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Anmerkung zu:BGH 1. Zivilsenat, Beschluss vom 12.10.2023 - I ZB 28/23
Autor:Prof. Dr. Dorothea Betten, Professorin für Wirtschafts-, IT- und IP-Recht
Erscheinungsdatum:15.02.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 8 MarkenG, § 23 MarkenG, § 26 MarkenG, § 25 MarkenG, § 49 MarkenG, EURL 2015/2436, EUV 2017/1001
Fundstelle:jurisPR-WettbR 2/2024 Anm. 1
Herausgeber:Jörn Feddersen, RiBGH
Zitiervorschlag:Betten, jurisPR-WettbR 2/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Name einer Sehenswürdigkeit für Reiseandenken nicht unterscheidungskräftig („Kölner Dom“)



Leitsätze

1. Das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG steht der Eintragung einer Marke für mit einem weiten Warenoberbegriff bezeichnete Waren und Dienstleistungen schon dann entgegen, wenn es hinsichtlich einzelner unter den Oberbegriff fallender Waren und Dienstleistungen vorliegt.
2. Fasst der Verkehr das aus dem Namen einer Sehenswürdigkeit - bestehend aus einer adjektivierten Ortsangabe und einer Bauwerksbezeichnung (hier: Kölner Dom) - gebildete Zeichen im Zusammenhang mit Waren, die als Reiseandenken oder -bedarf in Betracht kommen, nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Waren auf, fehlt dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Festhaltung BGH, Beschl. v. 08.03.2012 - I ZB 13/11 - „Neuschwanstein“ - BGHZ 193, 21; Abgrenzung zu EuGH, Urt. v. 06.09.2018 - C-488/16 „Bundesverband Souvenir - Geschenke - Ehrenpreise/EUIPO [Neuschwanstein]“ - GRUR 2018, 1146 ).



A.
Problemstellung
Der BGH hatte sich erneut mit der Markenfähigkeit einer Bezeichnung eines als Sehenswürdigkeit berühmten Bauwerkes zu befassen. Nach den divergierenden Entscheidungen des BGH (Beschl. v. 08.03.2012 - I ZB 13/11 - GRUR 2012, 1044) und des EuGH (Urt. v. 06.09.2018 - C-488/16 P - GRUR 2018, 1146) in der Sache „Neuschwanstein“ war eine massive Anmeldewelle von Sehenswürdigkeiten befürchtet worden (Kempe-Müller, Markenartikel 11/2018, 64-66). Diese Befürchtung dürfte sich zwar nicht bewahrheitet haben, jedoch ist danach zumindest die hier streitgegenständliche Anmeldung erfolgt.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Am 18.10.2018 meldete die Hohe Domkirche zu Köln (Körperschaft des öffentlichen Rechts – Eigentümerin des Gebäudes) den Begriff „Kölner Dom“ als Wortmarke für verschiedene Waren und Dienstleistungen in den Klassen 14,16, 25 und 35 an. 2020 wies das DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft für einen Teil der Waren und Dienstleistungen zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde beim Bundespatentgericht (BPatG) war erfolglos. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgte die Anmelderin ihr Begehren der Eintragung weiter.
II. Diese ist beim BGH auch erfolglos. Die Nachprüfung erfolgte unter den Prämissen, dass sie mangels Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil vollumfänglich erfolgen konnte und dass die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 mit Wirkung ab 14.01.2019 nicht zu einer für den Fall maßgeblichen Rechtsänderung geführt hatte.
1. Das BPatG hat festgestellt, dass das Anmeldezeichen aus einer adjektivierten Ortsangabe („Kölner“) und einer Bauwerkbezeichnung („Dom“) bestehe, die in sprachüblicher Weise zu einem allgemein gebräuchlichen Begriff für eine große, sich durch architektonische oder künstlerische Besonderheiten oder eine besondere historische Bedeutung auszeichnende Kirche in Köln zusammensetzt. Der Kölner Dom sei als Bezeichnung der Kathedrale des Erzbistum Kölns ein weltweit bekannter Kirchenbau, der als Meisterwerk der gotischen Architektur UNESCO Weltkulturerbe, Kulturdenkmal und Touristenattraktion sei.
2. a) Im Hinblick auf Waren aus der Klasse 16 (Fotografien; Druckereierzeugnisse; Kalender; Bücher, Zeitschriften […]) und unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für einen weiten Warenoberbegriff schon dann angenommen wird, wenn es bezüglich einzelner unter den Oberbegriff fallender Waren und Dienstleistungen vorliegt, bestätigt der BGH die Annahme des BPatG, dass die Bezeichnung „Kölner Dom“ für Waren, die Abbildungen des Kölner Doms zeigten oder sich thematisch mit ihm bzw. allgemein mit Sakralbauten oder Touristenattraktionen befassten, nicht unterscheidungskräftig sei.
b) Bezüglich Juwelierwaren, Schmuckwaren und weitere der Klasse 14 und 16 (Briefbeschwerer, Buchstützen etc.) lehnte das BPatG nach Ansicht des BGH rechtsfehlerfrei eine Unterscheidungskraft mit der Begründung ab, dass derartige Waren in ihrer äußeren Form dem Kirchenbau nachempfunden sein können und daher als beschreibende Angabe und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft aufgefasst werden.
c) Hinsichtlich der restlichen in Rede stehenden Waren der Klassen 14, 16 und 25, die regelmäßig als Souvenirartikel vermarket werden, lehnt auch hier das BPatG und bestätigend der BGH die Unterscheidungskraft mit der Begründung ab, dass der Verkehr in dem Aufdruck „Kölner Dom“ lediglich einen motivartigen Hinweis auf die bekannte Sehenswürdigkeit sehe. Bekannte Bauwerke und Touristenattraktionen seien häufig beliebtes Dekor oder Motiv. Zudem handle es sich bei den in Rede stehenden Waren, inklusive Gebrauchsartikel, um Produkte, die häufig mit einem Dekor oder Motiv versehen würden und sich dadurch auch besonders als Souvenir zur Erinnerung an den Besuch einer berühmten Stätte eigneten und somit nicht als Herstellerangabe wahrgenommen würden. Dieses komme allenfalls bei einer Verwendung von Bezeichnungen in Betracht, die für den Verkehr erkennbar auf den dahinterstehenden, wirtschaftlich agierenden Träger hinwiesen, wie etwa „Erzbistum Köln“ oder „Kölner Domkapitel“. Das sei hier mit der Anmelderin „Hohe Domkirche zu Köln“ nicht der Fall. Deren Argument, dass dem Verkehr bekannt sei, dass die Unterhaltung eines solchen Baudenkmals hohe Kosten verursache, so dass bei allen bedruckten Waren herkunftshinweisend auf die Anmelderin zu schließen sei, greife aufgrund der Vielzahl verschiedener Souvenirläden rund um die Sehenswürdigkeit, die ein ähnliches Sortiment aber von unterschiedlichen Unternehmen aufwiesen, nicht.
Zwar reiche der Umstand, dass eine Ware als Souvenir vertrieben wird, allein nicht, um das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft anzunehmen. Komme aber hinzu, dass der Verkehr die Verwendung des Zeichens für die Waren nur als Bezugnahme auf den Kölner Dom als Bauwerk und nicht als Unterscheidungsmittel für die Produkte auffasse, fehle die Unterscheidungskraft (vgl. BGH, Beschl. v. 08.03.2012 - I ZB 13/11 - GRUR 2012, 1044 „Neuschwanstein“).
Dieser Beurteilung stehe nicht die „Neuschwanstein“-Entscheidung des EuGH (Urt. v. 06.09.2018 - C-488/16 P - GRUR 2018, 1146) entgegen. Der EuGH habe sich nicht mit der – vorliegend relevanten – Unterscheidungskraft gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b UMV a.F., sondern mit dem beschreibenden Charakter gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c UMV a.F. befasst und entschieden, dass der Charakter eines Artikels als Souvenir für die Beurteilung als beschreibend unerheblich sei. Soweit sich der EuGH mit der Unterscheidungskraft, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b UMV a.F., auseinandergesetzt habe, sei er aufgrund der Rechtsmittelbegründung im dortigen Verfahren darauf beschränkt gewesen zu prüfen, ob das Urteil des EuG unzureichend begründet war. Dies habe der EuGH verneint und keine darüber hinausgehende Rechtsprüfung vorgenommen (vgl. Kochendörfer, jurisPR-WettbR 10/2018 Anm. 3).
d) Soweit Waren von der Anmeldung umfasst seien, die eher nicht als Souvenirs Verwendung finden, sei es auch für diese üblich, sie mit Motiven zu versehen, die entweder rein dekorativ oder als Botschaft an die Umwelt, aber nicht herkunftshinweisend, zu verstehen sind.
e) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das BPatG habe nicht – wie erforderlich – sämtliche wahrscheinliche Verwendungsarten der Marke geprüft, weist der BGH zurück. Das BPatG habe auch bei einer kennzeichnungstypischen Anbringung des Zeichens „Kölner Dom“ den Sachbezug als im Vordergrund liegend angenommen und festgestellt, dass das Anmeldezeichen auch unter Berücksichtigung sämtlicher praktisch bedeutsamer und daher wahrscheinlicher Verwendungsarten i.V.m. den beanspruchten Waren nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel aufgefasst werde.
f) Auch hinsichtlich der Einzel- und Großhandelsdienstleistungen billigt der BGH die Annahme des BPatG, es fehle an der Unterscheidungskraft. Das Anmeldezeichen werde vom Verkehr als Sachangabe aufgefasst, die über die Art und thematische Ausrichtung des betreffenden Warenangebotes bzw. den Erbringungsort Auskunft gebe. Das BPatG bestätigend nimmt der BGH an, dass das Zeichen, bestehend aus einer konkreten, adjektivierten Ortsangabe und der Bezeichnung eines bestimmten Typs eines sakralen Gebäudes, „Kölner Dom“, als Sachbezug auf das geografisch lokalisierbare Bauwerk „Kölner Dom“ und nicht als Unterscheidungsmittel für die in Rede stehenden Dienstleistungen verstanden wird.
g) Die teilweise abweichende Beurteilung der Schutzfähigkeit des Zeichens „Neuschwanstein“ durch den EuGH erklärt der BGH mit dem Hinweis auf die von den jeweiligen Vorinstanzen unterschiedlich getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der EuGH und der Senat jeweils gebunden waren, und die verfahrensbedingt unterschiedliche Prüfungstiefe.


C.
Kontext der Entscheidung
Auch nach der Entscheidung des EuGH im Verfahren über die Marke „Neuschwanstein“ (EuGH, Urt. v. 06.09.2018 - C-488/16 P - GRUR 2018, 1146) bleibt der BGH seiner Entscheidungspraxis treu. Die Ansicht von Ströbele (in: Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, § 8 Rn. 112, 535), dass es aufgrund des Urteils des EuGH nicht zu einer grundlegenden Änderung der Spruchpraxis des BGH kommen müsse, hat sich damit bestätigt. Die unterschiedlichen Feststellungen im Hinblick auf die Bezeichnungen „Phantasiename ohne beschreibenden Bezug“ („Neuschwanstein“) gegenüber adjektivierter Ortsangabe und Bauwerkbezeichnung („Kölner Dom“), die verschiedenen Schwerpunkte in der rechtlichen Überprüfung, einerseits im Hinblick auf die Beschreibung (Art. 7 Abs. 1 c UMV a.F.) und andererseits hinsichtlich der Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), sowie Unterschiede in der verfahrensbedingten Prüfungstiefe begründen die abweichenden rechtlichen Bewertungen und Entscheidungen. Da es eine Entscheidung im Einzelfall ist, ob eine Bezeichnung im Hinblick auf einzelne Waren und Dienstleistungen Sachbezug aufweist oder als Herkunftshinweis funktioniert, gilt dies auch im Hinblick auf Waren und Dienstleistungen, die nicht oder eher selten als Reiseandenken in Souvenirläden verkauft werden.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Markenanmelder müssen sich entscheiden, ob sie eine Anmeldung auf deutscher oder europäischer Ebene versuchen wollen. Wie im Fall der Marke „Kölner Dom“ kann der Schutz auf europäischer Ebene deutlich weiter ausfallen (EM 017966576, Anmeldetag 09.10.2018, für 44 Waren- und Dienstleistungsklassen und für die nationale Marke DE 302018111639, Anmeldetag 18.10.2018, lediglich 3 Waren- und Dienstleistungsklassen). Dies ist im Hinblick darauf bemerkenswert, dass die Europäische Marke den Markenraum Deutschland mitumfasst.
Nach der Eintragung auf europäischer Ebene bleibt jedoch die Herausforderung, im Verletzungsverfahren zu prüfen, ob durch den möglichen Markenverletzer überhaupt eine markenmäßige Benutzung vorliegt und ob ggf. der Anwendungsbereich des § 23 Nr. 2 MarkenG eröffnet ist. Berücksichtigt werden muss dabei, dass auch die Verwendung in üblicherweise herkunftshinweisender Form, z.B. auf Etiketten, Anhängern, Aufnähern etc. im Einzelfall vom Verkehr in einem beschreibenden Sinn aufgefasst werden kann, wie der BGH vorliegend in dieser Entscheidung betont hat. Das wiederum führt dazu, dass die Marke einer Sehenswürdigkeit, die üblicherweise als Dekor oder Motiv Verwendung findet, zwar eingetragen, aber in der Durchsetzung wenig schlagkräftig ist. Je bekannter die Sehenswürdigkeit, desto wahrscheinlicher dürfte es sein, dass der Name dieser Sehenswürdigkeit vom Verkehr lediglich als Bezeichnung eben dieser Sehenswürdigkeit aufgefasst wird (Bittner, Marken für touristische Sehenswürdigkeiten, WRP 2012, 1503-1509). Zudem gilt: je bekannter die Sehenswürdigkeit, desto größer und umfassender ist das Angebot von Souvenir-Artikeln, so dass auch eine Vielzahl der Waren und Dienstleistungen betroffen sind.
Gleichzeitig läuft auch die Markeninhaberin Gefahr, selbst die Marke nur beschreibend und daher nicht ernsthaft i.S.d. § 26 MarkenG zu benutzen, so dass sie sich gemäß § 25 MarkenG ganz oder in Teilen nicht darauf berufen kann bzw. die Marke gemäß § 49 MarkenG löschungsreif ist.



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