Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Mieter hat seit dem 15.09.2018 eine 35 m² große Wohnung gemietet, die nach der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die Mietvertragsparteien vereinbarten eine Staffelmiete; danach erhöhte sich die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete von zunächst 599 Euro (17,11 Euro/m²) für den Zeitraum vom 01.10.2019 bis zum 30.09.2020 auf 616,97 Euro (17,63 Euro/m²).
Nachdem der Mieter seine Ansprüche im Zusammenhang mit der sog. Mietpreisbremse – hinsichtlich der Rückzahlung zu viel gezahlter Miete beschränkt auf die vier nach der Rüge fälligen Monatsmieten – an die Klägerin, eine registrierte Rechtsdienstleisterin, abgetreten hatte, rügte diese gegenüber der Vermieterin unter Berufung auf die Beauftragung durch den Mieter einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB). Konkret verlangte sie Auskunft u.a. über die Höhe der vom Vormieter gezahlten Miete, über vorangegangene Mieterhöhungen und über durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen. Außerdem forderte sie die Erstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Mietkaution sowie die Abgabe der Erklärung, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde. Nach Ablauf der gesetzten Frist erhob sie gegen die Vermieterin Klage u.a. auf Rückzahlung von 234,74 Euro Miete für den Monat Oktober 2019.
Das Amtsgericht wies die Klage – soweit für das Revisionsverfahren relevant – ab. Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das Landgericht die Vermieterin zur Rückzahlung von 156,66 Euro [richtig: 156,51 Euro] Miete für den Monat Oktober 2019. Der entsprechende Anspruch des Mieters ergebe sich aus der Differenz zwischen der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich 10% im Zeitpunkt der Fälligkeit der Miete für den Monat Oktober 2019 und der ab dem 01.10.2019 nach der vertraglichen Abrede geltenden Mietstaffel. Insoweit nahm das Berufungsgericht – mit entsprechender Begründung – auf die Bestimmungen des § 574a Abs. 4 Sätze 1 und 2 BGB Bezug. (Rn. 8-11)
Einer erneuten Rüge der Miethöhe vor Beginn der neuen Mietstaffel am 01.10.2019 habe es entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht bedurft, was das Landgericht unter Hinweis auf den „vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Zweck der Rüge“ eingehend begründet hat. (Rn. 12, 13; auf die Wiedergabe der Ausführungen des Landgerichts zur Höhe der Miete und zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten [Rn. 14-18] kann hier verzichtet werden)
Die Entscheidung
1. Kein Grund für die Zulassung der Revision
Das Landgericht hatte die Revision zugelassen zur grundsätzlichen Klärung der umstrittenen Rechtsfrage, ob der Mieter, der mit dem Vermieter eine Staffelmiete vereinbart habe, nach den §§ 556d ff. BGB nicht geschuldete Mietanteile einer neuen Mietstaffel nur dann zurückfordern könne, wenn er die in einer vorangegangenen Mietstaffel erhobene Rüge nach § 556g Abs. 2 BGB a.F. bezogen auf die neue Mietstaffel wiederholt habe. Dieser Zulassungsgrund besteht jetzt nicht mehr, da der Senat diese Frage mit dem – nach dem Erlass des Berufungsurteils ergangenen – Urteils vom 30.03.2022 (VIII ZR 279/21) geklärt hat (§§ 552a Satz 1, 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). (Rn. 21)
2. Keine Erfolgsaussicht der Revision – Bestätigung der Grundsatzentscheidung des BGH vom 30.03.2022 (VIII ZR 279/21)
Die Frage der Miethöhe und der Aktivlegitimation der Klägerin hat der Senat nur kurz abgehandelt. (Rn. 19, 24) Über den vorliegenden Einzelfall hinaus ist wichtig und – trotz der Wiederholung – von grundsätzlicher Bedeutung die Aussage, dass bei vereinbarter Staffelmiete eine vom Mieter nach § 556g Abs. 2 BGB a.F. erhobene Rüge in der folgenden Mietstaffel fortwirkt und nicht wiederholt werden muss.
Wegen der Einzelheiten der Begründung hat der BGH zunächst – ohne nähere Ausführungen – auf sein erwähntes Urteil vom 30.03.2022 Bezug genommen. (Rn. 25) Zum besseren Verständnis soll der wesentliche Inhalt der umfassenden und sehr überzeugenden Ausführungen jener Entscheidung zur Auslegung des § 556g Abs. 2 BGB a.F. und des § 557 Abs. 4 BGB (Rn. 58-60) hier wenigstens in einer „komprimierten“ Form wiedergegeben werden:
Dem klassischen Schema entsprechend nimmt der Senat die Auslegung dieser Normen vor, und zwar nach den Kriterien Wortlaut, Sinn und Zweck der Bestimmung und Wille des Gesetzgebers.
a) Auslegung des § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht lediglich nach dem Wortlaut
Bemerkenswert ist jener Absatz (Rn. 58) schon deshalb, weil der Senat mit dem – hier wörtlich zitierten – einleitenden Satz die Besonderheiten dieser Frage anspricht:
„Allerdings könnte der Wortlaut des § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB ... dafür sprechen, dass ... der Rückzahlungsanspruch des Mieters wegen eines Verstoßes des Vermieters gegen die Mietbegrenzung nur dann entsteht, wenn der Mieter eine Rüge in jeder Mietstaffel erhebt, so dass er eine bereits erhobene Rüge in der folgenden Mietstaffel wiederholen müsste.“
Dieses Ergebnis entkräftet der Senat jedoch sogleich mit dem Hinweis, dass der Wortlaut des § 557a Abs. 4 BGB nicht eindeutig ist; vielmehr spricht der enge Zusammenhang von Satz 1 mit Satz 2 dafür, dass der Gesetzgeber nicht etwa das Rügeerfordernis ausdehnen, sondern nur die Berechnung der zulässigen Miethöhe bei vereinbarter Staffelmiete konkretisieren wollte, und zwar für den Zeitpunkt, zu dem „die erste Miete der jeweiligen Mietstaffel fällig wird“.
b) Auslegung nach dem Regelungszweck des § 557a Abs. 4 BGB
Mit der in § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB enthaltenen Verweisung auf die §§ 556d bis 556g BGB wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die 10%-Grenze des § 556d BGB nicht nur für die erste vereinbarte Miete, sondern auch für alle folgenden Staffeln eingehalten und eine Umgehung der Mietenbegrenzung damit ausgeschlossen wird (Bezugnahme auf
BT-Drs. 18/3121, S. 34 f.). Eine Verschärfung der Anforderungen an das Rückzahlungsverlangen des Mieters hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt. (Rn. 59)
c) Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Rügeerfordernisses (§ 556g Abs. 2 BGB a.F.)
Diese Ausführungen rundet der Senat ab mit dem Hinweis auf den Sinn und Zweck der Rüge nach § 556g Abs. 2 BGB a.F. (vgl.. unten C. Kontext der Entscheidung), nämlich die Information des Vermieters über die Höhe und den Zeitraum einer Rückerstattungsforderung des Mieters. Bei einer vereinbarten Staffelmiete wirkt diese Information fort, denn „der Vermieter darf bei Erhebung einer Rüge, die sich gegen die Höhe der Miete einer niedrigeren Staffelstufe richtet, grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass der Mieter die für nachfolgende Mietstaffeln vereinbarte höhere Miete billigen will“ (so wörtlich in Rn. 60).
3. Zuletzt: Begründung der Revision greift nicht durch
Eine Wiederholung der Rüge ist, anders als die Revision meint, auch nicht etwa deshalb geboten, weil der Mieter regelmäßig keine Erkenntnismöglichkeiten dazu habe, ob und in welchem Umfang die für eine künftige Mietstaffel vereinbarte Miete die – nach § 557a Abs. 4 Satz 2 BGB insoweit maßgebliche – ortsübliche Vergleichsmiete zum Zeitpunkt des Beginns jener Mietstaffel übersteige. Mit der (qualifizierten) Rüge i.S.d. § 556g Abs. 2 BGB a.F. wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Vermieter weiß, aus welchen Gründen, in welcher Höhe und ab welchem Zeitpunkt der Mieter eine Rückerstattung verlangt, und dass er nicht nachträglich „ohne Vorwarnung“ mit Rückforderungsansprüchen konfrontiert wird. Dieses Ziel wird durch die (einmalige) Erhebung einer Rüge zweifelsohne erreicht, zumal der Vermieter bei Erhebung einer Rüge gegen die Miethöhe einer niedrigeren Staffelstufe grundsätzlich nicht davon ausgehen darf, der Mieter wolle die für nachfolgende Mietstaffeln vereinbarte höhere Miete billigen (Rn. 27, 28 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 30.03.2022 - VIII ZR 279/21 Rn. 60). Eine erneute Rüge bei Beginn einer neuen Mietstaffel ist deshalb nicht erforderlich.
Dies gilt auch für den Fall, dass sich die ortsübliche Vergleichsmiete zwischen dem Beginn der „gerügten“ und einer nachfolgenden Mietstaffel erhöht hat, etwa wegen einer Modernisierung oder durch einen neuen Mietspiegel. Die Höhe der danach maßgebenden ortsüblichen Vergleichsmiete kann der Vermieter selbstständig überprüfen – schon im eigenen Interesse (Rn. 29-30 unter Hinweis auf den entsprechenden Einwand der Revision).
Für das Urteil vom 30.03.2022 hat der Senat folgenden Leitsatz zur „Reichweite“ einer vom Mieter erhobenen Miethöhenrüge formuliert: „Bei vereinbarter Staffelmiete wirkt eine vom Mieter nach § 556g Abs. 2 BGB in der Fassung vom 21. April 2015 erhobene Rüge in der folgenden Mietstaffel fort und muss nicht wiederholt werden.“
Bei dem aktuellen Beschluss hat der Senat auf einen Leitsatz (verständlicherweise) verzichtet.
Kontext der Entscheidung
Vorweg: § 556g Abs. 2 BGB in der vom 01.06.2015 bis 31.12.2018 gültigen Fassung vom 21.04.2015, auf die sich der BGH im Leitsatz und in den Gründen (Rn. 57 ff. des Urteils vom 30.03.2022) bezogen hat, lautet wie folgt:
(2) 1 Der Mieter kann von dem Vermieter eine nach den §§ 556d und 556e nicht geschuldete Miete nur zurückverlangen, wenn er einen Verstoß gegen die Vorschriften dieses Unterkapitels gerügt hat und die zurückverlangte Miete nach Zugang der Rüge fällig geworden ist.
2 Die Rüge muss die Tatsachen enthalten, auf denen die Beanstandung der vereinbarten Miete beruht.
Der Beschluss vom 10.10.2023 ist interessant und wichtig aus zwei Gründen:
1. Bestätigung und Ergänzung der Grundsatzentscheidung vom 30.03.2022 zur zeitlichen „Reichweite“ einer Miethöhenrüge bei Staffelmiete
Schon beim Blick auf das – für die Mieterseite ebenso wie für die Vermieterseite praxisrelevante – Ergebnis darf die Bedeutung dieser Entscheidung nicht unterschätzt werden, auch wenn der BGH eine (erneute) Grundsatzbedeutung unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 30.03.2022 zu Recht verneint hat. Für Staffelmietfälle kann die Frage der Wirkung einer Miethöhenrüge ganz erhebliche wirtschaftliche Folgen haben – zugunsten des Mieters. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die „qualifizierte“ Rüge konkrete Angaben dazu enthalten muss, aus welchen Gründen, in welcher Höhe und ab welchem Zeitpunkt eine Rückerstattung verlangt wird und dass der Vermieter daher auch bei der Fortwirkung einer Rüge auf eine inzwischen eingetretene Staffelmieterhöhung hinreichend geschützt ist.
2. Die Begründung des Urteils vom 30.03.2022 und des Beschlusses vom 10.10.2023
Einmal mehr überzeugt der BGH mit der sorgfältigen Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung nach den Kriterien Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Norm und Wille des Gesetzgebers – hier insbesondere hinsichtlich des § 556g Abs. 2 BGB a.F. und seiner Geltung für den aktuellen Fall (Rn. 27-30 des Beschlusses vom 10.10.2023 und Rn. 58-60 des Urteils vom 30.03.2022).
Schon deshalb lohnt sich das Studium dieser beiden Entscheidungen. Im Übrigen fällt die Abwägung der beiderseitigen Interessen positiv auf (Rn. 27, 30 des aktuellen Beschlusses, Rn. 60 des Urteils vom 30.03.2022).