Keine Abgrenzungsposten in der JahresabrechnungLeitsatz In den Einzelabrechnungen sind grundsätzlich alle Kosten aus der Gesamtabrechnung zu verteilen. Dies gilt auch für einen am letzten Bankarbeitstag des betreffenden Jahres von einem Versorgungsunternehmen für den Januar des Folgejahres eingezogenen Abschlag i.H.v. 78,- Euro. Unterbleibt dies, ist der gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG gefasste Beschluss über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse für ungültig zu erklären. - A.
Problemstellung Nicht nur Betriebswirtinnen und -wirte haben oft eine fast kindliche Freude an bilanziellen Tricksereien wie die berühmten Abgrenzungen über die Jahresgrenze hinweg (dazu etwa Jennißen, ZWE 2002, 19 einerseits sowie Drasdo, ZWE 2002, 166 andererseits), sondern auch viele Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer. Dass die Rechtsprechung sich damit nie hat anfreunden können (vgl. BayObLG, Beschl. v. 13.06.2000 - 2Z BR 175/99 - NJW-RR 2000, 1466 und auch BGH, Urt. v. 17.02.2012 - V ZR 251/10 Rn. 16 - NJW 2012, 1434), wird oft ignoriert. Bekannt ist das Thema auch dann virulent, wenn am Jahresende Versicherungsschäden entstehen und noch bezahlt werden, der Versicherer aber erst nach dem 31.12. zahlt. Legt man Mitte des Folgejahres bei der Beschlussfassung i.S.d. § 28 Abs. 2 WEG dann die tatsächlichen Ausgaben im Abrechnungsjahr zugrunde, kann es unter Umständen Nachforderungen geben, obwohl alle wissen, dass der Versicherer doch schon im Januar kurz darauf deckende Zahlungen ohne Murren erbracht hat. Das gibt oft Unmut; erst recht gilt das bei nicht versicherungsgedeckten Ausgaben (dazu lesenswert Drasdo, ZMR 2024, 449). Auch bei verbrauchsabhängig abzurechnenden Sachen hat man oft mit Abgrenzungen zu kämpfen, teils zulässig wegen der Vorgaben der Heizkostenverordnung (HeizKV), oft aber auch anders (z.B. beim Kaltwasser, lesenswert dazu etwa Niedenführ, ZWE 2018, 68). Ähnlich ist es hier gelaufen, weil eine Abschlagszahlung „zu früh“ abgebucht worden ist. Der Blick auf den Fall lehrt auch, was man ggf. tun kann, um hier eine Beschlussanfechtung im Vorfeld zu verhindern. Übrigens noch eines: Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat aus Anlass der WEG-Reform eine Möglichkeit zur Schaffung gewillkürter Abgrenzungen favorisiert (ZWE 2019, 429, 456); der Gesetzgeber hat das leider nicht aufgegriffen.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der Kläger focht einen Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG an. In dem dem Beschluss zugrunde liegenden Rechenwerk der Jahresabrechnung lässt sich der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung entnehmen, dass am letzten Bankarbeitstag des betreffenden Jahres von einem Versorgungsunternehmen für den Januar des Folgejahres schon ein Abschlag i.H.v. 78 Euro eingezogen worden war; die Position „Wasser H 183“ war dort folgerichtig mit Gesamtkosten von „1.211,11“ Euro notiert. In den Einzelabrechnungen findet sich aber bei der Umlage später eine (abweichende) „Position 042100 Wasser H 183“ nur mit „1.065,13 Euro“; der Kläger rügte dies mit der Klage. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) meinte, dass nicht im Kalenderjahr verteilungsrelevante Einnahmen und Ausgaben nicht in die Abrechnung aufzunehmen seien und es im Ermessen der Wohnungseigentümer stehe, marginale Abrechnungsfehler hinzunehmen. So nicht, sagt das AG Dortmund: Die dem Beschluss zugrunde liegende Jahresabrechnung war fehlerhaft und das hat dann auch Auswirkungen auf die beschlossenen Zahlungsverpflichtungen. Nach der ab dem 01.12.2020 geltenden Rechtslage beschließen die Wohnungseigentümer gemäß § 28 Abs. 2 WEG nicht mehr über die Jahresabrechnung als Rechenwerk und ihre einzelnen Bestandteile, sondern auf der Grundlage der vom Verwalter erstellten Abrechnung nur noch über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Dementsprechend können Fehler in der vom Verwalter vorgelegten Jahresabrechnung eine Anfechtung des Beschlusses über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung von Vorschüssen grundsätzlich nur dann begründen, wenn sie sich auf die Höhe der Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer, also der von ihnen zu leistenden Nachschüsse oder den Umfang der Anpassung der beschlossenen Vorschüsse auswirkt (LG München I, Urt. v. 13.07.2022 - 1 S 2338/22 WEG - ZWE 2022, 362). In der Jahresabrechnung sind alle Kosten aufzuführen, die für das Gemeinschaftseigentum und seine Verwaltung tatsächlich aufgewandt wurden; selbst Ausgaben, die der Verwalter im abzurechnenden Wirtschaftsjahr unberechtigt zulasten der Gemeinschaft getätigt hätte, sind in die Jahresabrechnung einzustellen. Die Abrechnung ist fehlerhaft, wenn Zahlungen als tatsächliche Ausgaben nicht abgerechnet werden. Vorliegend hat die GdWE selbst vorgetragen, dass eine Abweichung zwischen den dargestellten Ausgaben in der Einzelabrechnung sowie den tatsächlich geflossenen Kosten besteht. Auch wenn es sich bei Zahlung über 78 Euro an den Versorger um einen Abschlag für das Folgejahr handelt, ist dieser aber auch dann aufzunehmen und [Anm.: sei es vorläufig, dazu zur HeizKV und Heizkosten etwa durch Ölerwerb lesenswert Spielbauer, ZWE 2013, 237 zu BGH, Urt. v. 17.02.2012 - V ZR 251/10 - NJW 2012, 1434] zu verteilen, wenn er bereits im Abrechnungsjahr, wenn auch am letzten Bankarbeitstag des Jahres, gebucht wurde. Denn in den Einzelabrechnungen sind grundsätzlich alle Kosten aus der Gesamtabrechnung zu verteilen. Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass es vom Verwaltungsermessen der Eigentümer gedeckt sei, einen derartigen Kleinbetrag bei der Kostenverteilung desjenigen Jahres zu berücksichtigen, in welchen der Betrag „gehöre“, kann dem hier nicht gefolgt werden. Denn die Beklagte hat schon nicht dargelegt, dass die Eigentümer transparent über diese Vorgehensweise informiert waren und insoweit bei der Beschlussfassung ihr Ermessen auf ausreichender Tatsachengrundlage ausüben konnten. Auch fehlt der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar wird vertreten, dass es bei Anwendung eines falschen Verteilungsschlüssels hinzunehmen sein kann, wenn sich dies bei den einzelnen Wohnungseigentümern nur im Rahmen von Kleinbeträgen auswirkt. Etwas anderes gilt aber dann, wenn nicht alle Kosten verteilt wurden. Dann führt zwar die Anfechtung im Zweifel auch nur zu einer Schlechterstellung des (altruistisch) anfechtenden Wohnungseigentümers. Die Anfechtung ist in diesem Fall aber nicht rechtsmissbräuchlich, da eine unvollständige Kostenverteilung die Abrechnung unstimmig macht, der Jahresetat nicht ausgeglichen und der Wohnungseigentümer dem Risiko einer Inanspruchnahme Dritter ausgesetzt wird (Jennißen in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Aufl. 2024, § 28 Rn. 233).
- C.
Kontext der Entscheidung Dogmatisch konsequent und jedenfalls bei Kaltwasserkosten so auch richtig (streng auch etwa LG Frankfurt, Urt. v. 12.12.2019 - 2-13 S 143/18 Rn. 6 - ZWE 2020, 196). Werden tatsächlich bis zum 31.12. angefallene Kosten nicht verteilt, stellt sich ja immer auch das Thema, dass die „Kohle“ irgendwo hergekommen sein muss. Wird nichts umgelegt oder sonst was beschlossen, wird man regelmäßig (unbemerkt) die zweckgebundenen Mittel in der Erhaltungsrücklage „angeknabbert“ haben, was schon im Ansatz zusammenzucken lassen sollte. Aber was hätte man eigentlich tun können? Strukturierte Verwalter führen neben der Erhaltungsrücklage oft sog. Liquiditätsrücklagen (dazu zuletzt AG Lübeck, Urt. v. 18.03.2022 - 35 C 52/21WEG m. Anm. Dötsch, jurisPR-MietR 18/2022 Anm. 1) oder sogar passende eigene Rücklagen ganz konkret zu bestimmten verbrauchsabhängigen Kostenposten, nach neuem Recht ist das im Grundsatz alles auch gar kein Problem mehr. Über solche weiteren Rücklagen kann man nach neuem Recht wohl bei entsprechender Beschlussfassung (!) dann über Zuführungen/Entnahmen zu den Rücklagen de facto auch recht einfach über den Jahreswechsel hinweg „abgrenzen“ (dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 10 Rn. 167 ff., Kap. 15 Rn. 39 m.w.N.); dann wären die Kosten des Abschlags hier in der Tat in den Einzelabrechnungen nicht mehr umzulegen gewesen, sondern wären aus der Rücklage (zwischen-)finanziert (zur Frage der Darstellung und ggf. korrigierender Gegenbuchungen „Entnahme aus XYZ-Rücklage“ in den Einzelabrechnungen vertiefend Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl. 2023, § 19 Rn. 242 m.w.N.). Ob man sogar auch „freie Mittel“ neben den beschlossenen Rücklagen in der GdWE haben und auf dem Konto „stehenlassen“ kann (dazu Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl. 2023, § 19 Rn. 252 m.w.N.) und dann Kosten wie hier (vorübergehend) auch einfach daraus beglichen werden könnten, ohne das dann zwingend umzulegen, ist nicht abschließend geklärt. Aber auch dies hätte man zumindest transparent machen und wohl auch entsprechend auf Basis eines das klarmachenden Rechenwerks beschließen müssen. So wie hier geschehen, konnte das Thema in der Tat leider nur nach hinten losgehen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Dass der Kläger sich sprichwörtlich „ins Knie geschossen“ hat, weil bei der korrekten Abrechnung und Beschlussfassung diese Position eben auch noch umzulegen sein wird und er dann am Ende mehr zahlen muss als vorher, ist anerkanntermaßen ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Beschlussklage. Denn diese ist bekanntlich „altruistisch“ und dient dem Gemeinschaftsinteresse, nur alles „richtig“ zu machen (§ 18 Abs. 2 WEG). Dennoch fasst man sich manchmal an den Kopf. Gut ist, dass der obsiegende Kläger im Nachhinein über § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG doch wieder an den gesamten Prozesskosten beteiligt wird und ihm die zunächst günstige prozessuale Kostengrundentscheidung nach § 91 ZPO nicht wirklich helfen wird, wenn nicht ein anderes nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG beschlossen ist (dazu BGH, Urt. v. 19.07.2024 - V ZR 139/23). Das mag Verfahren wie dieses hier künftig einzudämmen helfen, denn so richtig sinnvoll war das alles nicht.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung Nicht erörtert wird hier die Frage der Teilbarkeit und Teilanfechtbarkeit von Beschlüssen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG (dazu etwa Mediger, NZM 2024, 121 sowie LG Frankfurt, Urt. v. 07.12.2023 - 2-13 S 27/23 - ZWE 2024, 139 m. Anm. Becker); das Thema bleibt noch weiter spannend.
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