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Anmerkung zu:BGH 8. Zivilsenat, Urteil vom 27.09.2023 - VIII ZR 88/22
Autor:Dr. Dietrich Beyer, RiBGH a.D.
Erscheinungsdatum:01.02.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 549 BGB, § 553 BGB
Fundstelle:jurisPR-MietR 2/2024 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Beyer, jurisPR-MietR 2/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Berechtigtes Interesse des Mieters an Untervermietung eines Teils der Nebenwohnung



Leitsatz

Zur Untervermietung bei einer aus beruflichen Gründen genutzten Nebenwohnung (im Anschluss an Senatsurteile v. 23.11.2005 - VIII ZR 4/05 - NJW 2006, 1200; v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13 - NJW 2014, 2717 und v. 31.01.2018 - VIII ZR 105/17 - BGHZ 217, 263).



Orientierungssatz zur Anmerkung

Die Absicht des Mieters, eine aus beruflichen Gründen als Nebenwohnsitz genutzte Wohnung weiterhin zu nutzen und einen Teil unterzuvermieten, stellt ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.



A.
Problemstellung
Mit Fragen der Untervermietung hat sich der VIII. Senat des BGH in den letzten Jahren relativ häufig befasst, so etwa bei der Kündigung eines Hauptmietverhältnisses wegen unberechtigter Untervermietung (BGH, Beschl. v. 03.08.2021 - VIII ZR 329/19 - NJW-RR 2021, 1525), zum Anspruch des Mieters auf Erteilung einer Untervermietungserlaubnis während eines längeren Auslandsaufenthalts (BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13 - NJW 2014, 2717) oder – ganz aktuell – zur Frage der Untervermietung einer Einzimmerwohnung (BGH, Urt. v. 13.09.2023 - VIII ZR 109/22 - NJW-RR 2023, 1435).
Eine neue Fallkonstellation ist Gegenstand des Urteils vom 27.09.2023; dort geht es um die Untervermietung einer aus beruflichen Gründen genutzten Nebenwohnung. Hier stellt sich die Frage, ob das vom Gesetzgeber anerkannte Interesse des Mieters – konkret: der Bestandsschutz des Mietverhältnisses – sich lediglich auf eine Hauptwohnung erstreckt oder ebenso eine Nebenwohnung umfasst. Bemerkenswert ist die Entscheidung vor allem wegen der sehr grundsätzlichen Ausführungen zum Begriff der Untervermietung und zum Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Erteilung einer Erlaubnis zur Untervermietung.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Mieter hat im Jahr 2014 eine 72 m² große Dreizimmerwohnung in Berlin gemietet. In dieser Wohnung lebte er zunächst allein, später zusammen mit seiner Ehefrau und einem gemeinsamen Kind. Nach der Geburt eines weiteren Kindes zog die Familie des Mieters in eine von ihm gemietete, rund 17 km entfernte Doppelhaushälfte mit Garten in D. Die Dreizimmerwohnung wollte er nach seinen Angaben aus beruflichen Gründen weiter nutzen, weil er als Geschäftsführer einer in der Nähe (zehn Gehminuten entfernt) gelegenen, auf Lateinamerika und den Mittleren Osten spezialisierten Speditionsfirma, an ungünstige Arbeitszeiten gebunden sei. Er nutze die Wohnung zum Ausruhen und übernachte dort zwei- bis dreimal wöchentlich, um sich die Fahrtzeit – mindestens 40 Minuten – zwischen der Doppelhaushälfte und seiner Arbeitsstätte zu ersparen.
Nachdem der Mieter im Mai 2019 die Vermieterin um die Erlaubnis gebeten hatte, zwei Zimmer der Wohnung ohne zeitliche Begrenzung an zwei namentlich genannte Personen unterzuvermieten, erteilte die Vermieterin ihm zunächst eine bis zum 30.06.2020 befristete Erlaubnis. Spätere Begehren des Mieters auf Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis lehnte sie ab.
Mit der Klage verlangt der Mieter von der Vermieterin die Zustimmung zur unbefristeten Untervermietung von je einem Zimmer der Mietwohnung an zwei namentlich benannte Personen.
Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Vermieterin wies das Landgericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Mieter habe keinen Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sein Interesse an der Untervermietung ausschließlich in der Erzielung von (Unter-)Mieteinnahmen zur Reduzierung der Mietkosten der Doppelhaushälfte und der Stadtwohnung bestehe. § 553 Abs. 1 BGB diene jedoch ausschließlich dem Bestandsschutz. Bei einem Interesse am Bestand eines durch Untermieteinnahmen zu finanzierenden Nebenwohnsitzes sei dies nur dann der Fall, wenn es sich bei dem Nebenwohnsitz – beispielsweise im Falle eines zeitweiligen Auslandsaufenthalts des Mieters – um den ehemaligen und voraussichtlich auch zukünftigen Hauptwohnsitz des Mieters handle, während es hier nur um den (ständigen) Nebenwohnsitz gehe. Die vom Mieter geltend gemachten Gründe „erschöpften sich in einem bloßen Komfortzuwachs“. (Rn. 10-14)
Die Entscheidung:
Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Mieters hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Fast leitsatzartig – am besten wörtlich zitiert – umschreibt der Senat den Fehler des Berufungsurteils:
Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis des Begriffs des berechtigten Interesses des Mieters i.S.d. § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgegangen und hat sich hierdurch zugleich den Blick auf die zur Ermittlung des berechtigten Interesses gebotene Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls versperrt. (Rn. 16)
1. „Berechtigtes Interesse“, § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB: Vernünftige Gründe für die Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte – die Grundsätze
Bereits im einleitenden Satz dieses Abschnitts, „ein Interesse des Mieters i.S.d. § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB ist schon dann anzunehmen, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen“, nimmt der Senat Bezug auf seine Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1984 (BGH, Beschl. v. 03.10.1984 - VIII ARZ 2/84 - BGHZ 92, 213, 218 [zu § 549 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.]). Sodann präzisiert er diese Aussage wie folgt: Als berechtigt ist dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats jedes Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht (a.a.O., u.a. unter Bezugnahme auf die BGH, Urt. v. 31.01.2018 - VIII ZR 105/17 Rn. 53 - BGHZ 217, 263 und – aktuell – BGH, Urt. v. 13.09.2023 - VIII ZR 109/22).
a) Kostenentlastung durch Untervermietung als „berechtigtes Interesse“
Ganz konkret – bezogen auf den vorliegenden Fall – stellt der BGH sodann klar, dass als berechtigtes Interesse grundsätzlich auch der Wunsch des Mieters nach einer Verringerung seiner Mietaufwendungen anzuerkennen ist; denn „der Gesetzgeber hat mit der Schaffung der Norm erkennbar unter anderem die Absicht verfolgt, dem Mieter eine Kostenentlastung durch eine Untervermietung zu ermöglichen.“ (Rn. 18 a.E. unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 31.01.2018 - VIII ZR 105/17)
b) Mieterschützender Zweck des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB: Umfassende Würdigung der tatsächlichen Umstände
Zur Beurteilung der Frage, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, sind die tatsächlichen Umstände, auf denen der Wunsch des Mieters zur Untervermietung eines Teils der Wohnung beruht, unter Berücksichtigung des mieterschützenden Zwecks der Regelung des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB umfassend zu würdigen (Rn. 19). Diesen zentralen Grundsatz hat der BGH in seiner Rechtsprechung in mehreren, hier stichwortartig zitierten Entscheidungen konkretisiert: berufsbedingte doppelte Haushaltsführung (BGH, Urt. v. 23.11.2005 - VIII ZR 4/05), mehrjähriger berufsbedingter Auslandsaufenthalt (BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13) oder Beteiligung des Untermieters an der Miete nach dem Auszug des bisherigen Mitbewohners (BGH, Urt. v. 31.01.2018 - VIII ZR 105/17).
2. Der Fehler des Berufungsgerichts: enge Auslegung des „berechtigten Interesses“ des Mieters
In einer umfangreichen, sehr lesenswerten und dogmatisch vorbildlichen Begründung legt der BGH sodann im Einzelnen dar, dass und weshalb das Berufungsurteil den Maßstäben der Senatsrechtsprechung nicht gerecht wird.
a) Fortdauernder Bestand des Hauptwohnsitzes in der Wohnung ist nicht erforderlich
Auf den ersten Blick mag die Frage, ob die Wohnung, auf die sich die vom Mieter geltend gemachte Absicht der Untervermietung bezieht, von ihm auch künftig als Hauptwohnsitz genutzt werden soll, als etwas entfernt oder unwesentlich erscheinen. Gerade diesen Aspekt hat der BGH jedoch – einmal mehr – zum Anlass genommen für eine im besten Sinn „lehrbuchartige“ Auslegung der konkreten Bestimmung – hier: des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB.
b) Keine „qualitativen“ Anforderungen des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB
Entscheidend für den Begriff der Untervermietung ist nicht die „Qualität“ der weiteren Nutzung der Wohnung, sondern das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters sowie die Überlassung lediglich eines Teils der Wohnung an einen Dritten. Letzteres ist bereits dann anzunehmen, wenn der Mieter ein Zimmer einer größeren Wohnung – etwa für die Lagerung von Einrichtungsgegenständen oder gelegentliche Übernachtungen – zurückbehält, die Wohnung muss aber nicht sein Lebensmittelpunkt bleiben (Rn. 22 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 13.09.2023 - VIII ZR 109/22 Rn. 20).
c) Argumente des Berufungsgerichts ohne Erfolg: Auslegung des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den Kriterien Entstehung des Gesetzes sowie Sinn und Zweck der Regelung
Geradezu schulmäßig beginnt der BGH seine grundlegenden Ausführungen zur Auslegung des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB:
„Die ... Erwägungen des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber habe lediglich den Bestand eines einzigen Mietverhältnisses als schützenswert angesehen (...) und einen derartig weiten Anwendungsbereich des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gewollt, finden in der Gesetzgebungsgeschichte keine Stütze und verkennen den Sinn und Zweck der Regelung.“ (so wörtlich in Rn. 23).
(1) Der Wille des Gesetzgebers als Kriterium für die Auslegung
Sodann beschreibt der BGH wichtige Details des Gesetzgebungsverfahrens zu der „Vorgängerbestimmung“ des § 553 BGB: des § 549 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F., insbesondere zu der Absicht des Gesetzgebers, „einen billigen Ausgleich zwischen den Interessen des Vermieters und des Mieters zu schaffen“ und zu der vom Rechtausschuss vorgeschlagenen Ersetzung des „dringenden“ Interesses durch „berechtigtes“ Interesse. Einschränkungen hinsichtlich der Beibehaltung der Wohnung als Hauptwohnsitz finden sich dort nicht. Die Interessen des Vermieters wurden u.a. durch die Möglichkeit einer angemessenen Erhöhung der Miete berücksichtigt. (Rn. 25, 26)
Nach dem Willen des Gesetzgebers („gesetzgeberische Wertentscheidung“) gehen die berechtigten Interessen des Mieters den Interessen des Vermieters grundsätzlich vor und § 549 Abs. 2 BGB a.F. war nicht als (eng auszulegende) Ausnahmevorschrift konzipiert.
Diese Argumente sind ebenso für die Auslegung des § 553 BGB maßgebend. Der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes wollte die bisherige Rechtslage übernehmen (Rn. 28 unter Hinweis auf BT-Drs. 14/4553, S. 49), und zwar insbesondre im Hinblick auf die Mobilität und Flexibilität in der heutigen Gesellschaft und eine damit einhergehende doppelte Haushaltsführung aus beruflichen Gründen. (Rn. 29)
(2) Zweck des § 553 Abs. 1 BGB: Bestandsschutz für den Mieter
Bereits in zwei Entscheidungen aus den Jahren 2005 und 2014 hat der BGH betont, dass der Zweck des § 553 Abs. 1 BGB darin besteht, dem Mieter die Wohnung, an der er festhalten will, zu erhalten, und zwar auch dann, wenn er – nach seiner freien Entscheidung – seinen Hauptwohnsitz nicht dort behalten will. (Rn. 30, 31 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 08.12.2010 - VIII ZR 93/10 - NZM 2011, 151 und BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13)
(3) Nutzung der Wohnung als Nebenwohnsitz aus beruflichen Gründen: „berechtigtes Interesse“ i.S.d. § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB
Dass die Absicht des Mieters, die Wohnung als Nebenwohnsitz aus beruflichen Gründen weiterhin zu nutzen, ein ausreichendes berechtigtes Interesse i.S.d. § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt, hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt.
Finanzielle oder berufliche Gründe müssen nicht „zwingend“, nur nachvollziehbar sein. Schließlich kommt es – entgegen der vom Berufungsgericht offenbar vertretenen Auffassung – auch nicht darauf an, ob der Mieter auf die Erzielung von Einnahmen aus der Untervermietung zwingend angewiesen ist. Aufgrund des mieterschützenden Zwecks der Norm reicht vielmehr jedes nachvollziehbare Interesse an einer finanziellen Ersparnis aus. (Rn. 34 unter Bezugnahme u.a. auf BGH, Urt. v. 31.01.2018 - VIII ZR 105/17; Flatow in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. § 553 BGB Rn. 5)
Dasselbe gilt für die Gewichtung beruflicher Gründe; auch insoweit ist es nicht erforderlich, dass der Mieter auf die Nutzung der Wohnung als Nebenwohnsitz aus beruflichen Gründen zwingend angewiesen ist. (Rn. 35)
Im vorliegenden Fall ist der Wunsch des Mieters, sich während der Pausen seines ungewöhnlich langen Arbeitstages in der Mietwohnung aufzuhalten und dort zwei- bis dreimal pro Woche zu übernachten, um sich nächtliche Fahrten nach Hause zu ersparen, nachvollziehbar, begründet mithin ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB. (Rn. 36)
3. Zuletzt: Untervermietung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt ist kein Verstoß gegen die geltende Rechts- und Sozialordnung
Nach der Rechtsprechung des BGH setzt ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass es mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht. Das Berufungsgericht hat diesen Punkt offengelassen, die Vermieterin ist in ihrer Revisionserwiderung jedoch darauf eingegangen und hat insoweit Bedenken geäußert, die aber nicht durchgreifen. Die Anerkennung der Untervermietung als solche beruht auf einer gesetzgeberischen Wertentscheidung; die Beurteilung der Konsequenzen in einer Fallkonstellation wie hier ist eine Frage rechtspolitischer Natur und kann dem Mieter nicht entgegengehalten werden. (näher hierzu Rn. 37-41)
4. Ergebnis: Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung
Das Berufungsgericht hat zu der Frage, ob der Mieter die Wohnung aus beruflichen Gründen fortdauernd nutzt, keine Feststellungen getroffen. Dies hat das Gericht in der neuen Verhandlung nachzuholen.


C.
Kontext der Entscheidung
Einmal mehr hat der VIII. Senat des BGH einen auf den ersten Blick einen eher nicht sehr praxisrelevanten Fall zum Anlass für grundsätzliche Ausführungen zu der im Mittelpunkt stehenden konkreten Rechtsfrage genommen und hierbei u.a. wichtige Regeln für die Auslegung einer Norm dargelegt und angewandt. Die Entscheidung konzentriert sich auf zwei Schwerpunkte.
1. Auslegung einer Norm nach dem Willen des Gesetzgebers und der Gesetzgebungsgeschichte
Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber habe lediglich den Bestand eines einzigen Mietverhältnisses als schützenswert angesehen und diesen Bestandsschutz nicht auf einen Nebenwohnsitz, also ein „untergeordnetes“ weiteres Mietverhältnis des Mieters, ausdehnen wollen, entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Der BGH greift hier auf fast „historische“ Belege zurück, konkret: die BT-Drs. IV/806 vom 05.12.1962, S. 9, zu Nr. 6; dort ist bereits von der Schaffung eines billigen Ausgleichs zwischen den Interessen des Vermieters und des Mieters die Rede – allerdings auch noch von einem „dringenden Interesse an einer Gebrauchsüberlassung“. Wenn der Gesetzgeber sodann im weiteren Verlauf des Verfahrens den Begriff „dringend“ durch „berechtigt“ ersetzt hat – was der BGH durch die entsprechenden Fundstellen in der Rn. 25 belegt –, ist dies ein gewichtiges Argument für eine insoweit „mieterfreundliche“ Auslegung des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB als Nachfolgebestimmung de § 549 BGB a.F., so auch bei der Frage der weiteren Nutzung der Wohnung als Haupt- oder Nebenwohnsitz des Mieters.
Wenn der BGH in diesem Zusammenhang von einem grundsätzlichen Vorrang der berechtigten Interessen des Mieters vor den Interessen des Vermieters (Rn. 27) spricht, mag das auf den ersten Blick überraschen. Als zusätzliches Argument kann man hier auf die Gesetzessystematik des § 549 Abs. 2 BGB a.F. zurückgreifen, der in Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 den Grundsatz (Anspruch des Mieters auf Erlaubnis der Untervermietung) und im Halbsatz 1 und Satz 2 die Ausnahmetatbestände (Unzumutbarkeit oder angemessene Mieterhöhung) regelt.
2. Auslegung des § 553 BGB als „Nachfolgebestimmung“ des § 549 Abs. 2 BGB a.F.
Bei der Auslegung des § 553 BGB als „Nachfolgebestimmung“ des § 549 Abs. 2 BGB a.F. greift der BGH ebenfalls auf den Willen des Gesetzgebers zurück, wenn er darauf verweist, dass „der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes ... die bisherige Regelung übernehmen“ wollte und hier auf die BT-Drs. 14/4553, S. 49 und einige Zeilen weiter auf die S. 38 f. hinsichtlich der Kriterien „Mobilität und Flexibilität in der heutigen Gesellschaft“ Bezug nimmt. (Rn. 28, 29)
3. Zusammenfassung: Eine umfassend, sehr sorgfältig und überzeugend begründete, praxisgerechte Entscheidung
Auch bei dem Urteil vom 27.09.2023 kann man nach dem Studium der Entscheidung zusammenfassend nur zu dem Ergebnis gelangen, dass es umfassend, sehr sorgfältig und überzeugend begründet ist und zu einem den Anforderungen der Praxis gerecht werdenden Resultat gelangt.
Ein Hinweis: Diese Entscheidung rundet die aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Komplex Untervermietung durch das kurz zuvor ergangene Urteil vom 13.09.2023 (VIII ZR 109/22 - NJW-RR 2023, 1435) zur Frage der Untervermietung bei einer Einzimmerwohnung ab.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die Praxis führt das Urteil zu dem greifbaren Ergebnis, dass der Mieter einen sehr weitgehenden Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis des Vermieters insbesondere unter dem Gesichtspunkt berufsbedingter Gründe und der Mobilität und Flexibilität in der heutigen Gesellschaft hat und dass seine Interessen im Zweifel denjenigen des Vermieters vorgehen. Dessen Belange hat der Gesetzgeber durch die Einschränkung einer Untervermietung insbesondere wegen Gründen in der Person des Dritten, also des vom Mieter vorgesehenen Untermieters, oder einer drohenden Überbelegung der Wohnung (§ 553 Abs. 1 Satz 2 BGB) sowie durch die Möglichkeit einer angemessenen Mieterhöhung (§ 553 Abs. 2 BGB) gewahrt.



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