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Anmerkung zu:BVerwG 5. Senat, Urteil vom 30.06.2023 - 5 C 10/21
Autor:Dr. Rainer Störmer, Vors. RiBVerwG
Erscheinungsdatum:25.03.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 144 VwGO, § 22 SGB 8, § 53 SGB 10, Art 20 GG, § 242 BGB, § 23 SGB 8
Fundstelle:jurisPR-BVerwG 6/2024 Anm. 1
Herausgeber:Verein der Bundesrichter bei dem Bundesverwaltungsgericht e.V.
Zitiervorschlag:Störmer, jurisPR-BVerwG 6/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Gewährung der laufenden Geldleistung an Tagespflegepersonen durch öffentlich-rechtlichen Vertrag



Leitsätze

1. Der materiell-rechtliche Anspruch von Kindertagespflegepersonen aus § 23 SGB VIII auf Gewährung einer (die Sachkosten und den Anerkennungsbetrag umfassenden) laufenden Geldleistung wird durch sächsisches Landesrecht (§ 14 Abs. 6 SächsKitaG) verfahrensrechtlich dahin konkretisiert, dass er nur durch eine Vereinbarung - also in der Handlungsform eines öffentlich-rechtlichen Vertrages - gewährt werden kann.
2. Die inhaltliche Kontrolle, ob eine Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen des § 23 SGB VIII entspricht, bleibt nicht hinter derjenigen zurück, die anzulegen wäre, wenn der Landesgesetzgeber die Handlungsform des Verwaltungsakts - also die Gewährung durch Bescheid - für die Gewährung der laufenden Geldleistung vorgesehen hätte.
3. Ist eine Vereinbarung über die laufende Geldleistung geschlossen worden, die den Anforderungen des § 23 SGB VIII nicht entspricht, steht der Tagespflegeperson ein Anspruch auf deren Neubestimmung im Wege des Abschlusses einer gesetzeskonformen Vereinbarung aus § 23 SGB VIII i.V.m. § 14 Abs. 6 SächsKitaG zu.
4. Eine den gesetzlichen Anforderungen des § 23 SGB VIII entsprechende Festlegung und Gewährung der laufenden Geldleistung setzt voraus, dass zwischen den einzelnen Bestandteilen der laufenden Geldleistung differenziert und für sie jeweils ein eigenständiger Betrag ermittelt und bestimmt wird.



A.
Problemstellung
Kindertagespflegepersonen, umgangssprachlich als Tagesmütter bzw. Tagesväter bezeichnet, steht für ihre Tätigkeit ein Anspruch gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf Gewährung einer laufenden Geldleistung zu (§ 23 Abs. 1 SGB VIII). Diese Geldleistung hat insbesondere die Erstattung angemessener Kosten für den Sachaufwand (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) und einen „Betrag zur Anerkennung ihrer Förderungsleistung“ (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII) zu umfassen. Das sächsische Landesrecht (§ 14 Abs. 6 SächsKitaG) sieht vor, dass die laufende Geldleistung zu gewähren ist, indem eine Vereinbarung zwischen der Gemeinde und der Kindertagespflegeperson geschlossen wird. Im vorliegenden Streitfall war neben der Frage, ob dies bundesrechtlich zulässig ist, unter anderem zu klären, inwieweit solche Vereinbarungen einer inhaltlichen Kontrolle durch die Gerichte unterliegen und unter welchen Voraussetzungen Kindertagespflegepersonen eine Neubestimmung der laufenden Geldleistung verlangen können.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin, die als Kindertagespflegeperson im Bereich der beklagten sächsischen Stadt tätig war, begehrte von dieser eine höhere laufende Geldleistung für die in der Zeit von Anfang 2015 bis Ende 2017 geleistete Tagespflege. Die Beklagte hatte mit der Klägerin im Dezember 2014 und Januar 2017 jeweils eine Rahmenvereinbarung zur Kindertagespflege über die Betreuung von Kindern (im Alter bis 2 Jahre und 9 Monate) geschlossen. Danach hat die Beklagte an die Klägerin zur Abdeckung der Aufwendungen für den entstehenden Sachaufwand und die erbrachte Förderungsleistung einen monatlichen Aufwendungsersatz für jedes betreute Kind gemäß der „Richtlinie zu Leistungen der Jugendhilfe in Form von Kindertagespflege für den Erzgebirgskreis“ zu zahlen. Die für den streitgegenständlichen Zeitraum zugrunde zu legende Richtlinie, die der Erzgebirgskreis 2013 in seiner Eigenschaft als öffentlicher Träger der Jugendhilfe beschlossen hatte, setzt die laufende Geldleistung für eine ganztägige Betreuung (9 Stunden) an fünf Tagen in der Woche auf einen monatlichen Betrag von 485 Euro fest, der sich bei einer geringeren Betreuungszeit anteilig entsprechend der in der Anlage enthaltenen Tabelle verringert.
Die von der Klägerin im Dezember 2017 mit dem Ziel einer höheren Neubestimmung der laufenden Geldleistung erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Demgegenüber hat das OVG Bautzen (Urt. v. 02.11.2021 - 3 A 381/20) die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils verpflichtet, die an die Klägerin zu zahlende Geldleistung für den streitigen Zeitraum neu zu bestimmen und den sich daraus ergebenden höheren Betrag an sie zu zahlen. Die vom OVG Bautzen zugelassene Revision zum BVerwG, mit welcher die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils begehrt hat, ist überwiegend erfolglos geblieben. Zwar steht – so führt das BVerwG aus – unter anderem die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, den zuständigen Stellen sei bei der (Neu-)Festlegung des Betrages zur Erstattung des Sachaufwandes ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt, nicht in Einklang mit Bundesrecht. Anders als bei der Bemessung des Anerkennungsbetrages ist ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung bei der Festlegung der den Tagespflegepersonen nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII zu erstattenden Sachkosten abzulehnen (so grundlegend bereits BVerwG, Urt. v. 24.11.2022 - 5 C 1/21 - BVerwGE 177, 134 Rn. 26 ff.). Die Entscheidung des OVG Bautzen, dass die Beklagte verpflichtet sei, die zu zahlende Geldleistung neu zu bestimmen und den sich daraus ergebenden Differenzbetrag an die Klägerin zu zahlen, erwies sich jedoch im Ergebnis als überwiegend richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dies begründet das BVerwG in den Grundzügen wie folgt:
I. Der Anspruch der Klägerin auf gesetzeskonforme Neubestimmung für den streitigen Zeitraum und Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung über die Gewährung einer laufenden Geldleistung findet seine Grundlage in § 23 Abs. 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 14 Abs. 6 des Sächsischen Gesetzes zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege – Gesetz über Kindertagesbetreuung (SächsKitaG) – in den hier maßgeblichen Fassungen vom 27.01.2012 (GVBl. S. 130, 144) und vom 29.04.2015 (GVBl. S. 349, 352). Nach § 14 Abs. 6 SächsKitaG (2015) werden – ähnlich wie nach der vorangehenden Gesetzesfassung – die Kosten für die Kindertagespflege nach § 3 Abs. 3 durch die Gemeinde, einschließlich des Landeszuschusses, und durch Elternbeiträge aufgebracht (Satz 1); über die Finanzierung schließen die Gemeinden und die Kindertagespflegeperson eine Vereinbarung ab (Satz 2); die Finanzierung schließt eine laufende Geldleistung an die Kindertagespflegeperson gemäß § 23 Abs. 2 und 2a SGB VIII ein, die von der Gemeinde in Abstimmung mit dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt wird (Satz 3). Aus Satz 2 dieser Regelung ergibt sich mithin, dass über die Gewährung der laufenden Geldleistung an Tagespflegepersonen gemäß § 23 SGB VIII ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zu schließen ist. Die Verwendung anderer Handlungsformen – etwa die Gewährung der Leistung durch Verwaltungsakt – ist der Gemeinde daher nicht gestattet.
1. Materiell-rechtliche Grundlage des Anspruchs von Kindertagespflegepersonen auf die Gewährung der laufenden Geldleistung bleibt dabei aber das Bundesrecht (§ 23 Abs. 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 24 Abs. 1 und 2 SGB VIII). Der materiell-rechtliche Anspruch entsteht, sobald – wie hier für den streitgegenständlichen Zeitraum – die gesetzlichen Voraussetzungen des § 23 SGB VIII vorliegen und einem nach § 24 SGB VIII förderberechtigten Kind Tagespflegeleistungen im von den Eltern gewünschten Umfang bewilligt und nach Maßgabe des § 22 SGB VIII durch die Kindertagespflegeperson erbracht werden. Dieser Anspruch aus § 23 SGB VIII auf Gewährung einer laufenden Geldleistung wird durch § 14 Abs. 6 SächsKitaG in den hier anwendbaren Fassungen verfahrensrechtlich dahin konkretisiert, dass er nur durch eine Vereinbarung – also in der Handlungsform eines öffentlich-rechtlichen Vertrages – gewährt werden kann. Dabei reicht es zur Anspruchserfüllung nicht aus, dass in der jeweils abgeschlossenen Vereinbarung überhaupt eine laufende Geldleistung vorgesehen ist. Nach dem sächsischen Landesrecht tritt die Erfüllung – wie die Auslegung des § 14 Abs. 6 SächsKitaG ergibt – erst mit Abschluss einer Vereinbarung ein, in der eine den gesetzlichen Anforderungen des § 23 SGB VIII entsprechende laufende Geldleistung festgelegt ist.
2. Die landesrechtliche Vorgabe, die laufende Geldleistung im einzelnen Bewilligungsfall durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zu gewähren, verstößt nicht gegen Bundesrecht. Das gilt – wie das BVerwG im Einzelnen ausführt – sowohl mit Blick auf § 53 Abs. 2 SGB X als auch und insbesondere im Hinblick auf die bundesrechtlichen Vorgaben des § 23 Abs. 1 SGB VIII. Diese Norm schreibt mit der Formulierung „Gewährung einer laufenden Geldleistung an die Kindertagespflegeperson“ die rechtstechnische Umsetzung, auf welche Art und Weise die laufende Geldleistung zu gewähren ist, nicht vor. Der Begriff der Gewährung in § 23 Abs. 1 SGB VIII ist vielmehr offen und erlaubt das Verständnis, dass diese bundesrechtliche Regelung einer landesrechtlichen Ausgestaltung, in welcher Handlungsform (z.B. durch Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlichen Vertrag oder Realakt) die Gewährung zu erfolgen hat, nicht entgegensteht. Dafür spricht etwa auch der systematische Zusammenhang zwischen § 23 Abs. 1 SGB VIII und § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII. Nach der zuletzt genannten Regelung wird die Höhe der laufenden Geldleistung von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt, soweit das Landesrecht nicht etwas anderes bestimmt.
II. Der gesetzliche Anspruch ist im Streitfall entstanden und weder durch Erfüllung untergegangen noch verwirkt. Die inhaltliche Kontrolle, ob eine Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen des § 23 SGB VIII entspricht, bleibt nicht hinter derjenigen zurück, die durchzuführen wäre, wenn der Landesgesetzgeber die Handlungsform des Verwaltungsaktes, also die Gewährung durch Bescheid für die Gewährung der laufenden Geldleistung vorgesehen hätte. Die gerichtliche Kontrolle der Höhe der Sachkostenerstattung und des Anerkennungsbetrages erstreckt sich aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) auch beim Handeln durch Vertrag auf das anerkannte Prüfungsprogramm in Gestalt der Vorgaben des § 23 SGB VIII an die gesetzeskonforme Festlegung und Gewährung der laufenden Geldleistung. Eine diesen Anforderungen des § 23 SGB VIII entsprechende Festlegung und Gewährung der laufenden Geldleistung setzt – was das BVerwG anlässlich des Streitfalls erstmals zu klären hatte – insbesondere voraus, dass zwischen den einzelnen Bestandteilen der laufenden Geldleistung differenziert und für sie jeweils ein eigenständiger Betrag ermittelt und bestimmt wird. Dies folgert das BVerwG unter anderem aus Wortlaut und Systematik des § 23 Abs. 2 SGB VIII, der einzelne, selbstständig nebeneinanderstehende Bestandteile der laufenden Geldleistung unterscheidet und diese jeweils unter einer eigenen Nummer aufführt, wobei für ihre Bemessung teilweise unterschiedliche normative Maßstäbe gelten.
In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe hat das BVerwG auf der Grundlage der für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts dahin erkannt, dass die laufenden Geldleistungen, die im Dezember 2014 und Januar 2017 geschlossenen Rahmenvereinbarungen festgelegt waren, nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 23 SGB VIII entsprachen. Die im streitgegenständlichen Zeitraum geltende Richtlinie des Erzgebirgskreises, auf welche die genannten Rahmenvereinbarungen Bezug nehmen, enthielt keine Aufschlüsselung der monatlich festgelegten laufenden Geldleistung nach der Sachkostenerstattung einerseits und der Anerkennung der Förderungsleistung andererseits. Sie wies vielmehr nur einen Gesamtbetrag aus. Eine entsprechende Aufschlüsselung war auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem OVG Bautzen nicht nachgeholt worden.
Dabei stellte sich die nachträgliche Prüfung der Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Anforderungen des § 23 SGB VIII entgegen der Auffassung der Beklagten auch weder als unzulässiger Eingriff in die Vertragsfreiheit und den Grundsatz der Vertragstreue (pacta sunt servanda) dar noch war der Anspruch der Klägerin – wie das BVerwG im Einzelnen ausführt – nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwirkt. Ist eine Vereinbarung über die laufende Geldleistung geschlossen worden, die – wie hier – den Anforderungen des § 23 SGB VIII nicht entspricht, steht der Tagespflegeperson ein Anspruch aus § 23 SGB VIII i.V.m. § 14 Abs. 6 SächsKitaG auf deren Neubestimmung und den Abschluss einer entsprechenden gesetzeskonformen Vereinbarung zu. Zur Erfüllung dieses Anspruchs ist ihr von der Beklagten ein entsprechendes Vertragsanpassungsangebot zu unterbreiten.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Hinsichtlich der Vereinbarkeit der landesrechtlich gewählten Handlungsform mit den bundesrechtlichen Vorgaben des § 23 SGB VIII konnte das BVerwG an seine jüngste Rechtsprechung anknüpfen. In dieser hatte es bereits seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass Bundesrecht nicht vorschreibt, in welcher Rechtsform die Festlegung der laufenden Geldleistung zu erfolgen hat, so dass nach Maßgabe des Landesrechts etwa auch ein vom einzelnen Bewilligungsfall losgelöstes Handeln in abstrakt-generellen Rechtsformen bis hin zum Erlass von Rechtsnormen (etwa in Form von Satzungen) in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2022 - 5 C 9/21 - BVerwGE 177, 154 Rn. 10 u. 21; BVerwG, Urt. v. 24.11.2022 - 5 C 1/21 - BVerwGE 177, 134 Rn. 31; BVerwG, Urt. v. 24.11.2022 - 5 C 3/21 Rn. 30).
II. Auf seine vorgenannten Urteile zur Tagespflege konnte der 5. Senat auch insofern inhaltlich Bezug nehmen, als bereits geklärte Fragen des Beurteilungsspielraums der Verwaltung in Rede standen. Während das BVerwG im Hinblick auf die Bemessung des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII schon in einer Entscheidung aus dem Jahre 2018 angenommen hatte, dass der Verwaltung insoweit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht (BVerwG, Urt. v. 25.01.2018 - 5 C 18/16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr 3 Rn. 10), hat es dies in seinen Entscheidungen vom 24.11.2022 für die Sachkostenerstattung abgelehnt. Die Erstattung der angemessenen Kosten für den Sachaufwand nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII kann zwar in pauschalierter Form erfolgen. Ein Beurteilungsspielraum steht den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bei ihrer Festlegung jedoch nicht zu (BVerwG, Urt. v. 24.11.2022 - 5 C 1/21 - BVerwGE 177, 134 Rn. 26 ff., BVerwG, Urt. v. 24.11.2022 - 5 C 3/21 Rn. 25 ff.; BVerwG, Urt. v. 24.11.2022 - 5 C 9/21 - BVerwGE 177, 154 Rn. 16 ff.).
III. Dagegen hatte das BVerwG erstmals anlässlich des vorliegenden Streitfalls die Frage zu klären, ob es einer Differenzierung bei den einzelnen Bestandteilen der laufenden Geldleistung bedarf (so bereits zuvor OVG Lüneburg, Urt. v. 20.11.2012 - 4 KN 319/09 Rn. 57; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 22.08.2014 - 12 A 591/14 Rn. 120 f. m.w.N.). Dies hat es nunmehr bejaht und weiter darauf hingewiesen, dass eine solche Differenzierung gemäß § 23 SGB VIII grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Festlegung der Höhe der laufenden Geldleistung durch die gemäß § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII hierfür zuständigen Stellen geboten ist. Spätestens bei der Leistungsgewährung – im Streitfall durch Vereinbarung – müssen die auf die einzelnen Bestandteile der laufenden Geldleistung entfallenden Beträge getrennt ausgewiesen werden. Ergänzend stellt das BVerwG unter Verweis auf eines seiner Urteile vom 24.11.2022 klar, dass es nach den Vorgaben des § 23 SGB VIII eines prüffähigen (Kalkulations-)Nachweises bedarf, aus dem sich ergibt, wie die für die Bestandteile der laufenden Geldleistung ausgewiesenen Beträge im Einzelnen zustande gekommen sind und welche Erwägungen insoweit für die hierfür zuständigen Stellen maßgeblich waren. Dabei kommt es auf die Nachvollziehbarkeit der Ermittlung und Berechnung der ausgewiesenen Beträge an. Das Fehlen einer Kalkulation im Zeitpunkt der Festlegung oder Gewährung der laufenden Geldleistung begründet deshalb für sich allein noch nicht deren Rechtswidrigkeit. Vielmehr ist die Ergebnisrichtigkeit der festgelegten und gewährten laufenden Geldleistung maßgeblich. Diese kann – so stellt das BVerwG weiter klar – in einem gerichtlichen Verfahren nötigenfalls auch durch eine auf den Zeitpunkt der Festlegungsentscheidung bezogene Nachkalkulation (und zwar grundsätzlich bis zur letzten Entscheidung in der Tatsacheninstanz) nachgewiesen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2022 - 5 C 9/21 - BVerwGE 177, 154 Rn. 37 ff.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Das Bundesrecht steht zwar einer landesrechtlichen Regelung nicht entgegen, die – wie § 14 Abs. 6 SächsKitaG – den materiell-rechtlichen Anspruch von Kindertagespflegepersonen aus § 23 SGB VIII auf Gewährung einer laufenden Geldleistung verfahrensrechtlich dahin konkretisiert, dass er nur durch eine Vereinbarung – also in der Handlungsform eines öffentlich-rechtlichen Vertrages – gewährt werden kann. Die inhaltliche Kontrolle durch die Gerichte, ob eine solche Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen des § 23 SGB VIII entspricht, bleibt jedoch nicht hinter derjenigen zurück, die durchzuführen wäre, wenn der Landesgesetzgeber die Handlungsform des Verwaltungsaktes (Gewährung durch Bescheid) vorgesehen hätte. Eine den Vorgaben des § 23 SGB VIII entsprechende Festlegung und Gewährung der laufenden Geldleistung setzt insbesondere voraus, dass zwischen den einzelnen Bestandteilen der laufenden Geldleistung, also jedenfalls des Anerkennungsbetrages einerseits und der Sachkostenerstattung andererseits, differenziert und für sie jeweils ein eigenständiger Betrag (kalkulatorisch) ermittelt und bestimmt wird.



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