Zum Nachweis eines abgesprochenen UnfallereignissesOrientierungssätze zur Anmerkung 1. Bei einem Verkehrsunfall hat der Kläger das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale einschließlich der Rechtsgutsverletzung nach dem Maßstab des § 286 ZPO zu beweisen, wobei das vorgetragene Verkehrsunfallgeschehen den Streitgegenstand der Klage bildet und daher das Gericht davon überzeugt sein muss, dass der Unfall sich in der vom Kläger nach Ort und Zeit beschriebenen Weise tatsächlich ereignet hat. 2. Demgegenüber kann der Fahrzeughaftpflichtversicherer auf der Schädigerseite den Beweis zu einem abgesprochenen, einvernehmlichen Unfallgeschehen erbringen, für den ebenfalls der Beweismaßstab des § 286 ZPO gilt. 3. Dieser Beweis der Unfallmanipulation mit einer Einwilligung des Klägers ist regelmäßig durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung typischer Umstände geführt, die in ihrem Zusammenwirken vernünftigerweise nur den Schluss zulassen, dass der geschädigte Anspruchsteller in die Beschädigung seines Fahrzeuges eingewilligt hat. 4. Dies ist der Fall, wenn bei einer vermeintlich klaren Haftungslage Vorschäden in einem überlagernden Bereich vom Kläger verschwiegen werden, der geschilderte Unfallhergang nicht plausibel ist, sondern vielmehr Indizien für eine vorsätzliche Schadensherbeiführung vorliegen und eine gewinnbringende fiktive Abrechnung bei einem älteren Fahrzeug der Oberklasse bei einem behaupteten Unfallgeschehen ohne unbeteiligte Zeugen verfolgt wird. - A.
Problemstellung Das OLG Düsseldorf hatte als Berufungsgericht darüber zu entscheiden, unter welchem Voraussetzungen der beklagte Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer den Nachweis eines abgesprochenen Unfallgeschehens geführt hat, bei dem die Klägerseite in die Beschädigung ihres Fahrzeuges eingewilligt haben müsste.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der Kläger verfolgt einen Schadensersatzanspruch mit der Behauptung, der auf der Beklagtenseite beteiligte Fahrzeugführer sei aus Unachtsamkeit aus dem fließenden Verkehr heraus nach rechts von der Fahrbahn abgekommen und habe dabei die gesamte linke Seite des am rechten Fahrbahnrand geparkten klägerischen Fahrzeuges beschädigt, ohne dass an dem Fahrzeug vorher Altschäden vorhanden gewesen seien. Unbeteiligte Zeugen gab es bei diesem Unfall zur Nachtzeit keine. Als Ursache hatte der auf der Beklagtenseite versicherte Fahrzeugführer angegeben, er habe zum Unfallzeitpunkt eine CD aus dem Handschuhfach herausgreifen wollen und sei dabei von der Fahrbahn abgekommen. Trotz einer sofort von ihm eingeleiteten durchgehenden Vollbremsung hätte er es nicht mehr vermeiden können, die gesamte Seite des klägerischen Fahrzeuges zu beschädigen. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten ergaben sich erhebliche Zweifel an diesem behaupteten Unfallhergang. So hatte der vom Gericht beauftragte Sachverständige feststellen können, dass zwar noch zum Anfang der Kollision, die mit einem flachen Winkel erfolgt war, abgebremst wurde. Dieser Bremsvorgang sei allerdings während der Kollision und entgegen den Angaben des Fahrzeugführers wieder aufgegeben worden und trotz eines leichten Abgleitens an der B-Säule als harten Kontakt, den der Fahrzeugführer auch gespürt hätte, sei nicht sofort von der Gefahr weggelenkt und eine Trennung der Fahrzeuge vorgenommen worden. Vielmehr sei es bei dem von Anfang an erfolgten Einschlag nach rechts geblieben, so dass während der Vorbeifahrt unter Lösen der Bremse die gesamte linke Seite beim klägerischen Fahrzeug beschädigt wurde. Dabei hat der vom Gericht beauftragte Sachverständige auch unreparierte Altschäden aufgedeckt, die es nach Angaben des Klägers gar nicht geben dürfte. Dieser verfolgte weiterhin eine aus seiner Sicht gewinnbringende fiktive Abrechnung mit einem über die ganze Seite vorhandenen Fahrzeugschaden, ohne dass im Übrigen unbeteiligte Zeugen den Unfall bestätigen konnten. Vor diesem Hintergrund hatte der Tatrichter beim Landgericht die Klage mit dem Argument abgewiesen, dass im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtwürdigung davon auszugehen sei, dass der Kläger in die Beschädigung seines Fahrzeuges eingewilligt hätte, und diese tatrichterliche Entscheidung ist durch das OLG Düsseldorf als Berufungsgericht gehalten worden. Der Senat wies in seinem Hinweisbeschluss zu einem Vorgang nach § 522 ZPO insbesondere darauf hin, dass bei der Beweislastverteilung zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden seien: Auf der ersten Stufe hätte der Kläger erst einmal das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale und damit insbesondere den äußeren Tatbestand einer Rechtsgutsverletzung zu beweisen. Insoweit gilt der strenge Beweismaßstab des § 286 Abs. 1 ZPO, der eine volle Überzeugung des Tatgerichts erfordert. Dabei würde das vom Kläger vorgetragene Verkehrsunfallgeschehen den Streitgegenstand der Klage bilden und der entsprechende Beweis für das den Anspruch begründende Schadensereignis erst erbracht, wenn das Gericht die volle Überzeugung gewinnen würde, dass der Unfall sich in der vom Kläger nach Ort und Zeit beschriebenen Weise tatsächlich zugetragen hätte. Erst wenn dieser Nachweis erbracht worden sei, obliegt es dann der beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung auf der Schädigerseite, ebenfalls nach dem Maßstab des § 286 ZPO nachzuweisen, dass es sich um ein abgesprochenes einvernehmliches Unfallgeschehen handeln würde, bei dem der vermeintlich Geschädigte in die Beschädigung seines Fahrzeuges eingewilligt hätte. Dieser Nachweis würde keine mathematische Notwendigkeit erfordern, sondern es würde ein Grad von Gewissheit genügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Dabei könne der Beweis der Unfallmanipulation regelmäßig durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung typischer Umstände geführt werden, wenn in ihrem Zusammenwirken diese vernünftigerweise nur den Schluss zulassen, dass der geschädigte Anspruchsteller in die Beschädigung seines Fahrzeuges eingewilligt hat. Insoweit müssen die feststehenden Indizien aus Sicht des Senats in lebensnaher Zusammenschau praktisch den Schluss auf eine Einwilligung zulassen, welche die Rechtswidrigkeit der angeblichen Rechtsgutsverletzung ausschließt. Erforderlich ist dabei eine Gesamtschau, die ein unverfängliches Zusammentreffen unterschiedlicher Indizien unwahrscheinlich sein lässt, dass möglichen Zweifeln Schweigen gebietet – eine bloß überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme des abgesprochenen Unfallgeschehens reicht dagegen nicht aus. Sodann hat sich der Senat mit den hier entscheidenden Indizien ebenso wie das Landgericht beschäftigt und hat dessen Würdigung berufungsrechtlich nicht beanstandet. Dies beginnt bereits mit den sogenannten Rahmenindizien, da auf der Klägerseite durchaus ein hochwertiges, aber älteres Fahrzeug der Oberklasse beteiligt gewesen ist, welches einen lukrativ abzurechnenden Seitenschaden erlitten hat, der bei einer fiktiven Abrechnung als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch verwendet worden ist. Demgegenüber wurde auf der Beklagtenseite ein älteres Fahrzeug eingesetzt, welches in dem allein betroffenen Bereich vorne rechts als Kontakt nach den Feststellungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen schon einen unreparierten Altschaden aufgewiesen hat, so dass eine erhebliche Schadensvertiefung ausgeschieden ist. Diesem hinzu kam eine vermeintlich klare Haftungslage in einer Seitenstraße in Mönchengladbach ohne unbeteiligte Zeugen zu einer späteren Zeit, bei der auch nicht mit solchen Zeugen zu rechnen gewesen ist, und die Kollision erfolgte mit einer geringeren Geschwindigkeit, die ein erhebliches Verletzungsrisiko für den beteiligten Fahrzeugführer von Anfang an ausgeschlossen hatte. Ganz entscheidend für die weitere Bewertung waren sodann aus Sicht des Senats zwei Gesichtspunkte: Zum einen hatte der Kläger unreparierte Altschäden verschwiegen, um eine möglichst gewinnbringende fiktive Abrechnung vorzunehmen. Dadurch wurde seine Redlichkeit in erheblichem Umfang erschüttert, und hierin liegt ein Umstand, der bei abgesprochenen Unfallereignissen zu einem Ausnutzen und Optimieren der Gewinnspanne führt und durchaus häufig vorkommt (aber nicht zwingend vorkommen muss). Noch entscheidender war aus Sicht des Senats aber zum anderen, dass das behauptete Unfallgeschehen sich nicht plausibel mit den Angaben der beteiligten Personen in Einklang bringen ließ. Denn das behauptete scharfe Abbremsen und ein Ausweichen konnte der vom Gericht beauftragte Sachverständige entgegen den Ausführungen des auf der Beklagtenseite versicherten Fahrzeugführers gerade nicht feststellen. Vielmehr lagen klassische Indizien für eine vorsätzliche Schadensherbeiführung vor, indem mit geringer Geschwindigkeit ein nahezu achsparalleler Anstoß erfolgt ist, bei dem im Laufe der Kollision nicht von der Gefahr weggelenkt wurde, sondern sogar das anfänglich instinktiv eingeleitete Bremsen aufgegeben wurde, um den Kontakt so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau ist der Senat sodann ebenso wie der Tatrichter beim Landgericht von einem abgesprochenen Unfallereignis ausgegangen.
- C.
Kontext der Entscheidung Das OLG Düsseldorf hatte sich geradezu mit einem „Klassiker“ als sogenannten „lukrativen Seitenschaden“ im Rahmen der Ereignisse zu befassen, die typischerweise bevorzugt bei einem abgesprochenen Unfallereignis inszeniert werden. Der dafür grundlegende Rahmen mit entsprechenden Indizien ist hier schon vom Tatgericht in der I. Instanz zutreffend erfasst worden und spielt sich üblicherweise auch in einem ähnlichen Rahmen ab (vgl. die Übersicht bei Franzke/Nugel, NJW 2015, 2071 ff. m.w.N.): Im Rahmen einer gewinnbringenden fiktiven Abrechnung wird ein über die ganze Fahrzeugseite entstandener Schaden zur Abwicklung angemeldet, der ohne ein erhebliches Eigenrisiko bei einer langsamen Vorbeifahrt gegen ein geparktes Fahrzeug verursacht worden sein soll. Dabei wird ein erheblicher Eigenschaden bei dem Unfallverursacher vermieden – beispielsweise dadurch, dass wie hier ein älteres oder vorgeschädigtes Fahrzeug eingesetzt wird. Um eine möglichst gewinnbringende fiktive Abrechnung und einen Totalschaden zu erreichen, wird dann auf Seiten des Geschädigten ein älteres Fahrzeug der oberen Mittelklasse oder Oberklassefahrzeug eingesetzt, bei dem trotz des langgezogenen Seitenschadens immer noch eine gewinnbringende fiktive Abrechnung der Reparaturkosten mit Neuteilen erfolgen kann, ohne dass ein Totalschaden zwingend eintreten muss. Dessen ungeachtet besteht bei einem an der Fahrzeugoberfläche verbleibenden Streifschaden immer die Möglichkeit, das Fahrzeug gewinnbringend günstig instand zu setzen und im Rahmen der Hoffnung, bei der Masse der klaren Verkehrsunfälle nicht aufzufallen, schnell eine Regulierung zu erhalten. Derartige Umstände treten natürlich auch bei realen Unfallereignissen mit länger gezogenem Streifschaden auf, bei dem geparkte Fahrzeuge beschädigt werden. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, weitere durchgreifende Indizien nachzuweisen, die insoweit die Annahme eines abgesprochenen Unfallereignisses mit einer Einwilligung der Klägerseite tragen: Bei der Kollision bei einem abgestellten Fahrzeug ist es deshalb von entscheidender Bedeutung, die „Unfallversion“ zu überprüfen, weswegen es zu einer solchen Kollision gekommen sein soll. Häufig finden sich bei der technischen Analyse dann klare Indizien dafür, dass der Seitenschaden doch mit geringer Geschwindigkeit und ohne jegliches Ausweichverhalten wie eine durchgehende Bremsung oder ein Lenken von der Gefahr weg bzw. Lösen der Fahrzeuge herbeigeführt worden ist. Ohnehin ist es erst einmal klärungsbedürftig, warum ein Fahrzeugführer mit langsamer Geschwindigkeit im fließenden Verkehr gegen ein gut erkennbares, am Fahrbahnrand geparktes Fahrzeug stößt, und das Greifen nach heruntergefallenen oder verlegten Gegenständen ist dafür auch ein beliebter Grund für eine Unfallursache bei abgesprochenen Unfallereignissen. Denn die Angabe, dass dem Fahrzeugführer ein Gegenstand heruntergefallen ist und darin die Ursache vom Abkommen von der Fahrbahn liegen würde, stellt einen typischen und für ein verabredetes Unfallszenario beliebten und gerne geschilderten Schadenshergang dar, zumal er für sich gesehen einfach zu behaupten und kaum zu überprüfen ist (OLG Hamburg, Urt. v. 21.02.2023 - 14 U 57/22; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.10.2015 - I-1 U 188/14). Diese Indizien gilt es dann insgesamt im Rahmen einer umfassenden Würdigung zu bewerten. Insbesondere, wenn das Unfallereignis dann auch noch ausgenutzt wird, unreparierte Altschäden mitzuverfolgen, ist nicht nur die Redlichkeit des Anspruchstellers erschüttert, sondern es findet sich eine Vielzahl an derart gewichtigen Indizien, dass in der Tat ohne erhebliche Zweifel von einem abgesprochenen Unfallereignis auszugehen ist.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Lehrreich und lesenswert wird in dieser Entscheidung des 1. Zivilsenats des OLG Düsseldorf auch dargelegt, dass im Übrigen auch den Anspruchsteller bei derartigen Prozessen eine umfangreiche Beweislast dafür trifft, dass sich der behauptete Verkehrsunfall in dieser Form eigentlich ereignet hat und die Schäden darauf beruhen. Insbesondere wenn Anhaltspunkte für einen manipulierten Verkehrsunfall bestehen, muss der klagende Geschädigte den Nachweis führen, dass sich das behauptete haftungsbegründende Verkehrsgeschehen an dem geschilderten Unfallort zur angegebenen Zeit ereignet hat, und Zweifel gehen insoweit zu seinen Lasten (BGH, Urt. v. 01.10.2019 - VI ZR 164/18 - RuS 2020, 47; BGH, Beschl. v. 25.03.2014 - VI ZR 438/13 - Schaden-Praxis 2014, 206). Bei diesem Nachweis des Unfallgeschehens können auch die eingangs angeführten Indizien zu berücksichtigen sein, welche auch Zweifel an einem unfreiwilligen Schadensereignis wecken (OLG Hamm, Beschl. v. 30.09.2015 - I-9 U 164/15; OLG Saarbrücken, Urt. v. 30.10.2012 - 4 U 259/11 - 82). Dabei hat sich das Gericht nur mit dem konkret vorgetragenen Sachverhalt zu befassen und zu überprüfen, ob sich der Unfall tatsächlich in dieser Art und Weise am behaupteten Ort ereignet haben kann – sonst kann es sich um einen sogenannten „klassischen So-nicht-Unfall“ handeln, bei dem sich verbleibende Zweifel zulasten der Klägerseite auswirken (vgl. auch den Überblick bei Nugel, ZfSch 2023, 124 ff.). Gerade bei abgesprochenen Unfallereignissen muss das Gericht dann keine weitere Unfallvariante überprüfen und auch der vom Gericht beauftragte Sachverständige ist nicht gehalten, ein weiteres irgendwie geartetes, zumindest teilweise plausibles Unfallgeschehen von sich aus aufzudecken. Im Gegenzug ist es natürlich von besonderer Bedeutung, mit den konkreten Angaben des beteiligten Fahrzeugführers/der beteiligten Fahrzeugführer das Unfallgeschehen so weit wie möglich aufzuklären, um der Klägerseite auch die Möglichkeit zu geben, ein reales Unfallgeschehen ohne bewusste Schadensherbeiführung nachzuweisen. Allerdings kommt der Fallgruppe des „So-nicht-Unfalls“ bei Fällen wie diesem eine eher geringe Bedeutung zu, wenn wie hier vorgetragen wird, dass der Geschädigte selbst gar keine Wahrnehmungen zum Unfallgeschehen getätigt hat und insoweit die Anforderungen an seine Darlegungs- und Beweislast zum konkreten Unfallgeschehen naturgemäß weiter eingeschränkt sind. Dessen ungeachtet verbleibt es bei der beim Geschädigten anzusetzenden Beweislast und damit auch einer Prüfung der Angaben des auf der Beklagtenseite beteiligten Fahrzeugführers, die es umfassend und einschließlich einer möglichen Motivationslage für falsche Auskünfte abschließend zu würdigen gilt.
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