weil die Verjährung als frühesten Zeitpunkt an die Patenterteilung und damit an ein auf der Zeitachse von der Patentanmeldung an recht weit hinten liegendes Ereignis anknüpft.
Auch wenn die Entscheidungsgründe dazu schweigen, besteht doch kein Anlass zu der Annahme, dass die genannte Rechtsprechung zum Untergang des Anspruchs auf Übertragung des Patents nach Ablauf einer ihn betreffenden Ausschlussfrist nicht anwendbar wäre. Hier ist also in zeitlicher Hinsicht Achtsamkeit bezüglich des Fristenlaufs geboten, jedenfalls wenn in Betracht kommt, dass der Patentinhaber bei Erteilung oder Erwerb des Patents hinsichtlich seiner Berechtigung in gutem Glauben gewesen ist.
Allerdings werden die Verwerfungen zwischen dem Ausschlussrecht und den Verjährungsregeln partiell durch die Rechtsprechung des BGH eingeebnet, wonach derjenige, der unberechtigt eine die Erfindung betreffende Schutzrechtsanmeldung einreicht und die dadurch eröffnete Möglichkeit zur Benutzung der Erfindung wahrnimmt, dem Berechtigten nach Maßgabe von § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz und nach Maßgabe von § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB zur Herausgabe erlangter Vorteile verpflichtet ist (Rn. 85 m.w.N.), und diese Ansprüche nicht dadurch entfallen, dass ein Anspruch auf Abtretung oder Übertragung aus Art. II § 5 Abs. 1 IntPatÜbkG oder § 8 Satz 1 PatG wegen Ablaufs der hierfür vorgesehenen Ausschlussfrist nicht mehr durchsetzbar ist (Rn. 86).
Es bleibt aber dabei, dass der materiell als Erfinder Berechtigte in solchen Konstellationen nach versäumter Ausschlussfrist namentlich (außerhalb von § 12 PatG) den Unterlassungsansprüchen des nicht bösgläubigen Patentinhabers ausgesetzt ist (BGH, Urt. v. 01.02.2005 - X ZR 214/02 Rn. 20 f. - BGHZ 162, 110 „Schweißbrennerreinigung“).



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